Jörg Kubitzki
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Herr Kollege Panse, Sie stellten hier dar, dass es genügend Mittel für die Feriengestaltung bzw. Familienurlaube gibt. Wie bewerten Sie dann die Tatsache, dass der Staatssekretär a.D. und der jetzige Geschäftsführer der Stiftung FamilienSinn, Herr Illert, bei Landeswelle auf eine diesbezügliche Anfrage sinngemäß die Aussage traf, dass es so viele Anträge auf Unterstützungsleistung für Familienurlaube von Familien in Thüringen an die Stiftung gibt, dass nur ein Drittel der Anträge beschieden werden konnte, weil ganz einfach keine Mittel mehr zur Verfügung standen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich sage das gleich vorweg und das trifft hier, glaube ich, für
alles heute zu, was in diesem Haus passiert. Ich glaube, jeder Antrag heute stand in irgendeinem Zusammenhang mit dem Datum 30.08., jeder, auch die Anträge von der SPD. Da sei uns doch gestattet, meine Damen und Herren, wir machen mit.
Das sage ich gleich, aber, wie gesagt, jeder Antrag heute, jeder Antrag, auch die Anträge, die wir heute früh behandelt haben.
Frau Künast, das hat mich schon ein bisschen gereizt, was Sie jetzt gesagt haben. Das hat mich um diese Zeit noch mal ein bisschen motiviert, das muss ich an dieser Stelle auch sagen. Als Erstes würde ich Ihnen empfehlen, lesen Sie Ihre Wahlplakate, die Sie draußen aufgehängt haben. „Wir sind für Ihre sichere Rente“, kann ich ein paar Mal an der Straße lesen.
Dann verstehe ich Sie natürlich, Frau Künast, alles, was mit Rente zu tun hatte in den letzten Jahren, kam vom Bund und für das Ministerium war Ihre Partei verantwortlich. Wenn wir bei dem Rentenrecht sind, da brauchen Sie mich nicht zu belehren. Ich will jetzt hier auch keine Rentenschulung machen, nicht um diese Zeit. Aber was Sie gesagt haben mit der dynamischen Rente usw. - Ihre Partei mit Ihren Sozialministern in der Bundesrepublik hat mit Einführung von zig Rentenformeln und Rentenklauseln und -faktoren dazu beigetragen, dass wir heute nicht mehr von einer dynamischen Rente reden können.
Wenn Sie jetzt die Rente mit 67 verteidigen - das ist Ihr gutes Recht, Sie haben sie ja erfunden -, dann sage ich nur, wehret den Anfängen. Heute sprechen wir von 67 Jahren, ich habe die letzten Tage auch schon mal einen quaken hören „69 Jahre“. Vielleicht setzen wir das auch noch mal ein bisschen rauf.
Meine Damen und Herren, Rente mit 67, das bedeutet Abstriche. Das, was 2010 erfolgen soll, die Revisionsklausel - machen wir uns doch nichts vor, die Antwort können wir Ihnen doch jetzt schon geben auch in Bezug auf die Wirtschaftskrise. Die Wirtschaft wird es nicht schaffen, für ältere Arbeitneh
mer genügend Arbeitsplätze zu schaffen.
Ich stimme mit Ihnen überein, Frau Künast, wenn Sie sagen, für bestimmte Berufsgruppen muss es die Möglichkeit geben, früher in die Rente einzusteigen. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, wenn ich an meine Krankenschwestern denke, stimme ich Ihnen vollkommen zu. Bloß, dann hätten Sie es machen müssen, als Sie die Rente mit 67 eingeführt haben. Das haben Sie nicht gemacht. Wie schnell uns das Thema Rente, meine Damen und Herren, einholen kann, das haben wir ja nun die letzten Tage erlebt. Schlagzeilen „Rentner werden besteuert“ oder in dieser großen Boulevardzeitung „Finanzamt macht Jagd auf Rentner“ oder so sinngemäß. Sie waren ja, Frau Ministerin, beim Bund der Ruhestandsbeamten in Mühlhausen, haben das auch sehr scharf kritisiert. Aber da muss ich sagen, Frau Ministerin, ich hätte aber auch nicht nur die Kritik gewünscht bei der Veranstaltung, ich hätte auch dort, als das bekanntgegeben wurde, eine offizielle Stellungnahme der Landesregierung erwartet. Das muss ich sagen.
Na ja, aber jetzt wird es wieder aktuell. Klar ist das 2005 beschlossen worden, da gebe ich Ihnen doch recht, aber die Menschen vergessen auch viel, unsereiner manchmal selber auch etwas. Jetzt steht plötzlich „Rentenbesteuerung“, „Jagd auf Rentner macht das Finanzamt“ und dergleichen mehr. Auch wenn es 2005 beschlossen worden ist, Sie haben doch Ihren Standpunkt in Mühlhausen gesagt. Das hätte doch die Landesregierung offiziell machen sollen.
Ich sage ganz deutlich, Rentner sind nicht die Melkkühe dieses Landes.
Es geht eigentlich darum, dass Lebensarbeitszeit sich auch im Alter widerspiegelt und deshalb, wer sein Leben lang gearbeitet hat, braucht auch eine lebensstandardsichernde Rente. Nun kommt die Steuer hinzu und vor allem, es verunsichert die Menschen, es gibt viele Fragen. Fakt ist, bei alleinstehenden Neurentnern ist die Besteuerungsfreigrenze zurückgegangen bis 2005 von 1.441 € auf 1.289 €. Und wenn das jetzt ab 2010 wirkt, was 2005 beschlos
sen worden ist, wird diese Grenze noch heruntergehen auf 1.276 €. Das heißt bei einem alleinstehenden Rentner, alles, was er über 1.276 € hat, wird besteuert. Ein Durchschnittsrentner in der Bundesrepublik: Wer 45 Jahre gearbeitet hat, das ist der sogenannte Eckrentner, der liegt nach 45 Arbeitsjahren gegenwärtig bei einer Rente von durchschnittlich 1.224 €. Bis zu 1.276 € ist das nicht mehr weit. Hinzu kommt nun noch das Schizophrene: Rente erhalte ich, indem ich von meinem Arbeitseinkommen Geld in die Rentenversicherung gezahlt habe. Mein Arbeitseinkommen, das ich habe, das wird ja schon vom Staat versteuert. Das heißt, wenn ich arbeite, zahle ich Steuern und zahle zusätzlich in die Rentenkasse. Jetzt bin ich Rentner und jetzt schlägt der Staat gleich noch einmal zu, indem die Gefahr besteht, dass meine Rente auch versteuert wird. Das heißt, die Betroffenen zahlen in ihrem Leben zweimal Steuern, einmal auf ihr Arbeitseinkommen und dann nochmals Steuern auf das, was von ihrem Arbeitseinkommen abgezogen und in die Rentenkasse gezahlt wurde. Das muss ich den Menschen erst einmal erklären können. Ich muss sagen, meine Damen und Herren, da hätte ich von der Landesregierung, aber auch von der SPD schon einmal eine klare Aussage erwartet - ganz offiziell und nicht nur in geschlossenen Veranstaltungen.
Richtig, aber trotzdem begrenzt und dann war sie am Stadtrand, Frau Ministerin.
Da hätten wir aber den Parkplatz räumen müssen.
Jetzt könnte ja wieder ein ganz großer Schelm kommen und sagen, es wird ja erst bei diesem Betrag von 1.276 € versteuert, das trifft auf uns sowieso nicht zu, wer verdient schon so viel Rente. Da komme ich jetzt zum nächsten Problem. Im Osten wird es vorläufig bestimmt nicht viele treffen, weil - und da kommen wir zu den Rentenungerechtigkeiten - wir eben noch keinen angeglichenen Rentenwert Ost an West haben und, meine Damen und Herren, weil wir noch eine ganze Reihe Rentenlücken haben, wo ganze Berufsgruppen im Osten benachteiligt werden und wo ihnen sogar etwas weggenommen wurde mit der Rentenüberleitung. Das ist so. Bloß wollen wir jetzt damit argumentieren, dann wollen wir das lieber nicht klären, denn erhöhen wir die Ostrenten und schließen die Rentenlücken, dann müssen die ja Steuern bezahlen. Ich glaube, das ist ein politischer
Kreislauf, der wirklich nicht erklärbar ist. Das muss ich an dieser Stelle sagen. Und was die Rentenlücken betrifft, dazu haben wir Anträge gestellt, die sind abgelehnt worden. Dann haben Sie ähnliche Anträge gestellt, denen haben wir sogar zugestimmt. Es geht doch um die Sache. Wir richten uns immer nach der Sache.
Aber was ist denn seitdem passiert? Genauso die Initiative, nicht zu leugnen, die die Landesregierung in den Bundestag eingebracht hat, was die Frage OstWest betrifft und dergleichen mehr. Mir ist schon bewusst, dass das nicht so einfach zu regeln ist, das ist klar. Ich muss die Rentenformel schon ändern, ich muss Gesetze ändern, das ist richtig, keine Benachteiligung usw. Aber, ich glaube, bei dem heutigen Stand der Dinge ist alles machbar, wenn ich es will. Ein deutliches Zeichen wäre gewesen, wenn die Bundesratsinitiative oder der Bundesrat wenigstens schon den Zeitplan verabschiedet und zumindest ein Zeichen gesetzt hätten, unser Zeitplan ist bis dahin das und ab dann gilt das. Aber auch das ist nicht erfolgt. Man hat nur gesagt, wir arbeiten daran. Arbeiten kann ich daran auch 20 Jahre. Dann kann man vielleicht gar nicht mehr darüber reden, weil viele nicht mehr in den Genuss kommen. Es muss nur gewollt werden. Und wenn was gewollt wird, wir haben das heute im Justizausschuss gesehen, da ändern wir auch gleich einmal die Geschäftsordnung so, wie wir es haben wollen; so ist eben Politik. Wenn die Politik was nicht haben will, macht sie das nicht.
Ich habe es heute früh live erlebt, Herr Bergemann. Live habe ich das heute erlebt, wie wir heute hier in Paragraphen - wir hätten das Ding sogar „Wahlkampfparagraph“ nennen können. Es ist egal, es ist ein anderes Thema.
Ein Letztes, Frau Künast, noch: Das haben Sie richtig gesagt, Rente mit 67 haben Sie gemacht, um die Beitragssätze nicht zu erhöhen. Aber haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, was wir für Schritte tun könnten, damit mehr Geld in die Rentenkasse kommt? Ich kann mich erinnern, da hat sogar die SPD von der Bürgerversicherung gesprochen. Sie hat sie uns sogar weggenommen, geklaut, hat Bundestagswahlkampf damit gemacht.
Bürgerversicherung, genauso wie ihr jetzt auf Mindestlohn anspringt. Was gut ist für die Leute, da diskutiert ihr über Mindestlohn; kämpfen wir für Mindestlohn.
Das stimmt auch wieder nicht. Bürgerversicherungen haben schon ganz andere Leute erfunden, da gab es noch nicht mal die Grünen. Es muss sich doch mal Gedanken gemacht werden, was können wir denn tun, nicht nur über die Ausgaben sprechen, sondern, Frau Künast, wir müssen uns Gedanken machen, was können wir tun, damit Einnahmen in die Rentenkasse kommen. Da ist eben das Thema Bürgerversicherung. Ein erster Schritt wäre, das, was der DGB vorgeschlagen hat, was die Volkssolidarität vorgeschlagen hat, was der Sozialverband Deutschland vorgeschlagen hat - wir beginnen als ersten Schritt mit einer Erwerbstätigenversicherung. Jeder, der ein Erwerbseinkommen hat, zahlt ein. Das wäre ein erster Schritt.
Dann können wir darüber reden, was für Geld wir in der Rentenkasse haben und wie wir das Geld ausgeben. Aber, ich muss sagen, man muss es nur wollen.
