Dieter Hausold

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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Gäste! Frau Präsidentin, gestatten Sie mir, Sie hatten darauf verwiesen, dass wir uns gemeinschaftlich im Wahlkampf befinden, deshalb an dieser Stelle zunächst eine Bemerkung außerhalb des heute zu beratenden Themas.
Wir werden gegenwärtig Zeuge einer rassistischen und ausländerfeindlichen Kampagne gegen Herrn Zeca Schall. Ich will hier deutlich sagen, unabhängig jeder Parteizugehörigkeit gehört ihm und gehört solchen in dieser Art leider immer wieder durch die NPD bedrohten Menschen unsere Solidarität. Wir sollten das als Demokraten immer wieder gemeinschaftlich zum Ausdruck bringen und hier auch als Demokraten zusammenstehen in diesem Hause.
Ich muss es nicht hinzufügen und tue es trotzdem für das Protokoll, dass wir diese Kampagne der NPD wie ihre gesamte rassistische, ausländerfeindliche und neofaschistische Politik entschieden zurückweisen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Umstände um die Anhörung zum Gesetz im Justizausschuss und um die Tagesordnung der Plenarsitzung letzte Woche beweisen eben doch, dass die CDU gewillt war, aus wahltaktischen Gründen verfassungsrechtlich verankerte Rechte der Opposition als auch die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags beiseitezuwischen. Wir haben es bereits mehrfach erlebt, dass mittels Ihrer Mehrheit die Minderheitenrechte der Oppositionsfraktionen oft aus durchsichtigen politischen Gründen missbraucht und verletzt wurden. Viele erinnern sich an eine skurrile Eigentümlichkeit auch dieser Wahlperiode, dass Abstimmungen so oft wiederholt werden mussten, bis sie im Sinne der CDU in diesem Saale ausgegangen sind. Dass, meine Damen und Herren, der Verfassungsartikel 59 der Opposition das Recht auf Chancengleichheit einräumt, interessiert Sie als Mehrheit in solchen Momenten offensichtlich nicht, wohl - und der Verdacht drängt sich auch auf - auch deshalb nicht, weil Ihr Agieren und Ihre Vorhaben oft genug gegen die Interessen der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land von Ihnen hier durchgesetzt werden sollen.
Was nun die konkrete Angelegenheit betrifft, so will ich unterstreichen, das Problematische, ja geradezu Schlimme an Ihrer Verhaltensweise ist doch, dass die von der CDU hier zur Debatte gestellten Inhalte, nämlich die Überprüfung von Abgeordneten auf eine Stasi-Zusammenarbeit, durch dieses Verfahren von Ihnen konterkariert werden, dass diesem Anliegen durch Ihr Vorgehen, meine Damen und Herren, überhaupt in keiner Art und Weise Rechnung getragen wird, ja, im Gegenteil, dass es in diesem Hause und vor der Öffentlichkeit dieses Landes in der benannten Angelegenheit geradezu kontraproduktiv ist, meine Damen und Herren. Die Urteile des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, insbesondere die zahlreichen Sondervoten von Richtern, machen deutlich, dass die Abgeordnetenüberprüfung ein gesellschaftspolitisch wie juristisch sehr komplexes und auch umstrittenes Thema ist und offensichtlich bleibt. Gerade die Sondervoten zeigen, dass ein anderer Umgang mit Abgeordnetenüberprüfung möglich und auch notwendig ist, meine Damen und Herren. Es geht darum, die demokratische Transparenz beim Umgang mit Biografien zu wahren, aber auch der bisher von der CDU betriebenen politischen Instru
mentalisierung einen Riegel vorzuschieben, meine Damen und Herren.
Gerade die massiven Bedenken, die gegen den von der CDU vorgelegten Gesetzentwurf sehr deutlich in der Anhörung des Ausschusses zutage getreten sind, müssen genauer in diesem Hause erörtert werden.
Ich möchte aber an dieser Stelle insbesondere zwei Bemerkungen machen, meine Damen und Herren. Ich möchte auf den Gegenstand der generellen Fristverlängerung und auf die Frage der Vergangenheitsaufarbeitung, die ja mit dieser Problematik zu tun hat und zu der es gerade in letzter Zeit sicher auch angesichts unserer Jahreszahl 2009 neue Einschätzungen und Bewertungen gibt, eingehen.
Zur Fristverlängerung möchte ich hier noch einmal grundsätzlich anmerken: Wir als LINKE, und ich betone dies, sind auch weiterhin für einen offenen und transparenten Umgang mit Biografien von Kandidatinnen und Kandidaten und Mandatsträgern und haben das auch in der Vergangenheit stets so praktiziert. Die Wähler haben Anspruch auf die Offenlegung, um eine adäquate Wahlentscheidung treffen zu können. Darum sind wir nicht gegen Überprüfungen, wie das zum Teil von unseren politischen Widersachern immer wieder falsch dargelegt wird. Wichtig - und das möchte ich hier betonen - war uns immer die Auseinandersetzung mit der eigenen, mit der jeweiligen Biografie, die Frage nach den Schlussfolgerungen, die Frage nach der Bewertung jeweils anhand der Biografie. Ein besonders wichtiger Aspekt der Bewertung war neben Beweggründen vor allem auch die Frage nach eventuell angerichtetem Schaden und den Folgen für andere.
Ich sage es hier noch einmal: An der Tätigkeit des nach innen gerichteten Spitzelwesens und Repressionsapparats des MfS gab es für unsere Partei nie etwas zu beschönigen, aber Menschen hat sie, unsere Partei, auch immer Einsichts- und Veränderungsfähigkeit zugestanden. Ich denke, das ist in diesem Prozess auch unbedingt notwendig. Deshalb seien hier nochmals an Ihrem Vorgehen einige deutliche Zweifel erlaubt.
Erstens: Beim Erlass des Stasi-Unterlagen-Gesetzes war immer vom Gesetzgeber betont worden, dieses Gesetz hat lediglich eine befristete Geltung und ist der historischen Übergangssituation von der Diktatur in die Demokratie geschuldet. Die Veränderung der Überprüfungen für bestimmte Personengruppen hinsichtlich einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst verstieß bei der Verlängerung im Jahre 2006 im Deutschen Bundestag eigentlich schon gegen den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers, meine
Damen und Herren. Dieser hatte 1991 die Überprüfung gemäß § 20 Abs. 10 Nr. 3 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes auf 15 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, das heißt bis zum bekannten 29.12.2006, befristet. Demnach durfte nach Ablauf dieser Frist die Tatsache einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst dem Mitarbeiter im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwendet werden.
Meine Damen und Herren, zum Rechtsstaat gehört der Rechtsgedanke der Verjährung im Strafrecht wie im Zivilrecht. Die Zeit spielt dabei eine entscheidende Rolle. Diese Bewährung in der Demokratie, meine Damen und Herren, spielte bei den Abwägungen des bekannten Landtagsgremiums aus meinem Erleben und aus Sicht meiner Fraktion keinerlei Rolle, weil es durch eine politische Ausrichtung ausschließlich Bestrafung - und das für eine Mehrheit - von vornherein zum Ziel hatte. Das lehnen wir deutlich ab, meine Damen und Herren!
Im Grunde ging es Ihnen mit Ihrer Mehrheit nur um die Stigmatisierung des politischen Gegners, niemals, meine Damen und Herren, um wirklich ehrliche Vergangenheitsaufarbeitung und -auseinandersetzung.
In den Sondervoten zum zweiten denkbar knappen Verfassungsgerichtsurteil kommt ganz besonders diese Fragwürdigkeit des gesamten Verfahrens im Thüringer Landtag zum Tragen. Ob ein Gremium des Landtags dieses öffentliche Verdikt verhängen darf, dazu meinte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil - nein. Auch der Bundestag verzichtet bekanntlich auf eine diesbezügliche Wertung der Feststellungen. Ich darf hier die Verfassungsrichterin Frau Dr. Iris Martin-Gehl aus ihrem Sondervotum zitieren. Sie schreibt: „Das Attribut der Unwürdigkeit, dem Landtag anzugehören, ist ein Werturteil, das sich anders,“ meine Damen und Herren, „als die Mehrheit meint, nicht den Tatsachenfeststellungen zu einer etwaigen Stasitätigkeit zuordnen lässt.“
Es geht also nicht um das Transparenzprinzip, nicht um die Bewertungsmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler, sondern es geht, meine Damen und Herren, um ein politisches Werteurteil. Das wird der Sache und der Gesetzlichkeit nicht gerecht. Die größten und glaubwürdigsten Bedenken in dem Verfahren hat die eben zitierte Verfassungsrichterin jedoch aus demokratischen Erwägungen angebracht und ich möchte auch das hier zitieren. Sie schrieb: „Das Parlament erhält seine Legitimation durch das Volk. Zieht es die politische Tragbarkeit einzelner seiner Mit
glieder in Zweifel, stellt es seine eigene Legitimation infrage und erhebt sich damit über den Wählerwillen. Der Respekt vor dem Wählerwillen verbietet es, im parlamentarischen Raum über Abgeordnete Urteile zu fällen, durch die sich der Wähler dem Vorwurf ausgesetzt sieht, eine Fehlentscheidung getroffen zu haben. Zudem kommt es einer Bevormundung des Wählers gleich, dass ihm die eigene Einschätzung, ob er einem Abgeordneten sein Vertrauen geben kann, vom Parlament durch ein vorgefasstes Urteil der Parlamentsunwürdigkeit abgenommen wird. Auf diese Weise politischen Druck auf die Wählerinnen und Wähler auszuüben, ist mit dem Demokratieprinzip schwerlich vereinbar.“ Ich glaube, meine Damen und Herren, diesen Worten gibt es nichts hinzuzufügen, was die hier zu debattierende Sache betrifft.
Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle zweitens auch klarstellen, DIE LINKE hält die Öffnung und Beibehaltung der Öffentlichkeit der Stasi-Akten nach wie vor für richtig. Allerdings kritisieren wir die Art und Weise des Umgangs mit ihnen und vor allem den Fakt, dass die sie verwaltende Behörde sich ungeniert parteipolitisch vereinnahmen und missbrauchen lässt, meine Damen und Herren. Nach der allgemeinen Überzeugung einer großen Zahl von Zeithistorikern ist auch in diesem Zusammenhang die Aufarbeitung der DDR-Geschichte bisher weitestgehend gescheitert. Eine der wesentlichen Ursachen dafür - und das sagen Experten unverblümt - ist die politische Instrumentalisierung des Themas und der damit verbundene subtile Eingriff in die Wissenschaft. Das Ergebnis geschichtswissenschaftlichen Forschens war unter dem durch die Bundesregierung 1994 ausgegebenen Motto „Delegitimierung der DDR“ quasi in eine einzige Richtung und Betrachtung entwickelt, Drittmittelprojekte wurden zum Beispiel nur dann gefördert, wenn sie auch in diese Richtung gehen. Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, hier brauchen wir einen Neuanfang ohne parteipolitische Einflussnahme.
Im Übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was gerade von der CDU-Fraktion und der CDU im Allgemeinen immer wieder beklagt wird, nämlich dass es eine Verklärung der DDR-Geschichte gibt, die wir keinesfalls wollen, das hat - lassen Sie sich das gesagt sein - mit Ihrem eigenen Agieren zu tun. Ihre einseitige Reduzierung der DDR auf das Ministerium für Staatssicherheit und dessen Tätigkeit, Ihre ungerechtfertigten Totalverurteilungen jeglichen politischen und gesellschaftlichen Handelns in der DDR führt einfach dazu,
dass eine wachsende Zahl von Menschen in diesen einseitigen Betrachtungen nicht ihr eigenes Leben wiederfinden kann, dass sie sich deshalb auch einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Geschehen zur DDR-Zeit dann vielfach verschließen. Wenn es eine Verklärung im Geschichtsbild und in der Bewertung der DDR gibt, dann ist das das Ergebnis Ihrer Politik und solcher Gesetzesvorlagen, wie Sie sie hier heute wieder eingebracht haben. Das lassen Sie sich gesagt sein.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst mal Herr Mohring, wenn Sie heute ein Gesetz eingebracht hätten ohne verfassungsrechtliche und sonstige rechtliche Bedenken, dann hätten Sie hier nicht dieses Akrobatenkunststück vorbringen müssen, das Sie noch mal sehr wortreich versucht haben darzulegen, dass alles rechtens ist und alles mit der Verfassung unbedenklich ist. Aber das haben Sie getan, weil Sie genau wissen, dass Sie auf ganz schmalem Grat hier wandeln und dass das sehr wohl sehr deutlich auch für die Zukunft anfechtungsrelevant bleibt, was Sie hier vorlegen. Das sage ich Ihnen hier noch mal: Sie behaupten - aus gutem Grund, darauf komme ich noch zurück -, dass es Ihnen wirklich um die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geht. Aber es geht Ihnen nicht darum, das beweisen Sie auch in Ihrer Rede wieder. Es geht Ihnen darum, die CDU ins rechte Licht zu rücken und Wahlkampf auf Kosten eines sehr komplizierten Themas zu betreiben. Das ist das, was Sie heute hier vorführen, meine Damen und Herren.
Wissen Sie, Sie haben hier gesagt in Reflexion auf den Kollegen Höhn, nicht ausschließlich die CDU hat die friedliche Revolution herbeigeführt. Herr Mohring, was heißt das denn im Umkehrschluss? Heißt das, vor allem die CDU hat die friedliche Revolution in der DDR herbeigeführt?
Aber so führen Sie sich auf, meine Damen und Herren. Das nimmt Ihnen zu Recht niemand ab, meine Damen und Herren von der CDU.
Dafür gibt es natürlich auch Gründe, Herr Mohring und meine Damen und Herren von der CDU.
Das Problem ist doch ganz einfach Folgendes: Herr Carius hat die berühmte Katze ein Stück weit aus
dem Sack gelassen. Er hat völlig politisch argumentiert, er hat die bei der CDU übliche Auseinandersetzung mit uns und mit anderen hier vorgebracht. Es ging natürlich nicht um das Gesetz hauptsächlich, sondern es geht um die politische Instrumentalisierung des Themas. Das ist seit der zweiten Rede von Herrn Carius hier völlig klar. Sie sagen dann, die CDU hat natürlich ihre entsprechenden Beschlüsse. Sie haben sich auseinandergesetzt, aber, meine Damen und Herren, Sie haben sich erstens sehr kurzatmig auseinandergesetzt, weil natürlich die Positionierung der CDU in der DDR weitaus deutlicher war, als Sie sich wirklich damit auseinandersetzen, das will ich hier noch mal sagen. Ich kann es Ihnen einfach nicht ersparen, noch 1982 stand in der Satzung der CDU hier in der DDR, ich zitiere: „Die CDU ist eine Partei des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus. Die unverrückbaren Ausgangspunkte des politischen Denkens und Handelns der christlichen Demokraten sind Treue zum Sozialismus, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Partei der Arbeiterklasse als der führenden Kraft der sozialistischen Gesellschaft und Freundschaft zur Sowjetunion.“ Wenn Sie das mal nehmen, meine Damen und Herren, da hätten Sie viele, viele Stunden und viele, viele Debatten mehr aufwenden müssen, um sich mit der Position Ihrer Partei, die nahtlos von der West-CDU übernommen wurde, auseinanderzusetzen.
