Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Die Gesamtkoordination der Schadenserfassung liegt über das Landesverwaltungsamt dann letztlich auch beim Thüringer Innenminister. Die Koordination des Wiederaufbaus liegt logischerweise beim Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben schnell und unbürokratisch geholfen, um die erste Not zu lindern. Das Ausmaß der Schäden ich habe einiges aufgezählt - in den betroffenen Ländern übertrifft allerdings unsere jeweilige Leistungsfähigkeit auch in Thüringen. Deswegen bin ich dankbar, dass die Bundesregierung und die 16 Länder gemeinsam hier eine Lösung gefunden haben, wie wir in den kommenden Wochen und Monaten verfahren werden mit dem, wenn dann die Soforthilfe geleistet ist, was Wiederaufbau betrifft.

Ich bin aber auch der Bundesregierung vorab schon einmal dankbar, dass sie auf die Kostenerstattung für die Einsatzkräfte des Bundes, also in erster Linie Bundeswehr und Technisches Hilfswerk, verzichtet. Das hat die Bundeskanzlerin ja schon bei ihrem Besuch in Greiz in Thüringen unmittelbar zugesagt und wir haben es jetzt auch klar mit dem Bund verabredet. Dafür entstehen dem Freistaat Thüringen und den entsprechenden Kommunen keine Kosten.

(Beifall im Hause)

Heute vor einer Woche nun haben die Chefs der Staatskanzleien von Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein mit dem Bundesinnenminister ein erstes Fluthilfeabkommen unterzeichnet, weitere werden folgen und alle nach dem gleichen Muster: Verwaltungsvereinbarungen, in denen sich der Bund bereit erklärt, sich in Höhe von 50 Prozent der Kosten der Soforthilfemaßnahme - um die geht es bei den Verwaltungsvereinbarungen - zu beteiligen. In diesem Fall waren es unmittelbar die Bürgerinnen und Bürger und die kleinen Unternehmen, die wir mit der ersten Landesrichtlinie dazu auch aufgenommen haben.

Damit ist sichergestellt, dass unmittelbare Hilfe in der Not schnell und unbürokratisch finanziert werden kann. Auch für diese solidarische Geste gilt der Dank der Bundesregierung und ausdrücklich auch der Bundeskanzlerin selbst.

(Beifall im Hause)

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Nachdem die Menschen vor Ort in den betroffenen Hochwassergebieten ihre Solidarität unter Beweis gestellt haben, nachdem so viele Menschen bereit sind, zu spenden, sind die Solidarität - ich sagte es bereits - der Länder und die Solidarität des Bundes gefragt. Die nun anstehenden Aufräumarbeiten und der Wiederaufbau sind eine Belastung von nationaler, wenn nicht gar europäischer Dimension.

Deswegen ist es richtig, einen nationalen Hilfsfonds zur Beseitigung der Hochwasserschäden auf den Weg gebracht zu haben und ihn jetzt einzurichten. Ebenfalls vor einer Woche haben sich deshalb die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundeskanzlerin in Berlin getroffen, um über gemeinsame Hilfen zu sprechen. Dabei haben wir uns darauf geeinigt, einen nationalen Aufbaufonds zu bilden, der von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird. Er wird ein Volumen von bis zu 8 Mrd. € umfassen und dient der Beseitigung der Hochwasserschäden und dem Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur in den betroffenen Regionen.

Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich dann gestern wiederum mit dem Bundesfinanzminister getroffen und Einzelheiten zum Aufbauhilfefonds geregelt. Bund und Länder haben ihre Einigung auf einen Aufbauhilfefonds von bis zu 8 Mrd. € bekräftigt, an dem sie sich hälftig beteiligen werden, wobei auch die Soforthilfen in diesen Fonds mit eingeschlossen sein werden. Der Bund wird die Kosten für den Wiederaufbau der Bundesinfrastruktur dabei allerdings in Höhe von 1,5 Mrd. zu 100 Prozent aus Bundesmitteln selbst finanzieren. Die verbleibenden 6,5 Mrd. € werden über eine Anleihe des Bundes bereitgestellt. Die Länder werden ihre Hälfte an den Kosten des Aufbauhilfefonds über einen Zeitraum von 20 Jahren erbringen und eben nicht nur die betroffenen Länder, sondern eine Solidarität von 16 Ländern, die sich daran beteiligen. Auch die Länder, die selbst nicht betroffen sind, stehen hier solidarisch zu den betroffenen Ländern - ich finde, auch ein hervorragender Ausweis, wie der deutsche Föderalismus sich im Krisenfall, im Notfall verhält und sich auch bewährt. Ich danke den Kollegen aus diesen Ländern ausdrücklich.