Ein Allerletztes, das Ding mit der Rentensicherungsklausel - so nennt sich das - ist genauso ein Ballon. Das kam gut an. Ich war gerade an dem Tag, an dem es verkündet wurde, bei einer Seniorenveranstaltung, die haben Beifall geklatscht, richtig Beifall geklatscht. Es ist doch ein Verkohlen der Leute, man verkohlt die Leute, es kommt aus dem Sozialministerium und das ist SPD-geführt.
Das hat mit Kämpfen nichts zu tun. Das geht ganz einfach darum, dass wir den Leuten nichts vorgaukeln, Frau Ministerin. Rentensicherungsklausel heißt, wenn Lohn sinkt, sinkt die Rente nicht, das wird den Leuten suggeriert. Da muss ich schon wieder sagen, wie ist das mit eurem Kampf für Mindestlohn? Wieso geht ihr jetzt davon aus, dass der Lohn sinken kann? Da fehlt mir wieder der Optimismus. Was heißt Rentensicherungsklausel? Wenn die Löhne sinken, sinkt nicht die Rente. Diese Rentensicherungsklausel bedeutet doch nur eins: Der Geldbetrag, den
jetzt der Rentner hat, bleibt zumindest gleich. Na und? Das habt ihr schon über ein paar Jahre, in denen es keine Rentensteigerung gab. Was beachte ich dort nicht? Ich suggeriere den Leuten, eure Rente bleibt gleich, auch wenn die Löhne sinken. Die Rente bleibt aber nicht gleich. Die Kosten für das Leben werden immer teurer, Inflationsrate und dergleichen mehr. Zum Schluss, auch wenn der Geldbetrag gleich bleibt, können sich die Leute trotzdem für diesen Geldbetrag weniger leisten. Also, meine Damen und Herren, indirekt sinkt die Rente. Das ist doch die Wahrheit und dazu sollten Sie sich bekennen, weil das Ihre Politik ist. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich kann jetzt als Erstes schon erklären, dass unsere Fraktion diesem Gesetzentwurf die Zustimmung verweigern wird, weil letzten Endes die Dienstleistungsrichtlinie, meine Damen und Herren, eine schlechte Dienstleistungsrichtlinie ist, eine Richtlinie ist, die besonders die Gefahr in sich birgt, dass Arbeitsplätze auch bei uns verloren gehen, dass Standards abgesenkt werden und dass vor allem die Arbeitnehmerrechte nicht gewahrt werden. Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Bundesrepublik, meine Damen und Herren, beweist, dass auch die Dienstleistungsrichtlinie der EU unklar formuliert ist. Allein
durch die Tatsache, dass wir 16 Bundesländer haben, haben wir auch 16 Varianten, wie die Dienstleistungsrichtlinie in der Bundesrepublik umgesetzt wird. Schuld daran sind die unklaren Formulierungen innerhalb dieser Dienstleistungsrichtlinie.
Die Unklarheiten zum Beispiel sind: Es ist nach wie vor nicht geklärt die Definition und die Darlegung, was sind öffentliche Dienstleistungen, was sind Dienstleistungen mit wirtschaftlichem Charakter und vor allem, was sind Dienstleistungen, die der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen, die nicht unter den Bereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen. Auch wenn oft gejubelt wird, das Herkunftslandprinzip ist aus der Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen worden, so müssen wir sagen, der Begriff „Herkunftslandprinzip“ ist zwar herausgenommen worden, aber nicht das Prinzip an sich, in dem nämlich die Nichtdiskriminierung von Dienstleistungsanbietern festgeschrieben ist. Diese Kriterien der Nichtdiskriminierung, weil sie unklar formuliert werden, werden zukünftig vor allem durch den Europäischen Gerichtshof geklärt werden, auch die Unklarheiten, wie die Umsetzung der einheitlichen Stellen erfolgt, 16 Bundesländer - 16 Modelle.
Nur einige Beispiele: Baden-Württemberg hat das Allkammermodell gewählt, aber unter Beteiligung der Gewerkschaften über eine Beiratsstruktur. Das heißt, dort sind wenigstens noch die Arbeitnehmerrechte berücksichtigt. Berlin und Brandenburg haben die einheitlichen Stellen beim Senator für Wirtschaft bzw. beim Wirtschaftsministerium angesiedelt. Das Saarland wählte das Prinzip Kooperation aus Kammern und kommunalen Zweckverbänden. Hessen hat die Kommunen eingebunden und macht eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Also wir sehen, einheitlich in der Bundesrepublik sind die einheitlichen Stellen nicht geklärt. Dort wird es auch viele Auslegungsfragen geben.
Die Thüringer Landesregierung, meine Damen und Herren, hat nun das Modell gewählt, was eigentlich typisch für die Landesregierung ist. Sie hat die Verantwortung abgegeben an Dritte, indem das reine Kammermodell gewählt wurde. Es mag zwar eine gewisse Zweckmäßigkeit dabei drinliegen, was auch die Fachlichkeit betrifft, aber die Verantwortung hat damit die Landesregierung bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie an Dritte abgegeben, was letzten Endes auch typisch ist, muss ich sagen. Im Sozial- oder Kulturbereich kennen wir das auch. Wenn Sie dort Verantwortung abgeben, bildet die Landesregierung dann Stiftungen. Hier hat sie das Kammermodell gewählt.
Viele offene Fragen sind auch hier in Ihrem Gesetzentwurf noch drin. Was zum Beispiel nicht mitgeteilt wurde im Rahmen der Anhörung, ist, dass die Gewerkschaften, der DGB, massive Kritik geübt haben,
dass bei den einheitlichen Stellen die Arbeitnehmerrechte nicht eingebracht werden können. Wir sagen eindeutig, die Einbindung der Gewerkschaften wäre sinnvoll gewesen, weil nämlich die Gefahr besteht, dass Arbeitnehmerrechte mit der Dienstleistungsrichtlinie ausgehebelt werden können.
Es ist auch nicht geklärt worden, wie das Zusammenwirken zwischen den Kammern und den Kommunen erfolgen soll. Auch das sind noch unklare Fragen. Zudem müssen wir natürlich an dieser Stelle sagen, dass es dabei auch Diskrepanzen gab zwischen dem Gemeinde- und Städtebund einerseits, die diese Aufgabe selbst übernehmen wollten, und dem Landkreistag. Aber Fakt ist eins: Die Kommunen müssen bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie einbezogen werden.
Es besteht dann natürlich noch die Gefahr, dass wir auch unterschiedliche Auslegungen der Dienstleistungsrichtlinie und des unterschiedlichen Umgangs mit Anträgen haben werden zwischen den einzelnen Kammerbezirken, weil wir nun mehrere einheitliche Stellen haben. Als Letztes konnte die Frage nicht beantwortet werden, wie es mit dem Haftungsrecht ist, wenn eine falsche Entscheidung getroffen wird bzw. wenn ein Antragsteller den Rechtsweg geht. Wer haftet dann dafür? Sind das dann die Kammern, sind das die einheitlichen Stellen, sind das die Kommunen, weil sie einen Verwaltungsakt getroffen haben, oder ist das dann die Landesregierung? Ich betone noch einmal: Arbeitnehmerrechte sind in den einheitlichen Stellen überhaupt nicht berücksichtigt. Das sind die Gründe für uns, eine schlechte Richtlinie, eine schlechte Umsetzung abzulehnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, anschließend an Herrn Eckardt muss ich sagen, die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch wir haben noch die Hoffnung, dass wir irgendwann in der neuen Periode des Landtags - und das werden wir tun - unseren Gesetzentwurf wieder auf die Tagesordnung setzen. Auch wir hätten es gern gehabt und vor allem muss ich sagen, nicht nur wir, auch die vielen Seniorenorganisationen, Seniorenverbände, mit denen wir gesprochen haben, mit denen wir gemeinsam dieses Gesetz erarbeitet haben, wo ihre Ideen, ihre Ansichten einfließen konnten, hätten heute erwartet, dass wir das Gesetz hier in dem Hohen Haus verabschieden.
Es ist nichts geworden, meine Damen und Herren, und ich muss sagen, es ist auch nichts geworden durch die Verzögerungstaktik der CDU im Ausschuss.
Ja, das ist so, immer dieselben. Bremser in der Mitte, Bremser, das ist es.
Das Problem ist doch, man hat immer wieder Ausflüchte gesucht, man wollte die jetzigen Strukturen sehen, was ist es und dergleichen mehr. Aber die Anhörung hat es doch eindeutig bewiesen, Frau Ministerin und meine Damen und Herren der Mitte, durchweg haben - außer eine, die werde ich dann noch nennen - alle Anzuhörenden dieses Gesetz befürwortet. Es kamen auch Anregungen.
Nein, die Seniorenunion hat es kritisiert, das war die eine, wo ich gesagt habe, auf die komme ich noch zu sprechen.
Aber, meine Damen und Herren, Sie haben es verzögert, so müssen wir das heute konstatieren. Das Problem ist, Sie haben wiederum einmal die Meinung der Organisationen und Verbände nicht ernst genommen. Das ist das Traurige an der Angelegenheit. Jawohl, ich muss an dieser Stelle sagen, es gibt schon Seniorenbeiräte in Kreisstädten, in anderen Orten, aber die sind hervorgegangen teilweise aus Eigeninitiative, die sind aber auch hervorgegangen, weil wir Anfang der 90er-Jahre ein Bundesprogramm dafür hatten. Das sind noch klägliche acht Seniorenbeiräte, die wir im Land Thüringen haben, die davon übrig geblieben sind. Auch wenn es einen Seniorenbeirat beim Land gibt, so müssen wir sagen, dieser Landesseniorenbeirat, der auch Koordinierungsfunktion hat, ist im Prinzip nur ein Anhängsel des Sozialministeriums. Es ist kein Seniorenbeirat, wo die Vertreter gewählt worden sind von unten heraus aus den Verbänden und den Interessenvertretungen der Senioren. Deshalb wollen wir, dass auf demokratischer Basis Seniorenbeiräte in den Kreisen, in den kreisfreien Städten gewählt werden von den Seniorenorganisationen selbst.
Deshalb wollen wir auch, dass diese Seniorenbeiräte der Landkreise und Städte dann das Mitglied wählen, was in den Seniorenbeirat des Landes reingewählt wird und dort mitarbeiten soll. Das ist Demokratie. Meine Damen und Herren der Mitte, ich habe den Eindruck, das ist für Sie zu demokratisch. Aber ich kann Ihnen versprechen, in der nächsten Legislaturperiode werden wir das Gesetz erneut auf die Tagesordnung stellen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, man kann eigentlich froh sein, dass diese Legislaturperiode bald dem Ende entgegengeht.
Na endlich werden Sie munter, meine Damen und Herren, bei der Regierungserklärung waren Sie ja etwas schläfrig.
Seit einem Jahr hören wir hier eine Reihe von Regierungserklärungen. Ich muss sagen, die ersten haben stark angefangen, Frau Sozialministerin, Frau Justizministerin, dann nahm natürlich das Niveau der Regierungserklärungen schlagartig ab und, ich glaube, den Tiefpunkt einer Regierungserklärung haben wir am heutigen Tag erlebt. Ihre Regierungserklärung, Herr Minister Zeh, ist ohne Emotion, ohne Vision, ohne Ziele. Sie ist eine buchhalterische Aufzählung von inhaltlosen Thesen, mit denen man niemanden hinter dem Ofen hervorlocken kann, geschweige denn an die Wahlurne. Diese Regierungserklärung ist noch nicht einmal der Versuch, die Bedeutung und Perspektive einer europäischen Einigung den Bürgern nahezubringen. Vor allem fehlen Akzente, wie die Landesregierung auf die Bürger zugehen will, um ihnen dieses Europa nahezubringen.