Das haben Sie lange nicht geleistet.
Ich rede von der CDU, Herr Carius; ich rede nicht von den Opfern der SED-Diktatur.
Das sind sie nämlich vielfach nicht, meine Damen und Herren. Dazu wollen Sie sich aufschwingen und das tut den Betroffenen überhaupt nicht gut.
Aber ich hatte ja gesagt, es hat Gründe. Auch wir haben uns, und zwar ganz anders als Sie, mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Wir haben aber eines getan, wir haben nicht nur uns mit der Politik auseinandergesetzt, sondern wir haben gerade auch zur Auseinandersetzung mit den einzelnen politischen Biografien
und ihrer Verantwortung in der DDR gestanden. Genau das, meine Damen und Herren von der CDU - und da nehme ich fast keinen von Ihnen aus; es gibt ein Beispiel in Ihren Reihen, wo ich das anders sehe -, haben Sie nicht getan. Sie wollen die Geschichtsaufarbeitung auf das Allgemeine, auf die DDR im Allgemeinen und auf die LINKE begrenzen und mit Ihrer Verantwortung und Ihrem persönlichen Wirken in dieser Gesellschaft DDR wollen Sie sich nicht auseinandersetzen, meine Damen und Herren. Deshalb will ich - ich habe das hier ja deutlich und an vielen Stellen schon gesagt, wie wir kritisch die Tätigkeit der Staatssicherheit bewerten und dass wir das heute nicht rechtfertigen - Ihnen auch deutlich sagen, Sie wollen die gesamte politische Debatte auf das Thema „Staatssicherheit“ reduzieren. Das wollen Sie deshalb, weil Sie zwar die allgemeine Auseinandersetzung wollen, aber sich mit Ihren persönlichen Biografien und Ihrem Wirken in der DDR nicht auseinandersetzen wollen, weil Sie so tun wollen, als wären Sie erst 1989/90 hier auf die Welt gekommen und hätten schon immer die Grundsätze des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Aber das, meine Damen und Herren, haben Sie natürlich nicht. Sie konnten es auch gar nicht. Aber dann sollen Sie auch heute nicht behaupten, Sie hätten es getan, meine Damen und Herren.
Das ist personell hier nachvollziehbar. Mindestens neun Menschen auf der Liste der CDU zur Landtagswahl waren im politisch administrativen System der DDR natürlich tätig. Da will ich auch nicht etwa verzerren und das sage ich noch einmal deutlich: Die politische Hauptverantwortung für all das, was sich ergeben hat nach 1945, trägt die Parteiführung der SED und natürlich in gewisser Weise auch die SED als politische Gesamtpartei. Das ist nicht infrage zu stellen. Aber, Herr Althaus, verschiedene Minister aus Ihrem Kabinett, Frau Diezel, Ihr Landwirtschaftsminister Herr Sklenar, Sie alle waren in das politisch administrative System der Deutschen Demokratischen Republik einbezogen und wenn es im Schuldienst gewesen ist und wenn es als stellvertretender Schulleiter gewesen war. Deshalb ist Ihnen nicht anzukreiden, dass Sie das getan haben, aber Sie müssen doch auch mal deutlich sagen, Sie waren nicht diejenigen, die Widerstand gegen die Politik in der DDR wirklich geleistet haben.
Ich war es auch nicht und das habe ich mehrfach offen bekundet und zu meiner eigenen Verantwortung gesprochen. Aber Sie, Herr Althaus, und viele Ihrer Minister und viele Mitglieder der CDU waren es auch nicht, aber Sie tun heute so
und das nehmen Ihnen die Menschen in diesem Land nicht mehr ab, meine Damen und Herren.
Ich denke, insofern ist natürlich die Debatte, die wir heute hier gemeinsam führen, eine sehr wichtige Debatte. Sie wäre nicht zustande gekommen, Herr Höhn hat das berechtigterweise gesagt, wenn es nach Ihrer Mehrheitsmeinung so von Anfang an gegangen wäre, weil Sie sich auch diesen Auseinandersetzungspunkten eher gerne verschließen.
Im Übrigen, Herr Mohring, man kann über die Rolle von Otto Grotewohl nach 1945 sehr geteilter und man muss auch in Auseinandersetzung mit dem System der DDR sehr kritischer Meinung sein, was Otto Grotewohl betrifft. Aber ich muss Ihnen auch einmal ganz deutlich sagen, auch angesichts - das manche ich sonst wirklich selten - Ihrer Biografie, vor allen Dingen Ihres Alters, über einen Menschen, der als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei wie viele Tausende und Abertausende andere auch, im antifaschistischen Widerstandskampf gestanden hat und der erst den dafür bescheidenen eigenen deutschen Beitrag mit geleistet hat, dass nach 1945 überhaupt in diesem Land unter unterschiedlichen Vorzeichen, das gestehe ich ja zu, eine politische Wende stattfinden konnte, da haben Sie überhaupt nicht das Recht, sich ein solches Urteil über solche Menschen anzumaßen, meine Damen und Herren.
Dann komme ich zu dem Punkt, in dem wir sicherlich nicht, auch nicht mit der SPD, übereinstimmen, politische Unterschiede und Positionierungen muss man aber in der Demokratie miteinander aussprechen und aushalten können. Ich habe ja nicht umsonst eingangs meines ersten Redebeitrags über die Frage der Bewährung in der Demokratie gesprochen. Da muss ich auch sagen, Bewährung in der Demokratie, dass sie dies zulässt, anders als diktatorische Regime einschließlich des DDR-Regimes ist natürlich aber auch ein Markenzeichen von Demokratie und Rechtsstaat. Es ist etwas, was in der Öffentlichkeit beachtet wird, und das sage ich hier zum Abschluss meiner Rede mit aller Ausdrücklichkeit: Frau Abgeordnete Leukefeld und Herr Abgeordneter Kuschel haben in 20 Jahren nach der friedlichen Revolution in unterschiedlichen Verantwortungen von der kommunalen Ebene innerhalb des Auseinandersetzungsprozesses und der Demokratisierung unserer Partei auf dem Weg von der SED zur Partei DIE LINKE heute und auch in diesem Thüringer Landtag um ein Vielfaches ihre Bewährung in der Demokratie nachgewiesen. Deshalb bin ich der Auffassung, wenn die Wähle
rinnen und Wähler dieses Landes, und das unterscheidet mich von Ihnen, angesichts dieser biografischen Kenntnis sich dafür entscheiden, dass diese beiden Menschen als Abgeordnete in diesem Landtag tätig sind, dann hat das sehr viel mit Demokratie zu tun, dann hat das mit den Stärken unserer Gesellschaft zu tun und dann ist das, meine Damen und Herren, eben nicht, wie Sie mit kleiner Meinung in einem kleinen Gremium meinen festzulegen, parlamentsunwürdig, sondern es ist würdig im Sinne der Demokratie und dieses Parlaments, dass diese beiden Menschen hier sitzen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mir jetzt nicht anmaßen, über die Unternehmen zu reden, die Sie geleitet haben, Herr Wirtschaftsminister, aber eines sage ich nach Ihrer Rede: Vielleicht wäre es wirklich besser, Sie wären bei einem Unternehmen geblieben und hätten der Politik nicht erst Ihre Sichten aufgedrängt. Das wäre vielleicht hilfreicher für Thüringen gewesen.
Weil ja hier immer davon geredet wurde, wer hier vor wie vielen Menschen Reden hält, möchte ich sagen, mir ist deshalb vorhin die hiesige Debatte entgangen, weil ich draußen beschäftigt war mit Gesprächen mit Menschen aus der Initiative „Soziales Thüringen“. Die haben starke Kritik an der Politik der Thüringer Landesregierung und an ihrem Ministerpräsidenten geübt. Ich denke, davon wird schon noch im Gefolge die Rede sein. Wissen Sie, man kann ja Herrn Matschie vorwerfen, Herr Minister, Frau Diezel, meine Damen und Herren, dass er mit wenigen Leuten redet oder vor wenigen Leuten spricht, aber dass Ihr Herr Ministerpräsident überhaupt nicht mit den Bürgern dieses Landes bereit ist zu sprechen, wenn sie ihn einladen, ohne dass er abgesagt hat,
darüber müssen Sie mal nachdenken.
Nun kommen wir noch mal zur Sache. Also Herr Wirtschaftsminister -
Sie machen das jetzt wie Ihr Kollege und gehen mal schnell raus, das ist auch gut -, ich muss Ihnen mal Folgendes sagen: Sie haben sich hier wieder gebrüstet mit den guten Ergebnissen von Thüringer Unternehmen. Die mag es so durchaus geben, allerdings will ich auch deutlich sagen, Sie und Ihre Politik haben damit nach wie vor wenig zu tun. Aber nun sage ich Ihnen mal, die Sie sich doch so gern auf die soziale Marktwirtschaft berufen, und das ist nämlich der Kern der Frage: Sie haben eine Politik in diesem Land gemacht und machen Sie weiter, die genau dafür sorgt, dass Produktivitätszuwachs und Geschäftsausweitung sich eben nicht darin niederschlägt, dass alle Menschen in diesem Land und vor allen Dingen die Beschäftigten daran auch einen Anteil haben. Wenn Beschäftigte keinen Anteil am Produktivitätszu
wachs in dieser Gesellschaft und von einzelnen Unternehmen haben, dann schauen Sie einmal bei Ludwig Erhard nach, dann verdienen diese Politik und dieses System überhaupt nicht den Namen „soziale Marktwirtschaft“, was Sie dauernd hier den Leuten vormachen wollen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Gäste! Herr Ministerpräsident, wir haben Sie jetzt lange reden hören, nachdem wir Sie sehr lange nicht reden hören haben hier in dem Haus. Auch die vergangenen zwei Monate, die Sie hier wieder gemeinsam mit uns arbeiten, haben Sie trotz der komplizierten Situation nicht einmal das Wort an dieses Hohe Haus gerichtet. Ich habe mir jetzt auch sagen lassen, Sie haben etwas länger als Ihr verehrter Herr Kollege Müller bei seiner Regierungserklärung geredet - ich muss sagen, etwas länger schon, aber, was auch noch zutrifft, genauso schlecht, meine Damen und Herren.
Wenn ich Ihre Rede so betrachte, dann haben Sie ganz, ganz häufig von Dankbarkeit gesprochen. Ihre Dankbarkeit bezieht sich in allererster Linie offensichtlich auf Ihre Fraktion, auf Ihre Landesregierung. Außerdem haben Sie noch eine ganze Reihe Ihrer Parteifreunde zitiert, die natürlich die Politik von Ihnen und der Thüringer CDU so was von toll finden, meine Damen und Herren. Aber ich muss Ihnen, Herr Althaus, deutlich sagen, wer in so einer Regierungserklärung so oft von Dankbarkeit im allgemeinen Sinne spricht, der hat dann wohl doch eher
eine Abschiedsrede gehalten vor diesem Hause, meine Damen und Herren.
Ich glaube - und das glaube nicht nur ich -, Sie sind mit dem ABC Ihrer Politik wirklich am Ende, Herr Ministerpräsident.
Dieses ABC - und das haben Sie heute allerdings wieder mit einer gewissen Brillanz bewiesen - steht für Ausblendung, für Beharren und an vielen Stellen auch für Charakterlosigkeit Ihrer Politik, Herr Ministerpräsident.
Wissen Sie, was Sie noch ganz häufig hier hervorgehoben haben? Sie machen weiter; Sie befinden sich auf gutem Wege; Sie setzen fort; Thüringen ist gut aufgestellt. An einer Stelle haben Sie sogar hervorgehoben, dass Thüringen überhaupt der Star unter allen möglichen vergleichbaren oder nicht vergleichbaren anderen Ländern ist.
Da muss ich schon sagen, das spottet natürlich wirklich jeder Beschreibung und das ist gerade Ihre Ausblendung der realen Situation in diesem Land, für die Sie überhaupt keine Sicht mehr haben, das haben Sie hier heute wieder bewiesen.
Über die Krise haben Sie wiederum so geredet, als würde die irgendwie über uns gekommen sein. Da muss ich Ihnen mal sagen, Sie sind ja immer ein Gegner von Strukturpolitik, wenn LINKE die irgendwo aufrufen. Sie haben heute wieder darüber geredet, dass in allen landespolitischen Bereichen Strukturfragen gar nicht notwendig sind zu überlegen. Sie haben gesagt, Sie wollen sich an die Inhalte halten - dazu kommen wir dann sicherlich auch noch mal in der Debatte -, aber dann gehen Sie hierher und haben vor der Öffentlichkeit dieses Landes erklärt, bei der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise - sinngemäß - hatten wir die Strukturen nicht so ganz im Griff, da müssen wir über Strukturen nachdenken. Nein, Herr Ministerpräsident, Sie müssen über dieses politische System und all das, was Ihre Partei selbst zu dieser Krise beigetragen hat, nachdenken und endlich umsteuern.
Ihre Politik des „Weiter so“ ist ohnehin eine Politik des Stillstandes. Dann bleibt ja noch die Frage vom Charakter und von Charakterlosigkeit in Ihrer Politik. Sie haben hier gerade gegen Ende Ihrer Rede eine ganze Reihe von Dingen genannt, die Sie etwas positiv für sich bewerten. Aber da will ich Ihnen mal ganz deutlich sagen: Wo das der Fall ist, haben Sie immer nur einlenken müssen aufgrund von Protesten in der Öffentlichkeit dieses Landes und aufgrund des Agierens der Opposition in diesem Hause. Nicht eine einzige Korrektur, die Sie im Laufe Ihrer fünf Jahre Regierungszeit durchführen mussten, haben Sie wirklich aus eigenem Antrieb durchgesetzt, immer nur in Reaktion, wenn Sie um Ihre Wählerstimmen letzten Endes fürchten mussten und umgeschwenkt haben, aber nie, weil Sie wirklich das Problem erkannt haben, und schon gar nicht, weil Sie in der Lage sind, sich für Ihre Politik zu verantworten vor diesem Land. Und Sie hätten viel Grund, sich an vielen Punkten zu entschuldigen, Herr Althaus.