(Beifall im Hause)

Auf die Länder entfällt damit eine Finanzierungsbeteiligung von ca. 202 Mio. € pro Jahr bei einer Laufzeit, wie gesagt, über 20 Jahre. Bis 2019 geben die Länder hierzu einen entsprechenden Anteil aus ihrem Umsatzsteueraufkommen an den Bund ab. Auch nach Auslaufen des Finanzausgleichsgesetzes Ende 2019 leisten die Länder ihre Zahlung an den Bund nach Einwohnern. Das bedeutet dann für Thüringen etwa 5,4 Mio. € pro Jahr. Außerdem haben sich Bund und Länder abschließend zum Fonds Deutsche Einheit geeinigt. Sie wissen, auch dieser Fonds war im Gespräch für eine Lösung, wie

diese Aufbauhilfe finanziert werden kann, weil es dort einen Zinsvorteil gibt, deswegen Tilgungsleistungen eher erbracht werden können. Auch da haben wir in diesem Zusammenhang miteinander beredet, dass selbstverständlich, wenn die Tilgung vollständig erfolgt ist, die Länder wieder in ihren Zustand versetzt werden, in dem sie vor Erbringen der Tilgungsleistung waren. Das alles werden wir gesetzgeberisch auf den Weg bringen in den nächsten Tagen mit einer knappen Zeitleiste, auch Gesetzgebung kann in Deutschland schnell gehen, wenn sie schnell gehen muss, will ich bei dieser Gelegenheit nur sagen. Am 25. Juni führt der Bundestag bereits in der kommenden Woche die erste Lesung durch, am 26. Juni haben wir eine Sondersitzung des Bundesrates, der Bundestag wird am 28. Juni das Gesetz abschließend beraten und in der letzten Sitzung des Bundesrates vor der Sommerpause am 5. Juli werden wir dieses Gesetzgebungspaket dann endgültig verabschieden und die Hilfen damit schnell auf den Weg gebracht haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind dankbar für die Hilfe des Bundes, aber wir hoffen auch auf europäisches Engagement. Deshalb setze ich mich dafür ein, den EU-Solidaritätsfonds für den Wiederaufbau zu nutzen. Auch dem größten Nettozahler der Europäischen Union steht in einer solchen Notsituation Hilfe zu, das ist ganz klar deutsche Aussage.

(Beifall im Hause)

Bereits in den vergangenen Wochen haben sich die betroffenen Länder an Kommissionspräsident Manuel Barroso gewandt, so auch ich von Thüringen, in einer Gemeinschaftsaktion natürlich mit allen Betroffenen. Wir werden dort unsere Interessen auch weiterhin gemeinsam vertreten. Die Bundesregierung wird aufgrund der durch die aktuelle Flutkatastrophe verursachten Schäden Hilfen aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen Union beantragen. Das ist der formale Weg, der dabei gegangen wird. Die finanziellen Fragen werden also in dieser Woche auf den verschiedenen Ebenen diskutiert und einer Lösung zugeführt. Zunächst aber ging und geht es darum, schnell und unbürokratisch zu helfen. Die Thüringer Landesregierung hat daher im Zuge des sich katastrophal ausweitenden Hochwassers schnell entschieden, auch das möchte ich hier vor dem Hohen Haus noch einmal benennen, 20 Mio. € Soforthilfe für Kommunen, für private Haushalte und Kleinunternehmen sind bereitgestellt. Der Bund hat sich bereit erklärt, die gleiche Summe zur Verfügung zu stellen. Die Auszahlungen haben am 10. Juni bereits begonnen, bislang sind 6,4 Mio. € für Kommunen und 13,4 Mio. € für private Haushalte und Kleinunternehmen zur Verfügung gestellt worden. Ich danke ausdrücklich den Stadtverwaltungen, der kommunalen Ebene, Gemeindeverwaltungen, die noch am Wochenende um den 10. Juni herum angefangen haben, diese

