Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

Jetzt ist es klargestellt. Das Zitat stammt aus einer Zeitung, wenn ich das richtig gehört habe, von der Landrätin, der Präsidentin des Thüringer Landkreistages.

So war das in der Zeitung zitiert, Herr Mohring.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: So ist es, sie ist nur zitiert worden.)

Noch mal: Ich meine, Sie haben intern ein Problem, das den Aufgaben dieses Landes nicht angemessen ist. Ich fordere von Ihnen als Politiker der Opposition und als Mitglied der Fraktion DIE LINKE, dass Sie sich als Fraktionsvorsitzender auch ein Stück weit für diesen Konflikt interessieren und gegebenenfalls moderierend wirken, dass wir nicht in der Art Konflikte öffentlich austragen müssen, an denen teilweise das Parlament nach meiner Auffas

sung Schaden nimmt. Davon bekommen Sie mich im Übrigen nicht weg.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, wir haben heute und in den letzten Tagen über die Medien sehr stark über die Anforderungen der Zukunft gesprochen und da sind wir beim Thema Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform. Auch da gibt es, Herr Mohring, aus Ihrer Fraktion ein Zitat, das mich verunsichert hat, wenn ich das mal sagen darf. Das hat Ihr innenpolitischer Sprecher geliefert. Das heißt wie folgt...

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Dann sprecht ihn doch an und nicht mich. Lassen Sie mich doch in Ruhe. Geht’s noch?)

Moment. Sie haben gesagt, aus der Fraktion ein Zitat. Sie können nicht näher erwähnen, welcher Abgeordnete das war?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das hat er doch gesagt.)

Ich würde gern die Quellen - Herr Mohring, vielleicht können wir uns einigen, dass ich meine Gedanken entwickeln kann und Sie dann hier vorkommen und sagen, Sie halten das alles für nicht vernünftig?

(Beifall DIE LINKE)

Ihr innenpolitischer Sprecher, Herr Fiedler, ist nach der Klausur in Volkenroda mit der Aussage zitiert worden: „Gutachten sind Gutachten, Politik ist Politik.“ Ich wollte dazu sagen, es ist zunächst überhaupt nichts Ehrenrühriges, das zu sagen, es ist auch nichts Ehrenrühriges, damit zu suggerieren, na wartet mal, lasst die Kirche im Dorf, das wird alles nicht so heiß gegessen, wir entscheiden nach intensiver Diskussion, es muss niemand befürchten, dass wir das eins zu eins umsetzen etc. pp. Ich kenne den Wolfgang auch als jemanden, der sehr engagiert ist, der sehr anerkannt ist und der sich hohe Verdienste im Freistaat und im Besonderen in seinem Wahlkreis erworben hat. Sein Wort hat Gewicht und er nimmt sich das auch gelegentlich, wenn er nicht als Redner auf der Einladungsliste steht, das ist alles okay, wenn mir auch das Verständnis nicht passt. Ich frage aber auch hier, ob wir bei den Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, uns nicht auch kritisch hinterfragen müssen, ob diese Mentalität noch zu den Zukunftsanforderungen passt. Herr Mohring, ich kann nur aus meiner Beobachtung, die sich verstärkt hat und wenn es mich nicht umtreiben würde, würde ich es nicht ansprechen -, ich kann aus meinem Herzen jetzt keine Mördergrube machen, es gibt ei

ne gewisse Mentalität, die sich da verstärkt und bestimmte Bilder, die da bedient werden, so dass ich glaube, dass wir die Zukunftsaufgaben nicht bewältigen. Es heißt wie folgt: Wir haben es heute im Landtag gehört. Die da oben, wir sind die Basis, also gut, wir sind die Praktiker, also gut, die da oben in Erfurt in ihrem Elfenturm, diese Wessis, die das alles besser wissen, die vom grünen Tisch aus entscheiden, die sind alle böse. So wird in diesem Land derzeit viel zu oft Politik gemacht und viel zu oft sind Akteure Ihrer Partei dort involviert. Das spreche ich an.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit ist an dieser Stelle genauso festzustellen wie zu den Endzeiten eines Systems, dessen Untergang die meisten hier im Hause erlebt haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Diese Strategie, die auf die Stammtische zielt, ist gefährlich und deshalb spreche ich das an. Es ist genauso...

