Protokoll der Sitzung vom 03.04.2009

Meine Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und begrüße auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Abgeordnete Holzapfel Platz genommen. Die Rednerliste führt Abgeordneter Baumann.

Für die heutige Sitzung hat sich Ministerpräsident Althaus entschuldigt.

Ich möchte Ihnen folgende Hinweise zur Tagesordnung geben: Die angekündigte Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu Tagesordnungspunkt 3 hat die Drucksachennummer 4/5064. Als Berichterstatterin wurde Frau Abgeordnete Groß benannt.

Die Fraktionen hatten gemeinsam am 1. April 2009 den Entwurf für ein Begleitgesetz zum Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung (Gesetz für mehr direkte Demokratie in Thüringer Kommu- nen) - Volksbegehrens-Begleitgesetz - in Drucksache 4/5062 eingereicht. Auf Antrag der Fraktion der SPD habe ich diesen Gesetzentwurf gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung im Einvernehmen mit den Fraktionen bereits vor der ersten Beratung an den Innenausschuss federführend und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen. Mit Drucksache 4/5063 hatte ich Sie darüber bereits informiert. Beide Ausschüsse haben den Gesetzentwurf abschließend beraten. Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses hat die Drucksachennummer 4/5065. Die Beschlussempfehlung wurde fristgerecht verteilt. Als Berichterstatterin wurde Frau Abgeordnete Groß benannt. Zwischen den Fraktionen wurde vereinbart, diesen Gesetzentwurf heute in zweiter Beratung gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 3 zu beraten.

Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass der angekündigte Gesetzentwurf der Landesregierung zu Tagesordnungspunkt 18 „Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes“ die Drucksachennummer 4/5035 hat.

Zu Tagesordnungspunkt 30 wurde ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 4/5070 verteilt.

Zu Tagesordnungspunkt 38 a wurde ein Alternativantrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/5066 verteilt.

Der Tagesordnungspunkt 39 kann heute nicht aufgerufen werden, da der Bildungsausschuss noch nicht abschließend beraten hat.

Die Landesregierung hat weiterhin angekündigt, zu dem Alternativantrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/5066 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der von mir genannten Ergänzung widersprochen? Bitte, Abgeordneter Schröter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, namens der CDUFraktion beantrage ich die Aufnahme des Gesetzentwurfs der Landesregierung „Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz“ in Drucksache 4/5036 in die heutige Tagesordnung. Ich beantrage, diesen Punkt nach dem Tagesordnungspunkt 18, also nach der letzten ersten Lesung in der Tagesordnung einzuordnen. Es gibt Übereinstimmung zwischen den Fraktionen, dass dieser Tagesordnungspunkt ohne Aussprache an den Ausschuss für Bau und Verkehr überwiesen werden soll.

Zum Zweiten: Ich beantrage, dass die „Wahl der vom Thüringer Landtag zu wählenden Mitglieder der 13. Bundesversammlung“ heute als erster Punkt nach 13.00 Uhr aufgerufen werden soll, also der letzte Punkt, der über den 13.00-Uhr-Punkt hinausgeht, soll abgearbeitet werden und danach soll diese Wahl stattfinden. Vielen Dank.

Ich lasse über diese Anträge abstimmen. Wir stimmen zuerst ab über die Aufnahme des Gesetzentwurfs der Landesregierung „Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz“ in Drucksache 4/5036 in die heutige Tagesordnung nach Punkt 18. Wer für die Aufnahme und die Platzierung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Aufnahme und die Platzierung? Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltungen, keine Gegenstimme, damit ist dieser Tagesordnungspunkt zuzätzlich aufgenommen worden.

Es ist ferner beantragt worden, die Wahl der Mitglieder der 13. Bundesversammlung heute nach 13.00 Uhr aufzurufen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist ge

gen diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Keine Gegenstimme, keine Stimmenthaltung. Bitte, Abgeordneter Höhn.

Frau Präsidentin, ich hätte noch einen Platzierungswunsch, also einen Antrag der SPD-Fraktion.

Darf ich erst einmal zu Ende reden?

Es ist der Antrag angenommen worden, dass nach 13.00 Uhr die Wahl der Mitglieder der Bundesversammlung erfolgt. Jetzt bitte, Abgeordneter Höhn.

Danke, Frau Präsidentin. Ich beantrage, den Tagesordnungspunkt 38 a „Sicherung des Automobilstandortes Eisenach“ als ersten Punkt nach den Gesetzen zum Aufruf zu bringen.

Wir stimmen über diesen Antrag ab. Es ist beantragt worden, den Tagesordnungspunkt 38 a „Sicherung des Automobilstandortes Eisenach“ heute nach den Gesetzen aufzurufen. Wer für diese Platzierung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diese Platzierung, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? 1 Stimmenthaltung. Bitte, Abgeordneter Schröter, ein Antrag zur Geschäftsordnung.

