Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

historisches Ereignis. Ende August 1991 trafen sich die damaligen Außenminister von Deutschland, Polen und Frankreich, Hans Dietrich Genscher, Hollande Dumas und Krzystof Skubiszewski zu Gesprächen in Weimar.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Weimar, ge- nau.)

Am 29. August 1991 verkündeten Sie ein 10-Punkte-Programm, eine gemeinsame Erklärung zur Zukunft Europas. Das war die Geburtsstunde des Weimarer Dreiecks. Ich möchte einfach noch einmal Genscher zitieren, der damals für die Wahl der Klassikerstadt eine Begründung gegeben hat, die nach wie vor wahr ist und einen Kernpunkt darstellt für unsere Europapolitik und unsere Regionalpartnerschaften. Er sagte: „Die Wahl des Gründungsortes Weimar sollte zum Ausdruck bringen, dass dieses Europa, dieses neue Europa, mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft, dass das, was uns verbindet, die eine gemeinsame europäische Kultur ist, zu der alle Völker Europas Großes beizutragen haben.“

(Beifall FDP)

Das ist nach wie vor der zentrale Punkt. Diesem Leitspruch des Weimarer Dreiecks fühlt sich die Thüringer Landesregierung verpflichtet. Verbale Entgleisungen gehören nicht zum Programm der Landesregierung

(Beifall FDP)

und bleiben auch nicht unbeantwortet. Aber damit ist an dieser Stelle genug dazu gesagt. Unser Ziel ist ein weltoffenes, ein internationales und modernes Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Können Sie es mir noch einmal erklären?)

Weltoffenheit und Internationalität sind für mich ganz wichtige Bestandteile und Eckpfeiler unserer Demokratie, unserer demokratischen Gesellschaft, und sie tragen zur kulturellen Vielfalt unseres Landes bei. Ein wichtiges Element für die verstärkte Internationalisierung Thüringens sind die Partnerschaften des Freistaats mit anderen Regionen Europas. Mit unseren Partnern in der Picardie und in Malopolska bilden wir wirklich ein zukunftsträchtiges starkes Weimarer Dreieck. Auf regionaler Ebene leben viele Weimarer Dreiecke, gerade hier in Thüringen. Partnerschaften unterhalten wir noch in viele andere Regionen, ich sage auch mit Ungarn und mit der Provinz Shaanxi, viele andere bilaterale Projekte, die darüber hinaus zu nennen wären.

Ich will eines sagen: In enger Zusammenarbeit mit unseren Partnerregionen wollen wir auch gemeinsame Projekte initiieren, bündeln, sie zum Erfolg führen. Da bin ich etwas anderer Meinung als Herr Meyer, denn Schulpartnerschaften sind ein wichtiger Grundstein für die Begegnung von Kulturen,

(Abg. Meyer)

von Menschen, von den Austauschen. Wenn das schon in den Schulen passiert, dann wird da ein ganz wichtiger Baustein gelegt. 84 Thüringer Schulen unterhalten partnerschaftliche Beziehungen mit französischen Schulen, 25 davon mit der Picardie. Mit polnischen Schulen gibt es 47 Schulpartnerschaften, 10 mit der Region Malopolska, 26 bestehen mit Ungarn.

Nehmen Sie die anderen Projekte, ich nenne es jetzt nur exemplarisch. Beim Projekt Werft der Universität Compiègne und der TU Ilmenau geht es zum Beispiel um Antriebstechnologien für intelligente Elektrofahrzeuge. Die Fachhochschule Jena arbeitet mit der Universität Compiègne beim Projekt NanoToxiScreen im Nanotechnologiebereich zusammen. Das ist ein wichtiges Projekt, was auch für die Krebsforschung ganz entscheidend ist. Sie können im wissenschaftlichen Bereich, im Schulbereich, im wirtschaftlichen Bereich inzwischen aus diesem Grundstein von ´91 und später auch ganz wichtige Impulse für unsere Länder erkennen. Das wichtige Projekt Adream hat Herr Bergemann genannt, ein wunderbar gelungener Architektur- und Designwettbewerb, der zur Umsetzung in die Praxis gedacht ist, Produkte, die hergestellt werden, die projiziert werden, die dann einfach als Piloten in die Praxis überführt werden sollen, auch Produkte daraus entstehen sollen. Meine Damen und Herren, diese Eröffnung der Ausstellung mit Exponaten der Preisträger, die wirklich sehenswert sind, die fantastisch sind, in Amiens war auch der Anlass für die Reise der Ministerpräsidentin in die Picardie vor wenigen Wochen. Dabei wurde sie von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Das Augenmerk der Unternehmer lag darauf, auszuloten, wo es im Bereich der erneuerbaren Energien Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den französischen Partnern geben könnte.