Aber, meine Damen und Herren, egal wie man es dreht und wendet oder welche Buchstaben des Alphabets man dazu heranzieht, diese Regierung ist, und das haben Sie heute wieder bewiesen, am Ende, sie hat wirklich keine Ideen mehr, sie hat keinen Plan für Thüringen. Sie haben nicht an einem Punkt Ihre Visionen, wenn ich mal von dem platten Begriff „die Krise als Chance nutzen“ absehe, deutlich gemacht, wie sich dieses Land den Krisenprozessen wirklich stellen will. Sie ersetzen das, wie Ihre Partei und Ihre Regierung schon die ganze Zeit, durch eine billige Propaganda und den Versuch, die öffentliche Meinung zu täuschen über die tatsächlichen Resultate Ihrer Politik.
Und dann ist es ja klar, dass natürlich unsere Bilanz und die Bilanz sehr vieler Menschen in diesem Land, gelinde gesagt, etwas anders ausfällt als die Ihrige, Herr Althaus. In Ihrer Regierungserklärung zum Amtsantritt am 9. September 2004 bekundeten Sie die Absicht, für mehr Wirtschaftswachstum und damit für mehr Arbeitsplätze zu sorgen. Doch wie sieht die Lage …
Ja, Sie haben das Thema erledigt, wirklich, in dem Sinne, dass nichts geklärt wurde.
Dazu wollen wir einmal Ihrer Schönsicht auf das Land Thüringen, die Sie hier versucht haben deutlich zu machen, einige andere Fakten in der Debatte entgegenstellen.
Eine erste Bemerkung: Nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder, Ausgabe von 2009, vorgelegt vom Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, nimmt Thüringen den 14. Platz in der Wirtschaftsleistung und im Wachstum ein, meine Damen und Herren. Bei der Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen belegt Thüringen ebenfalls Platz 14 im Ranking der Bundesländer. Wenn das eine Starposition ist, wie Sie ja vorhin hier gesagt haben, dann weiß ich nicht, wo Sie diese Einschätzung hernehmen. Aber dieser Fakt ist Ergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik in diesem Land, Herr Althaus.
Eine zweite Bemerkung: Nach dem Bundesländerranking, allerdings hier aus dem Jahr 2008, aber wesentlich anders hat sich das auch nach jetzigen Erkenntnissen nicht entwickelt, der Initiative Neue soziale Marktwirtschaft - die müsste Ihnen, Herr Ministerpräsident, ja nahe stehen - und der WirtschaftsWoche landet Thüringen mit 44,5 Punkten auf Platz 11. Im Vorjahr lagen wir immerhin noch auf Platz 10, meine Damen und Herren. Weitere Daten sprechen mehr als Bände über die Situation im Land. Die Kaufkraft je Einwohner: Thüringen belegt im Ranking Platz 14 der Bundesländer. Das verfügbare Einkommen Euro/Einwohner: Thüringen belegt Platz 14 im Ranking der Bundesländer, Herr Althaus. Steuerkraft: Thüringen belegt Platz 15 im Ranking der Bundesländer. Beim Arbeitnehmerentgelt sind wir gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern das Land mit den geringsten Löhnen in Deutschland. Das, das sage ich auch an dieser Stelle, sind die Ergebnisse Ihrer Politik, die dringendst einer Korrektur bedürfen.
Übrigens belegen auch im Regionalranking zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten Ostdeutschland insgesamt und so auch Thüringen hintere Plätze. Wirtschaftsleistung und Wohlstand in den neuen Bundesländern sind eben auch 20 Jahre nach der friedlichen Revolution und nach dem Mauerfall weit hinter dem Westen zurück. Da nützen auch Einschätzungen nichts, die Sie heute wieder hier bedient haben, dass das alles einfach auf gutem Wege ist und wir weiter vorankommen. Die Fakten sprechen nach 20 Jahren eine deutlich andere Sprache. Von einem selbsttragenden Aufschwung kann nach wie vor nicht
die Rede sein. Das ist auch Resultat Ihrer Politik.
Sie haben von Innovation gesprochen und was Sie dort gemeint haben zu tun und weiterhin tun wollen. Aber die Studie der Bertelsmann Stiftung „Deutsche Bundesländer im Innovationswettbewerb 2009“ liegt vor; sie bescheinigt uns, dass wir nur mittelmäßige Voraussetzungen für Neuerungen bieten. Wenn man davon ausgeht, dass wirtschaftliche Innovation, also die Entwicklung neuer Produkte, Güter und Dienstleistungen und deren Erfolg auf dem Markt, die Wirtschaftskraft eines Bundeslandes entscheidend beeinflusst, dann ist auch diese Feststellung kein Grund, positive Bilanzen zu ziehen, sondern es ist eine Alarmsituation, ein Alarmzeichen für dieses Land, meine Damen und Herren.
Dann haben Sie ja wieder, Herr Althaus - man vergleicht sich dann immer gern einmal mit demjenigen, der vielleicht noch etwas schlechter ist als man selbst, das ist ja ein geübtes Prinzip Ihrer ganzen Regierungspropaganda -, über die Löhne in Thüringen gesprochen. Ich hatte den generellen Fakt schon genannt. Aber dann wollen wir doch schon einmal bei der Tatsache bleiben, dass der Bruttodurchschnittslohn je Thüringer in der abhängigen Beschäftigung 1.830 € beträgt. In Ostdeutschland 1.910 €, in Westdeutschland 2.320 €. Damit erhalten die Thüringerinnen und Thüringer rund 79 Prozent des sogenannten Westgehaltes und 95 Prozent des Durchschnitts in Ostdeutschland. Also bestätigt sich, dass Ihre verhängnisvolle Linie, Thüringen zum Billiglohnland zu machen - und Sie haben das heute wieder als Standortvorteil bezeichnet und verteidigt -, uns in eine Situation gebracht hat, die in Thüringen nicht nur die soziale Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vielfach verschärft, sondern auch die Binnennachfrage in diesem Land eklatant schwächt und damit ein zentraler Punkt an dieser Stelle vorhanden ist, der uns sagt, wenn wir hier nicht umsteuern, brauchen wir über irgendeine Art der Bewältigung dieser Krise und ihrer Folgen überhaupt nicht mehr ernsthaft zu diskutieren. Das haben Sie offensichtlich auch nicht vor, Herr Althaus.
Die Aufzählung der harten wirtschaftlichen Daten ließe sich an dieser Stelle fortsetzen. Da will ich auch in dem Zusammenhang noch einmal sagen, weil Sie das ja heute auch wieder ein Stück weit bedient haben: Es geht hier überhaupt nicht darum, dass die Opposition oder die Partei DIE LINKE die Leistungen, ausgehend von der friedlichen Revolution 1989, ausgehend vom Mauerfall und der gan
zen zu verzeichnenden Entwicklung in den nachfolgenden Jahren bis zum heutigen Tag, etwa geringschätzen würde und das nicht anerkennen würde und dass dazu auch viele Mitglieder, Sympathisanten, Wählerinnen und Wähler unserer Partei einen großen Beitrag geleistet haben in den letzten 20 Jahren, dass man das nicht positiv genug einschätzen kann. Da bin ich völlig bei Ihnen. Aber, Herr Ministerpräsident, im Jahre 2009 immer wieder alle Mängel und Gebrechen ihrer eigenen Politik darauf zurückführen zu wollen und überhaupt den Vergleich immer wieder mit einer Zeit von 20 Jahren zurück unter anderen Bedingungen zu führen, das ist in gewisser Weise durchaus auch legitim, aber es greift viel zu kurz und ist überhaupt keine Antwort mehr auf die Probleme, die es heute in diesem Land gibt. Lösen Sie sich endlich von dieser Sicht, nur allein die 20 Jahre zurückzubewerten. Stehen Sie endlich kritisch zu Ihrer eigenen Politik, die Sie hier zu vertreten haben in den letzten sechs Jahren als Ministerpräsident.
Dazu erwarten die Bürgerinnen und Bürger eine Position.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema Sozialpolitik gehörte zu den größten Auseinandersetzungen und Streitpunkten der zurückliegenden Jahre und auch hier gibt es natürlich eine konkrete Bilanz, die anders aussieht als die, die Sie versucht haben zu zeichnen. Ich gehe so weit an dieser Stelle und sage, unter Ihrer Regierung verdient, was das Regierungshandeln betrifft, Sozialpolitik noch nicht einmal mehr den Namen, den sie eigentlich darstellt. Sie haben einen ganz anderen Kurs eingeschlagen. Im Jahr 2004 traten Sie vor die Öffentlichkeit dieses Landes und verkündeten die Streichung des Blindengeldes ab dem Jahr 2006. Ihr Argument war damals, es sei verzichtbar wie viele soziale Leistungen. Unterdessen haben Sie das, glaube ich, als einen Fehler oder den größten Fehler sogar Ihres politischen Handelns eingestanden - das billige ich Ihnen an der Stelle wirklich zu -, nur muss man doch auch hier wieder sagen, warum Sie sich denn korrigiert haben, Herr Althaus, nämlich aufgrund der zahlreichen und massiven Proteste im Land. Dann haben Sie die Sache neu eingeführt auf niedrigstem Niveau. Da sind wir uns doch wohl einig, das ist einfach nicht zu bestreiten. Mit 230 € im Monat müssen Thüringer Menschen, die blind sind oder hochgradig sehbehindert, auskommen. Aber, meine Damen und Herren, da sehe ich uns einmal alle in der Runde an, was heißt denn „unter diesen Bedingungen auskommen“. Auskommen können doch diese Menschen wirklich nicht damit und deshalb sage ich Ihnen mit aller Deutlichkeit, wir stehen hinter den Forderungen des Blindenverbandes, diese Mittel schnellstmöglich
anzuheben und wieder einen auskömmlichen Zustand herbeizuführen. So weit sind Sie mit Ihrer Regierung und Ihrer Politik und mit der der Mehrheitsfraktion lange nicht gegangen.
Da nehme ich ja auch mit Interesse die Debatte zur Kenntnis - das habe ich schon vor einigen Wochen oder Monaten getan -, die Frau Lieberknecht aufgemacht hat.
Sie äußern sich zum Thema Rente. Das finde ich nun besonders toll. Wissen Sie, unsere Fraktion hat im Deutschen Bundestag vor Kurzem eine Reihe von Anträgen eingebracht und zur Abstimmung gestellt, die diese Fragen „Herstellung von Rentengerechtigkeit in Ostdeutschland und insbesondere Überwindung der Benachteiligung ganz vieler spezieller Menschen aus der DDR“ zum Thema hatten. Die SPD spricht sich in der Richtung ja aus, CDU spricht sich neuerdings in der Richtung aus, Sie sprechen sich neuerdings in dieser Richtung aus, da kann es ja wohl diesmal nicht an den unterschiedlichen Koalitionsmeinungen gelegen haben, dass Sie diesen Anträgen im Interesse der älteren Menschen in Ostdeutschland nicht zustimmen konnten. Solange Sie sich so verhalten, Herr Ministerpräsident, und solange sich die CDU so verhält, an der Stelle allerdings auch die SPD, da muss ich Ihnen ganz deutlich sagen, da sind Ihre Bekenntnisse zur Rentengerechtigkeit im Wahljahr nichts als bloße Propaganda.
Dann handeln Sie endlich! Das hätten Sie längst gekonnt auf diesem Gebiet. Deshalb können Sie, und das werden Sie auch bei den Menschen in diesem Land nicht erreichen, hier nicht als ganz großer Fürsprecher und Initiator von Rentengerechtigkeit durch das Land gehen. Sie haben 20 Jahre eine andere Politik betrieben. Wenn es heute die Möglichkeit gibt, im Bundestag die Situation zu ändern, sind Sie immer noch nicht bereit, in dieser Richtung auf Ihre Partei wirklich Druck auszuüben und sich dann auch so zu verhalten.
Unter Sozialpolitik, das hatten Sie gesagt, fällt die Frage der Gesundheitspolitik. Auch hier will ich durchaus sagen, was Sie genannt haben. Die Investitionen, die im Gesundheitsbereich und im Pflegebereich möglich geworden sind über die letzten zwei Jahrzehnte, die den Zustand zu vorher entschieden verbessert haben, das ist unbestritten, und die auch gegenwärtig noch im Gange sind, die sind natürlich zu schätzen. Aber da muss ich Ihnen dennoch sagen, nach 20 Jahren ist das eben nicht das Hauptthema von Gesundheitspolitik in der Bundesrepublik und auch nicht in Thüringen.
Wie war denn die Angelegenheit mit den Investitionen z.B. in den Krankenhäusern. Was haben Sie denn, meine Damen und Herren von der CDU und der Landesregierung, für eine Politik betrieben in diesen Fragen? Erst haben Sie allen öffentlichen Krankenhäusern gesagt - ich verkürze es etwas -, Fördermittel gibt es nicht, solange nicht in Richtung Privatisierung gedacht wird. Das haben Sie mehr oder minder offen ausgesprochen, meistens so ein bisschen scheinheilig über die Variante, die Kommunen haben ja die Investitionskraft nicht. Dass die die Investitionskraft im Übrigen nicht haben oder hatten, das ist auch Ihr Verdienst. Darauf kommen wir vielleicht noch an anderer Stelle zu sprechen. Dann ist die Privatisierung in Gang gesetzt worden. Dann haben Sie natürlich dafür gesorgt, dass die Zuschüsse entsprechend fließen. So weit, so gut. Damit haben wir jetzt eine Situation, dass wir vielfach material-technisch, diagnostisch, was moderne OPSäle betrifft usw., sehr viel bessere Bedingungen haben, aber wir haben keine bessere Gesundheitspolitik, meine Damen und Herren.
Sie, Herr Ministerpräsident - wir haben die letzten fünf Jahre wiederholt darüber debattiert -, haben immer wieder deutlich gemacht, dass Sie die Gesundheitspolitik der verschiedenen Bundesregierungen und vor allen Dingen natürlich auch der Großen Koalition teilen. Sie haben dafür gesorgt, dass in erster Linie durch diese Politik die Interessen der Gesundheitswirtschaft und der Pharmaindustrie in diesem Land bedient werden, aber nicht diejenigen der Patientinnen und Patienten. Das sind die Zustände, die die Menschen im Land zu Recht kritisieren, Herr Ministerpräsident.
