Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das ist ja unerhört!)

Herr Mohring, für Sie habe ich nur Dank, Dank für diese Demonstration politischer Ignoranz und parlamentarischer Arroganz -

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Sie ha- ben ja nicht mal Ihr Wesen geändert.)

es ist mir Wurst, ob ich dafür einen Ordnungsruf bekomme oder nicht -, das war demagogisch,

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Da gibt es gleich noch einen zweiten.)

das war scheinheilig. Sie basteln sich Ihre Welt.

(Beifall DIE LINKE)

Sie basteln sich eine Welt aus Fiktionen und Sie basteln sich eine Welt aus Extremisten. Da teile ich die Vorsicht von Frau Dr. Klaubert, die irgendwie ein kleines bisschen Schwierigkeiten hatte, diese Parlamentsberatung heute als eine Sternstunde zu bezeichnen. Ich kann das nicht als eine Sternstunde empfinden. Nicht das, was sie geschildert hat, ist Trauerspiel; das, was Sie abliefern, das ist ein parlamentarisches Trauerspiel par excellence.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will Ihnen, Herr Mohring, auch ganz kurz belegen, mit welchen Mitteln Sie arbeiten. Sie werfen z.B. Frau Klaubert vor, sie stelle das Wechselspiel zwischen parlamentarischer und direkter Demokratie infrage. Das hat sie nie gemacht, dafür werden Sie keinen Beleg finden. Das hat diese Fraktion nicht gemacht, das hat diese Fraktion nicht gemacht und das haben die Bürgerinnen und Bürger auch nie gemacht. Aber Sie setzen sich einfach darüber hinweg, Sie behaupten zum Zwecke Ihrer ohnehin wirklich perfiden Argumentation Dinge, die andere Leute nie gesagt oder getan haben. Das ist unsauber, Herr Mohring, es ist auch eines Parlaments nicht würdig.

(Beifall DIE LINKE)

Klar, Sie sind das retardierende Moment, das zieht hier in diesem Saal keiner in Zweifel. Aber ich weiß nicht, warum Sie darauf auch noch im Grunde genommen argumentativ stolz sind, denn Ihre Argumentation fällt vor politischen Argumenten in sich zusammen.

Dann stellen Sie sich hin und sagen, wir wollen in den Ausschussberatungen prüfen, wie es weitergeht. Ich weiß nicht, wie viel Minuten weiter erklären Sie uns, mit welcher Geschwindigkeit Sie diesen Gesetzentwurf hier im Landtag beraten wollen und vor welchen Vorwürfen Sie sich schützen wollen. Sie hätten auch Klartext reden können und sagen können, wir wollen den Gesetzentwurf so bearbeiten oder wahrscheinlich besser behandeln, dass wir ihn über das Wahljahr hinweg bekommen. Sagen Sie es doch ganz einfach und offen, das wäre wenigstens ehrlich. Wenn Sie das mit Haltung sagen würden, dann würde ich es sogar noch akzeptieren können, aber das, was Sie machen, das kann ich nicht akzeptieren.

(Beifall DIE LINKE)

Sie werfen uns vor, wir hätten nichts gelernt.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das geht mir übrigens bei Ihnen genauso.)

Damit habe ich keine Not, Herr Mohring,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich auch nicht.)

Sie werfen uns vor, wir hätten nichts gelernt. Fragen Sie sich eigentlich irgendwann mal, was Sie gelernt haben?

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Na nichts.)

Stellen Sie sich diese Frage doch mal selbstkritisch. Sie haben gelernt, ich weiß nicht, ob von Ihren Kol

leginnen und Kollegen oder von wem - von uns jedenfalls nicht - wie man als führende Partei in einem mehr oder weniger demokratischen Parlament umgeht. Wir werfen Ihnen nicht, Herr Mohring, Ihre Mehrheit vor, die haben Sie von den Bürgerinnen und Bürgern bekommen, wir werfen Ihnen vor, wie Sie mit dieser Mehrheit umgehen,

(Beifall DIE LINKE)

wie Sie mit dem Willen von Bürgerinnen und Bürgern umgehen. Das werfen wir Ihnen vor. Am Ende ist Ihre Kritik gegen unsere angebliche Meinung zu Vorrang und Gleichrang zwischen parlamentarischer und direkter Demokratie nichts anderes als eine Argumentation und eine politische Haltung, die innerhalb des gesamten demokratischen Systems für Missklang sorgt. Aber das ist Ihnen ganz offensichtlich völlig gleichgültig. Denn wenn Sie schon so argumentieren, dann müssten Sie mit der Verantwortung, die Ihnen als Mehrheit übertragen ist, anders umgehen, als Sie es tun.

Wir haben nie behauptet, Herr Mohring, das Parlament dürfe aus Achtung vor dem Volk bestimmte Gesetzgebungsschritte nicht gehen. Das haben wir nie gesagt. Das würde ein Parlament blockieren. Aber erklären Sie mir doch einmal, wieso in der jetzigen Situation dieses voreilige Gesetzgebungsverfahren nötig war? Ihre Argumentation hat im Grunde genommen nur eines gezeigt: aus Prinzip, weil wir die Herren hier im Lande sind.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Mohring, das war der Beweggrund.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie haben nicht zugehört.)