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Hilfen auch an die Bürger und an die Kleinunternehmen unmittelbar auszureichen. Es wurden für Privatpersonen 400 € plus 250 € für jedes minderjährige Kind unbürokratisch ausgezahlt bis zu einem maximalen Höchstbetrag von 2.000 € pro Haushalt, und das ebenfalls in Soforthilfe für die Kleinunternehmen. Die Landesregierung hat darüber hinaus Steuererleichterungen für Haushalte und Unternehmen ermöglicht, die vom Hochwasser betroffen sind. Über die Details informieren auch hier die zuständigen Finanzämter oder auch die Internetseite www.fluthilfe-thueringen.de. Auch an vielen anderen Stellen sind diese Informationen ja zu bekommen.

Gewerbetreibende können ebenfalls Sonderabschreibungen in Höhe von 30 Prozent der Kosten für den Wiederaufbau zerstörter Gebäude vornehmen. Klar ist, diese Hilfen sind weder ein Ersatz für zerstörtes Hab und Gut, noch sind sie eine Entschädigung. Sie sind dafür gedacht, bei Bedürftigkeit eine helfende Überbrückung für die erste Zeit unmittelbar nach dem Hochwasser zu ermöglichen. Es geht letztlich darum, dass wir alle ein Zeichen der Solidarität für die Betroffenen setzen. Wir lassen die betroffenen Menschen nicht allein.

(Beifall im Hause)

Die Soforthilfe für die Kommunen dient neben den dringend notwendigen Aufräumarbeiten zudem der Behebung der dringendsten Schäden in den Gemeinden, von der überfluteten Kindertagesstätte bis zur unterspülten Gemeindestraße. Die Hilfen sind auch einsetzbar für freie Träger, die kommunale Aufgaben wahrnehmen, egal, ob zum Beispiel in der Bildung, in der Kultur oder im sozialen Bereich oder im Sport.

Für die Kommunen, in denen Katastrophenalarm ausgerufen werden musste, sind zunächst jeweils 1 Mio. € als Soforthilfe vorgesehen. Andere Kreise mit Überschwemmungen erhalten 200.000 €. Diese Hilfen schaffen noch keine neuen Bauten, aber sie können helfen, beschädigte Infrastruktur weiter zu reparieren, bis nachhaltige Erneuerungen angegangen werden können.

Zudem suchen wir das Gespräch mit der Wohnungswirtschaft. Ein erstes Ergebnis ist, dass beim Wiederaufbau Zuschussprogrammen gegenüber Darlehensfinanzierungen der Vorzug gegeben werden soll. Wir sind hier gesprächsbereit. Zudem wird für Förderdarlehen der Thüringer Aufbaubank bei beschädigten Immobilien eine befristete Zins- und Tilgungsfreistellung geprüft.

Handlungsbedarf besteht auch mit Blick auf die Versicherung von Elementarschäden. Viele Menschen stehen ja - das haben wir dramatisch erlebt völlig ohne Schutz da. Jeder muss Zugang, so meine ich jedenfalls, zu einer Elementarschadenversicherung haben.

(Beifall im Hause)

Und wenn dies zu vertretbaren Konditionen nicht anders zu gewährleisten ist, müssen wir auch über eine Pflicht zur Elementarschadenversicherung nachdenken. Ich bin den Justizministern jedenfalls sehr dankbar, die diese Debatte auf nationaler Ebene mit der Versicherungswirtschaft aufgenommen haben, und ich weiß, dass auch hier Thüringen über unseren Thüringer Justizminister eine besondere Verantwortung trägt, denn er ist federführend für diese Gespräche beauftragt.

(Beifall im Hause)

Darüber hinaus hat die Landesregierung gemeinsam mit den Kammern, dem DEHOGA sowie dem Verband der Wirtschaft Thüringens ein 10-PunkteSofortprogramm für die hochwassergeschädigten Unternehmen in Thüringen auf den Weg gebracht. In diesem Rahmen werden verschiedene bestehende Programme als Hilfen mobilisiert. Die Thüringer Aufbaubank ist zum zentralen Ansprechpartner benannt worden, die mit einer Service-Hotline Informationen und Hilfe anbietet.

