Protokoll der Sitzung vom 09.07.2008

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst einmal vorweggeschickt, Herr Abgeordneter Fiedler, von meiner Seite schätze ich Sie in vielen Diskussion sehr, aber das Parteiengezänk und eine Auseinandersetzung fast ein Stück unter der Gürtellinie, das haben Sie jetzt begonnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wenn Sie fast 20 Jahre nach der deutschen Einheit noch darüber philosophieren, wer, orientiert am Geburtsort, hier eine Rede hält, dann finde ich das schon ein bisschen bedenklich, dann können Sie das nicht ernst meinen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wenn Sie nicht verstanden haben, was hier ausgeführt worden ist, Herr Fiedler, zum Zeitpunkt des 18. März 1990 war ich schon lange in Apolda, da hätten Sie einmal Ihren Fraktionsvorsitzenden Herrn Mohring fragen sollen, der weiß das. Ich war im Dezember 1989 schon da und jetzt sage ich Ihnen eines, ich habe das an dieser Stelle schon einmal gesagt und deswegen fühle ich mich ein Stück persönlich betroffen, dass ich nicht in der ehemaligen DDR geboren wurde, das ist geschuldet, dass mein Vater politischer Häftling in der ehemaligen DDR gewesen ist und dieses Land verlassen musste. Deswegen maße ich mir schon an, auch darüber reden zu dürfen, wie hier in diesem Land die Bürgerinnen und Bürger und nicht das Parlament die demokratische Grundlage gelegt haben und darum geht es.

(Beifall SPD)

Und dann, Herr Fiedler, können wir darüber diskutieren, wieso soll der 18. März 1990 der Gedenktag sein, warum nicht ein Gedenktag der ersten Demonstrationen, beispielsweise in Leipzig, als Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gegangen sind, zum Beispiel der 4. September in Leipzig. Das sind Diskussionen, die wir führen können und hier Unterstellungen an den Tag zu legen, das finde ich der Situation nicht angemessen. Ich sage Ihnen noch einmal zum einen: Nicht das Parlament hat hier eine Wende eingeläutet, sondern die Menschen selber und das ist zu würdigen

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das habe ich doch erzählt, ich war doch da- bei, was wollen Sie denn hier erzählen.)

und demzufolge ist dann auch die logische Schlussfolgerung, dass es keines Gedenktages

(Glocke der Präsidentin)

Abgeordneter Fiedler, Sie hatten die Möglichkeit.

zum 18. März bedarf, sondern dass es andere Möglichkeiten gibt, die habe ich Ihnen aufgelistet. Ich bleibe dabei, dass wir keinen Gedenktag für Demokratie oder Parlamentarische Demokratie brauchen, sondern dass wir sie jeden Tag zu leben haben und das sollten wir aus der Geschichte gelernt haben. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Dr. Klaubert, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir behandeln einen Antrag, in dem steht: „Der Thüringer Landtag fordert die Landesregierung auf, im Bundesrat initiativ zu werden bzw. entsprechende Initiativen anderer Länder zu unterstützen, um den 18. März zum Tag der Parlamentarischen Demokratie zu erklären“ - nicht mehr und nicht weniger. So haben wir diesen Antrag bisher auch behandelt. Mein Kollege Dr. Hahnemann ist von diesem Ansatz ausgegangen, er ist auf das Jahr 1848 zurückgegangen, hat auf einige historische Daten noch einmal hingewiesen. Meine Kollegin Pelke ist darauf eingegangen, dass wir eigentlich in der Verantwortung stehen, denn wir sind alle gewählte Vertreter dieses Parlaments, diese parlamentarische Demokratie jeden Tag zu leben.

So weit, so gut, so weit schien die Debatte vorangeschritten zu sein. Dann kann sich jeder dazu verhalten, wie er zu diesem Antrag abstimmen möchte. Ich für meinen Teil kann nur sagen, ich habe es auch genauso satt wie mein Kollege Dr. Hahnemann, wenn man immer wieder Gedenktage ausruft - das betrifft übrigens unterschiedliche Bereiche - und dann die restlichen 364 Tage des Jahres zu völlig anderen Handlungsweisen übergehen kann.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Aber weil dann eine Schärfe in die Debatte gebracht worden ist, die sich insbesondere an meine Fraktion und auch an den Mandatsträger meiner Fraktion DIE LINKE richtete, möchte ich schon noch einmal zu bedenken geben, erstens: Es ist richtig, die SED war in der DDR die führende Partei, das stand in der Verfassung, und dass man in einer Verfassung eine führende Partei festschreibt, ist falsch. Es waren vielleicht zuallererst auch diejenigen innerhalb dieser damals führenden Partei, die das erkannt haben und die auch dafür sorgten, dass diese revolutionäre Tätigkeit der Menschen auf der Straße - insbesondere in Leipzig -