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Schauen Sie mal zu Herrn Kuschel...)

(Unruhe DIE LINKE)

Sie haben eine andere Auffassung als ich, aber ich will meine sagen. Im Übrigen ist auch das Festhalten an den Gutscheinen für Flüchtlinge mit der Begründung, dass das die Mehrheit der Meinung an den Stammtischen abbildet, Teil dieser Strategie, die wir kritisieren müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich will diese Debatte nicht zu weit treiben, aber in meinem Gedächtnis ist noch die Kampagne aus der Landtagswahl „Echter Thüringer, falscher Thüringer“ von Herrn Voigt. Sie wissen auch, was die NPD daraus gemacht hat.

Meine Damen und Herren, die Finanzpolitik, das, was Dr. Voß zu vertreten hat, mit dem wir streiten müssen, und das, was Frau Ministerpräsidentin als Herausforderung für dieses Land beschrieben hat, das beschreibt Herausforderungen an uns alle. Da bin ich noch gar nicht bei dem Teil, dass man dazu ganz, ganz unterschiedlicher Meinung sein kann, sondern ich bin bei dem Teil, dass wir dafür ein gewisses Maß, einen gewissen Konsens an politischer Kultur brauchen, für die jeder hier im Haus eine Verantwortung zu leisten hat. Ich will, dass Sie die wahrnehmen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, mit dem Haushalt liegen uns auch die Mittelfristige Finanzplanung und der Abschlussbericht der Haushaltsstrukturkommission vor. Dieser Bericht leitet mit einem Zitat der Ministerpräsidentin zum Tag der Politikwissenschaften in Jena am 10. Juni 2010 ein. Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung: „Wer aufbrechen will, muss sich zunächst Klarheit über die Ausgangslage verschaffen. Und wer ankommen will, muss zuvor das Ziel definiert haben.“ Zu dieser Ausgangslage gehören die hohen Schulden Thüringens und eine hohe Zinsbelastung, deren Risiken wir heute Morgen besprochen haben, insbesondere bei den Zinsen. Unter anderem daraus folgt eine Änderung des Thüringer Haushaltsgesetzes, das künftig, also ab dem Jahr 2013/14, neben der Möglichkeit der Tilgung, der Bildung von Rücklagen nun neu vorsieht, dass auch alte Verpflichtungen abfinanziert werden. Das ist okay, ausdrücklich okay.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Mohring, es sind auch Erklärungen für das Entstehen der Schulden nötig. Herr Kuschel hat das gesagt, er sprach vom Nachholbedarf, der aus DDR-Zeiten resultierte. Ich will das nicht ausdehnen, aber es ist natürlich eine Erklärung für den deutlich steigenden Schuldenstand in den 90erJahren, enormer Nachholbedarf in fast allen Bereichen der Infrastruktur, noch keine Einbeziehung in den Länderfinanzausgleich. Zweifelsohne sind in den Aufbaujahren Infrastrukturleistungen erbracht worden, von denen wir heute und in künftigen Generationen in hohem Maße profitieren. Das war eine respektable Leistung, wenngleich auch der Streit um den richtigen Einsatz der Mittel immer geführt wurde und auch geführt werden muss in einer parlamentarischen Demokratie.

Es gab Auseinandersetzungen über die Richtigkeit und die Falschheit von steuerpolitischen Vorschlägen. Ich erinnere daran, dass allein die letzte Stufe bei der Einkommenssteuerreform, die Senkung des Spitzensteuersatzes um 3 Prozentpunkte, zu Mindereinnahmen Thüringens pro Jahr von 100 Mio. € geführt hat. All das kann man auch mit in die Erklärung hineinbringen, warum der Schuldenstand Thüringens höher ist als in vergleichbaren anderen neuen Bundesländern.

Da komme ich zu dem Punkt 4. Es gab subjektive politische Entscheidungen, über die will ich jetzt sprechen.