Das hat natürlich dazu geführt - nicht nur in privaten Einrichtungen, da gibt es mit Sicherheit auch Unterschiede im Vorgehen -, dass eine umfangreiche Sparsituation im Bereich des Personals dort ansteht. Flächendeckende Versorgung mit Allgemeinärzten ist längst nicht mehr gesichert oder zumindest an vielen Stellen in Gefahr. Wenn Sie in die Krankenhäuser kommen, dann werden Sie ja vielleicht auch nicht nur die modernen Einrichtungen besichtigen, dann werden Sie ja vielleicht auch mal mit Pflegerinnen, mit ärztlichem Personal diskutieren. Dann werden die Ihnen sicher auch gesagt haben, wie die Situation ist, nachdem z.B. in vielen Kliniken aufgrund von Sparmaßnahmen alles zusätzliche Hilfspersonal entweder sowieso ganz abgeschafft oder in eine fragwürdige Privatisierung gegeben wurde, die dann auch wieder neue Schwierigkeiten aufwirft, dass zwei Schwestern zuständig sind in Unikliniken dieses Landes für zweieinhalb Gänge mit den entsprechenden Zimmern in der Nachmittagsschicht, also ein hohes Problem besteht überhaupt
darin, die ganzen Arbeitsgänge entsprechend zu betreuen. Da sage ich Ihnen auch noch mal, ich habe größte Hochachtung vor den Ärztinnen und Ärzten, vor dem pflegerischen Personal in diesem Land. Was diese Menschen auch zum Teil unter wirklich enormen Stressbedingungen dank Ihrer schlechten Politik leisten, das ist hoch anerkennenswert, aber nicht Ihre Politik im Gesundheitsbereich, meine Damen und Herren.
Thüringen - ein Familienland soll es sein -, das ist im Übrigen, Herr Ministerpräsident, auch in voller Übereinstimmung mit der Verfassung des Freistaats Thüringen, der seinerzeit unsere Fraktion nicht zugestimmt hat, aber die wir selbstverständlich achten und anerkennen, wie Sie eigentlich wissen könnten auch unsere Position. Aber Ihre Politik, die Sie anfänglich unter dem Begriff „Familienoffensive“ zusammengefasst haben, wird dem natürlich überhaupt nicht gerecht. Sie haben eine Umverteilung vorgenommen, 50 Mio. € im Landeshaushalt umgeschichtet hin zur Stiftung FamilienSinn. Ein erfolgreiches Volksbegehren, was sich dagegen gewandt hat, wo Ihnen schon im Vorfeld deutlich gemacht wurde in diesem Land, dass die Menschen mehrheitlich nicht mit Ihren politischen Vorhaben einverstanden sind, das haben Sie nicht beachtet. Sie haben den üblichen Gang gewählt, den diese Regierung immer wählt, wenn sie politisch nicht weiter weiß. Sie sind halt, das ist Ihr gutes Recht, vor das Verfassungsgericht gezogen. Aber ob das nun politischer Gestaltungswille für das Land Thüringen ist, dass man immer dann, wenn einem die Menschen im Land sagen „Wir möchten eine andere Richtung einschlagen“, zum Gericht rennen muss, um wenigstens für sich persönlich irgendwie noch zu versuchen, etwas zu retten, davon kann ja nun wohl überhaupt keine Rede sein.
Jetzt sage ich Ihnen: Was Sie erreicht haben, da Sie nicht bereit sind, Ihre Politik zu ändern, ist ein Neustart dieses Volksbegehrens. Sie werden damit konfrontiert sein. Ich sage Ihnen schon mal, richtig wäre das, was wir fordern und unterstützen: 2.000 Erzieherinnen mehr, bessere Weiterbildungsmöglichkeiten, bessere Ausbildung für die Fachkräfte, Abkopplung der Finanzierung des Erziehungsgelds von der Finanzierung der Kindertagesstätten und Verwaltungsvereinfachung, Rechtsanspruch von Anfang an, Ausbau der Kindertagesstätten zu Stätten wirklicher frühkindlicher Bildung, meine Damen und Herren. Das sind die Dinge, die auf der Tagesordnung stehen. Wenn Sie auch nur ein bisschen Achtung hätten vor der Meinung und der Debatte in diesem Land, würden Sie Ihre Politik korrigieren. Hätten Sie uns das heute hier gesagt! Aber Ihre Antworten sind wie in allen anderen Punkten ein „Weiter so“,
meine Damen und Herren.
Das gilt genauso für die Bereiche von Bildung und Kultur. Mehr Ganztagsschulen auch in gebundener Form wollten Sie mit dem Konzept „Bildung und Betreuung von 2 bis 16“ ermöglichen. Aber da muss ich Ihnen sagen, zusätzlich hat sich keine einzige weitere Schule zur gebundenen Ganztagsschule entwickeln können. Die Zahlen, die Sie genannt haben, kann man natürlich auch anders interpretieren. Das heißt nämlich auch, 53 Prozent aller Regelschulen und 76 Prozent aller Gymnasien haben eigentlich keinerlei zusätzliche Angebote über den Unterricht hinaus, und das vor dem Hintergrund der öffentlichen Bewertung von Jugendentwicklung, von PISAStudien und anderen Dingen.
Da nenne ich doch mal folgende Fakten: Die Resultate Ihrer Politik sind auch hier sehr eindeutig, 7 Prozent der Schüler in Thüringen verlassen nach wie vor die Schule ohne Schulabschluss. In den letzten fünf Schuljahren waren das 10.500 Schülerinnen und Schüler. Da sage ich, Herr Althaus, welch ein Skandal, der aus Ihrer Politik hervorgeht.
Regelschüler bleiben dreimal häufiger sitzen als Gymnasiasten und 20 Prozent der Regelschüler können kaum rechnen, schreiben oder lesen - so die Einschätzungen. Wenn das ein erfolgreiches Bildungssystem sein soll, dann weiß ich nicht, worüber wir hier eigentlich reden. Die vollständige Lernmittelfreiheit wollten Sie ermöglichen und gleichzeitig die Eltern an den Lernmittelkosten beteiligen, schon ein Unding vom Ansatz her. Auch hier war es wieder so, massive Proteste im Land brachten Sie nicht einmal ansatzweise zum Umdenken. Mit großer Rücksichtslosigkeit haben Sie und Ihr Kultusminister das Vorhaben durchgedrückt und eine grandiose Bauchlandung damit erreicht, anders kann man es einfach nicht sagen. Erst wiederum durch Gerichtsurteil wurde das Abkassieren der Eltern unter dem Deckmantel der Sicherung der Lernmittelfreiheit gestoppt. Niemanden wollten Sie dann dabei überfordern, hatten Sie betont. Überfordert waren aber letztlich die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen, die nicht nur zu Unrecht erhobenen Lernmittelgebühren wieder einzusammeln, sondern auch noch die Rückzahlung an die Eltern zu organisieren. Wenn solche Politik nicht Chaos ist, Herr Althaus, dann frage ich Sie, was ist Chaos eigentlich dann? Bei uns ist es ausgebrochen.
Eine weitere juristische Schlappe mussten Sie ja in Ihrer Bildungspolitik dahin gehend hinnehmen, dass das Urteil zur Unrechtmäßigkeit der erzwungenen Teilzeitbeschäftigung verbeamteter Lehrerinnen und Lehrer gesprochen wurde. Da muss ich mal sagen, wie hat sich denn Ihr Kultusminister angesichts dieses Desasters mit Appellen an Solidarität und Einsicht der Pädagoginnen und Pädagogen gewunden. Herr Ministerpräsident, ich will ganz deutlich sagen, wer durch ein solches unverantwortliches Handeln die Zweiklassengesellschaft selbst im Lehrerzimmer etabliert, der hat überhaupt nicht das Recht, von den Betroffenen Solidarität und Einsicht einzufordern, der hat nur das Recht, seine fehlerhafte Politik zu korrigieren, meine Damen und Herren.
Dann kommen wir noch einmal zur Kernfrage. 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer wollen laut einer Wahlumfrage vom April dieses Jahres das längere gemeinsame Lernen. Der Thüringen-Monitor 2007 bestätigte bereits, was wir und die internationalen Bildungsstudien immer wieder deutlich gemacht haben: Zwei Drittel der Thüringerinnen und Thüringer sind der Meinung, dass der Schulerfolg bei uns in überdurchschnittlichem Maße von der sozialen Herkunft abhängt. Das, Herr Ministerpräsident, - und Sie haben ja heute wieder betont, dass Sie da nichts ändern wollen - ist letzten Endes auf unser dreigliedriges Schulsystem zurückzuführen. Da können Sie über Durchlässigkeit und Nichtdurchlässigkeit und Flexibilität reden, wie Sie wollen, Sie bleiben offensichtlich bei Ihrer Politik, dass Sie in der Schule frühzeitig Auslese wollen, die ist dann sozial determiniert und die führt infolge der gesamten Lebensbiographie eben nicht zu Chancengleichheit, sondern zum Gegenteil. Diese Politik, die werden wir weiterhin ablehnen. Wir sind für eine andere Politik, für längeres gemeinsames Lernen in diesem Land. Wir wollen mit den Menschen in diesem Land debattieren, wie das schrittweise zu erreichen ist. Die Umfragen bei den Bürgerinnen und Bürgern geben uns in dieser Angelegenheit auch recht, Ihre Politik läuft hier weiterhin in die Sackgasse, wenn sie nicht korrigiert werden kann.
Bei den Hochschulen ist aus Ihrer Sicht natürlich auch alles bestens in diesem Land, wen wundert das auch. Die Meinung der Studenten, Schülerinnen und Schüler, die gestern an verschiedenen Orten Thüringens, in Jena, Erfurt und anderswo, auf der Straße waren und ihren Protest deutlich gemacht haben, die hat offensichtlich Ihre Amtsstube nicht erreicht, ansonsten wären Sie doch heute wenigstens mit einem Satz auf das eingegangen, was gestern in der Öffentlichkeit dieses Landes eine große Rolle
gespielt hat - aber nichts. Ihre Antwort auch hier: Weiter so! Bei den Hochschulen ist es ähnlich. Es ist eben nicht so, dass diese Frage der starken Hinwendung zum wirtschaftlichen Betrieb unseren Hochschulen wirklich durchgängig guttut. Das ist eigentlich eher kritisch zu hinterfragen, auch was geänderte Leitungsstrukturen betrifft. Damit ist nämlich auch - und das sage ich im Gegensatz zu dem, was Sie hier betont haben - ein Abbau von innerhochschulischer Demokratie und Mitbestimmung von Mitgliedern der Hochschulen verbunden. Die anhaltende chronische Unterfinanzierung und Unterbesetzung von Stellen für die Lehre trotz verschiedener Exzellenzprogramme bleibt Tatsache an unseren Hochschulen hier im Land. Ich will es noch einmal ganz deutlich sagen, die Einführung von versteckten Studiengebühren - und nichts anderes ist der Verwaltungskostenbeitrag - findet nicht unsere Zustimmung und ist eine Mogelpackung zu dem, was Sie, die CDU, und Ihre Landesregierung öffentlich behaupten.
Die Studiumsstruktur mit ihren Abschlüssen im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess war auch gestern Gegenstand der Demonstrationen wie auch die Auswirkungen der Föderalismusreform, das alles sind Dinge, die auf den Prüfstand gehören, wenn man eine Hochschullandschaft für Thüringen entwickeln will, die zukunftsfähig ist. Davon sind Sie allerdings weit entfernt, Herr Althaus.
Kultur und Kunst: Ich finde es schon ein Stück weit dreist, Herr Ministerpräsident, wie Sie heute vor dieses Haus getreten sind und wohlmeinend über Ihre Haltung zu den Thüringer Theatern und Orchestern geredet haben. Da muss bei mir dann doch irgendetwas falsch verinnerlicht sein, wenn das einfach so durchgehen kann. Es war nicht Ihr Ex-Kultusminister, der Herr Goebel - übrigens „Ex“ ist ja das Beste, was man auf einen Thüringer Minister sagen kann, auch wenn dann nie etwas Besseres nachkommt.
Ihr Ex-Kultusminister, der Herr Goebel, hat ja ein Kulturkonzept präsentiert. Das ist auch so eine schöne Verbrämung, aber im Frühsommer des Jahres 2006 sickerte allmählich und dann aber auch ganz schnell durch, dass die Regierung geplant hat, 21,6 Prozent der Mittel für Theater und Orchester, also 10 Mio. € insgesamt, zu streichen. Das war Ihr Konzept. Sie sind wiederum nicht selbst darauf gekommen, zu sagen: Es gibt jetzt Proteste, wir müssten vielleicht mal über diese Art der Politik nachdenken. Nein, Sie
haben erst einmal voll dagegen gehalten. Es hat sich glücklicherweise eine Bürgerinitiative, eine Kulturinitiative gebildet, die hat 80.000 Unterschriften in einer ganz kurzen Zeit nicht nur für den Erhalt der Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft, sondern gegen Ihre politischen Vorhaben - das wollen wir doch mal festhalten - auf die Beine gebracht. Wir hatten die Anhörung, die Demonstrationen hier vorm Haus. Dann haben Sie sich schrittweise düpiert und dann ist auch irgendwann bei der Kabinettsreform aus dem Herrn Minister der Herr Ex-Minister geworden. Das sind doch aber keine Glanzleistungen Ihrer Politik. Sie haben doch an dieser wie an vielen anderen Stellen deutlich gemacht, dass Sie immer wieder versuchen, gegen den Willen der Mehrheit der Betroffenen und der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land Politik zu machen. Ich sage Ihnen, es ist ein Glück für Thüringen, dass es so viele engagierte Bürger und die Oppositionsparteien gibt, die Ihnen nicht alles durchgehen lassen an dieser Stelle.
Was den Kulturbereich betrifft, da gibt es noch andere Punkte; teilweise haben Sie die berührt. Es gibt das Problem unserer Museen. Seit Jahren sind sie unterfinanziert, da drastische Kürzungen durch die Landesregierung in den letzten Jahren zu verkraften sind. Der Thüringer Museumsverband hat mehrfach eine entsprechende Landesfinanzierung an der Stelle eingefordert. Dann haben Sie ja das Bibliotheksgesetz erwähnt. Also, Herr Ministerpräsident, wenn Sie mich fragen: Sie hätten es lieber bleiben lassen sollen. Ein Bibliotheksgesetz zu erwähnen, das als einziges in Deutschland Bibliotheken noch nicht einmal als Pflichtaufgabe sieht und damit den Kernpunkt der Finanzierung völlig offen lässt und überall die Städte und Gemeinden wieder in die Bredouille bringt, wie die Finanzierung laufen soll, das können Sie doch hier nicht ernstlich als Erfolg verkaufen, meine Damen und Herren. Wer soll Ihnen denn das abnehmen? Das tut mir leid.
