Protokoll der Sitzung vom 09.07.2008

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Auch in der DDR ist niemand gezwungen wor- den, in die CDU einzutreten.)

wenn er einer bestimmten Richtung angehört. Herr Matschie, warum Sie sich aufregen, verstehe ich überhaupt nicht? Warum Sie sich überhaupt aufregen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Auch die CDU hat dieses System mitgetragen.)

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Was sind Sie nur für geschichtsvergessene Menschen?

(Unruhe SPD)

Glauben Sie mir, ich bin ja nun jung genug, um frei sagen zu können: Wenn Sie den Christdemokraten der CDU in Thüringen, die schon länger dabei sind, unterstellen, dass sie das alte System mitgetragen haben,

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Aber natürlich. So ein Quatsch.)

dann tun Sie diesen Menschen mit großem Maße Unrecht.

(Unruhe SPD)

Dann tun Sie ihnen Unrecht, weil Sie unterscheiden müssen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Weil Sie so einen Stuss erzählen.)

Wenn Sie nicht lernen und verstehen, dass es einen Unterschied gab zwischen der CDU von Götting auf Berliner Ebene und zwischen der Basis der CDU, die zu Hause versucht hat, in ihren Bereichen auch ihr eigenes Leben zu gestalten in dem, was im Rahmen der Diktatur möglich war. Wenn Sie diese Trennung nicht machen können, wenn Sie nicht erkennen können, warum solche Leute wie Christine Lieberknecht...

Herr Abgeordneter Höhn, Sie können dann gerne ans Rednerpult kommen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das entscheide ich immer noch selbst.)

... zur eigenen Erneuerung beigetragen haben, warum Leute wie Siegfried Wetzel und Wolfgang Fiedler dann für die freie Volkskammerwahl angetreten sind und versucht haben, dort das neue Thüringen aufzubauen und die Demokratie zu organisieren, dann täuschen Sie die Menschen über die Vergangenheit.

Herr Abgeordneter Mohring, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hahnemann?

Am Ende.

Am Ende, Herr Dr. Hahnemann.

Wir haben das Gefühl, dass so kurz vor den 20 Jahren friedlicher Revolution einige versuchen, die Geschichte zu verklären.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, SPD)

Wir weigern uns dagegen, dass die, die die Diktatur organisiert haben, die Menschen gebrochen haben, die freie Wahlen nicht ermöglicht haben, dass die heute versuchen zu sagen, dass es wichtig wäre, dass man sich in erster Linie immer mit Rechtsextremismus auseinandersetzen müsse und dass das Teil der parlamentarischen Demokratie sei. Das ist ein Teil, aber es ist nicht schlechthin Ausgangspunkt für all unser Handeln. Wir wollen, dass die Demokratie aus der Mitte heraus gestärkt wird.

(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Welche Mitte?)

Wir wollen immer wieder klarmachen, dass es auf beiden Seiten des demokratischen Spektrums am Rande Extremisten gibt, links wie rechts, die jeden Tag die Systemfrage stellen. Die wollen auch über den Weg der parlamentarischen Demokratie versuchen, dieses System infrage zu stellen und aufzulösen. Dagegen wehren wir uns. Diese Dialektik, die Sie vorhin versucht haben zu beschreiben, Frau Dr. Klaubert, spricht genau dafür, dass das im inneren Herzen Ihrer Partei - nicht bei Ihnen persönlich - ein wichtiges Ziel ist und Sie haben es in Ihrer eigenen Programmatik stehen, Sie wollen dieses System überwinden, vielleicht auch mit Hilfe der parlamentarischen Demokratie.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Bei uns ist es wichtig, den Wert vom 18. März 1848 über die 150 Jahre bis 1990 zum 18. März, zur ersten frei gewählten Volkskammer aufzuzeigen, weil wir darauf verweisen wollen, wie schwer der Weg zur Demokratie schlechthin ist, wie viele Verletzungen, wie viele Opfer in dieser Zeit gebracht werden mussten, weil wir auch wissen, wie schwierig es ist, seit 1990 immer wieder neu um Demokratie zu werben. Jeden Tag neu, das ist richtig.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Es waren alles Widerstandskämpfer in der CDU.)