Insgesamt stehen im Sofortprogramm 10 Mio. € Soforthilfe für die Thüringer Wirtschaft zur Verfügung. Diese werden ebenfalls hälftig finanziert von Bund und Land. Die Mittel sind für die Beseitigung von Hochwasserschäden bestimmt, damit der Arbeitsbetrieb schnell wieder aufgenommen werden kann, also etwa zur Finanzierung von Reparaturkosten, Ersatzbeschaffung von Maschinen und Anlagen, die Wiederbeschaffung von Vorräten und Lagerbeständen oder die Vermeidung von Folgeschäden.

Gefördert wird maximal die Hälfte der anfallenden Ausgaben bis zu einer Höhe von 100.000 €. Förderfähig sind Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft mit bis zu 500 Beschäftigten sowie Angehörige der freien Berufe. Darüber hinaus haben Kammern und der Verband der Wirtschaft Thüringens eine gemeinsame Patenschaftsinitiative mit den Unternehmen gestartet, um gegenseitige Hilfe zu leisten. Zudem können die betroffenen Unternehmen auf den Pool von Beratern und Sachverständigen bei den Kammern zurückgreifen.

Besonders erwähnen möchte ich die Bereitschaft der Kammern, für weggefallene Ausbildungsplätze Ersatzlösungen zu schaffen. Auch die Kammern informieren über ihre Initiativen. Auch das ist eine wichtige Form der Mithilfe, um die Schäden zu minimieren, um einander Solidarität zu üben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch für die Landwirtschaft haben wir ein Sofortprogramm aufgelegt. Landwirten, die durch Unwetterschäden Ertragsausfall zu verzeichnen haben, kann unter Umständen die Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen werden. Und beim Verlust von Aufzeichnungen oder Buchführungsunterlagen durch das Hochwasser entstehen keine steuerlichen

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Nachteile. Zunächst plant das Landwirtschaftsministerium ein spezielles Hilfsprogramm für landwirtschaftliche und gartenbauliche Unternehmen. Der Bund hat auch hier eine 50-prozentige Beteiligung an den Finanzhilfen für Überschwemmungsgebiete zugesagt. Auch Hilfen für betroffene Waldbesitzer und Fischereibetriebe werden von dem aufgelegten Programm umfasst. Sobald der Bund die beihilferechtlichen Voraussetzungen geklärt hat, können wir auch hier mit den Hilfen konkret starten.

Die konkreten Modalitäten der Finanzierung und Ausreichung der Hilfen aus dem nationalen Aufbaufonds werden noch bis zur parlamentarischen Sommerpause des Bundes Anfang Juli - also mit dem 5. Juli, mit der Verabschiedung - dann geklärt sein, so dass die Spielräume dann auch für diese Hilfe, was über die Soforthilfe hinausgeht, für den Wiederaufbau geklärt sein werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, alle Beteiligten, ob im Bund, im Land, in Europa, haben gezeigt, dass wir in Krisen wie dieser schnell und unbürokratisch helfen. An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz klar bei meinen Kabinettskollegen, die alle mitgezogen haben, und natürlich auch bei den Fraktionen hier im Thüringer Landtag herzlich bedanken. Sie alle waren im Land in schweren Tagen unterwegs. Sie haben zugehört, Sie haben Eindrücke gesammelt und entsprechend mit Tatkraft gehandelt. Dafür meinen Dank auch allen Beteiligten hier im Hohen Hause selbst.