Sie, Herr Minister, loben Ihre Tätigkeit als Vorsitzender der Europaministerkonferenz. Herr Minister, ich muss Ihnen sagen, wenn Sie mal ins Land gehen, dann sehen Sie, es hat kaum ein Thüringer wahrgenommen, dass Sie den Vorsitz der Europaministerkonferenz hatten und dass davon für Thüringen Impulse ausgegangen oder hervorgegangen sind.
Sie unternehmen mit Ihrer Regierungserklärung einen letzten, verzweifelten Versuch, die Bürgerinnen und Bürger Thüringens zum Gang an die Wahlurne für die Europawahl zu bewegen.
Wenn man den Titel der Regierungserklärung „Thüringen wählt Europa!“ hört, muss man sich die Frage stellen, wodurch ein Thüringer Bürger die Erkenntnis gewinnen soll, er muss zur Europawahl, nachdem er diese Regierungserkläung zur Kenntnis genommen hat. Glücklicherweise müssen wir sagen, es sind am 07.06. nicht nur Europawahlen, sondern auch Kommunalwahlen, was sich, wie wir alle hoffen, positiv auf die Wahlbeteiligung auswirken wird und wahrscheinlich auch positiver auf die Teilnahme an der Europawahl auswirken wird als vielleicht in Bundesländern, wo nur die Europawahl stattfindet.
Mit Ihrer Regierungserklärung, Herr Minister Zeh, unternehmen Sie den Versuch, die jahrelang bewusst vernachlässigte Beteiligung und Einbeziehung der Thüringer Bürgerinnen und Bürger in die europäische Politik durch die Landesregierung zu verschleiern und ihnen jetzt den Weg an die Wahlurnen zu weisen. Schon zu Beginn Ihrer Regierungserklärung dokumentieren Sie Ihre Demokratieauffassung, indem Sie richtigerweise feststellen, dass die Bürger zur Europawahl die Möglichkeit haben, über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments zu entscheiden. Mit dem nächsten Satz, ich zitiere: „Das ist die wichtigste direkte Einflussmöglichkeit.“, dokumentieren Sie, dass nach der Wahl der Wähler von weiteren Einflussmöglichkeiten so gut wie ausgegrenzt ist. Genau das praktizieren Sie, Herr Minister, und die gesamte Landesregierung seit Jahren. Genau das ist der Punkt, meine Damen und Herren, der bei den Menschen Politikverdrossenheit erzeugt.
Zweifelsfrei widerspiegelt Ihre Regierungserklärung auch positive Aspekte, die wir nicht unter den Tisch kehren wollen. Es gibt in Thüringen in Bezug auf die Entwicklung des Europagedankens durchaus Fortschritte, was sich besonders bei jungen Menschen in diesem Land bemerkbar macht. Fragen des gegenseiten Kennenlernens der europäischen Länder, der Studentenaustausch innerhalb der Europäischen Union, die Tätigkeit des Europäischen Informationszentrums, die Durchführung von Informationsveranstaltungen an Thüringer Schulen und an Berufsbildungseinrichtungen und die Vergabe des Titels „Europaschule“ sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Jawohl, auch wir sagen, das sind wichtige Schritte, um junge Menschen an europäische Themen heranzuführen und sie zu motivieren, sich mit europäischen Themen auseinanderzusetzen.
Aber auch hierzu müssen wir kritisch anmerken, dass Wort und Tat der Landesregierung oft keine Einheit bilden. Wer die von der Landesregierung eingeplanten EU-Mittel zur Kofinanzierung der Hochschulen sukzessive kürzt, entspricht bei Weitem nicht dem europäischen Standard, weicht das doch vom europäischen Gedanken ab. Von den im Rahmen der Lissabon-Strategie angestrebten Anteil der Forschungsinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt von 3 Prozent ist Deutschland mit einem aktuellen Anteil von rund 2,5 Prozent noch weit entfernt. In Thüringen lagen die FuE-Ausgaben laut der aktuellen Veröffentlichung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Jahr 2005 bei 805 Mio. €. Gemessen am gesamten Bruttoinlandsprodukt Thüringens betrugen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Thüringen somit 1,81 Prozent. Das sind Zahlen, die wir Ihrer europapolitischen Strategie der Landesregierung auf der Seite 24 entnommen haben. Damit werden europäische Standards nicht erfüllt. Wer die Einführung und Umsetzung von Richtlinien zur Technologieförderung und zur Förderung von wissenschaftlich-technischem Personal an Hochschulen nur sehr schleppend voranbringt und wer die Umsetzung transnationaler Projekte sehr zurückhaltend behandelt, der setzt ebenfalls nicht europäische Maßstäbe um. So wurden gerade für die transnationalen Projekte seit Inkrafttreten der Richtlinie von 2007 bislang nur drei Projekte mit einem Fördervolumen in Höhe von 2 Mio. € bewilligt; sieben Projekte sollen erst im Jahr 2009 beginnen. Dann muss man sich nicht wundern, dass das Vertrauen junger Menschen in die Europapolitik dieser Landesregierung gelassen ist.
Meine Damen und Herren, angesichts der Prognosen und Schlussfolgerungen des Eurobarometers 69.2, welches vom Europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurde und im September 2008, als sich die ersten Anzeichen der Wirtschafts- und Finanzkrise zeigten, veröffentlicht wurden, gaben 51 Prozent der Befragten an, kein Interesse an den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 zu haben. Sie haben eine Zahl für Deutschland genannt. Mehr als die Hälfte der wahlberechtigten EU-Bürgerinnen und -Bürger haben kein Interesse an der Wahl zur Europäischen Union. Das sollte uns wirklich allen zu denken geben. In Deutschland beträgt die Zahl 52 Prozent, die uninteressiert an der Europawahl sind. Erfragt wurde ebenfalls die Wahrscheinlichkeit zur Wahl zu gehen. Im EU-Durchschnitt liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Bürgerinnen und Bürger an der Wahl zur Europäischen Union beteiligen, bei 30 Prozent, in Deutschland bei 40 Prozent. Auf den ersten Blick ist Deutschland zwar besser als der europäische Durchschnitt, aber uns sollte das trotzdem bedenklich stimmen. Lediglich 22 Prozent der Wahlberechtigten bis 24 Jahre gaben an, dass sie auf jeden Fall zur Wahl gehen wer
den. Bei den 25 bis 39-Jährigen waren es 26 Prozent, bei den 40 bis 54-Jährigen 32 Prozent und bei den Wahlberechtigten im Alter 55 plus waren es 35 Prozent. Eine analoge Befragung in Thüringen würde mit aller Wahrscheinlichkeit ähnliche Werte hervorrufen, das belegt die Wahlbeteiligung der Thüringerinnen und Thüringer an Europawahlen der letzten Jahre. 1994 lag die Wahlbeteiligung noch bei 71,9 Prozent, 1999 waren es nur noch 58,1 Prozent und 2004 53,7 Prozent. Sie haben das in Ihrer Regierungserklärung reflektiert und ebenfalls eingeschätzt, das ist nicht zufriedenstellend. In Ihrer Regierungserklärung, Herr Minister, benennen Sie keine Ursachen dafür, was deutlich macht, dass Sie überhaupt nicht nachgedacht haben, warum die Menschen nicht zur Europawahl gehen. Herr Minister, dabei möchte ich Ihnen etwas nachhelfen. Ebenfalls beziehe ich mich auf das Eurobarometer. Gefragt nach den Gründen, nicht wählen zu gehen, gaben 68 Prozent an, sie denken, dass ihre Stimme nichts ändern wird. 60 Prozent wissen nicht genug über das Europäische Parlament. 59 Prozent interessieren sich nicht für Europawahlen. 58 Prozent denken, dass sie nicht ausreichend informiert sind, um wählen zu gehen. 57 Prozent denken, dass sich das Europäische Parlament nicht ausreichend um ihre Probleme kümmert. 53 Prozent fühlen sich von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments nicht ausreichend vertreten. Diese Ergebnisse, Herr Minister, sind Beleg dafür, dass die Forderungen meiner Fraktion, die Thüringer Bürgerinnen und Bürger sowie diesen Landtag unmittelbar in den Entscheidungsprozess der Europäischen Union einzubeziehen, kein sinnloses Unterfangen, keine Luftblasen oder keine heiße Luft sind, sondern es wäre der einzige richtige Weg, wenn man die Menschen für den Europagedanken interessieren will, dass man sie motiviert, dass man sie in die Entscheidungsprozesse im Hinblick auf die Europäische Politik mit einbezieht.
Die Menschen in Thüringen, Herr Minister, möchten mitentscheiden und sie möchten mehr Einblick darüber erhalten, was denn nun tatsächlich in der Europastadt Brüssel verhandelt und beschlossen wird.
Unser Antrag hier im Landtag, zum Reformvertrag ein Referendum in Deutschland durchzuführen, haben Sie in Ihrer Überheblichkeit und Arroganz abgelehnt. Die Gefahr der Ablehnung durch das Volk, durch die Thüringer und Thüringerinnen, wie in Frankreich, in den Niederlanden oder in Irland geschehen, haben Sie damit gebannt. Es ist auch falsch, wenn nur immer behauptet wird, die Ablehnung der Franzosen und der Niederländer erfolgte nur aus innenpolitischen Problemen heraus.
(Beifall DIE LINKE)
Das ist einfach falsch, weil Sie die Lage verkennen. Die Irländer, vor allem aber die Franzosen und die Niederländer haben auch den Reformvertrag abgelehnt, weil soziale Rechte beschnitten wurden, weil sie in ihren politischen Möglichkeiten eingeschränkt wurden und weil sie vor allem erkannt haben, im Reformvertrag, im Inhalt steckt eine neoliberale Wirtschaftspolitik.
Wenn Sie sagen, im Entwurf wird das Europäische Parlament gestärkt, das ist richtig, aber man muss trotzdem betonen, dass nach wie vor das Europäische Parlament in vielen Fragen nicht das beschließende Organ in der Europäischen Union ist, sondern dass das nach wie vor der Europäische Rat ist, der nicht demokratisch direkt von den europäischen Bürgern gewählt wurde, weil die Regierungschefs, die dort drin sind, über die jeweiligen Parlamente gewählt wurden. Auch wir als LINKE - das betone ich noch einmal - haben diesen Entwurf des Lissabon-Vertrages aus folgenden Gründen abgelehnt:
1. wegen seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik,
2. wegen eingeschränkter sozialer Rechte. Die Menschen haben Angst vor gravierenden sozialen Einschnitten. Es wurden keine sozialen Rechte und Standards konkret definiert.
3. Wir wollen kein aufgerüstetes Europa, wo man politische Konflikte
mit militärischen Mitteln löst.
Sie können sich nachher hier an das Rednerpult begeben und Ihre Meinung dazu äußern.
Auch darüber können wir diskutieren. Ich weiß nicht, ob das die richtige Stelle ist, Herr Wehner.
Ja, ja, Herr Wehner, alles klar.
Ich bedanke mich, Frau Präsidentin.
Wir wollen auch keine ungerechte Handelspolitik gegenüber der Dritten Welt. Wir wollen keine Festung Europa, wir wollen, dass die Ursachen für die Flüchtlingswellen in den Ländern beseitigt werden, wo die Flüchtlinge herkommen. Dazu sollte die Europäische Union einen Beitrag leisten. Was wir wollen, wir wollen mehr Bürgerbeteiligung und mehr Bürgerentscheide.