Ich glaube, das sind wenige Beispiele, es ist schon viel dazu gesagt worden, woran sich zeigt, dass in vielen Segmenten sich wirklich zukunftsträchtige Impulse für Zusammenarbeit und vieles darüber hinaus entwickeln. Ich muss sagen, wenn Sie in der umgekehrten Richtung sehen, vor knapp einer Woche, am 18. April, besuchte eine Delegation der Handwerkskammer Krakau die Handwerkskammer in Erfurt. Sie finden ebenso gute umgekehrte Beispiele von Besuchen, von Austauschen, von Kooperation. Im kommenden Monat, vom 8. bis 12. Mai, wird in Malopolska ein Zukunftsseminar von Jugendlichen aus Thüringen, Kleinpolen und Lemberg ausgerichtet. Den Kontakt auf dieser ganz persönlichen Ebene zu pflegen mit jungen Leuten gemeinsam, das ist auch ein wichtiger Punkt der Zusammenarbeit. Auch die seit 50 Jahren bestehende Partnerschaft zwischen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der traditionsreichen Jagellonen-Universität in Krakau ist heute ein ganz fester Bestandteil zwischen Thüringen und Malopolska.

Von den Hochschulen gibt es inzwischen 54 Vereinbarungen mit polnischen Partnern, um nur mal kleine Ausschnitte aus dem ganzen Spektrum auch zu benennen.

Meine Damen und Herren, diese wenigen Beispiele zeigen, Thüringen ist mit seinen Partnerregionen international gut vernetzt. Ich könnte jetzt noch Beispiele aus China, aus der Partnerprovinz Shaanxi nennen. Das will ich an dieser Stelle gar nicht tun, aber ich will eines sagen: Wenn wir die Grundlagen, die mit dem Weimarer Dreieck ´91 hier gelegt wurden, ernst nehmen und die Worte, die damals gesprochen wurden, ernst nehmen,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Dann müsste Herr Machnig sich entschuldigen.)

dann sind die Freundschaft und die kulturelle Verbindung und der Austausch mit anderen Regionen nicht nur Tagesgeschäft, sondern Verpflichtung und Grundlage für ein friedliches Zusammenleben in unserem Europa. Danke.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wenn Sie es ernst nehmen, müsste sich Herr Machnig entschuldigen für den Scheiß.)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Zukunft 2020 - Impulse für eine moderne Wirtschafts-, Arbeits- und Energiepolitik in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/5945

Als Erster hat Abgeordneter Wolfgang Lemb von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, insbesondere, weil es hier um die Zukunft geht, liebe Jugendparlamentarierinnen und -parlamentarier, Zukunft 2020, ich weiß nicht genau, wie alt ihr seid, wahrscheinlich so 15, 16, das heißt, es geht um die Frage, wie wollt ihr leben, wie wollen wir alle gemeinsam leben, wenn Sie auf den Besucherrängen dann vielleicht 24, 25 oder 23 sind? Es ist ein offener Diskussionsprozess, der mit dem Zukunftsund Innovationsprogramm hier durch das Thüringer Wirtschaftsministerium, durch

(Ministerin Walsmann)

den Minister vorgelegt worden ist. Es geht um die Kernfragen: Wie soll die Wirtschaft 2020 aussehen? Wie wollen wir leben, wie wollen wir arbeiten und wie erreichen wir diese Ziele? Dieses Zukunftsund Innovationsprogramm bietet erste Anregungen, bietet eine Reihe von Fragestellungen und bietet vor allen Dingen die Einladung, sich an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen. Es gibt in diesem Zukunfts- und Innovationsprogramm und auch aus meiner Sicht im Kern fünf Herausforderungen. Die Frage ist erstens: Wie wollen wir den Aufbau Ost vollenden? Wir alle wissen...

Meine sehr geehrten Damen und Herren auch auf der Regierungsbank, ich bitte doch, dem Abgeordneten Gehör zu schenken.

Ich will ja keine wichtigen Regierungsgeschäfte unterbrechen, aber die kann man vielleicht draußen machen.

Ja, der Fraktionsvorsitzende Ihrer Fraktion war auch dabei.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Sehr vernünftig.)

Bitte schön, fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter.

Er ist mein Fraktionsvorsitzender.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das Wirt- schaftsministerium muss nicht zuhören, wenn Abgeordnete reden.)