Nun haben wir Herrn Müller als Kultusminister, da muss ich allerdings feststellen: Dass der wirklich auch für Kultur und Kunst in diesem Lande zuständig ist, ist mir bisher entgangen; vielleicht geht es anderen anders.
Na gut; Zeitung lesen, ja, Zeitung lesen müsste ich vielleicht manchmal, da könnten Sie schon recht haben, aber ich halte mich lieber an die Fakten in der Politik. Da haben Sie sich nun mal nicht mit
Ruhm bekleckert, das muss man eindeutig sagen.
Nächster Punkt - wir kommen zu diesem Thema der Strukturen des Landes. Da ist es auch ganz toll, dass wir heute wieder einmal gehört haben, Herr Althaus: Wir haben eine hervorragende Polizeistrukturreform. Wer soll Ihnen denn das nun ernstlich noch glauben? Ich bitte Sie. Diese Polizeistrukturreform, die man eigentlich gar nicht so nennen kann, war der innenpolitische Rohrkrepierer dieser Legislatur und Ihrer Regierung und nichts anderes war das.
Sie haben damit kein Ergebnis erzielt. Sie haben allerdings - insofern sind es dann schon wieder Ergebnisse - Personal und Finanzen vergeudet. Sie haben Polizeiangehörige verunsichert, Sie haben das Parlament düpiert und Sie haben Ihr Innenministerroulette ein weiteres Mal vorangetrieben, ohne auch nur in einem Punkt eine befriedigende Lösung anbieten zu können. So was nenne ich verfehlte Politik auf der ganzen Linie.
Das hat natürlich zwei Gründe und die sind ja an vielen Stellen offensichtlich der verdeckte Maßstab Ihrer Politik. Der erste Grund ist, Sie wollen natürlich nie wirklich etwas mit Betroffenen bereden - warum auch. Die Landesregierung in ihrer Weisheit und in ihrer Mehrheit als CDU-Fraktion kann das ja schon mal alles selbst entscheiden. Dann muss man sich aber nicht wundern, wenn bei anderen da Widersprüche aufkommen, weil sie vielleicht meinten, sie könnten noch ein bisschen sachorientiert, und weil sie an der Basis wissen, wo die Probleme liegen, mitgestalten. Da muss ich Ihnen mal sagen, wenn Sie das noch nicht mal im eigenen Verantwortungsbereich durchsetzen, in Ihren hoheitlichen Bereichen, wo die Menschen zuständig sind, Herr Ministerpräsident, da müssen Sie auch nicht scheinheilig über Ihre tolle Haltung zu Ehrenamt und zu Bürgermeinung und zu Beschäftigtenmeinung usw. reden, Sie müssen sie endlich mal in der Politik praktizieren, das braucht dieses Land.
Dann gibt es noch einen zweiten Grund. Der zweite Grund sitzt hier - zumindest personell - an meiner linken Seite und das haben ja nun die Spatzen von den berühmten Dächern gepfiffen, Frau Diezel, dass Sie eigentlich die Maßstäbe für OPTOPOL und die Polizeireform aufgemacht haben, denn die Einsparungen in Ihrem Landeshaushalt waren das eigentliche Kriterium und nicht die inhaltliche Gestaltung und nicht die Verantwortung gegenüber den Bür
gerinnen und Bürgern. Aber das ist Ihnen gründlich auf die Füße gefallen und da muss ich Ihnen sagen, auch hier gibt es ganz dringenden Korrekturbedarf, meine Damen und Herren.
Ich stimme mit Ihnen mindestens an zwei Punkten Ihrer Rede vom Grundsatz her überein, Herr Ministerpräsident - damit wir nun nicht alles nur kritisieren, das macht man ja vielleicht doch nicht -: Wo ich Ihnen aus vollem Herzen zustimme, ist Ihre Einschätzung zur Rekultivierung im Hinblick auf die Bundesgartenschau in Gera und Ronneburg. Das sage ich natürlich auch aus lokalem Kolorit. Das ist eine Erfolgsbilanz - ob immer die Landesregierung so viel Anteil daran hatte, aber sie hat einen Anteil daran. Dafür kann man Ihnen danken, so weit kann man gehen.
Ja gut, Sie haben es im Kabinett entschieden, das darf man auch sagen. Ich musste das etwas einschränken, ich kann Sie ja nicht nur loben an der Stelle.
Meine Damen und Herren, kommen wir zu einer uns alle bewegenden Position, deswegen sage ich, da stimme ich im Grundsatz mit Ihnen wirklich überein, das ist unsere gemeinsame Ablehnung des Rechtsextremismus und unsere gemeinsame Aufgabe, uns politisch damit auseinanderzusetzen. Ich sehe das mit Bewertung auf die Kommunalwahlen noch etwas zugespitzter als Sie: Wir haben eine Situation, die uns äußerst herausfordert und auf die wir als demokratische Parteien konsequent und gemeinsam reagieren müssen. Kollege Matschie hat ja dazu noch mal eine erneute Initiative gestartet, was die Fraktionen hier im Raum betrifft. Da stimme ich Ihnen also völlig zu. Ich sage Ihnen aber auch noch einmal und das sage ich jetzt ohne Schärfe: Besinnen Sie sich, Herr Ministerpräsident, reden Sie mit uns endlich über ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und lassen Sie uns das gemeinsam auf den Weg bringen.
Ich komme noch mal auf die strukturellen Fragen zurück. Da gibt es noch einiges, was dort „geleistet“ wurde. Sie haben das Kataster- und Vermessungswesen reformiert, kommunalisiert, aber die Resultate sind auch hier eindeutig: Personal verunsichert, verärgert und benachteiligt, Kosten - Frau Ministerin, das müsste Sie interessieren - verdoppelt. Das sind die Ergebnisse Ihrer Strukturreform, wo Sie Kosten mindern wollen; Sie verdoppeln sie an dieser Stelle.
Das Gleiche könnte ich sagen zu der Frage der Umwelt- und Sozialverwaltung. Sie haben einen Stellenpool beim Land installiert, die Personalentwicklungsstelle. Das haben Sie dann, wie alles heute in Deutschland, abgekürzt mit „PESt“ - das trifft auch auf das Anliegen der CDU-Politik einigermaßen zu.
Auf der kommunalen Ebene befinden Sie sich nach fünf Jahren Ihrer Regierung nach wie vor höchst im Streite mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit den Städten und Gemeinden, Sie haben ja Wasser und Abwasser benannt. Aber auch da muss man sagen, Sie haben sich letztens kurz vor der Wahl nur deshalb in eine andere Richtung bewegt, weil Ihre absolute Mehrheit durch die große Verärgerung im Lande verloren zu gehen drohte. Das war doch Ihr eigentlicher Beweggrund in dieser Frage. Da sage ich Ihnen aber: Egal was Sie jetzt einbringen werden, worüber wir debattieren werden, das wird Ihnen dieses Mal auf jeden Fall nicht noch mal gelingen, weil die Menschen im Land mittlerweile schon einen Blick auf Ihre Politik haben und wissen, worauf sie eher vertrauen können und worauf vielleicht weniger - und weniger Vertrauen, das ist, glaube ich, ganz umfangreich in dieser Frage. Sie können nichts daran deuteln, Sie haben einen Scherbenhaufen, was die Abgabenpolitik betrifft, in diesem Land hinterlassen nach Ihren sechs Jahren als Ministerpräsident.
Ich sage mal, wenn Sie gleich auf unsere Linie gegangen wären, als Sie das Problem aus wahltaktischen Gründen erkannt hätten, dann müssten wir heute insgesamt nicht mehr über die Frage Beiträge in keinem der Bereiche reden. Dann hätten wir diese Beiträge aufgehoben und wir hätten vernünftige Lösungen dafür miteinander gefunden. Aber den Weg sind Sie nicht gegangen.
Dann komme ich jetzt noch einmal auf 20 Jahre, das Jahr 1989 und davor zurück, Herr Ministerpräsident. Es ist ja richtig, die DDR hat ein in wesentlichen Feldern marodes System in diesem Bereich hinterlassen. Das wird kein ernst zu nehmender Mensch im politischen und sonstigen Raum bestreiten wollen. Dass das auch eine große Herausforderung nach 1990 war und dass auch da viele Leistungen erbracht wurden, darin stimme ich auch mit Ihnen überein, aber nun so zu tun, als ob z.B. die erst nach 1990 in Gang gesetzte absolute Überdimensionierung vieler unserer Wasser- und Abwasseranlagen nicht auch ein gravierender Beitrag zu den heute vorliegenden Problemen ist, das ist dann die Unehrlichkeit an dieser Stelle und diese Politik hat die Thüringer CDU zu vertreten, damit müssen
Sie sich auch auseinandersetzen.
Wir haben die Frage des Kommunalen Finanzausgleichs. Es ist ein weiteres Beispiel: die Regierung vor Gericht oder am Gericht. Letzten Endes musste auch das Verfassungsgericht Sie an dieser Stelle korrigieren. Da muss ich einmal sagen, aber auch nach dem Spruch des Verfassungsgerichts hat die CDU immer wieder versucht und versucht es noch, ein Stück zu täuschen. Sie haben nämlich mit Taschenspielertricks die Kommunen künstlich arm gerechnet, was zur Folge hat, dass diesen Kommunen pro Jahr nach unserer Schätzung mindestens 350 Mio. € fehlen. Der Gemeinde- und Städtebund hat ähnliche Zahlen errechnet. Weil die Landesregierung die Thüringer Kommunen wieder um ihr eigenes Geld - sagen wir es mal klar - betrügt, verklagen die Gemeinden und Städte innerhalb weniger Jahre die Landesregierung erneut vor dem Verfassungsgericht. Das sind unhaltbare Zustände, so darf Thüringen nicht weiter regiert werden, meine Damen und Herren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben dann, Herr Ministerpräsident, eine Regierungsumbildung vorgenommen, eine Kabinettsreform, aber wie immer, wenn Sie irgendwie das Wort „Reform“ bedienen, konnte natürlich auch das aus meiner Sicht nur nach hinten losgehen. Da muss ich mal deutlich sagen, Personalkarussell nutzt nichts, wenn man keine politischen Ideen und Vorhaben mehr wirklich versteht zu entwickeln und auf den Weg zu bringen. Da können Sie das drehen, wie Sie wollen.
Da will ich schon noch einmal darauf verweisen, welchen deutschlandweiten politischen Skandal Sie ausgelöst haben, indem Sie Herrn Dr. Krause hier als Kultusminister vorgeschlagen haben. Noch kein Ministerpräsident seit 1990 - das wage ich hier zu sagen - hat dem öffentlichen Ansehen des Landes Thüringen so sehr geschadet, wie Sie mit dieser Personalentscheidung, mit diesem Vorschlag.
Wieder waren Sie nicht in der Lage, wirklich von sich aus und schnell die Angelegenheit zu korrigieren. Wieder musste erst ein Proteststurm durch die Me
dien, durch das Land, in überregionalen Zeitungen eigentlich, ich glaube sogar, mindestens zwei Wochen anhalten, dass Sie von Ihrem Vorhaben abgelassen haben und dass Sie dann eine andere Entscheidung getroffen haben in dieser Frage. Genau wieder das gleiche Muster, Sie halten sich für unfehlbar und Sie sind nur korrigierbar, wenn die öffentliche Meinung und eine breite Debatte gegen Sie steht; aus eigenem Handeln kommen Sie offensichtlich nicht zur Vernunft.
Das liegt an Ihrer schwachen Personaldecke, Frau Groß, da bin aber ich nicht dafür verantwortlich. Das müssen Sie mit sich klären, da kann ich nicht helfen.
Noch ein Thema: Es hat ja schon lange gedauert, 45 Minuten, bis das schlagende Argument kommt. Das ist schon ganz schön lang für heute, das muss ich sagen.
Meine Damen und Herren, andere Fragen, nehmen wir den Rechnungshof. Dazu kann ich vielleicht mal sagen, wir hatten ja ein paar Bemühungen, es zu lösen. Allerdings, Herr Ministerpräsident, hatte ich am Ende doch den Eindruck, mehr will ich nicht sagen, dass selbst dann, wenn Sie einmal eine sachliche Lösung anmahnen, Ihnen Ihre Fraktion nicht folgt, sie lässt Sie im Regen stehen. Dann verantworten Sie, dass wir über die ganze lange Zeit einen führungslosen Landesrechnungshof haben, und das bei der gesamtwirtschaftlichen, bei der gesamtfinanziellen und bei der demokratiepolitischen Frage, die damit verbunden ist. Das ist unverantwortliches Handeln gegenüber dem Land Thüringen, Herr Althaus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Fühlen Sie sich jetzt angesprochen, Herr Mohring, da können Sie ja darauf antworten, das ist doch okay.
Da freuen wir uns.
Meine Damen und Herren, wir - und das habe ich, glaube ich, deutlich gemacht - lehnen diese Politik, die Sie hier seit 1990 insgesamt und insbesondere auch Sie, Herr Ministerpräsident, seit den letzten sechs Jahren betreiben, prinzipiell ab. Dieses Land braucht eine andere Politik. Wir wollen, dass sich dieses Land im Bund stark macht für die Abschaffung der Armutsfalle Hartz IV, für die Rücknahme der Rente mit 67 und eine basisorientierte Grundsicherung. Dafür muss sich unser Land im Bund einsetzen. Wir wollen die Rücknahme Ihrer sogenannten Familienoffensive, die Einführung einer Sozialpauschale und aus gutem Grund die Verhinderung weiterer Krankenhausprivatisierungen.
Wir wollen in diesem Land gemeinsam mit den Bürgern über längeres gemeinsames Lernen bis zur Klasse 8 sprechen. Wir wollen die Gewährleistung eines gesunden, kostenfreien Essens für jede Kindertagesstätte und jede Schule und für alle Kinder und wir wollen die dauerhafte Sicherung der Lernmittelfreiheit.
Wir wollen die Erhaltung und Schaffung wirklich existenzsichernder Arbeitsplätze. Wir wollen einen Mindestlohn und ein entsprechendes Mindestlohn- und Vergabegesetz für Thüringen. Wir wollen einen sozialökologischen Umbau der Wirtschaft und eine tatsächliche Energieoffensive und wir wollen ein Landesarbeitsmarktprogramm - alles Dinge, denen Sie sich die letzten fünf Jahre konsequent verweigert haben.