Die direkte Einmischung der europäischen Bürgerinnen und Bürger innerhalb der Europäischen Union kann durchaus zu Erfolgen führen. Das ist in der letzten Zeit bewiesen worden. Ich denke nur, durch LINKE und gewerkschaftliche Einflussnahme ist es gelungen, die unsozialen Maßnahmen wie die arbeitsplatzvernichtende Hafendienstleistungsrichtlinie und die arbeitnehmerfeindliche Arbeitszeitrichtlinie zu verhindern. Die von Ihnen, Herr Minister, gelobte Dienstleistungsrichtlinie wird auch in Thüringen noch genug Probleme mit sich bringen. Wir werden dazu hier allerdings im Parlament noch Gelegenheit haben zu reden, aber klar muss festgestellt werden, dass die Dienstleistungsrichtlinie nur entschärft werden konnte, weil Hunderttausende Menschen europaweit auf die Straße gegangen sind. Klar ist auch, dass viele unklare Formulierungen in dieser Dienstleistungsrichtlinie zukünftig vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden müssen.
Ein weiterer Beweis dafür, dass man die Reden von unmittelbarer Bürgerbeteiligung ernst meint, wäre gewesen, das Volk an der Entscheidung zum Reformvertrag teilhaben zu lassen. Wie viel Vertrauen hat die Landesregierung eigentlich zu ihren Thüringer Bürgern? Sind diese nur dann mündig, wenn es um deren Stimmen zur Wahl geht? Sie haben es versäumt, die Menschen auf den Weg nach Europa mitzunehmen, sie in europäische Entscheidungsprozesse einzubeziehen und ihnen den europäischen Gedanken näherzubringen. Auch wenn Sie in Ihrer Regierungserklärung ein anderes Bild zeichnen wollen, die Menschen können Sie damit nicht vom Europa der Zukunft begeistern, schon gar nicht an die Wahlurne rufen.
Die Menschen, meine Damen und Herren, haben Angst vor dem, was in und mit Europa passiert. Sie
haben Angst um ihren Arbeitsplatz, sie haben Angst, dass ihre Errungenschaften und Rechte eingeschränkt werden. Die Ursachen liegen eindeutig in der gescheiterten Lissabon-Strategie. Solange Europa nur als Wirtschaftsfaktor angesehen wird und durch die neoliberale Wirtschaftsführung das Ziel verfolgt wird, Europa konkurrenzfähig gegenüber den anderen Wirtschaftsregionen zu machen, bleiben soziale Aspekte auf der Strecke. Die Auswirkungen dieser neoliberalen Politik spüren die Menschen in diesem Land sehr wohl. Die schlechte Stimmung gegenüber Europa ist die Quittung für diese neoliberale Politik der letzten Jahre. Ihre europapolitische Strategie - die Strategie der Landesregierung - erhält im Themenkomplex „Erweiterung der Europäischen Union“ lediglich die beiden Aspekte:
1. Erschließung neuer Märkte und
2. die Beschreibung eines Horrorszenarios durch die Zuwanderung von Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten.
Natürlich verunsichert das die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger und besonders die Menschen auch in unserem Land.
Mit den Vereinbarungen der Übergangsbestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit hat Deutschland von der Zugangsbeschränkung zum Arbeitsmarkt Gebrauch gemacht. Thüringen unterstützt eine weitere Verlängerung dieser Einschränkung.
Herr Minister, in der letzten Woche haben gerade die Thüringer Wirtschaftsverbände angesichts der Fachkräftesituation und der zu erwartenden Auswirkungen des demographischen Wandels diese Haltung der Landesregierung kritisiert. Auch wir als LINKE lehnen die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab, weil sie mit dem europäischen Integrationsgedanken nicht vereinbar ist. Sie, Herr Minister, loben den europäischen Binnenmarkt, weil wir unsere Produkte überall verkaufen können, andererseits sperren Sie besonders osteuropäische Arbeitnehmer von der Freizügigkeit aus. Die Angst, dass diese osteuropäischen Arbeitnehmer den Menschen hier in unserem Land die Arbeitsplätze wegnehmen können, weil sie für weniger Lohn arbeiten, mag berechtigt sein. Dieser Angst kann aber entgegengewirkt werden, wenn sich die Landesregierung endlich für Mindestlöhne einsetzt und wenn sich die Landesregierung dafür einsetzt, dass in allen Branchen Entsenderichtlinien erarbeitet werden. Aber das tun Sie nicht.
Wir LINKEN treten dafür ein, dass die Europapolitik geprägt wird vom Ausbau der sozialen Standards und
nicht vom Abbau, denn davor haben die Menschen Angst - und nicht nur die Thüringer. In den Schlussfolgerungen zum Europabarometer ist nachzulesen, ich zitiere: „In einem schwierigen wirtschaftlichen Kontext möchten die Europäer, dass die Themen Arbeitslosigkeit bei 47 Prozent, Wirtschaftswachstum bei 45 Prozent und Inflation bei 41 Prozent der Befragten einen zentralen Platz einnehmen.“ Die Menschen sehnen sich nach sozialer Sicherheit, das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von der Europäischen Union. Wir wollen, dass soziale Ungerechtigkeiten innerhalb Europas abgebaut werden. Ich betone noch mal: Wir wollen europäische Mindestlöhne, weitere Entsenderichtlinien und ein einheitliches Steuerniveau und Steuersystem in Europa. Damit, meine Damen und Herren der Landesregierung, könnten Sie Punkte sammeln bei unseren Menschen hier im Land. Aber Sie hören ihnen nicht zu und nehmen sich der Sorgen der Bevölkerung nicht an. Soziale Spannungen innerhalb der Europäischen Union abbauen, gemeinsame Wege im Umweltschutz beschreiten, wo gegen die Militarisierung und nicht für Aufrüstung eingestanden wird, das sollten Themen sein, über die wir mit den Menschen über Europa diskutieren.
Noch etwas zur Europatauglichkeit des Landtags: Die Landesregierung entscheidet ja in europapolitischen Fragen im Bundesrat, Sie haben einige Beispiele genannt, allerdings, Herr Minister, ohne den Landtag einzubeziehen. Relevante Informationen bekommen wir in der Regel im Nachhinein, wenn die Messen schon gelesen sind. Ich möchte an dieser Stelle auf unseren Alternativantrag zu den europapolitischen Strategien der Landesregierung verweisen. Auf der Grundlage der Erklärung der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente mit dem Titel „Europafähigkeit der Landtage und Mitwirkung an Vorhaben der Europäischen Union“ wurde die Landesregierung aufgefordert, den Landtag über landesrelevante Vorhaben der EU frühzeitig zu informieren, damit er Gelegenheit hat, rechtzeitig vor der Behandlung von Vorhaben der EU im Bundesrat Stellung zu nehmen. Das wurde durch Sie abgelehnt, weil Sie gar nicht gewillt sind, dieses Haus in diese Entscheidungen einzubeziehen.
Sie sind, Herr Minister, auf die Frage der Strukturfondsförderung eingegangen. Jawohl, wir erkennen an, dass sich mit der Strukturfondsförderung für Thüringen positive Aspekte ergeben haben, was die Wirtschaftsförderung betrifft. Jedoch muss trotzdem kritisch angemerkt werden, dass in Ihrer Regierungserklärung der Eindruck erweckt wird, dass die Fördermittelvergabe nicht auf einem durchdachten Plan mit nachhaltiger Wirkung basiert, im Gegenteil, es geht wahrscheinlich nur um den Ausgleich von Haushaltsdefiziten. Auch was die Strukturfondsförderung
betrifft wird der Landtag nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen. So stellten wir den Antrag, dass der Landtag an den Begleitausschüssen beteiligt wird. Auch das wurde von Ihnen abgelehnt.
Meine Damen und Herren, Bürokratie und Marktliberalismus in Europa haben dazu geführt, dass die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger stetig wächst. Es interessiert kaum noch jemanden, ob die Banane gerade oder krumm sein darf oder wie groß ein Apfel sein muss, damit er europäischen Standards entspricht. Aber das sind Dinge, die die Menschen aus Brüssel hören und das bleibt bei ihnen haften. Die Erwartungen in das EU-Parlament sind höher. Die Menschen erwarten von der Europäischen Union, dass man sich um einen besseren Gesundheits-, um einen besseren Verbraucherschutz kümmert, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik besser koordiniert wird und dass eine Außen- und Sicherheitspolitik vertreten wird, die es der EU erlaubt, internationalen Krisen zu begegnen.
Apropos Wirtschaftskrise, was ich hier nannte: Es ist schon ein starkes Stück, Herr Minister, wenn Sie schreiben: „Die jetzige Krise ist entstanden, weil unsere Regelungen nicht mit der Komplexität der Finanzmärkte Schritt gehalten haben.“ Die Politik auch in Deutschland hat erst einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, meine Damen und Herren, dass sich die Finanzmärkte so entwickeln konnten. So hat eine rot-grüne Bundesregierung die Hedgefonds zugelassen und Sie haben das im Bundesrat geduldet. Selbst das erste Thüringer Opfer eines Hedgefonds, nämlich Bike Systems in Nordhausen, hat bei Ihnen nicht zu einem Umdenken geführt. Hätten die europäischen Regierungen und auch Sie als Landesregierung nicht stillschweigend das Gebaren dieser Fonds und aller Banken geduldet, hätte diese Entwicklung vermieden werden können. Jetzt setzen Sie plötzlich die Verwunderungsmütze auf und fragen erstaunt: Wie konnte das passieren? Sehr verwunderlich, Herr Minister, ist auch die 100Mio.-€-Spritze der EU für den Bau der 380-kV-Leitung und Ihre Sicht auf die Dinge. Es ist schon eigenartig, wenn am ersten Tag des Planfeststellungsverfahrens die Nachricht durch Thüringen geht, dass die Europäische Union für den Bau der 380-kV-Leitung 100 Mio. € zur Verfügung stellt. Das ist sehr, sehr eigenartig, aber man kann schon den Hintergrund erkennen. Man will hier mit finanziellen Mitteln ein gegenwärtig laufendes Verfahren zugunsten von Konzerninteressen beeinflussen. Das ist der Hintergrund des Ganzen.
Damit wird erneut deutlich, dass Konzerninteressen den Vorrang vor Bürgerinteressen haben. Das Geld wäre in Zeiten der Krise, Herr Minister, besser bei
der kleinen und mittelständischen Wirtschaft, wie z.B. bei den Autozulieferern, angelegt gewesen.
Sehr geehrter Herr Minister Zeh, in einem Grußwort für „Thüringen und Europa - wir haben die Wahl“ anlässlich einer Veranstaltung im MDR-Landesfunkhaus in Erfurt haben Sie geäußert, ich zitiere: „Wenn wir wollen, dass mehr Thüringerinnen und Thüringer am 7. Juni 2009 zur Europawahl gehen, dann müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern Europa vertraut machen. Die Menschen müssen Europa vertrauen. Das ist eine Kernaufgabe der europäischen Kommunikation.“ Das können wir nur bestätigen, nur, wir sehen Ihr Handeln nicht. Wir gehen aber einen Schritt weiter. Wir wollen, dass mehr Thüringerinnen und Thüringer am 7. Juni 2009 zur Europawahl gehen; jawohl, das wollen wir. Dann müssen wir aber auch dafür sorgen und wir werden das tun, dass die Menschen Europa vertrauen. Wir müssen sie einbeziehen, mitnehmen und alle Entscheidungen in ihrem Interesse beraten, vor allem mit ihnen beraten und gemeinsam treffen. Natürlich wollen auch wir, dass die Bürgerinnen und Bürger zur Wahl gehen, um für ein soziales, friedliches und ökologisches Europa zu stimmen. Wir rufen die Menschen auf, ihre Verantwortung und ihre Chancen zur Mitbestimmung, wer was und vor allem wie in Europa bewegt, durch die Abgabe ihrer Stimme zu nutzen. In diesem Sinne werden wir als LINKE unseren Europawahlkampf führen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Kollege Bergemann, ich muss für unsere Fraktion sagen, wir waren sogar mit einem übergroßen Teil unserer Fraktion im vorigen Jahr in Brüssel und haben uns in Brüssel in der Kommission, in den Regionaldirektionen und auch in unserer Thüringenvertretung von der Europaarbeit überzeugt und inhaltliche Gespräche geführt. Ich hatte mich schon einmal hier an dieser Stelle auch bei der Thüringenvertretung bedankt für die damalige gute Unterstützung. Was mich richtig baff gemacht hat, Kollege Bergemann, ist, wie Sie unseren Europaparteitag verfolgt haben. Das freut mich richtig, muss ich sagen. Jawohl, Sie haben recht; wir europapolitischen Sprecher der neuen Bundesländer, so will ich das mal sagen, wir haben entscheidend dafür gekämpft, dass das Wahlprogramm europabejahender auf diesem Parteitag wurde, weil wir auch dort einen Diskussionsprozess haben. Aber als europapolitische Sprecher der neuen Bundesländer haben wir das geschafft und darüber bin ich sogar froh, dass uns das gelungen ist.