Weil es dafür eine besondere Auseinandersetzung braucht, schlagen wir den Gedenktag vor, weil er Ausgangspunkt dafür sein soll, dass es neue Projekte, Ideen und Inspirationen gibt, warum parlamentarische Demokratie schlechthin für uns eine gute Voraussetzung ist, dass mehr Menschen Zutrauen in die Demokratie bekommen. Dafür werben wir und deshalb halten wir an dem Antrag fest und werben auch dafür, dass sich auch andere Länder im Bundesrat diesem Ansinnen anschließen, dass wir diesen Gedenktag - den 18. März - auch in der Zukunft feiern können, weil wir zurückschauen und zeigen wollen, wie schwer der Weg war, aber weil wir auch nach vorn schauen und zeigen wollen, wie schwer es ist, jeden Tag die Demokratie aufrecht

zuerhalten. Wenn wir uns einig darin sind, dass es ein Ziel ist, die Extremisten aus der Demokratie zu verbannen, die linken wie die rechten, wenn das gemeinsames Ziel sein kann, dann laden wir Sie ein, gemeinsam bei dieser Frage zum 18. März mitzumachen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ihre Frage, Herr Abgeordneter Hahnemann.

Herr Mohring, ich möchte Sie fragen, sind Sie bereit und in der Lage, diesen entschuldenden differenzierenden Maßstab zwischen Parteiführungskaste und Mitgliedschaft an alle Parteien des sogenannten demokratischen Blocks der Nationalen Front anzulegen?

(Beifall DIE LINKE)

Ich will sagen, dass ich mit Sicherheit Ihnen zugestehe, dass es auch in der alten SED Mitglieder gab an der Basis, die für sich im inneren Herzen einen guten Weg beschreiten wollten. Das ist unbestritten. Aber es gibt einen großen Unterschied. Sie hatten die Führung der alten Diktatur DDR, Sie hatten Schild und Schwert. Ich will daran erinnern, Sie haben vorgegeben, wie dieses Land läuft und wer in diesem Land etwas werden darf und wer nicht. Sie haben festgelegt, wer in Freiheit vermeintlich sein darf und wer nicht. Sie haben festgelegt, wer in Gefängnisse kommt und wer nicht. Sie haben festgelegt, wer Karriere machen darf, wer Abitur machen darf, wer studieren darf und wer nicht. Sie haben das entschieden. Und wenn Sie da differenzieren können, dass es dafür einen Unterschied gab, dann gebe ich Ihnen gern recht. Aber ich bezweifle, dass es in der Masse Ihrer Partei jemals auch nur dem Grunde nach ein demokratisches Ansinnen gegeben hat.

(Beifall CDU)

Das gab es nicht. Deshalb sind zu Recht 1989 die Menschen auf die Straße gegangen und haben gesagt: Schluss mit dieser Diktatur, schluss mit dieser Herrschaft von Stasi und SED und Schluss damit, wir wollen Demokratie, wie wollen freie Wahlen, wir wollen unsere eigene Freiheit. Das ist der wichtige Punkt, der sich schlechthin am 18. März festgemacht hat, weil damit ein wesentliches Ziel der friedlichen Revolution erreicht wurde. Ich komme aus dem Neuen Forum. Das will ich Ihnen deutlich sagen, wir lassen uns von niemandem, von Ih

nen nicht und ich weiß, Birgit Pelke, du warst tatsächlich schon 1989 in Apolda und hast mitgeholfen bei den friedlichen Demonstrationen, weil wir auch gemeinsam das organisiert hatten zu einem späteren Zeitpunkt, das weißt du. Aber ich will ganz klar sagen, dass diese Menschen jetzt von Ihnen, die 1989 mit einer Kerze in der Hand auf die Straße gegangen sind, dass Sie versuchen, diese zu vereinnahmen und sagen, Sie haben das eigentlich organisiert, das grenzt an Hohn. Als wir die erste Demo in Apolda organisiert haben als Schüler, als wir Plakate nachts geklebt haben, an die Lichtmasten gehangen haben und dann damals, ich will das beschreiben, von unserem Gericht in Apolda zur Stasizentrale gelaufen sind, da standen hinter diesem eisernen Tor die mit ihren Maschinengewehren und haben gewartet, und jetzt wollen Sie uns einreden, dass es an Ihren Leuten lag, dass die nicht geschossen haben. Das ist unverschämt und verklärt die Geschichte wie sie 1989 gewesen ist.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Mohring, gestatten Sie noch eine Nachfrage der Abgeordneten Dr. Klaubert? Nein, Frau Dr. Klaubert.

