Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

Dass Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, eine erneute Bundesratsbefassung entsprechend dem Vorbild aus Bremen und Rheinland-Pfalz fordern, macht die Sache nicht besser. Der Thüringer Landesregierung wie auch der Mehrheit der Länderregierungen... Wie?

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: In Rheinland-Pfalz gibt es...)

Nein, das habe ich ja nicht gesagt. Rheinland-Pfalz und Bremen; Rheinland-Pfalz absolute Mehrheit SPD, Bremen - wissen wir - Rot-Grün. Aber die LINKEN im Thüringer Landtag sind ja selbstständige Kraft und deswegen...

(Beifall DIE LINKE)

Aber, wie gesagt, das macht die Sache nicht besser. Der Thüringer Landesregierung wie auch

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ich wollte das nur klarstellen.)

der Mehrheit der Länderregierungen geht es nicht um vordergründige - ich will es mal sagen - Schaufensterpolitik, sondern um ergebnisorientiertes Handeln in der Sache. So hätte man beispielsweise durchaus eine Diskussion um ein weiteres individuelles Kindergrundrecht führen können, nämlich ein Grundrecht auf Förderung und Schutz, das den Staat für eine stärkere Mitverantwortung bei der Förderung der Entwicklung des Kindes in die Pflicht nimmt und das Innenverhältnis von Eltern und Kind nicht tangiert. Ein solches Grundrecht könnte beispielsweise in Artikel 2 Grundgesetz eingefügt werden; das aber hat man gar nicht erst in Betracht gezo

gen. Um Kinderrechte zu stärken, sollte man allerdings meines Erachtens, wie schon gesagt, nicht rechtstheoretisch an die Sache herangehen, sondern einfach ganz konkret und praktisch. Denn insbesondere nach dem zuvor genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben wir alle Rechtsgrundlagen, die wir brauchen, um die Lebenswelt unserer Kinder bestmöglich auszugestalten. Dieses Recht muss aber nachhaltig umgesetzt werden, darauf kommt es an. Dies soll so weit als Begründung des Abstimmverhaltens am 19. September 2008 im Bundesrat, wie es ja im Antrag der LINKEN gefordert ist, zunächst einmal genügen.

Wir wollen aber weitergehend über diese Dinge diskutieren und deswegen bin ich der CDU-Fraktion dankbar, dass es zu dem wenig in der Sache weiterführenden Antrag der Fraktion DIE LINKE noch einen Alternativantrag gibt. Diesem Antrag entsprechend möchte ich nun gern für die Landesregierung zu den dort genannten Punkten Stellung beziehen:

In Ziffer 1 des Alternativantrags ist nach den Initiativen und Maßnahmen zur Stärkung der Kinderrechte auf Landes- und Bundesebene seit Dezember 2006 gefragt. Für die Landesebene kann ich dabei auf den umfangreichen, erst Ende März dieses Jahres dem Thüringer Landtag zugeleiteten Bericht der Landesregierung über die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention verweisen. Darin sind insbesondere alle Thüringer Maßnahmen in den Bereichen monetäre Leistungen, Jugend- und Familienpolitik, Bildung, Gesundheit, Sport und Umwelt ausführlich dargestellt. Als neue Initiativen möchte ich darüber hinaus exemplarisch auf die Ihnen bereits zugeleiteten Entwürfe für ein Gesetz zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes sowie zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule hinweisen. Zu Ersterem haben wir ja heute vor einer Woche eine umfangreiche Anhörung im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit durchgeführt.

Des Weiteren, so habe ich es auch in meiner Regierungserklärung bereits ausgeführt, beschäftigt mich und auch uns alle das Thema „Kinderarmut“ im Besonderen. Die entsprechenden Beratungen unter Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Kräfte dazu sind in vollem Gang.

Zu den aktuellen gesetzgeberischen Maßnahmen gehört aber auch das, was auf Bundesebene gegenwärtig diskutiert wird bzw. auch bereits schon zum Abschluss gekommen ist, das Kinderförderungsgesetz, das bundesweit die Betreuungssituation der unter Dreijährigen verbessern will, sowie zum anderen das Familienleistungsgesetz, das eine Erhöhung des Kindergelds und ein Schulbedarfspaket

für bedürftige Kinder bringt. Weitere der Erziehung und Betreuung von Kindern zugute kommende Familienleistungen sind beispielsweise das ab dem 1. Januar 2007 eingeführte Elterngeld und die Elternzeit. Mit dem zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Änderung des Jugendschutzgesetzes wird der Jugendmedienschutz deutlich verbessert. Die Novellierung weiterer Jugendschutzbestimmungen ist in Vorbereitung.