(Beifall DIE LINKE)

Denn, ich wiederhole das Zitat: „Wer aufbrechen will, muss sich zunächst Klarheit über die Ausgangslage verschaffen. Und wer ankommen will, muss zuvor das Ziel definiert haben.“ Ich will diese Ausgangslage in Form eines Kalenders darstellen. Wir haben heute den 24. Januar, wir könnten auch sagen, normalerweise wird ein Haushalt vor Weihnachten beschlossen, 24 Türchen öffnen oder, um

es in der Sprache der GRÜNEN zu sagen, ein wenig Licht ans Fahrrad machen.

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben eine LED-Lampe.)

Ich verbinde das mit dem, was Bodo Ramelow in der Fraktion so nachdrücklich einfordert, nämlich der Frage, im 21. Jahrhundert bezüglich moderner Kommunikationsmittel anzukommen. Ich führe also ein virtuelles Protokoll über die Dinge. Wir hatten in den 90er-Jahren hier in Thüringen Entscheidungen, die uns von anderen unterscheiden und das muss angesprochen werden. Da war die Pilz-Affäre, da waren die Spaßbäderförderungen, da war die Flughafenförderung. Wir haben hier noch Altlasten zu bezahlen, noch 90 Mio. € in den Folgejahren. Wir haben diese unsägliche Flugliniensubvention über Jahre gehabt. Wir hatten die Manipulation von Fahrgastzahlen, um Fördermittel zu bekommen und wir hatten einen Ex-Geschäftsführer, der derzeit nur schwer zu befragen ist. Wir haben die Spielbank mit einem Untersuchungsausschuss gehabt, wir hatten Anfang der 90er-Jahre die Trennungsgeldaffären gehabt. Wir haben insgesamt eine kleinteilige Thüringer Verwaltungsstruktur, einen dreistufigen Verwaltungsaufbau. Wir haben insbesondere die Privatisierung von Krankenhäusern in hohem Maße gefordert und gefördert, wir haben den Maßregelvollzug privatisiert, wir haben ein üppiges Beauftragtenwesen und viele Leute, das ist die Wahrnahme, eine Art Vetternwirtschaft bis in viele kleine Verwaltungsgemeinschaften hinein.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben eine Feuerwehrförderung, die Gegenstand öffentlicher Diskussion über die Frage war, ob das alles mit rechten Dingen zuging. Ich habe Ihnen in der letzten Plenarsitzung gesagt, dass ich beispielsweise mit großen Fragezeichen versehe, ob wir bei der Förderung von Dorfgemeinschaftshäusern in dem Maße wie in den letzten Jahren weitermachen können, wenn wir uns vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderung viel zu oft mit dem Zustand abfinden müssen, dass dann kurze Zeit später der letzte Gasthof im Ort schließt, weil die Leute lieber zu ALDI gehen, ihr Bier und ihre Roster kaufen und dann im Dorfgemeinschaftshaus feiern, aber das Objekt ansonsten das ganze Jahr leer steht. Wenn Sie mit den Leuten reden, dann hören Sie das auch sehr oft.

Wir hatten die Fragen der Polizeiausstattung, der Polizeifahrzeuge, wir hatten eine Debatte um Landeserziehungsgeld und haben sie noch. Die Stiftung FamilienSinn war Gegenstand umfangreicher politischer Diskussionen. Wir hatten in den 2000erJahren den Streit um die alternativen Finanzierungen von PPP- und ÖPP-Projekten. Wir haben die Diskussionen um Sondervermögen gehabt, die neben dem Haushalt ausgewiesen werden. Ökologi