Wir wollen mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung, und zwar weitreichendere Entscheidungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger auch zu Finanzen, über Bürgerhaushalte, auch zu Steuern und Abgaben, auch zu Sachthemen, die von Finanzen berührt sind, denn nur dann werden wir direkte Demokratie wirklich stärken können.
Wir wollen, meine Damen und Herren, ein solches Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, um konsequent und gemeinsam gegen alle rechtsextremistischen Tendenzen in diesem Land vorgehen zu können.
Wir, meine Damen und Herren, ganz im Unterschied zur CDU und ihrer Landesregierung, wollen dieses Land sozial regieren. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Ich kann Ihnen auch in Ihrem eigenen Interesse, vor allen Dingen aber im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land nur wünschen, dass die CDU und alle diese Mitglieder der Regierung eine Erholungspause in der Opposition erhalten. Das wird Ihnen gut tun, wir sprechen uns dann fünf Jahre später wieder.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Gäste, die Debatten um die Krise und die Finanzsituation werden in dieser Zeit ja verständlicherweise laut und sehr kontrovers geführt. Ich will hier schon noch einmal sagen, wir erachten es als richtig und im Übrigen auch als überfällig, über die veränderte Finanzsituation in Thüringen im Landtag zu beraten, so wie es von der SPD mit dieser Sondersitzung aber ja schon seit längerer Zeit gefordert worden ist. Aber die Landesregierung und die CDU haben hier natürlich auch schon wieder die Bremse eingelegt, verzögert, ganz zu schweigen davon, Herr Althaus, Sie und Ihre Regierung wären etwa von allein darauf gekommen, diese wichtigen Fragen dem Plenum hier zur Beratung vorzustellen. Aber dieses, entschuldigen Sie, Demokratieunverständnis der CDU sind wir ja nun leider über viele Jahre in diesem Land gewöhnt und Sie legen es auch hier wieder an den Tag.
Denn das ist doch nun ganz offensichtlich, längst hätte doch die CDU und ihre Regierung wissen müssen, was die Mai-Steuerschätzung jetzt belegt. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik, in Thüringen und auch den Landeshaushalt und die kommunalen Haushalte in diesem Land erreicht. Ihrerseits, Herr Ministerpräsident Althaus - und das hat ja Ihre Finanzministerin Frau Diezel gerade wieder unter Beweis gestellt -, gibt es aber keinerlei Prävention im Umgang mit dieser ganz offensichtlich auf uns zukommenden Situation. Sie sind untätig und diese Haltung gegenüber den Menschen in unserem Land ist unverantwortlich, die Sie immer wieder an den Tag legen.
Wissen Sie, Frau Diezel - das ist ja offensichtlich die Haltung des Regierungschefs und die Haltung dieser Regierung und der Mehrheitsfraktion -, Sie haben hier heute wieder angefangen und haben ein Stück weit weltweit erläutert, wie sich Finanzmärkte vielleicht entwickeln, dass das alles problema
tisch ist und irgendwann sind Sie dann auch zu Thüringen gekommen. Aber da muss ich Ihnen einmal sagen, wie viel - entschuldigen Sie - Unvermögen zur Einschätzung der Situation gehört denn dazu, wenn Sie meinen, die Probleme einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und die finanziellen Folgen für das Land Thüringen mit Ihrer hier gepriesenen Rücklage in den Griff zu bekommen. Das ist nun wohl doch mehr als nur wenig und viel zu wenig bei der Behandlung dieser Situation.
Aber, ich meine, Sie haben auf Ihre Berichterstattung in Richtung des Ausschusses verwiesen und Sie haben in dem Zusammenhang den Satz geprägt: Es ist Übung über viele Jahre hinweg. Ja, über viele Jahre hinweg üben Sie diese schlechte Politik für das Land Thüringen und da muss sich Widerstand regen, meine Damen und Herren.
Es ist ja auch nicht verwunderlich; woher das kommt, ist, denke ich, völlig klar. Die Union will die Krise, das sagt unser Ministerpräsident, bisweilen gern zur Chance reden und geht von ihrer recht schnellen Überwindung durch Selbstheilung aus. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, wobei das bei der Regierung von Herrn Althaus ja nun wirklich nicht leicht ist: Herr Ministerpräsident, Sie sind immer wieder in der Lage, Ihre Fehleinschätzungen über die Situation noch zu steigern, das muss ich hier schon sagen.
Tatsache ist doch, meine Damen und Herren, im Augenblick gibt es leider keine Aussicht auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft und damit auch nicht auf eine Entspannung im Finanzbereich. Ich will an der Stelle gar nicht dazu Stellung nehmen, wie abenteuerlich Ihre Politik zumindest auf der Bundesebene, was die CDU betrifft, aber auch auf der Landesebene ist, jetzt in dieser Situation über Schuldenverbote in der Verfassung zu entscheiden. Das haben wir ja hier schon vielfach diskutiert, dass es, in diesen Zeiten eine solche Situation herbeizuführen, geradezu abenteuerlich ist. Aber auch die Situation im Land macht uns doch deutlich, wie es wirklich aussieht. Der Auftragsrückgang bei kleinen und mittelständischen Unternehmen beträgt bis zu 50 Prozent. Die Autozulieferer rechnen mit erheblichem Rückgang ihrer Marktanteile. Das Eigenkapitalproblem vieler kleiner Unternehmen spitzt sich zu und vielfach erhalten sie keine oder nur schwer Kredite bei Liquiditätsproblemen. Die Zahlungsprobleme bei Unternehmen nehmen ebenfalls zu. 10,5 Tage werden Rechnungen, wenn sie nicht fristgemäß sind, im
Durchschnitt in Thüringen zu spät bezahlt. Das viel zu spät beschlossene Forderungssicherungsgesetz des Bundes greift hier offensichtlich nicht. Für das Land haben wir keines, weil Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, dies beständig in diesem Haus abgelehnt haben. Sie reden viel, Herr Althaus, aber handeln nicht. Das ist einfach festzustellen und das werfe ich Ihnen auch vor an der Stelle.
Das Gesamtbild der Thüringer Wirtschaft in der Krise - und das hat ja sehr maßgeblich mit der Situation zu tun - stellt sich doch so dar: Mittlerweile wird eingeschätzt, dass alle Branchen mit einem harten Gegenwind in dieser Krise kämpfen müssen. Es ist Fakt, die aktuelle Geschäftslage wird von den Unternehmen so schlecht eingeschätzt wie noch nie. Die Produktion läuft auf Sparflamme, Kapazitäten werden noch heruntergefahren und Arbeitsplätze abgebaut. Der Konjunkturklimaindex sinkt noch einmal um 10 Prozentpunkte und markiert mit 71 von 200 möglichen Punkten den tiefsten Stand seit 1990. Das, meine Damen und Herren, sind Bewertungen der IHK. Wir stimmen nicht ganz mit der Einschätzung der Kammer überein, dass damit schon die Talsohle und der Tiefpunkt der Krise erreicht ist, aber dennoch sprechen die Fakten doch für sich. Aber wie dem auch sei, die wirtschaftlichen Entwicklungen fordern dringendes aktives Gegensteuern, gerade auch deshalb, weil damit klar ist, wir werden uns auf weitere Einbrüche der Steuereinnahmen einstellen müssen, wenn die Landespolitik nicht endlich grundsätzlich gegen- und umsteuert, meine Damen und Herren.
Aber bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, heißt die Bewertung der Krise offensichtlich weiterhin - so nach dem Maßstab des Wirtschaftsministers - von der konjunkturellen Delle zur wirtschaftlichen Chance und überhaupt, alles geht ganz schnell vorbei. Das wird der entstandenen Lage überhaupt nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, weil die Situation ist wie sie ist, reicht es natürlich auch nicht aus, irgendwie einen Nachtragshaushalt zu erstellen. Es geht darum, die richtigen Prämissen zu setzen und deshalb haben wir heute auch einen eigenen Entschließungsantrag eingebracht. Natürlich ist klar, Thüringen kann einer globalen Wirtschaftskrise nicht allein aus eigener Kraft begegnen. Deshalb fordern wir die Landesregierung nochmals nachdrücklich auf, ein Umsteuern der Bundespolitik zu befördern. Doch dazu möchte ich später einige Bemerkungen machen an dieser Stelle. Thüringen hat natürlich sehr wohl eigene Möglichkeiten des Gegensteuerns und Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, müssen deshalb endlich akzeptieren, dass wir eine Politik benötigen, die im Gleichklang sich tatsächlich
drei Dingen zuwendet:
1. einen tatsächlichen Schutz unter Ausbaumöglichkeiten der vorhandenen und neuer Arbeitsplätze;
2. einer Stärkung der Binnennachfrage und
3. öffentliche Finanzen und dabei besonders Kommunalfinanzen in diesem Land müssen gestärkt werden.
Leider, das habe ich den Worten von Frau Diezel entnommen, sind Sie nach wie vor weit davon entfernt, sich in diese Richtung zu bewegen. Wir schlagen deshalb erneut vor, eine gezielte Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe und der Wertschöpfungsketten, besonders mit einer Energieoffensive für Thüringen und der Entwicklung öffentlich geförderter Beschäftigung, die Erweiterung des Bürgschaftsrahmens des Landes; das - darauf ist Kollege Höhn hier schon eingegangen - versuchen Sie ja jetzt irgendwie zu bewegen, allerdings natürlich wieder weitestgehend an der parlamentarischen Debatte vorbei. Dann muss ich Ihnen auch sagen, ich habe den Eindruck, Sie stochern da weiterhin im Nebel. Sie hören verschiedentlich, es wäre notwendig, diese Sache auszuweiten, aber wirklich eine konkrete Datenanalyse scheinen Sie nicht zu haben, auf deren Grundlage Sie uns eine gesetzliche Änderung vorschlagen. Das beweist doch schon wieder Ihren völligen Dilettantismus. Wenn Sie schon mal reagieren, reagieren Sie kurzatmig und offensichtlich nach ein bisschen öffentlicher Kritik und Stimmung, die Sie irgendwo aufgenommen haben. Das kann doch nicht das Konzept einer Regierung für das Land Thüringen in dieser Krise sein, meine Damen und Herren.
Das machen Sie an dem Beispiel wieder deutlich.
Wir wollen einen kommunalen Finanzausgleich - wir haben das hier wiederholt erörtert -, der diesen Namen, meine Damen und Herren, auch wirklich verdient. Da sage ich Ihnen noch mal, Frau Diezel, Sie haben wieder von den Konjunkturprogrammen geredet; wir haben das hier auch wiederholt schon erörtert, da sage ich auch noch einmal etwas, was die Kommunen in diesem Land betrifft: Sie haben in diese Gesetzgebung einen Flächenfaktor eingeführt. Sie haben damit die großen Städte in diesem Land eindeutig benachteiligt. Selbst diese Fragen behandeln Sie nach parteipolitischer Kleinkrämerei der CDU; das ist doch Ihre Politik, die Sie hier die ganzen Jahre schon machen.
Wir würden uns wünschen - und nicht nur wir, sondern alle, die Sachverstand in Wirtschaft und Gesellschaft im Land an den Tag legen - die Stärkung der kommunalen Investitionskraft unter anderem auch durch die Möglichkeit einer Kreditfinanzierung von rentierlichen Krediten.
Meine Damen und Herren, zu unseren Forderungen an die Landesregierung auf Bundes- und EUEbene für einen politischen Kurswechsel an dieser Stelle noch einige Bemerkungen: Ich bin hier bereits auf die Frage der Binnennachfrage eingegangen. Ich möchte das aus gutem Grund noch einmal ein Stück vertiefen. Wollen wir die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise wenigstens zunächst lindern, sie langfristig, aber auch wirklich überwinden, so müssen wir die einseitige Orientierung der Wirtschaftspolitik auf den Export in diesem Land dringend korrigieren, meine Damen und Herren.
Nehmen Sie sich dem endlich an.
Zur Situation in Deutschland, die in Thüringen ja nicht anders ist, vor allem schon durch die Situation der Automobilindustrie, aber nicht nur dort, hier einige Bemerkungen: Warum habe ich das mit dem Export erwähnt? Es geht natürlich nicht darum, dass Deutschland nicht weiter kräftig und umfangreich exportieren soll und muss. Sehen Sie sich einen Vergleich an zwischen den 15 ehemaligen EU-Staaten - und mit denen kann sich ja die Bundesrepublik sehr wohl vergleichen -, dann ist bei einer ganzen Reihe von Kriterien die Bundesrepublik nur zweimal in einer sehr guten bzw. guten Situation, erstens beim Export - das hatte ich erwähnt - und zweitens bei den Unternehmensgewinnen, meine Damen und Herren. Deshalb sind wir auch im besonderen Maße von den internationalen Krisenprozessen betroffen. Jetzt sehen wir uns mal an, wo Deutschland überall Schlusslicht unter diesen - ich betone dies noch einmal - 15 ursprünglichen EU-Staaten ist: bei der Entwicklung der Löhne und Gehälter Schlusslicht, bei der Gleichstellung der Frauen bei Lohn Schlusslicht, bei der Entwicklung der Nachfrage der privaten Haushalte, sprich Binnennachfrage, Schlusslicht, im Bildungsbereich in vieler Hinsicht Schlusslicht. Meine Damen und Herren, da muss ich Ihnen einmal sagen: Wer unter diesen Bedingungen auch für das Land Thüringen der Öffentlichkeit ständig mit seiner Erfolgspropaganda, Herr Ministerpräsident, kommt, der ist einfach den Fakten nach auf dem völligen Holzweg, um es vorsichtig auszudrücken.
Wenn wir die notwendigen Veränderungen und auch das Gegensteuern wollen, dann kann das allerdings überhaupt nicht mit den Bedingungen des heutigen ungezügelten Finanzmarktkapitalismus und auch nicht ohne ein staatliches antizyklisches Gegensteuern erreicht werden. Ich bleibe dabei, es wird kein Gesunden der öffentlichen Haushalte geben, ohne dass die Deregulierung, wie sie immer noch gesetzlich besteht, aufgehoben wird, meine Damen und Herren. Denn erinnern wir uns - und ich komme zu Ihrer Ausgangsituation mit der weltweiten Situation zurück, Frau Ministerin -, was wäre nötig? Leerverkäufe zu verbieten, Hedgefonds zu verbieten - das haben Politiker aller Parteien, auch der Regierungskoalition, gelegentlich immer einmal schon in den Mund genommen -, internationale Finanzströme kontrollieren, feste Wechselkurse zwischen internationalen Währungen wieder einführen, Banken keine Geschäfte außerhalb der Bilanz erlauben. Ich muss sagen, meine Damen und Herren, nichts, aber auch gar nichts davon hat die Bundesregierung bis hierher in dieser Richtung getan und Sie, Herr Althaus, halten das nach allen Ihren Ausführungen auch nicht für notwendig. Deshalb gehen wir in diesem Land dem Übel auch nicht wirklich an die Wurzel. Bundes- und Landesregierung und die sie tragenden Parteien sagen damit de facto: Wir machen weiter so, retten wir das Casino; die große Mehrheit der Betroffenen, die nicht am Spieltisch sitzen kann, muss sehen, wo sie bleibt, meine Damen und Herren. Das tragen wir jedenfalls nicht mit.