Ich möchte eine persönliche Erklärung abgeben: Ich habe gegen diesen Antrag gestimmt, weil wir vereinbart haben, dass die gesamte Tagesordnung heute abgearbeitet werden soll. Demzufolge wird auch dieser Punkt abgearbeitet.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Zählen!)

Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag mit Mehrheit der Gegenstimmen abgelehnt worden.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Das kann doch nicht sein!)

Wir treten damit in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3 und den neuen Tagesordnungspunkt 3 a

Gesetz zur Änderung der Thü- ringer Kommunalordnung (Ge- setz für mehr direkte Demokra- tie in Thüringer Kommunen) Gesetzentwurf nach Artikel 82 der Verfassung des Freistaats Thüringen Volksbegehren „Mehr Demokra- tie in Thüringer Kommunen“ - Drucksache 4/4550 - dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 4/5064 - ZWEITE BERATUNG

Begleitgesetz zum Gesetz zur Änderung der Thüringer Kom- munalordnung (Gesetz für mehr direkte Demokratie in Thüringer Kommunen) - Volksbegehrens- Begleitgesetz - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, DIE LINKE und der SPD - Drucksache 4/5062 - dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 4/5065 - ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat Frau Abgeordnete Groß aus dem Innenausschuss zur Berichterstattung zu beiden Tagesordnungspunkten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Präsidentin hat angekündigt, dass ich die Berichterstattung vornehmen möchte zum Gesetz für mehr Demokratie in Thüringer Kommunen, der Gesetzentwurf nach Artikel 82 der Verfassung des Freistaats Thüringen zum Volksbegehren „Mehr Demokratie für Thüringen“ in Drucksache 4/4550. Die Vertrauensperson des Volksbegehrens ist Herr Ralf-Uwe Beck, stellvertretende Vertrauensperson ist Herr Steffen Lemme.

Das Zustandekommen des Volksbegehrens wurde festgestellt mit dem Bescheid der Präsidentin des Thüringer Landtags vom 23. Oktober 2008. Es wurde der Vertrauensperson zugestellt und das Ergebnis der Landesregierung mitgeteilt. Die Ausschussberatungen zum Gesetzentwurf sind immer öffentlich geführt worden und unter Beteiligung der Vertrauensperson. Die Einbringung des Gesetzentwurfs in das Plenum erfolgte am 14.11.2008. Dort wurde der Gesetzentwurf an den Innenausschuss federführend

und mitberatend an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen. Am 13. Februar führte der Innenausschuss eine umfangreiche Mündliche Anhörung durch. Es stellten sich unterschiedliche Rechtsauffassungen dar. Mehrere Anzuhörende äußerten, dass es bei Annahme des Gesetzentwurfs durch den Landtag oder durch einen erfolgreichen Volksentscheid zu Unklarheiten mit der geltenden Gesetzeslage führen könne.

Die Auswertung der Anhörung erfolgte zunächst in den Fraktionen. Die Fraktionsspitzen führten parallel zum Gesetzentwurf in diesem Verfahren weitere Gespräche und kamen mit Zustimmung ihrer Fraktionen überein, dem Landtag einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorzulegen, der Gesetzentwurf in Drucksache 4/5062, Begleitgesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung, das Volksbegehrens-Begleitgesetz. Hier wurde der Wortlaut des Volksbegehrens weitgehend implementiert. Der bis dato bestehende Dissens zur Sammlungsart wurde in § 17 a und b beigelegt, da sowohl die freie Sammlung wie auch die Amtsstubensammlung möglich sind. In der 69. Sitzung des Innenausschusses am 1. April wurde der Gesetzentwurf des Volksbegehrens einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf zum Volksbegehrens-Begleitgesetz wurde ebenfalls einstimmig angenommen.

Der Justizausschuss des Thüringer Landtags hat am gleichen Tag beide Gesetzentwürfe angenommen. Damit hat der Landtag aus eigener Kraft eine Lösung zu dieser Angelegenheit getroffen. Der Innenausschuss und der Justizausschuss empfehlen die Annahme beider Gesetze. Danke schön.

