Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Wir klä- ren Sie gern auf.)

Selbst Ihr Bielefelder Professor, den Sie in dieser Woche Thüringen präsentiert haben, hat in seinem Gutachten festgestellt, es gibt keine verfassungsmäßigen Grenzen, die überwunden werden müssen, die zur Abschaffung der Stichwahl notwendig sind.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: So dumm sind die Thüringer nicht, wie Sie sie darstellen.)

Sie ist möglich und verfassungsrechtlich geboten.

(Beifall CDU)

Er hat ein Argument genannt und hat es bezeichnet als „demokratietheoretisches Argument“, was für die Stichwahlen spricht. Jetzt will ich mal diese Demokratietheorie mit Ihnen erläutern. Stellen Sie sich vor, 100.000 Wähler in einer großen Stadt, vielleicht wie in Erfurt, die wählen gehen können und tatsächlich gehen 50 Prozent dieser Wähler zur Wahl. Nach bisherigem Kommunalwahlrecht heißt das, 50 Pro

zent braucht der Bürgermeister, um gewählt zu werden, dass dann von diesen 50 Prozent Wahlbeteiligung - also 50.000 - es ausreicht, wenn knapp über 25.000 Wähler diesem Bürgermeister die Unterstützung geben. Schafft er das nicht, weil ihm vielleicht nur 24.000 die Unterstützung gegeben haben und er in den zweiten Wahlgang geht und dann die Wahlbeteiligung vielleicht bei 30 Prozent liegt - also bei 30.000 - und er davon dann auch noch mal die absolute Mehrheit holen muss, dann heißt das am Ende, dass 15.000 Wähler von diesen 100.000 - 15 Prozent - ihm die demokratische Legitimation gegeben haben. Dann sagt Ihr Bielefelder Professor, dass diese 15 Prozent Legitimation im zweiten Wahlgang „demokratietheoretisch“ mehr sind als die 50 Prozent Unterstützung im ersten Wahlgang, und das sei das schlechtere demokratietheoretische Argument. Das können wir nicht nachvollziehen. Das ist völlig absurd, das ist völlig falsch. Es ist so absurd wie Ihre Forderung nach Neuwahlen, aber Ihren Bielefelder Professor brauchen Sie nicht wieder nach Thüringen zu bringen, der taugt nicht dazu, gutes Kommunalwahlrecht für Thüringen zu organisieren.

(Beifall CDU)

Aber wir stellen auch andere Regelungen in diesem Gesetz neu auf den Prüfstand und schlagen Änderungen vor, weil wir gemerkt haben, dass bei vielen Wahlen, vor allen Dingen auf kommunaler Ebene, der Anteil an ungültigen Stimmen rapide zugenommen hat. Deshalb schlagen wir Regelungen vor, die vielleicht das Wählen so einfacher gestalten, auch den Wahlvorständen ein paar Regelungen an die Hand geben, die dafür Sorge tragen, dass wir einen höheren Anteil der gültigen Stimmen generieren können, damit es eine höhere demokratische Legitimation geben wird.

(Zwischenruf Abg. Taubert: SPD. Wir ha- ben um jede Stimme gerungen.)

Dafür ist es wichtig, dass jede Stimme auch zählt - da gebe ich Ihnen vollkommen recht - das ist wichtig für eine gute Demokratie. Vor allen Dingen ist es wichtig, immer dann, wenn es um unsere eigene Heimat geht, um das vor unserer eigenen Tür, dort, wo unsere Kreistage sitzen, unsere Kreisräte, unsere Stadtverordneten und die Gemeinderäte, wo ich an dieser Stelle mal sagen will, dass diese vielen Tausende in ihrer Freizeit großartige Arbeit leisten, dass unser Gemeinwesen so gut vorankommt in Thüringen.

(Beifall CDU)

Wenn die sich im nächsten Jahr alle wieder zur Wahl stellen, dann wollen wir ein neues Kommunalwahlrecht auf den Weg gebracht haben. Deshalb haben

wir das heute vorgeschlagen und wollen auch im Innenausschuss federführend und im Justizausschuss diese Beratung fortsetzen, damit wir sie bis zum Herbst abschließen können und dann im Jahr 2009 mit diesem Kommunalwahlrecht auch unsere neuen Kreistage, unsere neuen Gemeinderäte, aber auch unsere neuen Stadträte wählen. Wir denken, dass wir dazu einen guten Beitrag leisten können und vor allen Dingen damit auch ein Zeichen setzen, dass es sich lohnt, sich zu engagieren, dass es sich lohnt, bereit zu sein, im Ehrenamt, auch im politischen Ehrenamt, für solche Mandate zu streiten, weil es Spaß macht, die Demokratie mitzugestalten.