sche Altlasten, da bin ich bereit, Herrn Primas’ Einwände, dass man das nicht voraussehen konnte, in dem Umfang wahrzunehmen. Aber was eine klare politische Entscheidung war, die uns, so wie sie umgesetzt wurde, sehr teuer zu stehen kommt, ist das Sondervermögen zur Verbesserung wasserwirtschaftlicher Strukturen - ein Wahlgeschenk, um eine Wahl zu gewinnen, das der künftigen Generation sehr teuer in der Tasche liegen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Wir hatten Debatten um Landesgesellschaften, siehe aktuell um die GfAW und die LEG und auch aktuell um die Privatisierung von Schlössern, wo beispielsweise Verkaufserlöse nicht wie geplant vereinnahmt werden konnten. Wir hatten einen Untersuchungsausschuss zur Thüringer Industriebeteiligung, den ganzen Komplex, den kennen Sie, TIB, TAB, usw. Wir hatten beispielsweise eine Gemeinde, die mit 60 Mio. € aus dem Landesausgleichsstock gefördert wurde, Masserberg, ein Fass ohne Boden, wo man letztlich versucht hat, politische Fehlentscheidungen immer weiter zu schieben und einen Schlussstrich hinauszuzögern. Wir hatten die TSI-Frage, wir haben nach wie vor einen viel zu laxen Umgang mit dem Thema Lottomittel und wir haben einen fragwürdigen und kritikwürdigen Umgang mit öffentlichen Mitteln beim Thema Verfassungsschutz, zu dem Ihnen ein Antrag vorliegt.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, insbesondere in der CDU-Fraktion, Sie müssen doch mal wenigstens die Frage zulassen, all diese 24 hier genannten Maßnahmen, Entscheidungen, wie ich finde, politischen Entscheidungen, die müssen Sie doch einmal einer kritischen Revision unterziehen. Da müssen Sie doch einmal fragen, waren sie aus heutiger Sicht notwendig, waren sie eher politisch intendiert und welche Folgen für das Gemeinwohl hatten diese Entscheidungen gehabt, haben sie den Freistaat eher vorangebracht oder nicht, haben sie unsere Schuldensituation eher verbessert oder nicht. Ich bin der Meinung, wenn man ehrlich ist, muss man hinter viele dieser Entscheidungen ein großes Fragezeichen machen. Herr Mohring ist jetzt leider nicht mehr da, das bedaure ich außerordentlich

(Beifall DIE LINKE)

bei den meisten Entscheidungen in der Zeit, also den Entscheidungen, die in der Zeit 1999 bis 2009 getroffen wurden, war er hier im Landtag Finanzsprecher seiner Fraktion, später war er Fraktionsvorsitzender und er saß dann sogar wöchentlich mit bei den Kabinettssitzungen dabei und ich habe sein Veto gegen all diesen Firlefanz nicht vernommen. Ich habe nie vernommen, dass da einer steht und sagt, das ist finanzpolitisch nicht verantwortbar, was hier gemacht wird. Stattdessen herrschte die Meinung, größer, schneller, weiter, Steuern senken

und irgendwie hält das den Laden zusammen. Heute wissen wir, im Jahr 1999 lagen die Schulden bei 10 Mrd. €, heute liegen sie bei 16 Mrd. €. Ein Sondervermögen zur Verbesserung wasserwirtschaftlicher Strukturen ist dazugekommen, das unseren Haushalt belastet. Da muss man sich schon fragen, wie aktiv Herr Mohring in den letzten Jahren war. Ein Recht hat er nicht, hier finanzpolitische Deutungshoheit für sich zu reklamieren, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir noch viel mehr Schulden.)

Ja, ich sage Ihnen was. Ich sage Ihnen das auch ganz selbstbewusst. Ich glaube, erstens sind wir auf einem Weg, den werden Sie uns nicht abstreiten. Zweitens sage ich Ihnen ganz deutlich, bei dieser Weichenstellung zu erzählen, dass 50 Mio. € für soziale, kulturelle und Bildungsprojekte dann nicht mehr möglich sind, weil Sie vorher das Geld, Hunderte Millionen schwer, in Großprojekte irrsinniger Art versenkt haben, das ist unlauter.

(Beifall DIE LINKE)

Wir fordern Sie auf, packen Sie endlich die nötigen Reformen an, auch im Sinne eines Konsenses hier im Haus. Sorgen Sie an anderer Stelle für eine Stärkung des Parlaments gegenüber der Exekutive.