(Beifall im Hause)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Hausold, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, heute steht ein Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung in zweiter Lesung zur Entscheidung an. Es ist kein Änderungsgesetz wie jedes andere; es ist der zweite Gesetzentwurf, der im Wege eines Volksbegehrens in den Landtag eingegangen ist; namens meiner Fraktion möchte ich insbesondere das noch mal hervorheben und begrüßen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Die Abgeordneten des Thüringer Landtags tragen heute mit ihrer Entscheidung auch die politische Ver

antwortung dafür, dass 251.000 Unterschriften von Thüringer Bürgerinnen und Bürgern und das Vorhaben, das mit ihnen unterstützt wird, unmittelbare politische und rechtliche Wirkung entfalten kann, Verantwortung dafür, dass das, was engagierte Bürger wollen, gesellschaftliche Wirklichkeit wird. Menschen sollen es leichter haben, mit ihrem Engagement auch sinnvolle Veränderungen im Alltag vor ihrer Haustür zu bewirken. Dazu sollen vor allem die Quoren gesenkt und vereinfacht werden. Es wird der Themenausschlusskatalog eingeschränkt. Bürgerinnen und Bürger sollen über mehr Themen, die sie unmittelbar betreffen, selbst abstimmen können, sei es bei den Fragen von Bebauungsplänen, sei es bei den Fragen öffentlicher Einrichtungen oder bei Problemen mit der Höhe von Abgaben. Außerdem sollen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auch auf Landkreisebene zulässig sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war dringend notwendig, hier Hürden beiseite zu räumen.

(Beifall DIE LINKE)

Nach Untersuchungen von „Mehr Demokratie“ stand Thüringen vor Start des Volksbegehrens auf Platz 16 im bundesweiten Vergleich. Nun rangiert es nach Verabschiedung des Volksbegehrens und unter Berücksichtigung der freien Straßensammlungen im Vergleich zwischen den Bundesländern auf Platz 4. Das ist doch mal eine tatsächliche Erfolgsbilanz für unser Land, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Bravo!)

Stichwort - freie Straßensammlung: Andreas Gross, Schweizer Abgeordneter und seit Jahren für den Ausbau direkter Demokratie aktiv - und das nicht nur in der Schweiz - bezeichnet die freie Sammlung als Seele der direkten Demokratie. Die Demokratie - nicht nur die direkte - lebt vom ungehinderten, kreativen und durch viele inhaltliche Positionen und Ideen geprägten Meinungsfindungs- und Entscheidungsprozess. Hier können Bürgerinnen und Bürger direkt ihr Sach- und Fachwissen in die Diskussion einbringen. Die freie Sammlung ist der notwendige Freiraum dafür. Deshalb gilt in ganz Europa gerade für direkte Demokratie in den Kommunen eben diese freie Sammlung, meine Damen und Herren. Wir haben, wenn wir heute diesen Beschluss treffen, europäisches Niveau erreicht.

(Beifall DIE LINKE)

Nun kann man diese Feststellung wieder treffen, denn mit dem Volksbegehrens-Begleitgesetz, das zusammen mit dem Gesetzentwurf des Volksbegeh

rens zur Entscheidung steht, wird die freie Sammlung wieder in die Kommunalordnung aufgenommen. Mit dem Einlenken der CDU-Fraktion in dem gemeinsamen Gesetzentwurf aller drei Fraktionen ist der seit Oktober 2008 existierende Thüringer Sonderweg der alleinigen Amtsstubensammlung in den Kommunen zu Ende. Er hatte in Thüringen und weit darüber hinaus Befremden und Proteste ausgelöst. Das Volksbegehren „Mehr Demokratie in den Thüringer Kommunen“ und das Bündnis „Mehr Demokratie in Thüringen“ haben zu Recht immer die freie Sammlung verteidigt und deren Bedeutung hervorgehoben. Nun wird es in der Kommunalordnung beide Wege geben. Die Initiatoren sollen wählen können zwischen den Sammlungsarten. Dieses Wahlrecht wurde auf der Landesebene, meine Damen und Herren, ja bekanntermaßen schon 2003 umgesetzt.

Gestatten Sie mir wegen der Wichtigkeit dieser gesamten Angelegenheiten einen kleinen Rückblick auf die Entwicklung in den vergangenen Jahren. Auch 2003 hatten sich die drei Fraktionen im Thüringer Landtag zusammengefunden, um für den Ausbau der direkten Demokratie eine politische Lösung zu finden. Damals hatten 360.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihren Unterschriften in einem Volksbegehren, ebenfalls getragen vom Bündnis „Mehr Demokratie in Thüringen“, das Signal gegeben, dass sie mehr Mitsprache und wirksame politische Gestaltungsrechte wollen. Leider hatte damals der Thüringer Verfassungsgerichtshof das Begehren gestoppt. Damit war aber das politische Anliegen nicht aus der Welt. Die damalige PDS-Fraktion und die SPD-Fraktion griffen das Volksbegehren auf und reichten es als Gesetzentwurf in den Landtag ein. Darüber hinaus legten sie in Zusammenarbeit mit dem Bündnis noch einen Reformvorschlag für ein neues Verfahrensgesetz vor. Nach längeren Verhandlungen war auch damals die CDU bereit, der politischen Botschaft der zigtausenden Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern nachzukommen und die direkte Demokratie zu erleichtern, zumindest für die Landesebene.