(Beifall im Hause)

Mein Dank gilt auch den Fraktionen ausdrücklich für diese Gemeinsamkeit, für das Zeichen der Geschlossenheit und der Gemeinsamkeit mit dem gemeinsamen Antrag, der uns vorliegt. Die Folgen der Flut werden uns noch alle gemeinsam beschäftigen. Deswegen ist es gut, eine gemeinsame Basis zu haben, auf der wir auch hier im Hohen Haus miteinander die Dinge politisch debattieren und weiter auf den Weg bringen können. Ich setze dabei auch für die Zukunft auf diese Gemeinsamkeit aller Beteiligten, wie sie im gemeinsamen Antrag zum Ausdruck kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir haben gerade mit den Aufräumarbeiten und dem Wiederaufbau begonnen, wir wollen in die Zukunft schauen. Aber ich habe volles Verständnis dafür, wenn die Menschen jetzt fragen, was haben wir eigentlich aus der Flut im Jahr 2002 gelernt? Ich habe erst recht Verständnis dafür, wenn die Menschen von uns wissen wollen, wie wir sie in Zukunft noch besser schützen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, das Sommerhochwasser 2002 war eine Zäsur. Die Folgen von Überschwemmungen haben vielerorts dazu geführt, dass neu über Hochwasserschutz nachgedacht werden musste. Obwohl wir

damals nicht so stark betroffen waren wie unsere Nachbarn, hat auch das Land Thüringen aus dem Hochwasser vor elf Jahren gelernt und wichtige Konsequenzen gezogen. So hat der Freistaat im Zeitraum von 2001 bis 2012 an den Gewässern erster Ordnung ca. 81 Mio. € in konkrete Ertüchtigungs- und Neubaumaßnahmen investiert. Im gleichen Zeitraum hat der Freistaat Thüringen insgesamt 32,5 Mio. € an Fördermitteln für Gewässer zweiter Ordnung bereitgestellt und damit Investitionen von mehr als 40 Mio. € ermöglicht. Darüber hinaus wurde in Talsperren und Rückhaltebecken auch zur Verbesserung des Hochwasserschutzes investiert. Gegenwärtig befinden sich 65 km Deiche in der Phase der konzeptionellen Bearbeitung. Die Sanierung von 23 km Deichen befindet sich in der Planungsphase oder steht unmittelbar vor der baulichen Umsetzung. Dennoch konnten die eingeleiteten Maßnahmen die entstandenen Schäden nicht verhindern. Auch schon deshalb, weil die an der Weißen Elster und der Pleiße aufgetretenen Hochwasserstände auch deutlich über den Abflüssen der Jahrhundertflut von 2002 lagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir haben aber nicht nur Geld investiert, sondern auch in die Kooperation mit unseren Nachbarn investiert. Gemeinsam mit betroffenen Ländern wurde unter anderem ein enges Informationsnetz zu Pegelständen und potenziellen Risiken aufgebaut. So standen uns jederzeit lebenswichtige Informationen zur aktuellen Situation an den sächsischen Gewässeroberläufen zur Verfügung. Genauso hat sich das Talsperrenmanagement beim aktuellen Hochwasser bewährt. Durch die maximale Ausnutzung des Stauraums und die optimale Steuerung der Thüringer Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken konnte ein bedeutender Teil der extremen Niederschläge über lange Zeit zurückgehalten werden. Durch das Ausschöpfen der Möglichkeiten des Rückhaltebeckens Straußfurt und der Saaletalsperren konnten nicht nur die Thüringer Gebiete, sondern auch Gebiete in SachsenAnhalt, insbesondere im Raum Halle und Laucha, vor noch größeren Wasserständen bewahrt werden.

Die Flussgebietsgemeinschaft Elbe unter Thüringer Vorsitz hat bereits im vergangenen Jahr beschlossen, die Zusammenarbeit beim Gewässerschutz, auch beim Hochwasserschutz weiter zu intensivieren. Wir werden die Hochwassergefahren und Hochwasserrisikokarten, die jedes Jahr aufgrund europäischer Vorgaben erarbeitet werden müssen, eng untereinander abstimmen. Sie sind auch die Grundlage für einen gemeinsamen Risikomanagementplan, den die Flussgebietsgemeinschaft Elbe aufstellen wird. Ähnliche Regelungen streben wir auch in der Flussgebietsgemeinschaft Weser an, deren Vorsitz Thüringen jetzt in diesem Jahr 2013 gerade innehat.