Deshalb fordern wir auch Sie als Landesregierung auf, initiativ zu werden, bleiben wir bei unseren Forderungen, eine fünfprozentige Millionärssteuer auf Vermögen über 1 Mio. € einzuführen. Wir plädieren für die Wiedererhebung einer reformierten Vermögenssteuer, eine Reform der Umsatzsteuer mit dem Ziel, unter anderem arbeitsintensive Dienstleistungen wie Handwerkerleistungen, Medikamente sowie Kinderbekleidung und Dienstleistungen für Kinder mit einem verringerten Umsatzsteuersatz zu versehen. Wir wollen die Anhebung des Regelsatzes bei Arbeitslosengeld II auf 500 € monatlich. Wir wollen einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn und eine Börsenumsatzsteuer. Ich muss Ihnen hier noch mal sagen, allein 1 Prozent Börsenumsatzsteuer würde 70 Mrd. € jährlich an Mehreinnahmen in der Bundesrepublik bedeuten - Mehreinnahmen, die wir dringend zum Gegensteuern in der Politik benötigen würden, denen Sie sich ständig weiter verweigern. Sie wollen offensichtlich nicht, dass wir wirklich antizyklisch gegensteuern können in der Politik.
Ich sage hier auch, wer sich diesen Forderungen immer weiter widersetzt, bekämpft die Krise nicht wirklich.
Meine Damen und Herren, ein Stück noch deutlicher: Wer dies, wie Sie, Herr Althaus und die Landesregierung, nicht will, der hat offensichtlich den Plan B in Arbeit, nämlich nach dem 30. August und nach dem 27. September weitere Einnahmeeinbrüche zu konstatieren, die Sie dann natürlich selbst nicht zu verantworten haben, was Sie aber sehr wohl tun. Dann wird Ihre Antwort erneut sein, wenn die Wahlgänge erledigt sind: Wir müssen bei den Ausgaben sparen. Das heißt nichts anderes, als den schon über ein Jahrzehnt betriebenen Sozialabbau in noch schärferer Form fortzusetzen und die Kosten der Krise auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Das ist offensichtlich Ihre Politik, meine Damen und Herren.
Wenn dies nicht verhindert werden kann und Sie sich nicht eines anderen besinnen, dann wird dieses Land sozial weiter gespalten werden. Wir, und das will ich hier noch einmal deutlich sagen, wollen eine andere Politik, eine Politik, die Löhne und Renten nicht weiter kürzt, sondern stabilisiert und steigert, eine Politik, die die Binnennachfrage ausweitet, eine Politik, die langfristig Hartz IV überwindet und die die Vermögenden an der Finanzierung einer solidarischen und gerechten Gesellschaft in diesem Land beteiligt. Das, meine Damen und Herren, ist Hauptsache für Thüringen, wenn die Krise im Interesse der Menschen überwunden werden soll. Stellen Sie sich dieser Hauptsache und reden Sie nicht nur darüber, dass Thüringen für Sie angeblich Hauptsache ist.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, heute steht ein Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung in zweiter Lesung zur Entscheidung an. Es ist kein Änderungsgesetz wie jedes andere; es ist der zweite Gesetzentwurf, der im Wege eines Volksbegehrens in den Landtag eingegangen ist; namens meiner Fraktion möchte ich insbesondere das noch mal hervorheben und begrüßen.
Die Abgeordneten des Thüringer Landtags tragen heute mit ihrer Entscheidung auch die politische Ver
antwortung dafür, dass 251.000 Unterschriften von Thüringer Bürgerinnen und Bürgern und das Vorhaben, das mit ihnen unterstützt wird, unmittelbare politische und rechtliche Wirkung entfalten kann, Verantwortung dafür, dass das, was engagierte Bürger wollen, gesellschaftliche Wirklichkeit wird. Menschen sollen es leichter haben, mit ihrem Engagement auch sinnvolle Veränderungen im Alltag vor ihrer Haustür zu bewirken. Dazu sollen vor allem die Quoren gesenkt und vereinfacht werden. Es wird der Themenausschlusskatalog eingeschränkt. Bürgerinnen und Bürger sollen über mehr Themen, die sie unmittelbar betreffen, selbst abstimmen können, sei es bei den Fragen von Bebauungsplänen, sei es bei den Fragen öffentlicher Einrichtungen oder bei Problemen mit der Höhe von Abgaben. Außerdem sollen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auch auf Landkreisebene zulässig sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war dringend notwendig, hier Hürden beiseite zu räumen.
Nach Untersuchungen von „Mehr Demokratie“ stand Thüringen vor Start des Volksbegehrens auf Platz 16 im bundesweiten Vergleich. Nun rangiert es nach Verabschiedung des Volksbegehrens und unter Berücksichtigung der freien Straßensammlungen im Vergleich zwischen den Bundesländern auf Platz 4. Das ist doch mal eine tatsächliche Erfolgsbilanz für unser Land, meine Damen und Herren.
Stichwort - freie Straßensammlung: Andreas Gross, Schweizer Abgeordneter und seit Jahren für den Ausbau direkter Demokratie aktiv - und das nicht nur in der Schweiz - bezeichnet die freie Sammlung als Seele der direkten Demokratie. Die Demokratie - nicht nur die direkte - lebt vom ungehinderten, kreativen und durch viele inhaltliche Positionen und Ideen geprägten Meinungsfindungs- und Entscheidungsprozess. Hier können Bürgerinnen und Bürger direkt ihr Sach- und Fachwissen in die Diskussion einbringen. Die freie Sammlung ist der notwendige Freiraum dafür. Deshalb gilt in ganz Europa gerade für direkte Demokratie in den Kommunen eben diese freie Sammlung, meine Damen und Herren. Wir haben, wenn wir heute diesen Beschluss treffen, europäisches Niveau erreicht.
Nun kann man diese Feststellung wieder treffen, denn mit dem Volksbegehrens-Begleitgesetz, das zusammen mit dem Gesetzentwurf des Volksbegeh
rens zur Entscheidung steht, wird die freie Sammlung wieder in die Kommunalordnung aufgenommen. Mit dem Einlenken der CDU-Fraktion in dem gemeinsamen Gesetzentwurf aller drei Fraktionen ist der seit Oktober 2008 existierende Thüringer Sonderweg der alleinigen Amtsstubensammlung in den Kommunen zu Ende. Er hatte in Thüringen und weit darüber hinaus Befremden und Proteste ausgelöst. Das Volksbegehren „Mehr Demokratie in den Thüringer Kommunen“ und das Bündnis „Mehr Demokratie in Thüringen“ haben zu Recht immer die freie Sammlung verteidigt und deren Bedeutung hervorgehoben. Nun wird es in der Kommunalordnung beide Wege geben. Die Initiatoren sollen wählen können zwischen den Sammlungsarten. Dieses Wahlrecht wurde auf der Landesebene, meine Damen und Herren, ja bekanntermaßen schon 2003 umgesetzt.
Gestatten Sie mir wegen der Wichtigkeit dieser gesamten Angelegenheiten einen kleinen Rückblick auf die Entwicklung in den vergangenen Jahren. Auch 2003 hatten sich die drei Fraktionen im Thüringer Landtag zusammengefunden, um für den Ausbau der direkten Demokratie eine politische Lösung zu finden. Damals hatten 360.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihren Unterschriften in einem Volksbegehren, ebenfalls getragen vom Bündnis „Mehr Demokratie in Thüringen“, das Signal gegeben, dass sie mehr Mitsprache und wirksame politische Gestaltungsrechte wollen. Leider hatte damals der Thüringer Verfassungsgerichtshof das Begehren gestoppt. Damit war aber das politische Anliegen nicht aus der Welt. Die damalige PDS-Fraktion und die SPD-Fraktion griffen das Volksbegehren auf und reichten es als Gesetzentwurf in den Landtag ein. Darüber hinaus legten sie in Zusammenarbeit mit dem Bündnis noch einen Reformvorschlag für ein neues Verfahrensgesetz vor. Nach längeren Verhandlungen war auch damals die CDU bereit, der politischen Botschaft der zigtausenden Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern nachzukommen und die direkte Demokratie zu erleichtern, zumindest für die Landesebene.
Ausgehend von diesem gemeinsamen Erfolg machte das Bündnis „Mehr Demokratie in Thüringen“, immerhin bestehend aus 20 Organisationen, auch für die Verbesserung der direkten Demokratie auf der kommunalen Ebene sich auf den Weg. Das war, wir erinnern uns, im Jahre 2004.
Nach eingehenden Diskussionen im Bündnis, die auch von Fachveranstaltungen zum Thema begleitet waren, reichten PDS- und SPD-Fraktion als die parlamentarischen Arme des Bündnisses im Jahre 2005 einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag ein. Verbesserungen, die 2003 auf der Landesebene erreicht worden waren, sollten auch auf der kommunalen Ebene gelten. Bisher in Thüringen
nicht Vorhandenes, aber in den Ländern Bewährtes sollte eingeführt werden. So sollten die Quoren gesenkt, die Fristen verbessert, die Themenausschlüsse erheblich eingeschränkt werden, es sollte auch Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Landkreisebene geben. Der Gemeinderat sollte den Bürgern einen Beschluss zur Entscheidung vorlegen können, so das genannte Ratsbegehren, wie es zum Beispiel in Bayern existiert. Vor dem Bürgerentscheid sollten die Stimmberechtigten ausführliche Informationen erhalten. Die Vertrauenspersonen bzw. Initiatoren des Begehrens sollten zu ihrem Anliegen Anwesenheits- und Rederecht im Gemeindrat erhalten. Statt eines Bürgerantrags sollte es einen Einwohnerantrag mit Beteiligungsrecht ab 14 Jahren geben. Damit sollten insbesondere Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit und junge Menschen eine Möglichkeit direkter demokratischer Mitsprache erhalten.
Wenn ich allein den Jugendaspekt - nicht um ihn zu gewichten - hervorhebe, dann wissen wir, wie wichtig und notwendig es ist, gerade durch solche Beteiligungsmöglichkeiten junge Menschen dazu in die Lage zu versetzen, Demokratie und eigenes demokratisches Handeln zu erleben und selber mitzugestalten. Das ist eine ganz wichtige Frage für die Zukunft unserer Demokratie.
Leider mussten dann das Bündnis und die Oppositionsfraktionen dennoch erleben, dass die 2003 schon vorhandene Motivation der CDU-Mehrheitsfraktion in Sachen direkter Demokratie offensichtlich wieder ein Stück weit erlahmt war.
Der Gesetzentwurf lag etwa ein Jahr im Landtag und wurde dann abgelehnt. Doch das Problem, dass Thüringen bundesweit Schlusslicht in Sachen direkter Demokratie der Kommunen war, blieb ja dennoch bestehen. Also machte sich das Bündnis „Mehr Demokratie in Thüringen“ auf den Weg des Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“. Es konnte aus Praktikabilitäts- und formalen Gründen nicht so umfangreich sein wie das Gesetz. Als inhaltliche Kernpunkte wurden die Senkung der Quoren, die Änderung von Fristen, die Beschneidung des Ausschlusskatalogs, die Ausweisung auf die Landkreisebene und der Einwohnerantrag aufgenommen. Der Fortbestand der freien Sammlung war selbstverständlich Grundlage des Volksbegehrens. Am 31. August 2007 war Startschuss für die Antragssammlung; 12.800 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben. Dann will ich das noch einmal vorhalten:
12.800 Bürgerinnen und Bürger - weit mehr als das Doppelte an notwendigen Unterschriften, meine Damen und Herren.
Am 20. März 2008 begann die Sammlungsfrist für das zugelassene Volksbegehren; sie lief bis zum 19. Juli 2008. Wie schon beim Volksbegehren im Jahr 2000 machten Zigtausende Bürgerinnen und Bürger als Unterzeichner mit, aber nicht nur das, auch als Unterschriftensammler oder in anderen Formen der Unterstützung. Eine spannende und vielfältige Debatte über Bürgerbeteiligung, Demokratie, aber auch darüber, was denn nun wichtige, drängende Probleme in Kommunen sind, zu denen Bürger sich politisch einmischen wollen, fand in diesem Land statt. Meine Damen und Herren, wahrlich lebendige Demokratie als ein ganz wichtiges Gegenmittel gegen die viel diagnostizierte und beschworene Politik und Parteienverdrossenheit in unserem Land, welch ein Gewinn für Thüringen!
251.000 Thüringerinnen und Thüringen haben mit ihrer Unterschrift unter das Volksbegehren dokumentiert, dass sie mit ihrem politischen Willen und ihrem Engagement ernst genommen werden wollen und mehr noch, dass sie ihre Gesellschaft, ihren Alltag vor Ort selbst mitgestalten wollen. Das, meine Damen und Herren, ist dank der Initiatoren des Volksbegehrens ein großer Sieg für die Demokratie in Thüringen.
Die direkte Demokratie ist dabei nicht aus unserem gesamtgesellschaftlichen und politischen Gefüge etwa herauszudenken, sondern direkte Demokratie ist ein unverzichtbarer Weg und bei Sachentscheidungen ein wichtiges Grundprinzip der Thüringer Verfassung, wenn nicht gar, meine Damen und Herren, das Grundlegendste überhaupt unmittelbar Realität werden zu lassen. Das heißt, ohne den Zwischenschritt der Delegierung, der Entscheidung, der auf Vertreter, nämlich dem Grundsatz gerecht zu werden, alle Staatsgewalt, alle Macht geht von den Bürgerinnen und Bürgern, geht vom Volke aus, meine Damen und Herren.
Insofern betone ich das, was ich vielfach an diesem Rednerpult und in anderen Zusammenhängen betont habe, die Stärkung der Demokratie ist eine Stärkung unserer repräsentativen Demokratie und des Ansehens ihrer Institutionen im Land, meine Damen und Herren.