Das Parlament wird nicht behindert, wenn es auf die Bürgerinnen und Bürger wartet, wenn ein Volksbegehren in der Sammlungsfrist beendet ist, die Zahl der Stimmen bekannt ist und im Grunde genommen auf der Hand liegt, dass es erfolgreich sein wird. Aber alles das ist Ausdruck eines politischen Verständnisses, das mit dem Geist von Demokratie nichts mehr zu tun hat.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Mohring, im Grunde genommen sind Sie es, der in der konkreten Situation sogar dafür sorgt, dass im Moment die direkte Demokratie die politisch Überlegene ist, die politisch Überlegene in Hinsicht auf Mündigkeit und Verantwortungsbewusstsein, in Hinsicht auf Sachlichkeit und auf Orientierung auf die Interessen einer demokratischen Gesellschaft. Wir alle wissen, wie wichtig direkte Demokratie für

die politische Kultur eines Landes ist, welche positiven Wirkungen sie hat. Aber Ihre auf Machterhalt orientierte Landtagsmehrheit zeigt, wie Sie bereit sind, mit Bürgerwillen umzugehen, und zwar nur aus der Begründung heraus, dass Sie die herrschende Mehrheit sind. Aus dieser herrschenden Mehrheit heraus, belehren Sie Bürgerinnen und Bürger und geben sich selbst und dieser ganzen Demokratie einen Gestus, als müsse man Bürgerinnen und Bürgern ständig sagen, was gut für sie sei, und als müsse man sie ständig im Zaume halten.

Ihre Argumentation vom Garten der Demokratie, Herr Mohring, die barg schon die Gefahr, dass Sie zumindest einen Anflug davon zulassen, dass man die Bemühungen des Volksbegehrens als eine extremistische verstehen könnte.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist doch Dummscheiß unter der Sonne. So was habe ich überhaupt noch nicht erlebt.)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Eine Unverschämtheit hoch drei.)

Es ist mir völlig gleichgültig, Herr Mohring, ob Sie meine Meinung als „Dummscheiß unter der Sonne“ bezeichnen. Das lässt mich völlig kalt.

Herr Mohring, ich erteile Ihnen wegen Ihres Ausdrucks einen Ordnungsruf

(Beifall DIE LINKE, SPD)

und genauso erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, Herr Hahnemann.

Das Problem an der ganzen Geschichte ist, dass Sie mit Ihren minutenlangen Erwägungen überhaupt nicht bedenken, was Ihre Worte in der Öffentlichkeit und bei den Damen und Herren, die da oben sitzen, bewirken. Das bedenken Sie überhaupt nicht!

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: De- magoge.)

Im Übrigen, ich gebe zu, ich bin kein Gärtner, aber können Sie mir einmal sagen, wie Sie auf die Idee kommen, dass man gegen das - wie haben Sie gesagt - Unkraut von Extremisten durch Umgraben des Gartens der Demokratie ankäme?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Jetzt hören Sie auch noch schwer; Sie reden blöd und hören schwer.)

Erklären Sie mir das einmal! Was Sie tun, meine Damen und Herren, ist im Kern demokratiefeindlich. Nicht die direkte Demokratie ist das Problem für die repräsentative Demokratie und ihre Parlamente, das eigentliche Problem für die repräsentative Demokratie sind Repräsentanten, die demokratische Instrumente dazu benutzen, sich zum Zwecke der Herrschaftssicherung gegen die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern zu stellen. Genau das ist passiert, meine Damen und Herren, als Sie mit Ihrem eigenen Gesetzentwurf zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden das Volksbegehren brüskiert haben.

Ich erlaube mir, Sie einfach daran zu erinnern, Sie haben gegen das politische und demokratische Grundverständnis zwischen Auftraggebern in der Demokratie, also den Bürgern, und den Beauftragten, d.h. den Mandatsträgern, verstoßen. Ich brauche Ihnen doch nicht zu sagen und Sie nicht daran zu erinnern, dass nicht nur in unserem Verfassungsartikel 45 zu lesen ist: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.“ Aber Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu dieser Souveränitätsidee.

(Beifall DIE LINKE)

Da erinnere ich mich an eine Situation in der vorletzten Volkskammer, die Wende war im Grunde genommen schon auf ihrem Höhepunkt, da hat irgend so ein DDR-Minister irgendwelchen Quatsch erzählt; das hat die Abgeordneten in der Volkskammer so aufgeregt, dass sie aufgesprungen sind und gebrüllt haben, wir sind der Souverän. Da habe ich gedacht, mein Gott, was haben die für ein Demokratieverständnis. In diese Tradition stellen Sie sich, meine Damen und Herren, wenn Sie sich über die Interessen des Volkes und über Verfahren zu direkter Demokratie stellen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist eine Frechheit.)

Sie, Herr Mohring, wissen es ganz genau und insofern kann man Sie auch nicht entlasten oder entschuldigen, dass weder die Regelung zu den Quoren noch die Regelung zur Sammlungsart, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf durchgesetzt haben, eine Verbesserung für Thüringen, was direkte Demokratie in Kommunen angeht, bedeuten. Sie wissen es, aber Sie stellen sich hin und versuchen der Öffentlichkeit - und ich weiß nicht, wem hier im Saal - zu erzählen, dass Sie im Grunde genommen jetzt plötzlich Ihr Herz und Ihr Grundverständnis für direkte Demokratie entdeckt hätten.

Die Amtsstubensammlung, ich will nicht so weit gehen und sagen, ist das Ende direkter Demokratie, aber Sie berauben mit der Amtsstubensammlung die direkte Demokratie dieses Diskussionsprozesses,

dieser Auseinandersetzung der Bürgerinnen und Bürger mit einem politischen Gegenstand, den nicht nur direkte Demokratie braucht, sondern Demokratie generell. Aber das ist Ihnen völlig gleichgültig. Wissen Sie, was Sie im Grunde genommen machen? Sie reanimieren den vormundschaftlichen Staat und diese Tradition, die will ich nicht wieder haben.