Was die Frage „Information“ betrifft, da ist natürlich die Grundsatzfrage - und da haben wir unterschiedliche Auffassungen -, was für Informationen sind von grundsätzlicher Bedeutung, die die Landesregierung dem Landtag offenlegen muss. Da gehen unsere Meinungen auseinander. Richtig ist, dass wir über die Arbeit des AdR informiert werden. Das ist alles richtig, aber das, was wir sagen, das würde ja der Lissabon-Vertrag zulassen - die Mitsprache der nationalen Parlamente.
Bevor im Bundesrat die Landesregierung Entscheidungen trifft, wollen wir, dass der Landtag informiert und einbezogen wird, wie diese Entscheidung im Bundesrat aussieht. Das ist unsere Forderung.
Kollege Höhn, zu Ihnen: Es verwundert mich schon sehr, wie Sie Ihre Politikinhalte ändern und wandeln je näher die Wahltermine rücken.
Das muss ich Ihnen schon sagen.
Das sage ich Ihnen.
Uns werfen Sie vor oder mir werfen Sie vor, ich schaue nicht über den Tellerrand, weil ich auch vor einem halben Jahr, als wir die Vertragsdiskussion hatten
- jetzt rede ich, Herr Höhn -, haben Sie mir vorgeworfen, ich schaue nicht über den Tellerrand, weil ich ein soziales Europa gefordert habe. Da waren wir plötzlich Antieuropäer und sonst was und würden die Welt nicht verstehen. Jetzt höre ich mit Verwunderung: Sie fordern einen Sozialpakt für Europa. Als ich damals gesagt habe, wir brauchen europäische soziale Mindeststandards, haben Sie und Ihre Partei das hier in diesem Haus abgelehnt. Wenn es um Sozialpolitik geht, Herr Höhn, Ihre Partei hat auch mit Entscheidungen in Berlin dafür gesorgt, dass die Hedgefonds zugelassen wurden, dass Hartz IV kam und dass dieses Land Armut hat. Da haben auch Sie Ihren Anteil dran und jetzt entdecken Sie Ihre soziale Ader unmittelbar vor der Wahl.
Ich muss Ihnen sagen, Herr Höhn, das kauft Ihnen keiner mehr ab. Das, was man vor allem feststellen muss, Sie kupfern ab, Sie klauen bei anderen Parteien.
Wenn Sie Europawahlwerbung machen, Herr Höhn, also da muss ich mir Ihre Wahlplakate anschauen, Herr Höhn. Ihre SPD-Wahlplakate für die Europawahl, die sind ja nun ein Hammer, ohne Inhalte sind die Plakate; das Einzige, was diese Plakate darstellen, Sie dreschen auf den politischen Mitbewerber
ein, egal wer das ist.
Sie dreschen einfach ein. Warum machen Sie das? Weil Ihnen die Inhalte abhanden gekommen sind, Herr Höhn.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, beide Anträge, sowohl der der SPD als auch unser Antrag, befassen sich mit einem Problem - der Kinderarmut, denn in diesem Land und gerade in diesem Land gibt es Kinder, die nicht in der Lage sind, sich aus
eigener Kraft ein Mittagessen in Schule oder Kindergarten leisten zu können. Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch einmal das gemeinsame Wort der Verbände und Kirchen zu zitieren, wo steht: „Angesichts der in den letzten Jahren dramatisch gewachsenen Zahl von Kindern, die in Armut leben, ist es notwendiger denn je, Kinderarmut zu skandalisieren und in all ihren Ausprägungen als gesellschaftliche und politische Herausforderung anzunehmen.“ Weiter können wir dort lesen und damit stimmen wir überein, dass „Kinder ohne Essen in Kindergarten oder Schule kommen, nicht am Mittagessen teilnehmen, weil den Eltern die Kosten zu hoch sind oder aber bei Teilnahme an der Essenversorgung die am Wochenende zu gering ausgefallenen Mahlzeiten nachholen.“ So weit das Zitat aus dem „Sozialen Wort“. Ich glaube, dieses „Soziale Wort“ der Verbände und der Kirchen sollten wir hier in diesem Haus sehr ernst nehmen, weil das, was dort steht, Tatsache in diesem Land ist.
Wer hätte zum Beispiel vor 20 Jahren gedacht, als es zur deutschen Einheit kam, dass wir eines Tages hier in diesem Land die Existenz von Tafeln loben werden und dass diese Tafeln ein wichtiger Versorger unserer Schulkinder mit Nahrungsmitteln werden würden. Daran war vor 20 Jahren noch nicht zu denken. Auch wenn wir zu Recht die Arbeit der Thüringer Tafeln loben, müssen wir eindeutig sagen, es ist traurig genug, dass es in diesem Land solche Einrichtungen geben muss.
Bereits am 20. Februar 2008 brachte die SPD-Fraktion ihren hier ebenfalls vorliegenden Antrag, Kinderarmut gemeinsam mit den Kommunen bekämpfen, ein. Wir brachten unseren Antrag am 9. April ein - und das im letzten Jahr. Das heißt, fast ein Jahr sind diese Anträge im Ausschuss. Wir müssen natürlich sagen, dass sich das Sozialministerium und Sie, Frau Ministerin, sich dieses Themas angenommen haben, dass Sie auch einen Sozialfonds einführen wollen, dass der Bericht vorliegt. Aber zum Sozialfonds muss ich sagen: So, wie wir das der Presse und all Ihren Erklärungen entnehmen können, ist das immer wieder eine Einzelfallprüfung pro Kind. Unser Ansatz ist anders. Wir wollen nicht, dass die Kinder am Essenschalter schon in arm und reich eingeteilt werden. Bis jetzt, muss ich sagen, ist doch dieser Sozialfonds, den Sie vorschlagen, erst einmal eine Absichtserklärung und wir müssen warten, was daraus wird.
Meine Damen und Herren der SPD, zu Ihren Anträgen: Sie haben auch über die Presse mitgeteilt, dass der vorgeschlagene Fonds im Prinzip aus Rheinland
Pfalz übernommen wurde. Dazu müssen wir natürlich sagen, dass in Rheinland-Pfalz über Jahre bisher andere Familientraditionen und Familienmodelle vorherrschten, dass dort in der Regel die Mütter zu Hause geblieben und nicht arbeiten gegangen sind und demzufolge die Essenversorgung ihrer Kinder übernommen haben, dass diese während der Kindergartenzeit zum Mittagessen nach Hause gegangen sind bzw. vom Hort nach Hause gegangen sind und dann wieder in die Einrichtung gegangen sind. Das hat sich natürlich in den letzten zwei Jahrzehnten auch in Rheinland-Pfalz schrittweise verändert. Trotzdem, auch aufgrund der Armutsstruktur in Rheinland-Pfalz müssen wir sagen, dass dort maximal 10 Prozent der Kinder eine solche Unterstützung brauchen, weil nur sehr wenige Kinder den Ganztagsanspruch in Schulen und Kindergärten in Gebrauch nehmen. In Thüringen dagegen liegt der Anteil der Kinder bei Ganztagsangeboten bei gut 20 Prozent, die in Armut leben.
Wenn ein Gesetz erlassen wird, dem zufolge Kommunen und Träger von Kitas und Schulen einen Kostenanteil am Essen übernehmen müssen, ist das Land verpflichtet, diesen das Geld über den Kommunalen Finanzausgleich zukommen zu lassen - so jedenfalls hat das Thüringer Verfassungsgericht entschieden. Im ersten Antrag hat die SPD diesem Umstand Rechnung getragen, als es um die Kinderpauschale ging, und vorgeschlagen, dass die Kommunen mittels dieser Kinderpauschale mit dem notwendigen Geld versorgt werden. Davon sind Sie nun abgerückt, meine Damen und Herren der SPD, und haben den Vorschlag mit dem Essenfonds gemacht, was meiner Meinung nach einen Rückschritt darstellt und auch für die Einzelnen sehr schwierig zu gestalten ist. Hier sind wir nämlich bei dem nächsten Unterschied zwischen Rheinland-Pfalz und Thüringen. Aus einer Stellungnahme des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur in Mainz vom 10. August 2006 geht hervor, dass sich die Landesregierung vor Einrichtung des Fonds mit den kommunalen Spitzenverbänden, den beiden großen Kirchen und der Arbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen auf eine gemeinsame Finanzierung geeinigt hat. Die konkrete Finanzierung läuft dort so, dass die Eltern einen Eigenanteil von 1 € bezahlen und den Rest der Kosten zu zwei Dritteln vom Land und zu einem Drittel von den jeweiligen Schulträgern übernommen wird.
Bei uns in Thüringen kennen wir zum größten Teil die desolate Haushaltslage unserer Landkreise und der Kommunen und deshalb ist es dort sehr schwierig, dass sich die Kommunen bzw. die Landkreise an diesem Essenfonds beteiligen werden. Das ist der Unterschied zu Rheinland-Pfalz. Unser Ansatz ist: Die Verantwortung, dass die Kinder zu einem warmen Mittagessen kommen, ist gesamtgesellschaft
liches Anliegen, ist Gesamtanliegen des Landes und deshalb sollte durch Umverteilung auch von Landesmitteln diesen Kindern und allen Kindern die Möglichkeit gegeben werden, dass dort ein Zuschuss zum Mittagessen als erster Schritt gezahlt wird. Aus diesem Grund bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.
Danke schön, Frau Präsidentin. Kollege Panse, stimmen Sie mit mir überein, dass die Armut der Kinder immer Armut der Eltern ist?
Umsetzung von Maßnahmen zu strukturellen Veränderungen innerhalb der GFAW
Am 1. Januar 2007 wurden die Geschäftsanteile der Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung des Freistaats Thüringen mbH (GFAW) auf die Thüringer Aufbaubank (TAB) übertragen mit dem Ziel, die Effizienz sowohl der Arbeitsmarkt- als auch der Wirtschaftsförderung im Freistaat Thüringen zu erhöhen. Durch eine engere Verzahnung zwischen beiden Gesellschaften ließen sich nach Aussagen von Minister Reinholz in bestimmten Bereichen wirtschaftliche und strukturelle Vorteile für beide Förderbereiche erzielen und die Kompetenzen beider Gesellschaften durch die Angliederung stärken.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche konkreten Synergieeffekte und Kosteneinsparungseffekte wurden durch die Übertragung der Geschäftsanteile der GFAW auf die TAB in den Jahren 2007 und 2008 erreicht?
2. Wie wurde die Zielstellung, die Effizienz der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung im Freistaat Thüringen durch die Übertragung der Geschäftsanteile der GFAW auf die TAB zu erhöhen, real erfüllt (bitte konkrete Sachverhalte erörtern, an denen erkennbar wird, dass eine tatsächliche Steigerung der Effizienz erfolgt ist)?