Bei den unzähligen untergesetzlichen Bundesprogrammen zur Stärkung der Kinderrechte möchte ich vor allem auf die „Initiative für ein kindgerechtes Deutschland“ verweisen. Ziel ist, die politische und öffentliche Aufmerksamkeit für Kindergerechtigkeit zu erhöhen, Aktivitäten anzustoßen und ein starkes Netzwerk aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu knüpfen. „Nur wer was macht, kann verändern“ - auch das ist das Motto eines Programms, des Aktionsprogramms für mehr Jugendbeteiligung, Ende 2006 wurde es gestartet. Angestrebt wird die bessere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.

Mit der Initiative „Jugend und Chancen - Integration fördern“ werden die ESF-Programme „Schulverweigerung - die zweite Chance“ und „Kompetenzagenturen“ in der ESF-Förderperiode 2007 bis 2013 fortgeführt und ausgebaut. Ein demokratiestärkendes Aktionsprogramm ist das zum 1. Januar 2007 gestartete Bundesprogramm „Vielfalt tut gut - Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“. Schwerpunkte sind insbesondere die Entwicklung integrierter lokaler Strategien mittels lokaler Aktionspläne in kommunaler Verantwortung.

Schließlich möchte ich noch auf das Bundesprogramm „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ eingehen, mit dem der Vernachlässigung und der Misshandlung von Kindern wirksam vorgebeugt werden soll. Im Rahmen dieses Programms wird beispielsweise in Thüringen das Vier-Länder-Projekt „Guter Start ins Kinderleben“ im Kyffhäuserkreis und in der Stadt Gera durchgeführt. Zu dem Bundesprogramm gehört ferner der Aufbau des nationalen Zentrums „Frühe Hilfen“. Dieses Zentrum soll vor allem eine Plattform über die Ländergrenzen hinweg sein, um das vorhandene Wissen zu bündeln, aufzubereiten und auszutauschen. Kinder wirksam vor Misshandlung und Vernachlässigung zu schützen, war außerdem das Ziel des Kinderschutzgipfels am 19. Dezember 2007 sowie dessen Folgekonferenz am 12. Juni 2008. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder haben sich hierbei auf ein konkretes Maßnahmepaket geeinigt. Dieses Maßnahmepaket beinhaltet u.a. rechtliche Änderungen. So sollen u.a. § 8 a - ich zitierte es bereits eingangs - SGB VIII, Datenschutzbestimmungen sowie das Führungszeugnis novelliert werden. Zudem wurde auf die Notwendigkeit von

Vernetzungsstrukturen sowie regelhaften sozialen Frühwarnsystemen hingewiesen.

Ich bleibe beim Kinderschutz und komme zu Ziffer 2 des Alternativantrags, das heißt, zum Kinderschutz auf Landes- und kommunaler Ebene. Im Dezember 2006 hat die Thüringer Landesregierung den ersten Maßnahmekatalog zur Fortentwicklung des Kinderschutzes in Thüringen beschlossen. Über dessen Umsetzung hat die Landesregierung den Landtag mit Bericht vom 28. Dezember 2007 unterrichtet, so dass ich mir an dieser Stelle weitere Ausführungen sparen kann. Dieser Maßnahmekatalog wurde aber zwischenzeitlich fortgeschrieben und vom Kabinett gerade erst vergangene Woche zur Kenntnis genommen. Der Maßnahmekatalog ist im Übrigen auch auf der Homepage des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit veröffentlicht. Ich will nur ganz kurz noch einmal darauf hinweisen, dass er fünf zentrale Elemente umfasst.

Erstens - die gesetzlichen Regelungen: Hier ist noch einmal das Gesetz zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes - gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung -, ein Gesetzentwurf, der die verbindlichere Ausgestaltung der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, der U3 bis U9, vorsieht, zu nennen. Darüber hinaus wird angestrebt, dass vor Ort frühe Hilfen für schwangere Frauen, Mütter und Väter entwickelt werden. Im Übrigen hat die Landesregierung den Entwurf - auch das hatte ich bereits gesagt - des Thüringer Gesetzes zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule zugeleitet, der demnächst plenar beraten werden wird. Inhaltlich sieht der Gesetzentwurf vor allem eine Verbesserung des Kinderschutzes durch Konkretisierung des Schutzauftrags der Schulen und der Kindertagesstätten vor. Außerdem wird eine wirksamere Vernetzung unsystematischer Zusammenarbeit vor Ort im Bereich des Kinderschutzes angestrebt.