Wir haben vorhin gesagt, dieser Vorrang an repräsentativer Demokratie ist uns als Union besonders wichtig. Aber wir wollen - das schlagen wir mit einem zweiten Artikel in dem Gesetz heute vor - auch die repräsentative Demokratie in Thüringen ein Stück neu bereichern. Ich will Ihnen eines sagen - da spreche ich für unsere gesamte CDU-Landtagsfraktion -, wenn Sie erwarten in Ihrer Debatte, dass, wenn Wahlen stattfinden, wie zum Beispiel 2004, wenn eine Partei dort eine bestimmte politische Meinung hat, und wenn Sie dann unterstellen, dass eine Partei und auch eine Fraktion im Laufe von fünf Jahren einer Legislaturperiode nicht in der Lage sein soll, sich auch weiterzuentwickeln, sich auch neuen Ideen zu öffnen, dann läuft, glaube ich, etwas falsch in der Demokratie.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist wohl wahr.)

Wir wissen, dass Sie fünf Jahre lang immer dasselbe hier reden, egal zu welchem Tagesordnungspunkt. Wir machen uns da nichts vor, Sie machen schlechte Oppositionsarbeit und wir erwarten von Ihnen ja nichts anderes.

(Beifall CDU)

Aber wir als CDU Thüringen sind immer offen dafür, dann, wenn viele Bürger in Thüringen ein bestimmtes Problem im Herzen tragen. Wenn wir helfen können, dass diese Probleme auch aufgenommen und gelöst werden, dann werden wir genau unserer Aufgabe als Volksvertreter gerecht. Deshalb schlagen wir vor, wie viele es von Ihnen in den vergangenen Monaten auch immer wieder angesprochen haben, dass wir für einen Teil der Quoren - für Volksbegehren, für Einwohneranträge auf kommunaler Ebene - die Quorenregelung aus Bayern übernehmen.

Ich sage Ihnen ganz deutlich, wir wollten ausdrücklich nicht, dass wir erneut in Verhandlung darüber treten, ob wir gegenüber der jetzigen Gesetzeslage oder gegenüber den sich bewährten Quoren in Bayern eine neue, eigene Regelung für uns definieren. Weil

es, glaube ich, keinen Sinn macht, darüber zu verhandeln, ob wir nun zum Beispiel einen Bürgerantrag oder wie er neu heißt Einwohnerantrag von jetzt 8 Prozent bei 3.000 Einwohnern in der Gemeinde und 1 Prozent, wie wir es neu vorschlagen, ob es auch einen guten Weg gäbe bei 3 oder 4 Prozent. Das sehen wir nicht. Deshalb gehen wir bei den Quoren konsequent auf die bayerische Regelung. Aber - das haben wir von Anfang an gesagt - bei all dem, was an Verfahren notwendig ist, da wollen wir uns eng an bestehende Thüringer Regelungen anlehnen. Wir wollen nicht das Gesetz von vorn bis hinten neu stricken. Wir wollen am bestehenden Verfahren festhalten. Wir wollen die Quoren aus Bayern übernehmen, auch noch einige wenige andere Regelungen, aber entscheidend ist für uns eins: Auch direkte Demokratie muss gut gelingen, sie ist nicht ein Selbstzweck. Vor allem ist direkte Demokratie nicht automatisch die bessere Demokratie.

Der neue Richter am Bundesverfassungsgericht, Voßkuhle, übrigens von der SPD vorgeschlagen, hat in der FAZ am 02.05.2008 Folgendes gesagt, und ich möchte das zitieren: „Ich glaube im Grundsatz an die parlamentarische Demokratie, es ist jedoch sinnvoll, unser Konzept anzureichern durch plebiszitäre Elemente. Man sollte freilich nicht der Fehlvorstellung anheimfallen, nur die plebiszitäre Demokratie sei wahre Demokratie.“ Wir stimmen diesem Bundesverfassungsrichter ausdrücklich als CDU Thüringen zu.