3. Welche Strukturanpassungsmaßnahmen in den operativen Bereichen der GFAW und der TAB wurden mit welchem Ergebnis in den letzten Jahren, 2007 und 2008, vorgenommen und welche Maßnahmen sind für das Jahr 2009 vorgesehen?
4. In welcher Höhe konnten 2007 und 2008 Verwaltungskosten in der GFAW und in der TAB eingespart werden und welche Auswirkungen sind auf eine einheitliche kundenfreundliche Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung in den zurückliegenden Jahren zu verzeichnen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich wollte es eigentlich nicht glauben, aber das Datum des Antrags, über den wir heute sprechen, ist der 12.09.2004.
2007? Das wollte ich ja eigentlich rüberbringen, ja, 12.09.2007. Um 17.55 Uhr, meine Damen und Herren, da mögen Sie mir das mal verzeihen.
Das heißt also, seit September 2007 hat sich der Sozialausschuss mit diesem Thema beschäftigt bzw. hat es immer von Sitzung zu Sitzung gescho
ben. Am Ende werde ich eine Vermutung äußern, warum dies geschah.
Eingangs sei mir gestattet zu sagen, was die Qualität der Pflege in Thüringen betrifft, das, was wir eindeutig bei der Behandlung sowohl der Anträge der SPD als auch unseres Antrags 2007 schon gesagt haben, dass insgesamt die Pflege in Thüringen in einer hohen Qualität durchgeführt wird und gewährleistet ist und dass das aber auch - und das wiederhole ich noch mal - vor allem das Verdienst derjenigen ist, die in der Pflege tätig sind. Aber viel Zeit ist seit diesem 12.09.2007 ins Land gegangen.
Meine Damen und Herren, wir haben in der Zwischenzeit ein Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz, was in Kraft getreten ist, was Festlegungen getroffen hat, was sich in der Pflege verändert. All das ist kaum berücksichtigt worden und - ich muss auch sagen - es ist von der Landesregierung schleppend gehandelt worden. Ich möchte da einige Kritikpunkte ansprechen.
Seitdem wir nun das Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz haben, meine Damen und Herren, gab es kaum Reaktionen hier in diesem Haus, gab es kaum Reaktionen vonseiten der Landesregierung. Beispiel: Wir haben kritisiert - das wurde von der Frau Ministerin eigentlich auch anerkannt -, dass in diesem Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz der moderne Pflegebegriff fehlt. Als Pflege wird Waschen betrachtet, aber Pflege ist unserer Auffassung nach vor allem Teilhabe und Gewährleistung der Teilhabe und Gewährleistung von Lebensqualität. Da gab es auch, was die Veränderung des Pflegebegriffs betrifft, kaum Veränderungen oder Einflussnahme der Landesregierung.
Im Weiteren ist die Frage der Pflegeassistenz nicht geklärt. Wir haben nach wie vor im Land keine Landespflegeplanung. Wir haben kein Heimgesetz, was überarbeitet wurde. Wir haben zwar die Information, es wird daran gearbeitet, aber auf eine letzte Anfrage meinerseits gab es hier in diesem Hohen Haus die Antwort, es ist nicht raus und sicher, ob das Heimgesetz noch in dieser Legislatur verabschiedet wird. Wir haben kein neues Ausführungsgesetz, was auf das Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz reagiert. Was besonders wichtig ist, was von der Landesregierung hervorgehoben wurde, wir haben keine Stärkung des Ansehens des Pflegeberufs. In dem von Herrn Gumprecht zitierten Bericht des damaligen Sozialministers Zeh, wo er Aktivitäten versprochen hat, wie das Ansehen des Pflegeberufs in Thüringen gestärkt werden kann, gab es bisher keine Reaktion. Viele Aufgaben, die hier hätten erledigt werden müssen, hätten noch vom Sozialminister Zeh damals erfüllt werden müssen.
Was das Ansehen der Pflegekräfte betrifft, so müssen wir nach wie vor feststellen, Thüringen ist das Land, in dem die Pflegekräfte am schlechtesten bezahlt werden. Immer mehr wird deutlich, wir haben hier eigentlich einen Fachkräftemangel.
Es gab auch nach wie vor unklare Aussagen zu der Frage Pflegestützpunkte. Wir haben das schon öfter hier diskutiert. Eindeutig muss ich sagen, die Lösung Pflegestützpunkte in diesem Gesetz hätte man durchaus weglassen können und dieses Geld den Pflegenden unmittelbar zugute kommen lassen sollen. Pflegestützpunkte sollen auf alle Fälle nicht geschaffen werden unter dem Gesichtspunkt, wir schaffen neue Strukturen. Aber das Gesetz schreibt es nun einmal vor, dass Landesregierungen dazu Richtlinien zu erarbeiten haben. Diese Richtlinien liegen bisher noch nicht vor. Zumindest sollte eine Thüringer Richtlinie erarbeitet werden, die die Möglichkeit schafft, wenn es Kommunen wollen, Pflegestützpunkte zu bilden, dann sollten sie das tun. Aber auch welche Anforderungen an Pflegestützpunkte gestellt werden sollen, müsste dort enthalten sein. Unserer Auffassung nach, wenn schon Pflegestützpunkte gebildet werden sollen oder die Möglichkeit geschaffen werden soll, darf keine neue Bürokratie entstehen, es darf kein Konstrukt von oben nach unten der Struktur übergestülpt werden, es muss vor allem eine Vernetzung von schon jetzt vorhandenen Beratungsangeboten sein. Auf alle Fälle müssen die Kommunen mit ins Boot geholt werden, wenn sie das wünschen. Dann sollte den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden, Pflegestützpunkte zu schaffen. Aber nur unter diesen Voraussetzungen sollten diese geschaffen werden. Wenn es Kommunen gibt, wenn es Gebiete gibt, wo die Pflegestützpunkte nicht gewünscht werden, dann sollte man das auf alle Fälle akzeptieren.
Jetzt möchte ich auf eine Sache zu sprechen kommen, meine Damen und Herren, was meiner Meinung nach einen gewissen Skandal hier darstellt. Nicht umsonst hatte ich gestern eine Mündliche Anfrage gemacht zu dem Forschungsprojekt der Fachhochschule Jena „Optimierte Abbildung des Pflegeprozesses in Pflegepraxis und Pflegedokumentation“. Leiter dieses Projekts ist Prof. Dorschner von der Fachhochschule Jena. Dazu, und das möchte ich zitieren, führte der damalige Sozialminister Zeh im Landtagsplenum am 11.10.2007 aus: „Insgesamt beteiligen sich an dem Projekt 337 von 680 Thüringer Pflegeeinrichtungen. Das ist mehr als die Hälfte, genau 53,6 Prozent. Ziel dieses Projekts ist die Entwicklung von Lösungsansätzen für eine verbesserte und effektivere Umsetzung des Pflegeprozesses in der Pflegepraxis und damit verbunden eine effizientere und qualitativ hochwertige Gestaltung der Pflegedokumentation. Die beteiligten Partner sollten nicht unerwähnt bleiben. Angefangen von den
Landesverbänden der Pflegekasse in Thüringen, der Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen in Thüringen, der Landesarbeitsgemeinschaft der privaten Pflegeverbände in Thüringen, der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Einrichtungen, dem MDK und weitere sind genannt, haben sich an dem Projekt beteiligt. Der Abschlussbericht“, sagte Minister Zeh, „wird gegenwärtig erstellt und wir rechnen mit einer Veröffentlichung hoffentlich noch in diesem Jahr.“ Gemeint war das Jahr 2007. Das heißt, das ist hier ein Zitat aus einem Plenum vom Jahr 2007 und dieser Bericht und das Ergebnis des Forschungsprojekts sollte im Jahr 2007 verändert werden. Wir haben jetzt Januar 2009 und bis jetzt liegt uns noch kein Ergebnis dieses Forschungsprojekts vor.
Gestern haben wir in der Mündlichen Anfrage erfahren, dass dieses Forschungsprojekt insgesamt 67.000 € gekostet hat; 22.000 € davon hat die Landesregierung bezahlt und 45.000 €, meine Damen und Herren, haben die 337 Pflegeeinrichtungen bezahlt, die an diesem Projekt beteiligt waren. Das heißt, hier wurde aus Pflegeeinrichtungen Geld abgeführt an ein Forschungsprojekt, bei dem es mehrere Beteiligte gab, aber nur zwei haben bezahlt: den geringeren Teil die Landesregierung, den größeren Teil die beteiligten Pflegeeinrichtungen. Warum haben nicht die Pflegekassen mitbezahlt? Warum hat der MDK nicht bezahlt? Warum haben die hier von mir genannten Arbeitsgemeinschaften nicht bezahlt?
Meine Damen und Herren, hier ist Geld von Pflegebedürftigen weggenommen worden. Hier ist Geld von Pflegekassen unberechtigterweise für Sachen verwendet worden, wofür sie nicht gedacht sind, dazu gibt es gesetzliche Festlegungen. Das heißt, hier wurde Geld aus der Pflege abgezogen für ein ominöses Forschungsprojekt, was viel Hoffnung erweckt hat, aber wo wir bis heute noch nicht die Ergebnisse wissen.
Gestern wurde hier dargelegt, es gibt einen vorläufigen Ergebnisbericht, ein endgültiger wird uns irgendwann vorgelegt. Ich muss hier die Frage stellen: Wann wird das sein? Ich muss an den alten Minister, der jetzt nicht hier ist, die Frage stellen: Was stand in der Aufgabenstellung für dieses Forschungsprojekt? Was gab es für eine Terminisierung? Wann sollten Ergebnisse vorgelegt werden? Und ich muss auch die Frage stellen: Was geschieht, wenn keine Ergebnisse erzielt werden, wenn nichts hier vorgelegt wird, wenn man sagt, wir haben nichts erreicht? Dann sind 65.000 €, davon 45.000 € aus Pflegeeinrichtungen, in den Sand gesetzt worden. Und da muss ich als Nächstes die Frage stellen: Ist vertraglich geregelt, dass im Falle der Nichterfüllung des Forschungsprojekts dieses Geld wieder den Beteiligten zurückgezahlt wird? Sie haben Geld, und das erscheint so, für nichts und wieder
nichts ausgegeben. Das, meine Damen und Herren, ist, wenn wir von Pflege und von Pflegequalität sprechen, ein Skandal, was hier stattgefunden hat. Meiner Meinung nach hat diesen Skandal Minister Zeh in seiner Eigenschaft als Sozialminister im Prinzip geschaffen und verbockt. Ich sage auch für meine Fraktion, wir werden an diesem Thema dranbleiben und wir werden auch im Sozialausschuss verlangen, dass wir darüber informiert werden und vor allem, dass wir Einsicht in den Vertrag zu diesem Forschungsprojekt nehmen können.
Insgesamt zu dem Antrag der CDU muss ich sagen: Gott, was soll es uns helfen, wenn wir wissen, was in anderen Bundesländern nun geschieht, denn einerseits wird uns immer hier dargestellt, Thüringen ist in allem Spitze, also muss ich theoretisch davon ausgehen, sind wir vielleicht in der Pflege Spitze. Aber ich sage auch, schädlich ist es nicht, sollen wir erfahren, was in anderen Bundesländern in der Frage der Pflege geschieht. Wir können mit dem Antrag leben und werden dort auch zustimmen. Aber es befreit uns nicht von den von mir angesprochenen Problemen, die wir noch lösen müssen; neuer Pflegebegriff und vor allem eine Landespflegeplanung, die wir in Thüringen brauchen. Danke.