Direkte Demokratie ist eine wichtige, sogar notwendige Ergänzung für unsere parlamentarische Demokratie. Sie macht die parlamentarische Demokratie lebendiger, sie hilft den gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Bürger in den Parlamenten besser zu erkennen, welche Themen die Menschen wirklich bewegen, welche Probleme in der Gesellschaft dringend gelöst werden müssen, sei dies nun auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Ich will schon in diesem Zusammenhang noch einmal hervorheben, wir haben jetzt in Thüringen ein gutes Ergebnis zu erwarten in Sachen direkter Demokratie, aber wir sollten auch das Signal weiter ganz deutlich aussenden, dass wir auch auf der Bundesebene direkte Demokratie in diesem Land brauchen, meine Damen und Herren.
Direkte Demokratie gibt den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, ihre Anliegen, ihr Engagement, ihr Wissen und ihre Kompetenzen unmittelbar zu Sachfragen in die politische Entscheidungsfindung einzubringen. Direkte Demokratie fördert die Akzeptanz der Demokratie überhaupt. Sie lässt die Bürgerinnen und Bürger erfahren, dass sie wirksame politische Gestaltungsmöglichkeiten haben und engagierte und selbstbestimmte Handlungen realisieren können. Diese gestiegene Akzeptanz unterstützt unser demokratisches System in seinem Ganzen.
Allerdings kann dies nur gelingen, wenn die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Vertrauen auf ihre demokratischen, insbesondere auch ihre direktdemokratischen Rechte, nicht enttäuscht werden, meine Damen und Herren. Entsprechend groß ist die Verantwortung der von den Bürgern gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Umgang mit einem Volksbegehren. Außerdem sollten die Vertreter gegenüber denen, die sie mit ihrem Vertretungsauftrag vertreten, den sie erfüllen wollen, auch immer wieder den direktdemokratischen Anliegen den notwendigen Respekt erweisen und im Grunde genommen ihn sogar in den Vordergrund schieben.
Während der Sammlungsfrist des Volksbegehrens waren in den Medien immer wieder Zwischenstände veröffentlicht worden, die auf einen positiven Ausgang schließen ließen. Am 4. August 2008 verkündete das Bündnis „Mehr Demokratie in Thüringen“ ihr Zählergebnis von 250.982 Unterschriften.
Mittlerweile - und das gehört natürlich auch zur Geschichte bis zum heutigen Tag - hatte die CDU im Maiplenum einen Gesetzentwurf zur Änderung der Kommunalordnung eingebracht. Er war dem Volksbegehrensgesetz scheinbar sehr ähnlich, vor allem
nach Änderungen im Innenausschuss, und enthielt als bundesweites Novum aber die ausschließliche Amtsstubensammlung. Außerdem sollte es weiterhin nur den Bürgerantrag geben.
Diese scheinbare Vorwegnahme des Volksbegehrens löste danach natürlich politische wie rechtliche Diskussionen aus, insbesondere als am 8. Oktober dieser Gesetzentwurf verabschiedet wurde, am 9. Oktober von der Landtagspräsidentin ausgefertigt und am 18. Oktober in Kraft trat und am 23. Oktober der Erfolg des Volksbegehrens von der Landtagspräsidentin verbindlich festgelegt wurde. Es stellten sich neben Fragen des Vertrauens in und der Anwendbarkeit von rechtlichen Regelungen vor allem die politischen Fragen nach dem Respekt vor dem Willen von 251.000 Thüringerinnen und Thüringern und nach dem Verantwortungsbewusstsein der Mehrheit der Abgeordneten im Thüringer Landtag.
Die rechtlichen Probleme wurden von den Oppositionsfraktionen mit Blick auf Expertenäußerungen als so schwerwiegend eingeschätzt, dass sie kurz vor der Jahreswende 2008/2009 Normenkontrollklage beim Verfassungsgerichtshof einreichten. Die Vertrauenspersonen des Volksbegehrens klagten ebenfalls wegen Verletzung von Verfassungsrechten, denn es hatte kein rechtlicher Zwang bestanden, das Oktober-Gesetz zur Kommunalordnung so schnell in Kraft zu setzen, höchstens ein politischer Zweck damals aus Sicht der CDU-Mehrheit.
In der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses vom 13. Februar 2009 hat die übergroße Mehrheit der Sachverständigen der Landtagsmehrheit vor Augen geführt, dass dieses in Deutschland einmalige Vorgehen weder politisch noch juristisch haltbar ist. Anzuhörende aus der Schweiz, einem Land mit langer, sehr positiv wirksamer direkter Demokratie, machten unmissverständlich deutlich, so etwas wäre in ihrem Land nicht vorstellbar. Anzuhörende aus Bayern verwiesen darauf, dass eine sehr lebendige und wirksame direkte Demokratie selbst unter CSU-Spitzenpolitikern viele Verfechter hat. Aus rechtlicher Sicht wurde darauf verwiesen, dass es nach einem erfolgreichen Volksentscheid eine unklare, praktisch unanwendbare Rechtslage geben würde. Der Überholversuch der Landtagsmehrheit hatte hier neben einem politischen Unfall auch eine juristische Karambolage verursacht.
Aber, meine Damen und Herren, heute liegt mit dem Volksbegehrens-Begleitgesetz das notwendige Reparaturgesetz zusammen mit dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens zur abschließenden Beratung hier auf unserem Tisch und, ich denke, das ist das letztlich entscheidende Ergebnis.
Wie schon 2003 hat bei der Mehrheitsfraktion des Hauses nach - aus meiner Sicht - einigen Irrungen und Wirrungen offensichtlich die Einsicht gesiegt, dass der Respekt vor dem Willen von 251.000 Bürgerinnen und Bürgern gleichbedeutend ist mit dem Respekt vor der Demokratie und auch gleichbedeutend ist mit dem Respekt vor der Verantwortung als demokratisches Parlament hier in Thüringen. Das alles im vor allem auch von unserem Ministerpräsidenten verkündeten Jahr der Demokratie 2009, meine Damen und Herren, ist meiner Ansicht nach für dieses Jahr ein würdiges und ein richtiges Zeichen.
Ich will es auch hier gar nicht verhehlen, es verdient auch die Anerkennung, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, dass Sie sich in dieser Richtung ein Stück weit bewegt haben und eine solche heutige Konsenslösung im Interesse des Landes Thüringen möglich gemacht haben.
Mein größter Dank aber gilt noch einmal den Initiatoren des Volksbegehrens, insbesondere auch seinem Sprecher Ralf-Uwe Beck, er gilt aber vor allen Dingen den über 250.000 Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land. Dann wissen wir ja, wenn es so viele sind, die zur Abstimmung gegangen sind und die sich für das Volksbegehren entschieden haben, dann sind es eigentlich noch sehr viel mehr, die bewiesen haben, dass sie willens und in der Lage sind, mit ihrer persönlichen Mitwirkung unsere Demokratie in diesem Land zu stärken. So können wir heute nur mit einem erfolgreichen Votum für diese Demokratie auch aus diesem Parlament gehen, und es wird uns in der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren, fern jeder parteipolitischen Provenienz honoriert werden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zeit ist fortgeschritten, vor allen Dingen schreitet sie täglich fort in Bezug auf die Sorgen, die die Opelaner in Eisenach haben und die ganze Region. Aber die Zeit ist natürlich auch im Saal fortgeschritten. Ich möchte deshalb nur auf einige Punkte, die uns wichtig sind, hier noch mal eingehen.
Herr Minister Reinholz, die Mehrheitsfraktion des Hauses hat ja letztens zwar der Dringlichkeit unseres Antrags zugestimmt, aber Sie haben das dann nicht in die Tagesordnung eingeordnet. Ich weiß nicht, vielleicht auch ein bisschen mit der Hoffnung, dass sich bis heute dann irgendetwas geklärt haben könnte. Diese Hoffnung war, wie wir wissen, äußerst trügerisch. Aber ich glaube, es ist ja vor allen Dingen auch deshalb so, weil Sie, Herr Reinholz, ja letztens schon gesagt haben, Sie können am Vorabend nicht mehr sagen als am nächsten Tag. Das, meine Damen und Herren, ist nicht der Lage geschuldet, sondern das ist dieser Landesregierung und Ihrer eigenen Person geschuldet.
Denn wer z.B. keinerlei - na ja, haben Sie denn Ihrem Minister mal gut zugehört? Der beklagt sich darüber und nimmt dafür auch noch die Belegschaft von Opel in gewisser Weise hier in Mithaftung, dass es zu viele Ideen gäbe, wie man mit Opel umgehen könnte, und dass das in der Öffentlichkeit ein Problem wäre. Wenn ich so ein ideenloser Minister wäre wie Sie, Herr Reinholz, da würde ich mich natürlich auch vor jeder Idee fürchten, die irgendwo geäußert wird in der Angelegenheit.
Dann verbreiten Sie doch in diesem Zusammenhang nicht immer Falschmeldungen, z.B. die Frage, wir wollten losgelöst von der Bundesregierung, losgelöst von Europa hier Lösungen anbieten. Das ist überhaupt nicht unsere Position, sondern wir sagen sehr wohl, wir brauchen eine gemeinschaftliche Position zwischen der Bundesregierung, zwischen den beteiligten Bundesländern und mit Blick auf andere europäische Länder. Das wird uns nur in eine Lösung letzten Endes führen können, aber dafür auch ein Stück weit nur zu streiten, es überhaupt mal in den Mund zu nehmen, davor fürchten Sie sich doch in dieser Landesregierung. Deshalb war natürlich völlig klar, Sie werden bis zum heutigen Tag nichts getan haben und dass Sie nichts getan haben außer salbungsvollen Worten, das haben Sie gerade noch mal wieder nachgewiesen, meine Damen und Herren.
Wenn jetzt Frau Bundeskanzlerin Merkel nun sicherlich auch einige freundliche Worte in Rüsselsheim gefunden hat, und wenn sie nun, was Sie auch wieder getan haben, hier darauf abzielt, wir bräuchten unter Umständen einen guten Investor auch für Opel in Eisenach, da muss ich Ihnen mal ganz einfach sagen, das wissen Sie doch genauso gut und deshalb hören Sie doch auf mit dieser Spekulation. Einen solchen Investor heute zu finden, ist unter den konkreten Bedingungen fast unmöglich. Je mehr immer über einen spekulativen Investor oder mehrere geredet wird in dem Zusammenhang, um so mehr Zeit vergeht, vergeht auch um die Arbeitsplätze in Eisenach und an den anderen Opelstandorten wirklich durch gezielte politische Aktivitäten zu stützen. Dieser Verantwortung werden Sie einfach nicht gerecht.
Natürlich ist es notwendig, das alles im Zusammenhang mit GM zu betrachten, aber dann ist auch schon seit Wochen klar, dass wir eine Opel AG brauchen und dass wir von der Marke Opel zu einer Unternehmung kommen können. Sie haben ja recht, dass General Motors wesentliche Entscheidungen treffen muss, da sind wir ja gar nicht auseinander. Aber wenn dort diese Entscheidungen getroffen sind, was hat dann Europa, was haben die europäischen Standorte, oder was haben die bundesdeutschen Standorte vorzuschlagen und vorzuweisen, um diese eigene Opel AG von der Marke zur AG, zum eigenen Unternehmen überhaupt in die Wege zu leiten? Wenn Sie so weitermachen, wie Sie das bisher getan haben, dann wird sich nichts tun. Dann werden wir vor einer Situation stehen, wo wir keine eigenen Vorschläge haben, meine Damen und Herren.
Ich bleibe also dabei: Es gibt eine Verantwortung der Landesregierung und der Bundesregierung, der Bundesregierung natürlich auch bezüglich vor allen Dingen der anderen beteiligten europäischen Standorte und also der Regierungen Spaniens, Belgiens und Großbritanniens. Auch davon habe ich bisher in den Ausführungen der Bundeskanzlerin nichts gefunden. Ich will noch mal deutlich hervorheben, wenn wir nicht selbst eigenständig politisch handeln, wenn wir nicht z.B. zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen ein Konsortium bilden, um selber auch mit staatlichen Mitteln bei Opel einzusteigen, dann wird alles andere eine Worthülse bleiben und dann werden wir auch nichts dafür tun können, die Arbeitsplätze wirklich für die nächste Zeit und dann auch dauerhaft an den deutschen und europäischen Standorten zu sichern. Ich kann nach wie vor nicht erkennen, meine Damen und Herren, Herr Wirtschaftsminister, dass Sie in dieser Richtung wirklich aktiv sind. Sie lassen es eigentlich laufen und das ist keine verantwortliche Haltung dieser Regierung.
Meinungsforschung zum Wahlverhalten
Medienberichten ist zu entnehmen, dass bei der Klausur der Landesregierung im Januar 2009 auch die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zum Wahlverhalten der Thüringerinnen und Thüringer vorgestellt wurden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Ist diese Umfrage von der Landesregierung in Auftrag gegeben worden und wenn ja, zu welchem Zweck?
2. Welche Kosten sind für die Umfrage entstanden, aus welchem Haushaltstitel wurden sie finanziert?
3. Wann und in welcher Form wurden die Ergebnisse der Umfrage von der Landesregierung veröffentlicht?
4. Stehen die detaillierten Ergebnisse der Umfrage allen Fraktionen des Thüringer Landtags zur Verfügung?
Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, kurzzeitig hatte ich in dieser Woche mal den Eindruck, die Thüringer Landesregierung würde nun doch langsam wenigstens etwas von den Prozessen zur Kenntnis nehmen und verstehen, die sich gegenwärtig abspielen. Unser Wirtschaftsminister - man höre und staune - hat nämlich festgestellt, dass die Konjunkturkrise - vor kurzem war es ja immer noch eine Delle, Herr Reinholz, aber jetzt haben Sie immerhin gesagt, wenn die Medien das richtig wiedergeben - Thüringen erreicht hat, der Umsatzrückgang betrage 19,7 Prozent. Dass Sie allerdings trotzdem, Herr Minister, aus meiner Sicht immer noch nicht wirklich verstanden haben, worum es geht, das kommt dann gleich wieder in dem Anhang, Sie warnen aber vor üblichen Katastrophenreflexen. 19,7 Prozent Umsatzrückgang, das ist, wenn man es schon nicht eine Katastrophe nennen will, aber für ein Land mit unserer wirtschaftlichen Aufstellung und Struktur ein Riesenproblem und es ist aus unserer Sicht, und nicht nur aus unserer, erst der Anfang dieser Wirtschafts- und Gesellschaftskrise in unserem Land. Nehmen Sie es doch endlich zur Kenntnis.