Zweitens - Fortbildung: Ein weiterer Baustein für einen wirksamen Kinderschutz ist die umfassende Fachkompetenz aller am Kinderschutz beteiligten Fachkräfte. Da ist die Fortbildung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der freien und öffentlichen Jugendhilfeträger mit dem Ziel, ein Kindeswohlgefährdungsrisiko zu erkennen und einzuschätzen, ein wesentlicher Schwerpunkt der Fortbildungsangebote des Landes. Gleiches gilt für die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer mit Blick auf die angestrebten Kinderschutzregelungen im Thüringer Schulgesetz.

In diesem Zusammenhang darf ich zudem auf die 2. Kinderschutzkonferenz am kommenden Freitag, dem 21. November 2008, in Jena aufmerksam machen und alle Interessierten auch von dieser Stelle aus noch einmal herzlich einladen.

Das Dritte ist die Kooperation: Vorletzte Woche beispielsweise war ich zu Gast bei der Kinderschutztagung des Kyffhäuserkreises in Sondershausen. Die Tagung fand im Rahmen des bereits erwähnten Modellprojekts „Guter Start ins Kinderleben“ statt. Besonderes Anliegen der Tagung war neben umfangreichen Informationen auch eine bessere Vernetzung und Kooperation aller am Kinderschutz Beteiligten. Kooperation zwischen Institutionen des Kinderschutzes ist eine der Grundvoraussetzungen für die effektive Gewährleistung eines umfassenden Kinderschutzes. Aus diesem Grund ist eine gemeinsame Empfehlung der Landesregierung, der kommunalen Spitzenverbände und der Landesärztekammer zur Verbesserung der ressortübergreifenden Kooperation beim Kinderschutz vorgesehen.

Viertens - die Öffentlichkeitsarbeit: Öffentlichkeitsarbeit ist ein weiterer zentraler Schwerpunkt des Maßnahmekatalogs. Durch zielgerichtete Aktivitäten sollen die Menschen in Thüringen aufgeklärt, informiert und sensibilisiert werden, um mögliche Vernachlässigungen und Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen in ihrem Umfeld frühzeitig wahrnehmen zu können. Zudem sollen durch die Herausgabe von zielgruppen- und themenspezifischen Informationsmaterialien insbesondere werdende und junge Eltern frühzeitig über die wichtigsten Leistungs-, Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten der Jugendhilfe und der Gesundheitshilfe informiert werden. Zum Bereich der Öffentlichkeitsarbeit gehört auch die Fortsetzung der Gemeinschaftsaktion „Thüringen sagt Ja zu Kindern“ wie die Auftaktveranstaltung hier im Thüringer Landtag am vorletzten Donnerstag.

Schließlich fünftens - die Hilfen für Familien in belasteten Lebenslagen: Neben den im Kinder- und Jugendhilfegesetz ausdrücklich vorgesehenen Leistungen für Familien in belasteten Lebenslagen sollen neue, insbesondere niedrigschwellige, gegebenenfalls auch aufsuchende Maßnahmen und Hilfen mit Landesmitteln unterstützt werden. Hierzu gehören der Einsatz von Familienhebammen, die Anwendung entwicklungspsychologischer Beratung, Hausbesuchsprogramme sowie eine verstärkte Zusammenarbeit der Jugendhilfe mit den Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Kinderschutz gehört, wie Sie wissen, zu den Aufgaben, die vor Ort im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wahrgenommen werden. Aus diesem Grund wurde der Maßnahmekatalog auch mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Ziel dieses Maßnahmekatalogs ist es, den Kinderschutz in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu unterstützen und Anregungen für eine Weiter

entwicklung zu geben. Dieses Ziel wird erreicht. Der Maßnahmekatalog wird umgesetzt. Darüber hinaus werden von den Jugendämtern aber auch weitere neue Maßnahmen und Projekte entwickelt. Ohne Anspruch auf Repräsentabilität oder gar auf Vollständigkeit möchte ich Ihnen zumindest schlaglichtartig einige dieser kommunalen Aktivitäten skizzieren.