Danke, Herr Worm. Sie sprachen von dem Pflegestützpunkt in Jena. Herr Worm, zwei Fragen dazu: Der Pflegestützpunkt wird geleitet von Prof. Dorschner, den ich heute schon zitiert habe im Rahmen dieses Forschungsprojekts. Haben Sie den Pflegestützpunkt in Jena schon besucht und wenn ja, stimmen Sie da mit mir überein, dass dieser Pflegestützpunkt in dieser Modellform nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspricht.
Frau Präsidentin, Forschungsprojekte „Optimierte Abbildung des Pflegeprozesses in Pflegepraxis und Pflegedokumentation“ der Fachhochschule Jena
In den zurückliegenden Jahren wurde seitens der Landesregierung mehrmals über das o.g. Forschungsprojekt informiert.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele finanzielle Mittel hat das Land in das o.g. Forschungsprojekt investiert?
2. Was war die Aufgabenstellung/Zielstellung des o.g. Forschungsprojekts?
3. Wann wird der Abschlussbericht vorgelegt?
4. Wie werden die vorgelegten Ergebnisse in der pflegerischen Praxis umgesetzt?
Zwei Nachfragen - erstens: Sie sagten, jetzt bietet zukünftig der Träger kostenfreie Schulungen und dergleichen an. Ist Ihnen bekannt, dass die beteiligten Einrichtungen an diesem Forschungsprojekt jährlich eine Gebühr von 100 € zahlen mussten?
Meine zweite Frage ist - Sie sprachen davon, dem Ministerium liegt ein Abschlussbericht vor, aber es wird demnächst ein endgültiger Abschlussbericht vorgelegt -: Können Sie mir den Unterschied erklären zwischen dem jetzt vorliegenden und was dann noch mal vorgelegt werden soll?
Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit des Thüringer Landesamts für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz
Vor wenigen Wochen wurde offiziell das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz in Bad Langensalza eingeweiht. Der Präsident des Landesamts erarbeitete eine Personalstruktur, in der von 325 Planstellen ausgegangen wird, um die Arbeitsfähigkeit des Amts zu gewährleisten. Mit dem beschlossenen Doppelhaushalt 2008/2009 sollen weitere 90 Planstellen gestrichen
werden. Dies würde bedeuten, dass zukünftig nur noch 235 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Aufgaben im Amt absichern müssen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Planstellen und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im o.g. Landesamt sind zurzeit bzw. ab 2009 vorgesehen bzw. eingestellt?
2. Welche Personalstruktur wird zukünftig zugrunde gelegt, um die vorhandenen Aufgaben zu erfüllen sowie die Arbeitsfähigkeit bei besonderen Gefahrensituationen, wie dem Ausbruch von Pandemien und Seuchen, im Interesse des Schutzes der Bevölkerung zu gewährleisten?
3. Werden seitens des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit bzw. des Thüringer Landesamts für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz neue Konzepte zur Absicherung der Arbeitsfähigkeit des Amts, auch aufgrund des beschlossenen Abbaus von Planstellen, erarbeitet?
4. Wenn ja, wann wird das Konzept vorgelegt und mit den politisch sowie fachlich Verantwortlichen diskutiert?
Ja, Frau Ministerin, zwei Nachfragen. Eine Verständnisfrage. Sie sagten, dass 2009 13 Planstellen wieder frei seien. Ich gehe davon aus, die könnten wieder besetzt werden.
18. Ja, dass die wieder besetzt werden.
Und noch eine zweite Frage: In Ihrem Konzept und in der Analyse, die Sie jetzt durchführen und - ich nehme doch an - an der Problematik Sie arbeiten, ist da die Altersteilzeitproblematik bei vielen Beschäftigen mit einbezogen?
Frau Präsidentin, ich schätze, unsere Finanzministerin wird gerade über die Finanzkrise oben debattieren und neue Schritte festlegen, wie sie Thüringen da rausholen kann.
Ja, das ist aber nicht das Thema, das stimmt.
Meine Damen und Herren, es war schon erschreckend, was hier von Herrn Carius und auch zu den sozialen Aspekten von Minister Reinholz geäußert wurde. Meine Damen und Herren, das ist Ihr Politikverständnis.
Herr Carius, unser Politikverständnis besteht unter anderem darin, dass wir sagen, eine Aufgabe der Politik ist es auch, dass die Politik die Aufgabe hat, die Schwachen dieser Gesellschaft zu schützen. Das ist eine Aufgabe, die wir hier haben.
Herr Minister für Sie, ich kann es ja verstehen, ich kann sogar Verständnis dafür aufbringen, dass Sie bei den Problemen, die Sie hier diesem Land gebracht haben und vor denen Sie jetzt stehen, es für Sie einfacher ist, in der Vergangenheit rumzustochern, als sich dem realen Leben hier in diesem Land zu stellen.
Was das reale Leben betrifft, dann grenzt es schon an Zynismus, wenn hier Hartz IV-Empfänger aufgefordert werden, auch Energie zu sparen. Meine Damen und Herren, diese Menschen, die müssen ihr ganzes Leben lang - zumindest für den Zeitraum,
wo sie Empfänger von Sozialleistungen sind - sparen. Denen noch zu sagen, was sparen ist, das ist in meinen Augen jedenfalls Zynismus pur.
Sie scheinen nicht zu wissen, wie oft schon in Kommunen einkommensschwachen Menschen, Familien, besonders auch Alleinerziehenden - tagtäglich kann man das erleben - der Strom abgeschaltet wird. Sie wissen scheinbar nicht, wie viele Menschen jetzt schon einmal in der Woche zu den Stadtwerken gehen, 5 € oder 10 € einzahlen, wenn sie sie haben, dann den Schlüssel haben, an ihren Stromzähler gehen und dann zeitweise sich den Strom einzuschalten, um zu kochen, andere Sachen zu machen, die rechnen müssen mit Strom. Das ist das tägliche Leben von Betroffenen hier.
Ihre Sozialministerin hat in ihrer Regierungserklärung davon gesprochen, dass es in Thüringen 60.000 Kinder gibt, die von sozialen Transferleistungen leben. Das heißt, wir haben Armut, und die dann noch aufzufordern, sie müssen lernen, Energie zu sparen, meine Damen und Herren, das ist wirklich Zynismus und Verhöhnung derjenigen, die schon nicht nur bei der Energie sparen müssen, die in ihrem gesamten täglichen Leben sparen müssen.
Herr Carius, wo die wohl besseren Qualitäten für solche Fähigkeiten sind, das habe ich heute in mehreren Debatten auch bei Mitgliedern Ihrer Fraktion erlebt.
Der Antrag auf Ausschussüberweisung ist gestellt worden. Wenn die Mehrheit dieses Hauses mitgeht, da muss ich den Kollegen sagen, gut, dann müssen wir auch darüber diskutieren, ob in Regelsätze oder in die KdU-Leistung Erhöhungen erfolgen sollen. Ich muss Ihnen sagen, wenn höhere Energiekosten oder die Steigerung der Energiekosten in die Regelsätze genommen wird, so hat das auch Effekte, die nicht unbedingt wirksam bei denjenigen ankommen. Sie sprechen davon, Sie wollen eine Bundesratsinitiative mit der jährlichen Anpassung nur der Energiepreise in die Regelsätze haben. Da muss ich natürlich sagen, in den Regelsätzen steckt so viel drin, was bis jetzt alle fünf Jahre nur angepasst wird, aber die Lebenshaltungskosten steigen insgesamt ständig an. Dann hätte mir schon besser gefallen, wenn Sie gesagt hätten, wir haben generell die Regelsätze alle Jahre zu überprüfen.
Wenn wir sagen, KdU, dafür möchte ich drei Gründe nennen: Erstens, mein Kollege Kummer hat das schon gesagt, schnellere Reaktion vor Ort und auch bessere Reaktionen auf die Energiepreise vor Ort, die wir haben. Zweitens können die regionalen Besonderheiten besser beachtet werden. Drittens, da komme ich jetzt auf Argumente, die wieder von der CDU waren, KdU erhalten in diesem Land, meine Damen und Herren, nicht nur Hartz IV-Empfänger. KdU beantragen auch Menschen, die nicht in der Lage sind, von ihrer Hände Arbeit zu leben. Auch die haben hohe Stromkosten. Wir wollen, wenn das in die KdU kommt, dass auch diese Menschen Nutznießer unseres Antrags sind. Betroffene, ich hatte das schon einmal gesagt, gibt es in diesem Land genug. Wir sollten sie nicht verhöhnen, sondern wir sollten dafür sorgen, dass diesen Menschen geholfen wird. Da trägt in erster Linie die Landesregierung Verantwortung.
Ich weiß nicht, wie bring ich’s dem Minister bei?
Herr Minister, Ihre Rede, die Sie jetzt gehalten haben, das war wieder frei nach dem Motto: Die Armen sind die Deppen.
Genau das war’s. Wer hat denn hier von uns gesagt, dass die nicht auch sparen müssen?
Ich habe nur gesagt, die sparen schon. Die müssen täglich sparen. Die müssen nicht bloß bei der Energie sparen. Die müssen bei den Lebenshaltungskosten sparen, ob das Ernährung ist, ob das Bekleidung ist, ob das andere Wohnkosten sind, die sparen schon. Denen noch zu sagen, Leute ihr schnallt den Gürtel nicht eng genug, am besten ist, ihr schnallt den Gürtel so zu, dass ihr überhaupt keine Luft mehr bekommt, das ist Ihre Politik. Hier hat doch keiner von uns gesagt, dass die hier Energie verschwenden, dass die rauspulvern oder ähnliches. Das setzen Sie doch schon bei den Leuten voraus.
Das sind Hartz IV-Empfänger, arbeiten nicht, leben von der Gesellschaft und vergeuden noch unser Geld, das ist Ihre Grundhaltung, die Sie haben. Ich habe den Eindruck, Ihre Rede war schon sehr weit entfernt von der sozialen Marktwirtschaft. Sie rennen und trampeln schon in der freien Marktwirtschaft herum.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
Thüringer Heimgesetz
In der Regierungserklärung „Miteinander leben - frei, gerecht, solidarisch!“ vom 12. September 2008 führte Frau Ministerin Lieberknecht aus, dass gemeinsam mit der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, den kommunalen Spitzenverbänden und weiteren Partnern im Lande das Thüringer Heimgesetz erarbeitet wird.
Ich frage die Landesregierung:
1. In welcher Art und Weise und mit welchen Ergebnissen wurde mit oben genannten Vertretern über die Eckpunkte eines zu erstellenden Thüringer Heimgesetzes diskutiert?
2. Wann soll der erste und zweite Kabinettsdurchgang erfolgen?
3. Wann wird die Landesregierung ein Thüringer Heimgesetz zur Beratung in den Landtag einreichen?
4. Ab wann soll die neue gesetzliche Regelung in Thüringen in Kraft treten?
Herr Staatssekretär, zwei Nachfragen: Sie sprachen davon, es wurden inhaltliche Eckpunkte des Heimgesetzes grob skizziert. Können Sie grob wiedergeben, was das für Eckpunkte sind? Insbesondere gab es dazu Gespräche, was den Fachkräfteschlüssel betrifft?
Und die zweite Frage ist: Gehen Sie davon aus, dass die Verabschiedung im Thüringer Landtag noch in dieser Legislaturperiode erfolgen könnte?
Abschließende Regelung im Rentenrecht schaffen
Mit Beschluss des Thüringer Landtags vom 9. Mai 2008 (vgl. Drucksache 4/4103) wurde die Landesregierung gebeten, gemeinsam mit den jungen Ländern im Bundesrat aktiv zu werden, um die erkennbaren Defizite aus der erfolgten Rentenüberleitung nach der Wiedervereinigung Deutschlands abschließend zu regeln.