Das Wort hat der Abgeordnete Schwäblein, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der bekennende Stasi-IM Kuschel hat eben gemeint, ich sei Nationalpreisträger und Verdienstordenträger. Diesen Beweis muss er erst einmal antreten. Ich kann Ihnen gern sagen, was ich für eine Auszeichnung der DDR bekommen habe. Ich wurde einmal Aktivist und einmal bekam ich die Ehrennadel der Nationalen Front für einen hervorragenden Einsatz in der Wahlbewegung. Das muss ich erklären.

(Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte um Ruhe.

Ich hatte 1985 als Wahlhelfer in einem Wahllokal gesessen und habe festgestellt - durfte Listen vergleichen mit den Ausweisen -, dass gegen Ende des

Wahlzeitraumes, kurz vor 18.00 Uhr, Personen kamen, die waren auf der Wahlliste offiziell gar nicht mehr drauf, die waren erkrankt oder verstorben, das waren die sogenannten Wahlverweigerer, die von vornherein von den Listen runtergefälscht waren, vielleicht, Herr Kuschel, auch mit Ihrer Hilfe - ich weiß es nicht. Dann bekamen die einen Wahlschein und das wurde irgendwie noch in das System eingeschleust. Danach bin ich zur CDU gegangen in die Heinrich-Mann-Straße und, Herr Döring, da will ich Ihnen recht geben, es gab tatsächlich auch in der CDU welche, die sich aus Karrieregründen dort reinbegeben hatten und sich überangepasst hatten. Dies ist beschämend, aber, Frau Dr. Klaubert, da haben wir aufgeräumt. Deshalb bin ich eigentlich an das Pult gegangen. Wir haben schon im Herbst des Jahres 1989 aufgeräumt. Es gab einen Sonderparteitag in Berlin, den die Basis der CDU erstritten hat. Egon Primas und ich waren mindestens dort, Wolfgang Fiedler habe ich dort auch gesehen; einige, die hier saßen. Dort haben wir mit denen abgerechnet, die uns an die SED verkauft hatten.

(Beifall CDU)

Dass da die SED schon wieder dabei war und hatte einen ihrer Spitzel in die neue Führung geschoben mit Herrn Kirchner, einem Stasimenschen, das hat uns genauso getroffen wie die SPD mit Böhme, die genauso schon wieder unterwandert war in ihrer Neugründung. Da war die SED ganz weit vorn dran. Die war wie beim Radrennen bei jeder Spitzenausreißergruppe dabei, um vorn kräftig bremsen zu können. Das sollten wir uns, Herr Döring, da bitte ich drum, nicht auseinandernehmen lassen von dieser Gruppe.

Aber zurück zu dem, was zur Wahl passiert war und zu meinem Orden. Ich habe anschließend bei der CDU in der Heinrich-Mann-Straße angesagt, hört zu Leute, ich habe gesehen, da wurde betrogen. Das hat das Ergebnis nicht so gravierend verfälscht, dass man das Ergebnis damit komplett hätte infrage stellen müssen, aber es wurde betrogen. Da habe ich damals schon gesagt, stellt das ab, geht zu euren Freunden von der SED, klärt das auf, passiert das noch mal, zeige ich diese Geschichte an. Ein halbes Jahr darauf bekam ich diesen kleinen Verdienstorden, der überhaupt nicht dotiert war, das silberne Nadelblechstück für hervorragenden Einsatz in der Wahlbewegung. Damit hat man versucht, mich ruhigzustellen. Das Ding habe ich genommen, es liegt noch irgendwo, aber ich habe mich nicht davon abhalten lassen, 1989 noch mehr aufzupassen. Im Ergebnis meiner Beobachtungen und der vieler anderer Bürger habe ich dann am letzten Tag der Einspruchsfrist, die die Nationale Front und das Wahlgesetz vorgesehen hatten, Anzeige wegen Wahlbetrugs erstattet. Das, Herr Kuschel, ist mein Einsatz