(Unruhe CDU)

nicht mit gewaltsamen Mitteln niedergeschlagen wurde. Und dazu zählen eine ganze Reihe von Menschen, die vielleicht hier sitzen, aber die auch nicht hier sitzen, die diese Prozesse damals gestaltet haben. Es ist auch richtig, es gab einen schmerzlichen Prozess von der SED zur SED/PDS. Und es gab auch mehrere Veränderungen innerhalb dieser

Partei, die letzte durch die Zusammenarbeit und das gemeinsame Projekt mit der WASG unter dem Namen DIE LINKE. Die CDU ist meines Erachtens in den neuen Bundesländern nicht 1989 neu gegründet worden. Meines Erachtens geht ihre Geschichte bis auf das Jahr 1946 zurück und ich glaube auch zu wissen, dass Sie es 2006 würdig gefeiert haben - 60 Jahre CDU. Das sollen Sie durchaus tun, aber Ihren eigenen Wandlungsprozess, Ihren eigenen Auseinandersetzungsprozess, Ihre eigene kritische Reflexion mit dem, was Sie zu DDR-Zeiten gemacht haben im schönen Konzert der Blockflöten, das haben Sie nie für sich verarbeiten wollen und können.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Falls Sie diesen Antrag dazu gemacht haben, um die eigentliche Auseinandersetzung mit uns zu führen, dann hätten Sie schon ein bisschen geschickter vorgehen können. Dann hätten Sie das auch sagen müssen, denn dann hätten wir uns anders darauf eingerichtet und dann hätten wir vielleicht einmal nachgeschaut, wie sich denn verschiedene Gliederungen und Personen Ihrer Partei verhalten haben - zum Beispiel im Sommer des Jahres 1989, als ein Großteil insbesondere junger DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürger ihre Entscheidung mit den Füßen traf und über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik gegangen ist. Das Neue Forum bezeichnete das als großen Exodus und forderte auf zu grundlegenden Veränderungen in der DDR. Auf dem 9. Pädagogischen Kongress in Berlin saß die Bildungsministerin Margot Honecker mit schön gefärbten blauen Haaren. An ihr ging dieser Prozess völlig vorbei. Es gab eine Überschrift ihres Referats - daran erinnere ich mich noch -, das hieß irgendwie „Aufbruch zu neuen Horizonten“. Passiert ist nichts. Ich kann Ihnen nur sagen, auf diesem Pädagogischen Kongress war ich nicht, aber da waren Menschen, die jetzt für Sie Mandatsträger sind, ich glaube, auch der Ministerpräsident.

(Beifall DIE LINKE)

Damit muss man sich auseinandersetzen, ehe man auf die anderen schimpft und sagt, Ihr seid die eigentlichen Schuldigen und wenn Ihr den Antrag zur Einführung eines Tages der Parlamentarischen Demokratie ablehnt, dann seid Ihr letzten Endes nicht berechtigt, auf dem Boden dieses Grundgesetzes Parlamentspolitik zu machen. Sehr verehrte Damen und Herren der Mitte, wer im Glashaus sitzt, soll nicht nach anderen mit Steinen werfen, das dürfte Ihnen doch ausreichend bekannt sein.

(Beifall SPD)

Ich kann für meine Fraktion nur sagen, wenn wir im Jahr 2009 die Auseinandersetzung um die De

mokratie, um die Möglichkeiten der Demokratie und auch um die parlamentarische Demokratie führen wollen, wenn wir über Wahlen, über Wahlentscheidungen, über Zielformulierungen und vor allem darüber reden wollen, warum laut Thüringen-Monitor der parlamentarischen Demokratie immer mehr Leute eine Abfuhr erteilen, kann ich Ihnen nur sagen, hier drin sitzt kein Mensch, der das möchte, sonst würden wir ja nicht zu den Wahlen auf allen Ebenen antreten. Wenn wir das also alle gemeinsam wollen, die Demokratie hochhalten als parlamentarische Demokratie, aber auch als außerparlamentarische Demokratie des Volkes, dann lassen Sie uns diese Diskussion so führen, dass wir auf Augenhöhe über unsere Vergangenheit streiten, die Gegenwart betrachten und für die Zukunft Konzepte entwickeln. Dazu, sehr verehrter Herr Fraktionsvorsitzender Mohring, falls Sie der Initiator dieses Antrags sein sollten, taugt dieser Antrag leider nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordneter Mohring, CDU-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das war schon beschämend, was Sie gebo- ten haben.)