(Beifall CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir auch in unseren Gesetzesvorschlägen dafür Regelungen treffen, dass mehr Demokratie auf kommunaler Ebene und mehr Bürgerbeteiligung durch niedrigere Hürden auch solche Regelungen erfährt, die auch für verantwortliche Demokratie vor Ort Sorge tragen. Deshalb schlagen wir vor, eine Amtsstubensammlung einzurichten. Wir halten sie als Kernelement, ausdrücklich als Kernelement neben den Quoren aus Bayern als Gesamtbestandteil wichtig für den Gesetzesvorschlag, den wir Ihnen hier heute zur Beratung für den nächsten Monat vorgelegt haben.

Ich will sagen, sowohl die niedrigen Hürden nach bayerischem Vorbild auf der einen Seite und die Amtsstubensammlung auf der anderen Seite stehen im Zusammenhang für uns in den Gesprächen in den Ausschüssen in dieser Komplexität und in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht zur Disposition. Sie sind als Gesamtes zu verstehen. Wir wollen niedrige Hürden auf kommunaler Ebene, aber wir wollen ausdrücklich auch die Amtsstubensammlung künftig regeln.

(Beifall CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, laden wir alle ein, gemeinsam mit uns über die vorgeschlagenen Regelungen zu sprechen. Wir haben deshalb - das will ich Ihnen ausdrücklich sagen, weil Sie es zu Recht angesprochen haben, Herr Matschie - den Regelungskreis zur Neuordnung der Thüringer Landgemeinde davon abgetrennt. Wir wollen diesen Vorschlag im Juli einbringen, wollen Sie auch ausdrücklich als SPD einladen, an diesem Gesetzentwurf mitzuarbeiten, weil wir auch aus der Enquetekommission heraus gemeinsam hier Vorschläge im Landtag unterbreitet haben. Weil wir diesen Regelungskreis der Kommunalwahlrechtsänderung mit der Einführung des neuen Instituts der Thüringer Landgemeinde zunächst bei der Einbringung nicht vermischen wollten, aber durchaus bereit sind, in der weiteren parlamentarischen Debatte dazu auch gemeinsam das fortzusetzen, vielleicht auch gemeinsam aus dem Ausschuss mit beiden Gesetzen herauszukommen, wollen wir diesen Teil ein Stück abtrennen und Sie einladen, mit uns gemeinsam an dieser Frage zu arbeiten.

Lassen Sie mich zur Demokratie grundsätzlich noch zwei, drei wenige Worte verlieren. Ich will Sie aus der linken Opposition noch einmal ausdrücklich ansprechen. Ich will Ihnen sagen, wir glauben nicht daran, Herr Fraktionsvorsitzender, wenn Sie sich hier herstellen und sagen, Sie streiten für die Demokratie. Sie haben viele in Ihren Reihen sitzen, die wollen nicht nur eine andere Demokratie, die wollen eine andere Gesellschaft, die wollen ein anderes System und wir wollen das nicht. Wir lehnen das ab, weil wir die wahren Demokraten sind und Sie nicht die Vertreter sind von wahrer Demokratie in Deutschland.

(Beifall CDU)

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD)

Ich will Ihnen Beispiele nennen. Da sitzt ein junger Abgeordneter in Ihren Reihen hier im Thüringer Landtag, der schimpft auf unseren Staat als „scheiß Bullenstaat“ und ruft auf, als in Heiligendamm die großen Demonstrationen gewesen sind, den Mächtigen vor die Füße zu kotzen. So ein Mann hat erstens nichts in diesem Parlament zu suchen und zweitens ist er Repräsentant für Sie dafür, dass Sie sich nicht als Demokraten bezeichnen können.

(Beifall CDU)

Wenn Ihrem vermeintlichen Spitzenkandidaten, der sich hier aus diesem Parlament verflüchtigt hat, weil es ihm zu klein und zu bieder war, und gemeint hat, er muss in Berlin große Politik machen, wenn er mal gerade den Fernseher aus seinem Wohlfahrtssofa einschaltet in Berlin, dann einfällt, er müsse Thüringer Politik kommentieren, da will ich doch deutlich sagen:

So einer, der es sich bequem gemacht hat in den 80er-Jahren, der mit der DKP zusammengearbeitet hat und Verbindungen gehabt hat, der sich hierher stellen und sagen will, er sei der bessere Ministerpräsident für diesen Freistaat - der Wähler und Gott mögen verhüten, dass dieser Mann in Thüringen Verantwortung bekommt.