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Im Bereich des Katastrophenschutzes, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurden auf der Grundlage einer im Jahr 2004 erstellten bundeseinheitlichen Gefährdungsabschätzung die erforderlichen Strukturen für einen modernen, leistungsfähigen Katastrophenschutz konzipiert. Durch eine Änderung des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes zum Jahreswechsel 2007/2008 hat das Land mehr Verantwortung für den Aufbau eines einheitlichen Katastrophenschutzniveaus im Freistaat übernommen. Dazu sind die erforderlichen finanziellen Mittel für die Aufgabenerfüllung von ehemals 3 Mio. € auf inzwischen weit über das Doppelte erhöht worden. Im Jahr 2012 wurden 8,26 Mio. € vom Land zur Verfügung gestellt. Zur Unterstützung von Katastropheneinsätzen wurden die vier bestehenden dezentralen Katastrophenschutzlager auf den Schwerpunkt Hochwasserbekämpfungsausstattung ausgerichtet und unter anderem eine strategische Sandsackreserve angelegt. Dafür hat der Freistaat seit 2008 rund 750.000 € bereitgestellt. Die Entwicklung der letzten zwei Wochen hat unsere damalige Entscheidung klar bestätigt.

Mit der Thüringer Katastrophenschutzverordnung aus dem Jahr 2010 wurden insbesondere die Aufstellung, Organisation und Ausrichtung der Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes weiter präzisiert. Seither sind ca. 90 Prozent der darin beschriebenen Einheiten einsatzfähig aufgestellt. Das Hochwasser 2013 war eine absolute Bewährungsprobe auch für den Katastrophenschutz. Mein erster persönlicher Eindruck ist, er hat sich organisatorisch und personell bewährt. Unser Katastrophenschutz ist gut aufgestellt. Wir werden aber weiter daran arbeiten, noch besser zu werden.

(Beifall im Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat nach dem Hochwasser 2002 besonnen reagiert. Wir dürfen auch jetzt nach dem diesjährigen Hochwasser nicht in planlosen Aktionismus verfallen. Wir müssen überlegt handeln. Hochwasserschutz darf kein kurzfristiges Handeln nach Hochwasserkatastrophen sein, es gilt vielmehr, sich kontinuierlich mit Tatkraft dem Hochwasserrisiko zu stellen und dies zu steuern.

Hochwasserrisikomanagement fängt mit einem ehrlichen Blick auf die vorhandenen Risiken an. Dazu hat die Landesregierung nach umfangreicher Analyse und Abstimmung mit den Kommunen Ende 2011 insgesamt 74 Gewässer mit einer Gesamtlänge von 1.873 km und einem Gesamtschadenspotenzial von 3 Mrd. € als Hochwasserrisikogebiet eingestuft. Für diese Risikogebiete werden aktuell Gefahren- und Risikokarten erarbeitet. Nach Abschluss der Arbeiten werden die Karten Ende 2013 veröffentlicht. Dann kann jeder Bürger, jedes Unternehmen, jeder Landwirt und jede Kommune erkennen, wie hoch das Hochwasserrisiko für sein

Grundstück, für seinen Acker oder für das Gemeindegebiet ist. Wir müssen hier eine ehrliche Debatte führen. Es ist nicht möglich, all diese Gebiete vor dem Risiko eines Hochwassers zu schützen. Das kann unser Land, das kann niemand leisten. Aber wir sind dafür verantwortlich, in diesen Gebieten keine neuen Risiken entstehen zu lassen. Wir müssen uns bewusst sein, Hochwasserschutz und dessen Verbesserung ist eine kontinuierliche Aufgabe, die niemals als abgeschlossen und fertig gelten kann. Es ist eine Generationenaufgabe und wir werden unseren Teil dazu beisteuern. Die Thüringer Landesregierung, namentlich das Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt, Natur, das Thüringer Innenministerium und das Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, hat hier bereits im vergangenen Jahr ein neues Landesprogramm Hochwasserschutz initiiert. Derzeit läuft ein umfassender Konsultations- und Planungsprozess. Bis Ende 2014 wird der Entwurf des Landesprogramms erstellt und sechs Monate öffentlich für Vorschläge und Stellungnahmen ausgelegt. Die Maßnahmen und Ziele werden anschließend in nationale und internationale Hochwasserrisikomanagementpläne integriert. Die Ziele des Landesprogramms werden auch unter dem Blickwinkel der aktuellen Hochwasserkatastrophe noch einmal geprüft werden und wir werden sie entsprechend weiterverfolgen.