(Unruhe SPD)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Dr. Klaubert, das war ganz dünnes Eis. Ich will Ihnen das auch sagen, ich will an den Mai 1989 erinnern. Vielleicht erinnern Sie sich, dass das der Ausgangspunkt war, warum auch viele Menschen im Sommer die Schnauze voll hatten mit dem System, das sie angeführt haben, warum sie das Land verlassen haben und warum sie gesagt haben, wir kommen nicht mehr zurück, wir verlassen unsere Heimat und warum sie am Ende mit der Kerze in der Hand auf die Straße gegangen sind. Es waren Ihre Wahlfälscher - Egon Krenz an der Spitze - und vielleicht auch einige, die heute in dieser Fraktion sitzen,

(Beifall CDU)

die die Kommunalwahlen im Mai 1989 gefälscht haben. Und glauben Sie mir, es gibt Menschen in Thüringen, die haben eine große Sehnsucht danach,

(Unruhe DIE LINKE)

dass solche Leute wie Sie nie wieder Verantwortung in einem Land bekommen, nie wieder, damit

sie Wahlen fälschen können, damit sie Leute einsperren können, damit sie auch Menschen brechen können, damit sie Familien auseinanderbringen können. Wir wollen das nicht mehr.

(Beifall CDU)

Dass die parlamentarische Demokratie heute in Thüringen Wirklichkeit ist, liegt tatsächlich an den Menschen, weil sie es selbst gewollt haben. Aber weil Sie gesagt haben, das sei kein Ausgangspunkt, das sei nicht wichtig, darüber nachzudenken und auch daran zu erinnern, erschüttert mich und wir lehnen dies mit Riesenempörung ab, was Sie hier gesagt haben, mit Riesenempörung!

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Blei- ben Sie mal ganz ruhig, Herr Mohring.)

Im Mai 1989, als Egon Krenz die Wahlen gefälscht hat, da sind die ersten Bürgerrechtler, die sich in vielen kleinen Gruppen vorher in Berlin getroffen haben in der „Initiative Frieden und Menschenrechte“, die sich getroffen haben bei „Demokratie - Jetzt“ - das war der Ausgangspunkt, um nach außen zu gehen und zu sagen, wir halten das nicht mehr aus, wir machen in diesem Staat nicht mehr mit. Dass dann die Menschen im Herbst, im Oktober - manche auch im September und dann im November - auf die Straße gegangen sind in vielen Orten, auch in Thüringen, aber vor allem auch natürlich in Berlin und in Leipzig. Eine der ersten Forderungen, die alle aufgemacht haben mit der Kerze in der Hand war, dass sie freie Wahlen wollen - freie Wahlen. Weil sie in Erinnerung hatten, was im Mai 1989 passiert ist und was ihnen vorgegaukelt wurde von der damaligen SED-Diktatur. Bitte, das können Sie mir glauben, wenn Sie sich hier hinstellen als direkte Nachfolger in der direkten ungebrochenen Folge der SED, die Sie ja heute noch sind, außer sich zweimal umbenannt haben, und dann kommen Sie, die unsere eigene Partei, die CDU, der Partei, der ich viel später beigetreten bin, die Sie gebrochen haben, sich hierherstellen und sagen, schaut in euere eigene Vergangenheit und ihr seid Blockflöten gewesen, das ist unerhört, das ist unverschämt und verleugnet ihre wahre geschichtliche Haltung.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Es bleibt aber trotzdem eine Wahrheit, Herr Moh- ring.)

Als sich 1946 die Christlich Demokratische Union auch in Thüringen gegründet hat, dann hat sie das vor allem getan, weil sie die Partei war, die erstmals konfessionsübergreifend sowohl katholische als auch evangelische Gruppen der Christen unter

einem Dach vereinigt hat aus den Erfahrungen heraus, die sie aus den Gefängnissen gesammelt haben, weil sie bei den Nazis aus dem „Zentrum“ heraus eingesperrt waren und gebrochen wurden.

(Zwischenruf aus der Fraktion DIE LINKE: Sie Blockflöte.)

Und als dann die Christlich Demokratische Union auch in Thüringen gegründet wurde, waren es Christdemokraten, die mit am Aufbau dieses neuen Landes geholfen haben bis zur Gleichschaltung in den 50er-Jahren durch Ihre Partei. Unsere ersten Vorsitzenden wurden durch Sie abgesetzt und in Gefängnisse gesteckt, vergessen Sie das doch nicht.

(Beifall CDU)

Vergessen Sie doch nicht, was Sie getan haben und tun Sie nicht so unschuldig. Sie haben organisiert, dass auch die anderen Parteien, um vermeintliche Demokratie nach außen darzustellen, gleichgeschalten wurden und festgelegt wurde, wer darf in welchem Ort noch antreten, wer darf welchen Bürgermeister stellen, wer darf was werden, wer darf wohin,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Auch in der DDR ist niemand gezwungen wor- den, in die CDU einzutreten.)