Da ist das Frühwarnsystem zum Kinderschutz in Sömmerda, die Einrichtung eines Kinderschutzzentrums „KiWi - Kinderwillkommen“ im Saale-HolzlandKreis, Familienkaffee und Elternkurse „Starke Eltern - starke Kinder“ in Sonneberg, Elternschule „Ich für mein Kind“ in Zusammenarbeit mit Jugendamt und Volkshochschule im Kyffhäuserkreis, Begrüßungsbesuch nach der Geburt - Übergabe eines Elternkalenders und des Elternordners in Altenburg, Mütter- und Väterberatung im Landkreis Gotha, Babyklappe in Saalfeld, Projekt „Wellcome“ in Erfurt, das Nachbarschaftshilfen für junge Familien organisiert, aussagefähige Internetpräsentation zum Kinderschutz in Hildburghausen, „Kinderschutz im Mittelpunkt“ - Fachtagung in Greiz, Medienkoffer „Gewalt in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen“ in Schmalkalden, kinderfreundlicher Landkreis Unstrut-Hainich und, und, und könnte man hier fortsetzen. So viel zu Ziffer 2 des Alternativantrags.

Zu Ziffer 3 kann ich es relativ kurz machen: Meines Wissens haben derzeit 13 Länder Kinderrechte in ihren Landesverfassungen verankert, darunter bereits seit 1993 auch Thüringen. Die älteren westdeutschen Verfassungen wie Hamburg, Hessen oder auch Niedersachsen haben diese Entwicklung bisher auf Landesebene nicht mit vollzogen, wobei aber insbesondere Niedersachsen gegenwärtig mit entsprechenden Diskussionen zugange ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass die aus Zeitgründen lediglich kursorisch mögliche Aufzählung der Aktivitäten auf Ebene des Bundes, Landes und Kommunen dennoch deutlich macht, wie wichtig, aber auch wie sensibel und vielschichtig das Thema der Kinderrechte und des Kinderschutzes ist. Deswegen bin ich dankbar, dass wir an diesem Thema „Kinderrechte“ dranbleiben und diese Anträge gestellt worden sind. Ich bleibe aber dabei, wir sollten unsere Verantwortung als Landespolitiker gemäß unserer Landesverfassung ernst nehmen. Dazu haben wir nach Artikel 19 unserer Verfassung alle Möglichkeiten. Ich meine, nutzen wir sie, gebrauchen wir sie, nutzen wir diese Möglichkeiten; als Landesregierung tun wir dieses zum Wohl und Schutz unserer Kinder und Jugendlichen. Dass wir das auch weiter tun werden, darauf können Sie sich verlassen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Ich frage jetzt nach, wer die Aussprache zum Sofortbericht wünscht. SPD-Fraktion, CDU-Fraktion und Fraktion DIE LINKE - also alle Fraktionen wünschen hier die Aussprache zum Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der Fraktion DIE LINKE und zum Alternativantrag der Fraktion der CDU. Zudem wird aber in der Aussprache die weitere Ziffer aus dem Antrag der Fraktion DIE LINKE eingefügt.

Ich rufe als Erstes auf für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Ehrlich-Strathausen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch nach der Rede der Ministerin Lieberknecht stehen wir als SPD immer noch zu der Forderung, dass Kinderrechte in das Grundgesetz gehören.

(Beifall SPD)

Unmittelbar einen Tag vor dem Weltkindertag - Sie erinnern sich alle - hat die CDU-Mehrheit im Bundesrat eine Chance zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kinder in der Bundesrepublik erneut vertan.

(Beifall SPD)

Die Thüringer Landesregierung hat mit ihrem Abstimmungsverhalten gegen den Antrag der Länder Bremen und Rheinland-Pfalz ihren Teil dazu beigetragen und damit hat die CDU dokumentiert, dass Ihnen Kinderrechte und damit verbunden der Kinderschutz und die Kinderförderung nun so wichtig auch wieder nicht sind, damit sie in das Grundgesetz gehören.