(Beifall CDU)

Ein weiterer Blick in Ihre eigenen Reihen soll noch eines zeigen: Da reden Sie von mehr Demokratie, da reden Sie von mehr Bürgerbeteiligung. Da will ich Ihnen ein Beispiel und eine Person nennen. Als die letzten Kommunalwahlen stattgefunden haben, bevor Ihr System, Ihre Diktatur durch friedliche Hand, durch Kerzenschein gebrochen wurde, da gab es einen, der jetzt Ihr Ehrenvorsitzender ist, der Wahlfälscher Modrow. Der hat dafür gesorgt, dass die letzten Wahlen gefälscht wurden und dass scheinbare Ergebnisse Demokratie in der alten DDR zeigen sollten.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Be- sonders bei den Volkskammerwahlen.)

Solange solche Leute bei Ihnen in Ihren Reihen sitzen, solange solche Leute bei Ihnen als Ehrenvorsitzende auch für Sie sprechen dürfen, sind Sie die Letzten, die Kronzeugen für Demokratie und für Anständigkeit sind. Sie haben es nicht verdient, als Kronzeugen für Demokratie aufzutreten.

(Beifall CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, eins hat diese Debatte gezeigt, wo Sie sich zu Wort gemeldet hatten, was nichts mit diesem Antrag zum Gesetz zu tun hatte. Ich will es noch mal ausdrücklich sagen, Sie reden dieses Land schlecht, Sie von den LINKEN und Sie von der SPD. Sie reden dieses Land schlecht; Sie wollen nicht dieses Land voranbringen. Wenn man Ihren Beiträgen zuhört, lieber Herr Matschie, dann glaube ich, Sie sind jedenfalls nicht der Erfinder tiefer Teller. Ihre Schmalspurpolitik, regelmäßig sich nur auseinanderzusetzen und zu meinen, mit Neuwahlen sei alles vollbracht, dann will ich in Ihre Reihen noch einmal fragen: Meinen Sie denn wirklich, dass Sie mit 14,5 Prozent Wählervertrauen überhaupt nur den Hauch einer Chance bekommen, dass die Wähler Ihnen so viel Vertrauen schenken, dass Sie dieses Land gestalten dürfen?

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das werden Sie sehen, Herr Mohring.)

In welcher Traumwelt leben Sie denn, Herr Matschie? Sie leben in einer Phantastenwelt und Phantasten haben in der Politik nichts zu suchen.

(Beifall CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, wir sehen der Beratung zu diesem Gesetzentwurf, aber auch zu all den Dingen, die wir in den letzten 15 Monaten dieser Wahlperiode noch auf den Weg bringen werden und auch gut für Thüringen gestalten wollen, mit Zuversicht entgegen, da wir dieses Land jetzt, aber auch nach 2009 gut gestalten wollen. Wir werden eines den Wählern mit auf den Weg geben, sich zu entscheiden jetzt in den Vorbereitungen, aber auch dann, wenn es 2009 auf verschiedenen Ebenen zu Neuwahlen kommt hier in Thüringen. Die Leute müssen sich entscheiden in Thüringen, die Wähler, was wollen sie, wollen sie Freiheit oder wollen sie Unfreiheit, wollen sie Demokratie oder wollen sie Staatssozialismus, wollen sie weiter wirtschaftlichen Aufschwung oder wollen sie wieder Verstaatlichung und Planwirtschaft oder vor allen Dingen - das ist für uns das Entscheidende - wollen die Thüringer Zukunft oder wollen sie Rückwärtsgewandtheit.

(Heiterkeit SPD)

Wir wollen Zukunft, wir wollen diesen Freistaat Thüringen gut voranbringen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Herr Mohring, ich frage noch mal zurück: Der Innenausschuss soll federführend das Gesetz beraten und der Justizausschuss begleiten? Weitere Ausschussüberweisungen waren nicht vorgesehen? Gut.

Dann rufe ich für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Berninger auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Wenn wir aufhören, die Demokratie zu entwickeln, fängt die Demokratie an aufzuhören“. Das steht auf dieser Infobroschüre des Volksbegehrens und ich glaube, Herr Mohring, bei Ihnen, bei Ihrer Fraktion und auch bei der Thüringer Landesregierung ist es schon so weit. Wir können nur hoffen, dass 2009 damit Schluss gemacht wird.

(Beifall DIE LINKE)