Die Frage Aufbau Ost - jeder von uns weiß, die Ost-West-Angleichung ist seit vielen Jahren erlahmt. Wir haben eine Differenz in der Bruttowertschöpfung, die liegt seit mehr als zehn Jahren bei 16.000 €. Wir haben unterschiedliche Entwicklungen, im verarbeitenden Gewerbe durchaus positiv, in den kleinbetrieblichen Strukturen eher negativ.

Wir haben als Zweites das Thema „Gute Arbeit Aufholprozess bei Löhnen und Tarifbindungen“ - all das haben wir hier auch mehrfach diskutiert. Wir haben eine Steigerung der atypischen Beschäftigungsverhältnisse allein in den letzten zwei Jahren in Thüringen um 130 Prozent, 34 Prozent liegen unter einem Einkommensniveau von 8,50 €.

Wir haben als dritte Herausforderung die Frage des demografischen Wandels. 10 Prozent der Bevölkerung werden wir bis 2020 verlieren, weitere 10 Pro

zent bis zum Jahre 2030. Wir haben eine deutlich höhere negative Entwicklung bei der Fachkräfteentwicklung. In 15 Kreisen von 23 Landkreisen in Thüringen werden wir mehr als 30 Prozent des Erwerbspersonenpotenzials verlieren.

Frau Ministerin Walsmann hat es eben angesprochen, Thüringen will weltoffen, international und modern sein. Das heißt, es geht um die Frage, wie wir Thüringen der Welt öffnen, wie wir den Exportanteil der Wirtschaft in Thüringen steigern. Wir haben heute einen Exportanteil von 30 Prozent. Das ist für eine international aufgestellte Wirtschaft deutlich zu wenig. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir Investitionen sichern, aber auch den Landeshaushalt konsolidieren. Wir wissen, dass ein Achtel der Einnahmen - 1,2 Mrd. € - allein in 2012 aus Solidarleistungen stammen, und wir wissen, dass der Rückgang der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds beträchtlich sein wird mit 10 Prozent im ESF-Bereich und mehr als 43 Prozent im EFRE-Bereich. Das heißt, daraus entwickeln sich Fragestellungen für die Zukunft. Es gibt acht Themenfelder, die in dem Zukunfts- und Innovationsprogramm angesprochen werden. Zum einen das Thema Industriepolitik 2020. Dazu gehört eine konsequente Ausrichtung der Wirtschaftsförderung auf Energieressourceneffizienz, aber auch Innovationskraft. Wir haben Investitionen und Infrastruktur als wichtiges zweites Element, dazu gehören die Themenbereiche Infrastrukturprojekte. Wir haben natürlich auch die Frage Energiewende für Thüringen für die Zukunft zu entwickeln bis hin zu der Frage von regionalen Strukturen. Da bin ich bei dem Thema des Aufregers der letzten Woche, also der Dreistadt. Ich komme aus Gera, das wissen Sie alle, insofern bin ich nicht sofort ein glühender Verfechter der Dreistadtkonzeption, sage aber, wir müssen offen sein für solche Überlegungen. Wenn wir hier neue Akklimatisationsräume schaffen wollen, die dynamisch sein wollen und das Umland mitnehmen sollen für die zukünftige Entwicklung, dann ist das ein Ansatz, über den es sich durchaus zu streiten und zu debattieren lohnt. Dazu sind hier alle herzlich eingeladen

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

in den verschiedenen Regionen. Deshalb möchte ich alle auffordern, sich an diesem Diskussionsprozess auch zu beteiligen. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Danke schön. Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort Frau Abgeordnete Ina Leukefeld.

(Abg. Lemb)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler, über Zukunft kann man gar nicht oft genug reden, die ist spannend und eine Herausforderung. Ob man das in einer Aktuellen Stunde tun sollte, wo jeder Redner hier fünf Minuten hat, da habe ich meine Zweifel. Wolfgang Lemb hat sich ja gerade toll bemüht, aber man konnte ja gar nicht so in die Tiefe kommen. Außerdem kriegen wir gefühlt wöchentlich blaue Broschüren, wo die Zukunft durch das Wirtschaftsministerium beschrieben ist.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Täglich! Fast täglich!)

Man kommt gar nicht so schnell nach, wie dort Zukunft gedacht wird.

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: … lesen!)

Herr Minister, wir lesen das alles, und es ist ja auch wichtig, Ziele zu formulieren, noch wichtiger ist, sie umzusetzen,

(Beifall DIE LINKE)