Ziel des Antrags der beiden SPD-geführten Länder Bremen und Rheinland-Pfalz war, die Achtung der Kindeswürde, das Recht auf die Entwicklung, Entfaltung ihrer Persönlichkeit, eine gewaltfreie Erziehung, den Schutz vor Vernachlässigung und Ausbeutung grundsätzlich zu verankern. Weiterhin sollte der Anspruch des Kindes auf Förderung einschließlich des Rechts auf Bildung sowie die Pflicht der staatlichen Gemeinschaft zur Schaffung kinderrechtlicher Lebensbedingungen normiert werden. Anders gesagt, weil Kinder im besonderen Maße verletztlich und auf Schutz angewiesen sind, weil sie im besonderen Maße geschützt und gefördert werden müssen, deshalb gehören die Kinderrechte als Grundrechte in unser Grundgesetz hinein. Es ging um Kinderrechte und damit zusammengefasst um einen besseren Schutz der Kinder und um Anspruch

auf Förderung und das ist beides nicht voneinander zu trennen. Ich weiß, dass in den Reihen der CDU die Auffassung kursiert, wonach ein handfester Nutzen einer solchen Verfassungsänderung immer wieder bestritten wird. Eine Aufnahme von Kinderrechten sei eine Alibidiskussion, das sagte Herr Panse in einer Pressemitteilung vom 20.12.2007. Aber wenn Sie so etwas behaupten, Herr Panse, dann führen Sie eine Alibidiskussion und nicht wir. Denn wenn Sie im Interesse der Kinder wirklich handeln würden, dann wüsten Sie, dass die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz mittelfristig das gesellschaftliche Rechtsbewusstsein verändert. Ich wollte Ihnen noch ein Zitat von Herrn Seehofer kurz vorlesen, der neue Ministerpräsident von Bayern: „Ich bin dafür, weil eine Grundgesetzänderung nicht nur den Schutz der Kinder rechtlich verstärkt, sondern auch Bewusstsein bildet.“

(Beifall SPD)

Und dies vor allen Dingen bei denjenigen, die in der staatlichen Gemeinschaft Verantwortung dafür tragen, Kindeswohlgefährdung rechtzeitig zu erkennen und die dafür erforderlichen spezifischen Rechtsgrundlagen zu schaffen oder weiterzuentwickeln. Ein Beispiel für die verhaltensnormierende Kraft des Grundgesetzes ist das Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau. Ich bin mir sicher, dass ohne diese normierende Kraft des Grundgesetzes eine jahrzehntelange Diskussion um die mangelnde Gleichstellung überhaupt nicht stattgefunden hätte. Längst sind wir nicht da, wo wir nach der Zielsetzung des Grundgesetzes sein müssten, nämlich bei der völlig selbstverständlichen Gleichstellung. Grundgesetzliche Regelungen können und sollen gerade für die politisch Verantwortlichen das Ziel sein, um den Handlungsdruck so lange aufrechtzuerhalten, bis dieses Ziel erreicht ist. Genau das erwarte und erhoffe ich mir auch von der Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz.

Frau Ministerin sprach es an: Die Forderung, Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen, macht nur Sinn, wenn man dem Grundgesetz zutraut, konkrete Lebenssituationen auch zu verbessern. Ich bin davon überzeugt, dass kinderrechtliche Bestimmungen dann auch genau diese Kraft besitzen. Unsere Kinder sind nach Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes Grundrechtsträger; an den benannten Stellen werden die Menschenwürde, das Recht auf eine freie Persönlichkeitsentfaltung und auf körperliche Unversehrtheit zugesprochen. Die Grund- und Menschenrechte gelten zu jeder Zeit und ohne Einschränkung für alle Menschen, auch für unsere Kinder. Was aber von den Gegnern der Aufnahme ins Grundgesetz immer wieder gesagt oder was völlig ignoriert wird, ist, dass die Kinder eben nicht kleine Erwachsene sind. Diese Tatsache wird völlig außer Acht gelassen. Kinder

bedürfen stattdessen eines besonderen Schutzes und einer besonderen Fürsorge und Förderung, denn sie sind das schwächste Glied in unserer Gesellschaft. Folglich sollte ihnen ein besonderer Stellenwert zukommen, damit die Schutzbedürftigkeit endlich stärker im Bewusstsein der Gesellschaft verankert wird.