Am 10. Oktober 2008 soll ein Entschließungsantrag im Bundesrat eingebracht werden, der die Erarbeitung von verschiedenen Modellrechnungen zur Angleichung des Rentenwertes Ost an West beinhaltet.
Es gilt, weitere Rentenlücken, die noch existieren, so schnell wie möglich zu schließen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche konkreten weiteren Aktivitäten hat die Landesregierung seit Verabschiedung des o.g. Beschlusses in den zurückliegenden Monaten unternommen?
2. Welche konkreten Aktivitäten hat die Landesregierung unternommen, um die rentenrechtliche Besserstellung von zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen zu klären?
3. Wie beurteilt die Landesregierung die Forderungen des Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen e.V. nach einem Versorgungsausgleich, wie er per Gesetz in den alten Bundesländern seit 1977 und gesamtdeutsch seit 1992 existiert?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, am 9. April 2008 ist der Antrag der CDU-Fraktion 4/3955 „Änderung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags“ an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen worden. Am 24. April 2008 kam der Ausschuss überein, Änderungsvorschläge der Fraktionen zu der genannten Drucksache bis zum 9. Mai der Landtagsverwaltung
zuzuleiten und die Landtagsverwaltung wurde gebeten, von diesen Änderungsanträgen eine Synopse herzustellen und bis zum 20. Mai den Ausschussmitgliedern zur Verfügung zu stellen. Auf der erneuten Beratung des Ausschusses am 22.05.2008 wurde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE gemäß § 79 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine schriftliche Anhörung beschlossen und am 22. Mai wurden dazu sieben Anzuhörende durch den Ausschuss festgelegt. Der Ausschuss hat zur gleichen Sitzung beschlossen, etwaige Änderungsvorschläge der Fraktionen zur Drucksache und zum Antrag der CDU bis zum 19. Juni der Landtagsverwaltung zuzuleiten und diese Änderungsanträge ebenfalls in die schon zu erarbeitende Synopse mit einarbeiten zu lassen. Am 28. August fand im Ausschuss die Auswertung der Anhörung der sieben Anzuhörenden statt. In der schriftlichen Anhörung waren für die verschiedenen Vorschläge der Fraktionen von den Anzuhörenden sowohl zustimmende als auch ablehnende Voten geäußert worden. Zwei zustimmende möchte ich als illustrierendes Beispiel herausgreifen. Die erleichterte Zugänglichkeit zu Protokollen vertraulicher Sitzungen wurde als Stärkung der parlamentarischen Arbeit der Abgeordneten gewertet und diese Änderungen wurden auch, so der Beschlussempfehlung zu entnehmen, vom Ausschuss mehrheitlich in Form einer Änderung der Geschäftsordnung beschlossen. Die von Anzuhörenden, darunter Herrn Dr. Linck, geforderte Stärkung des Öffentlichkeitsprinzips bei Ausschuss-Sitzungen fand dagegen durch die Mehrheit des Ausschusses keine Bestätigung. Es fanden zu den Änderungsvorschlägen der Fraktionen und zum Antrag der CDU sowohl am 25. September 2008 eine Beratung statt und die abschließende Beratung dazu am 2. Oktober 2008. Es wird hier in diesem Haus niemanden erstaunen, dass sowohl die Art und Weise des Abstimmungsverlaufs im Ausschuss als auch das Abstimmungsergebnis das Politikverständnis der Mehrheit dieses Hauses widerspiegelt. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir sprechen heute über die europapolitische Strategie der Landesregierung. Wir haben den Bericht des Ministers dazu gehört. Strategie bedeutet ja, dass ich aus
sagen will, wie will ich ein bestimmtes Ziel in der Zukunft erreichen. Und heute ist das Ziel: Wie gestalte ich meine Europapolitik für die Zukunft? Uns lag auch schon vor der Sommerpause ein umfangreiches Papier vor, was diese Strategie der Landesregierung enthält bzw. die Fortschreibung. Wir haben heute den Bericht des Ministers dazu gehört. Zu dem Papier insgesamt muss man sagen, es ist sehr umfangreich, aber die Masse des Papiers sagt noch nichts über die Wertigkeit des Inhalts aus. Bei vielen guten Ansätzen, die in diesen Papieren der europapolitischen Strategie enthalten sind, gibt es aber trotzdem eine Grundtendenz: Es ist mehr eine Interpretation der Arbeit der Europäischen Kommission, eine Interpretation und Darstellung der Haltung der Bundesregierung zu bestimmten europapolitischen Themen und eine Darstellung der Landesregierung, was bisher gemacht wurde, wenige Aussagen, wie will ich etwas machen. Es gibt dort so Schlagsätze in der Strategie wie „das machen wir auch“ oder „wir werden diesen Prozess kritisch beobachten“ oder „wir werden diesen Prozess kritisch begleiten“. Interessanter wäre gewesen, warum die Kritik und vor allem die Aussage, warum nur kritische Begleitung und keine Änderung.
Nun, Herr Minister, sind Sie auch unter anderem auf das irische Nein zum Lissabon-Vertrag eingegangen. Ein Fortschritt daran, muss ich sagen, ist in Ihren Darstellungen, dass man zumindest jetzt wieder eine Phase der Nachdenklichkeit hat und nicht einfach über das Nein hinweggeht nach dem Motto „Die Iren wussten nicht, was sie taten“, so wie das noch vor einem Jahr gemacht wurde, als Frankreich und die Niederlande Nein gesagt haben. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass die Haltung der Iren respektiert wird. Weniger darauf eingegangen sind Sie, was die Ursachen für das Nein der Iren waren. Sie haben einige Punkte aufgezählt. Aber ich muss auch sagen, die Regierungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union haben aus dem französischen und dem niederländischen Nein nichts gelernt. Wir hatten schon vor der Sommerpause die Debatte, deshalb will ich das an dieser Stelle kurz machen. Auch die Iren wollten, dass ihre sozialen Standards, dass die sozialen Folgen des LissabonVertrags nicht auf ihr Land Auswirkungen haben. Wir müssen eindeutig sagen, nach dem Nein von Frankreich und den Niederlanden, der Lissabon-Vertrag ist der alte Text des ursprünglichen Verfassungsentwurfs, neu gegliedert in einer neuen Verpackung, die im Prinzip schlecht gemacht wurde, und vor allem hat man dort nicht die Schlussfolgerung aus dem Nein von Frankreich und Irland gezogen. Sie haben hier dargelegt, dass die Masse der europäischen Staaten diesen Vertrag durch ihre Parlamente ratifiziert hat. Ich wiederhole nach wie vor noch mal unsere Forderung. Ich weiß, die beiden anderen Fraktionen haben eine andere Auffassung, aber deshalb wieder
hole ich unsere Auffassung noch einmal: Wir hätten gern gehabt und verlangen das noch weiterhin, dass die Menschen auch über den Lissabon-Vertrag direkt in Europa entscheiden.
Deshalb ist es für mich unverständlich, wenn die Landesregierung in ihrer europapolitischen Strategie weiter ohne Abstriche sagt, ja, wir sind für diesen Vertrag, ohne kritische Bemerkungen zu diesem Vertrag zu tätigen. Ich sage Ihnen auch, es wäre für Sie in Thüringen schwerer gewesen, hätten wir die Thüringer über den Vertrag entscheiden lassen, dann hätten Sie nämlich richtige Arbeit leisten müssen, den Menschen die Vorzüge der Europäischen Union direkt vor Ort zu erklären. Aber dadurch, dass hier nur Parlamente entscheiden, ersparen Sie sich diese Arbeit. Das kann eigentlich nicht Bürgerbeteiligung sein.
Dann sprechen Sie vom Wahljahr 2009. In dem Papier der europapolitischen Strategie steht drin, Ziel der Landesregierung ist es, eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Ich glaube, das ist das Ziel aller, die hier in diesem Haus sitzen, eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Aber wie Sie das machen wollen, Herr Minister, das kann man nirgends nachlesen, wie Sie den Bürgern Europa schmackhaft machen wollen. Es steht zwar in Ihrem Vorhaben drin, dass wieder die Europatage und die Europawoche an den Thüringer Schulen stattfinden, das ist richtig. Wir als Fraktion werden uns an diesen Europatagen in den Thüringer Schulen aktiv mit beteiligen. Aber es reicht doch nicht, bloß die Jugend und die Schüler für Europa zu begeistern. Wir müssen genauso die Arbeitsnehmer, wir müssen die Handwerker, wir müssen die Ärzte für Europa begeistern und motivieren, weil gerade diese Gebiete - ich erinnere nur an die Dienstleistungsrichtlinie, ich werde noch auf die Gesundheitsdienstleistungsrichtlinie kommen - machen die Menschen besorgt.
Dann sprechen Sie auch in Ihrem Papier davon, dass die Landesregierung ein Konzept der Öffentlichkeitsarbeit für Europa hat. Das ist richtig, trotzdem habe ich gestutzt und musste zwei- oder dreimal lesen. Dieses Papier zur Öffentlichkeitsarbeit in Europa stammt aus dem Jahr 2002. Ich glaube, seit 2002 hat sich Europa weiterentwickelt, neue Herausforderungen sind an uns herangetreten und Sie argumentieren mit einem Papier der Öffentlichkeitsarbeit aus dem Jahr 2002. Herr Minister, das ist älter als die Braunkohle. Da fordere ich Sie auf, dass Sie dort wirklich aktiv werden und dieses Papier der Öffentlichkeitsarbeit präzisieren, obwohl ich an dieser Stelle sagen muss, da stehen ein paar gute Ansätze drin. Aber nur bei den guten Ansätzen, wo bleiben wir dann dabei.
Da möchte ich aus dem Protokoll vom 14. Juni 2002 des Landtagsplenums zitieren, und zwar den damaligen Europaminister Gnauck, der sagte - ich darf zitieren: „Die Vertiefung der Europäischen Union muss gemeinsam von Politik und Bürgern getragen werden. Sie darf kein Elitenprojekt sein, sondern sie muss vielmehr als Bürgerprojekt wahrgenommen werden. Es reicht nicht zu fordern, dass die Europäische Union demokratischer, bürgernäher und transparenter werden soll. Es gilt auch den Bürgern zu verdeutlichen, wie das geschehen soll. Unsere Aufgabe ist es deshalb, die Arbeitsweise der Europäischen Union und ihre Vorzüge gegenüber einem bloßen Nebeneinander der Staaten für die Bürgerinnen und Bürger plastisch und alltagsbezogen erkennbar und erfahrbar zu machen.“ Das sind gute Erkenntnisse. Nur ich vermisse auch in Ihrer Rede, wie diese Erkenntnisse, die damals 2002 hier im Plenum geäußert wurden, in die Tat umgesetzt wurden. Als ich mich in der letzten Debatte dazu geäußert hatte, die Bürger in die Abstimmung des Lissabon-Vertrags einzubeziehen und ich kritisiert habe, dass dieser Vertrag nur in den Amtsstuben der Regierung erarbeitet wurde ohne die Bürger, bin ich hier kritisiert worden. Selbst Ihr Vorgänger aus der damaligen Zeit schreibt: „Es darf keine Eliteprojekte geben.“ Genau das ist der Vertrag von Lissabon. Er ist hinter verschlossenen Türen erarbeitet worden und da darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen dort Nein sagen zu diesem Vertrag.
Wie die Meinung der Bürger aussieht, dazu gibt es eine Umfrage, ich zitiere aus dem nationalen Bericht zum Eurobarometer 69, der im Frühjahr 2008 erschienen ist: „Nur 26 Prozent der Deutschen glauben, dass die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU das Wirtschaftswachstum fördert. 53 Prozent aller Ostdeutschen glauben, dass die EU ihre Arbeitsplätze gefährdet. 61 Prozent der Deutschen glauben, dass ihre eigene Regierung bei europäischen Fragen eher nicht auf sie hört.“