Mit der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention im Jahre 1992 hat die damalige Bundesregierung ihr Einverständnis erklärt, alle Anstrengungen zur Reformierung der innerstaatlichen Gesetzgebung zu unternehmen und damit auch diesen besonderen Schutz- und Förderrechten zukünftig Geltung zu verschaffen. Aber leider, so scheint es - es sind inzwischen 16 Jahre seit der Ratifizierung vergangen -, war nicht genügend Zeit für die große Mehrheit CDU und CSU, sich sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag für ein eigenständiges Grundrecht und damit für eine zentrale Rolle der Kinder in unserer Gesellschaft einzusetzen. In Thüringen allerdings wurde ein Teil der Forderung 1993 in Artikel 19 verankert. Im Gemeinsamen Wort der Jugend- und Sozialverbände zur Bekämpfung der Kinderarmut wird auch bei der Thüringer Verfassung auf weiteren Handlungsbedarf hingewiesen. Also, auch dort steht etwas vermerkt darüber.

Was dann heute von der CDU-Landtagsfraktion als Alternativantrag vorgelegt wurde, das spottet jeder Beschreibung. Ich habe mich gefragt: Warum verging denn eigentlich so viel Zeit von der Antragsankündigung - das war Ende September schon - bis zum eingereichten Antrag? Vorgestern erfolgte dann endlich eine Vorlage. Ich habe wirklich gewartet und bei Herrn Panse persönlich angefragt, wann denn dieser Antrag nun endlich mal vorliegt. Ich habe mit Spannung darauf gewartet, vor allem im Zusammenhang mit der Steilvorlage der Sozial- und Jugendverbände. Sie haben nämlich geschrieben im Zusammenhang auch mit der Kinderarmut: „Armut verletzt Kinderrechte. Der Schutz des Kindes vor Verarmung ist in Artikel 19 der Thüringer Verfassung zu verankern.“ Also hatte ich die Hoffnung, dass zumindest in dem Zusammenhang hier ein Antrag der CDU vorliegt. Aber was kommt? Eine Aufforderung zur Berichterstattung, zur Berichterstattung, zur Berichterstattung - und das war’s. Diese Berichtsanforderung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, von Ihnen vor genau einer Woche - Freitag, heute vor einer Woche - ist die erfolgte Ablehnung unseres Antrags zur Kinderarmut. Das ist nichts anderes als zynisch. Ich denke, dieser Antrag, Herr Panse, Ihrer Fraktion ist ein Ablenkungsantrag, damit die Untätigkeit Ihrer Fraktion möglichst nicht erkannt wird.

(Beifall SPD)

Denn wenn Sie ehrlich wären, müsste auch im Bericht der Ministerin zu hören gewesen sein, dass bei der Stärkung der Kinderrechte auf Bundes- und Landesebene die CDU immer nur so getan hat als ob und dass sie gleichzeitig im Bundesrat verhindert hat, dass die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden. Beim Kinderschutz hat sich die CDULandesregierung in dieser Legislaturperiode auch schon rückwärts bewegt, das wissen Sie, und hat dann die Kommunen allein gelassen. Nur aufgrund unseres Druckes ist es überhaupt erst mal wieder erhöht worden.

(Beifall SPD)

Die von Ihnen eingebrachten Gesetze sind unzureichend, das hat auch die Anhörung zum Kinderschutzgesetz am letzten Freitag ergeben. Das hat die Anhörung damit bestätigt.

Die Bekämpfung von Kinderarmut hat die CDULandesregierung nach wie vor nicht als Bestandteil der Verbesserung der Kinderrechte und des Kinderschutzes begriffen. Beispielsweise lehnte die CDU stattdessen unseren Antrag hinsichtlich der Förderung der Kommunen bei der Einführung von kostenfreien oder kostengünstigen Essen für bedürftige Kinder erneut ab. Frau Lieberknecht hat eben auch so schön gesagt: „Es geht nicht um rechtstheoretische Dinge, sondern um praktische Dinge.“ Genau diese praktischen Dinge haben wir in unseren Anträgen eingefordert. Sie sind erneut von Ihrer Fraktion abgelehnt worden. Außer dieser Ablehnung ist bisher nichts passiert - nichts. Wir haben die Ankündigung gehört von der Kinder-Card. Davon wissen wir auch nicht, wie es überhaupt weitergeht. Deswegen sage ich, Herr Panse, ist Ihr Antrag nach wie vor ein Alibiantrag. Dieses Mal passt auch die Bezeichnung ganz genau dazu.

(Beifall SPD)