Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Wenn man sich dann auch mal immer wieder den Spitzenplatz Thüringens bei den Betreuungsrelationen vor Augen hält, den sehr guten oberen Mittelplatz Thüringens bei den Gesamtausgaben für die Hochschulen, dann sollte man auch diese Balance in der Bewertung immer wahren.

Unzufriedenheit gibt es vor allem im wissenschaftlichen Mittelbau in Hinsicht auf eigene Karriereperspektiven. Ich denke, hier zeigt sich auch ein klarer Reformbedarf, insbesondere - und das ist hier mehrfach angesprochen worden - was die Situation der befristet Beschäftigten im Mittelbau betrifft. Jetzt lassen Sie mich aber dazu - ich gebe zu, ich bin da befangen, weil ich Ihnen mein eigenes Leben erzähle - sagen: Ich habe meine erste Stelle mit 30 gekriegt in einem städtischen Krankenhaus, die habe ich nach drei Jahren wieder aufgegeben, um mich auf eine befristete Assistentenstelle setzen zu lassen, die so lange befristet war, bis ich dann meine erste Professur kriegte, also der klassische Weg, der sich einem bietet, wenn man sich auf Wissenschaft als Beruf einlassen wollte. Ich gebe zu, ich habe auch nicht zu jedem Zeitpunkt gewusst, ob Wissenschaft mein Beruf werden würde.

Ich habe durchaus andere Karriereentscheidungen erwogen, aber nicht, weil die Beschäftigungsverhältnisse unsicher gewesen wären, und ich habe selbstverständlich auf 50-Prozent-Stellen gearbeitet, weil, seit ich denken kann, Promotionsstellen 50 Prozent und damit unter 60 Prozent sind, wie das heute mehrfach vorwurfsvoll ankam. Mein Vater, gebe ich zu, allerdings hat um die Zeit, als ich geboren wurde, auf einer Viertelassistentenstelle promoviert, das ging damals auch, wenn man mal die guten alten Zeiten vielleicht noch vorholt, auf die sich heute viele so berufen haben, weil ja alles schlechter wird in der Wissenschaft.

Es ist einfach ein nervenaufreibender Entscheidungsweg, der einen dazu bringt, ob man sich auf Dauer in der Wissenschaft glaubt bewähren zu können. Nur wenn man glaubt, sich bewähren zu können, wird Wissenschaft der Beruf sein, den man ergreift. Das kann man niemandem ersparen. Was man aber tun kann, ist, dass wir so früh wie möglich, also zu einer Zeit, wo jede andere Entscheidung keine Niederlage, sondern eine neue Möglichkeit einer Karriere ist entscheidend, dass wir diesen Zeitpunkt nach vorne verlagern. Eben deswegen müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass der wissenschaftliche Mittelbau in seinem allergrößten Teil sich in einer Phase der Qualifizierung und danach der Entscheidung darüber befindet, ob die Zukunft an der Hochschule in der Wissenschaft oder anderswo gefunden werden soll. Das heißt, wir müssen Arbeitsverhältnisse an der Hochschule primär - das ist mir wichtig zu sagen - auch aus der Wissenschaft heraus definieren, wenn wir über Wissenschaftler reden, und das wird möglicherweise in Teilpunkten ein bisschen anders sein, als wenn wir den öffentlichen Dienst per se betrachten wollen.

Die hohe Zahl von Befristungen ist genannt worden. Dass sie in Thüringen nicht so hoch ist, ist dankenswerterweise ebenfalls genannt worden. Ich denke, es ist ein wichtiger und es ist auch, wenn wir seine Erfüllung ausreichend im Auge haben, ein ausreichender Schritt, dass wir mit den Thüringer Hochschulen in der Ziel- und Leistungsvereinbarung die Beachtung der Richtlinien der Hochschulrektorenkonferenz vereinbart haben. Diese Richtlinien geben die wesentlichen Leitplanken vor, die es braucht, um die notwendige Befristung vieler Arbeitsverhältnisse an der Hochschule so zu gestalten, dass diejenigen, die befristet beschäftigt werden, die notwendigen Sicherungen haben. Es müssen zwei Aspekte gewahrt werden. Das eine ist Planbarkeit. Ich denke, es ist völlig eindeutig, dass Befristungsgründe klar definiert sein müssen und dass letztlich auch mit dieser Planbarkeit oder im Interesse dieser Planbarkeit auch klar sein muss, dass Befristung, die der Qualifikation dient, so gewählt sein muss, dass das Qualifikationsziel in dieser Zeit auch erreicht werden kann. Das ist das

(Staatssekretär Prof. Dr. Deufel)

zweite Argument, die Transparenz. Die Befristungszeiten müssen klar wiedergeben, worum es eigentlich geht. Ein wichtiger Aspekt ist die Befristung aus Qualifikationsgründen. Ich denke, es wird wesentlich sein und wir werden auch darauf zu achten haben, dass Befristungen für eine Promotion etwa einen Zeitraum umfassen, in dem eine Promotion sinnvollerweise auch zu leisten ist. Jetzt sage ich noch etwas: Wenn es sich dann herausstellt, dass die Promovendin am Ende noch drei Monate länger braucht, dann werden wir zu einer dieser Kurzbefristungen greifen müssen, die hier vielfach angesprochen werden. Dann werden wir den Prozentsatz derer, die nur drei Monate befristet beschäftigt sind, möglicherweise erhöhen. Auch das bitte ich zu beachten, wenn diese Horrorzahlen hier erwähnt werden, wobei ich noch einmal betonen will, eine regelhafte Befristung von Doktoranden auf Zeiträume von drei oder sechs Monaten halte ich für unangemessen und mit dem Ziel der Qualifikation für nicht vereinbar.

Ein zweites, durchaus schwierigeres Kapitel sind Befristungen auf der Basis von Drittmittelprojekten. Da ist das schlichte Problem, dass Hochschulen Drittmittelprojekte auf Zeit bekommen und dass einer Hochschule, die planen muss, nicht immer oder nur schwer zuzumuten ist, den entsprechend Beschäftigten länger einzustellen, als die Drittmittel der Hochschule zur Verfügung stehen. Das ist, sage ich mal, durchaus etwas, was Kanzlern den Schweiß auf die Stirn treiben kann, wenn dann eine Schwangerschaft mit entsprechenden Mutterschaftsausfällen dazwischen kommt, die Mittel auslaufen und ähnliche Dinge. Hier, denke ich, wird man darauf achten müssen, dass Hochschulen einerseits eine Personalpolitik zu betreiben haben, die für Unwägbarkeiten auch Vorkehrungen trifft und dass auch hier grundsätzlich die Befristungsdauern sich einerseits am Qualifikationsziel orientieren, wenn die Qualifikation angestrebt wird, oder jedenfalls einen Zusammenhang erkennen lassen mit der Gesamtdauer des Projekts.

Diese Dinge sind in den Empfehlungen der HRK aus unserer Sicht so klar geregelt, dass man doch Hochschulen mit Fug abverlangen kann, wenn sie sich danach richten, auch entsprechend wirkungsvoll hier das Thema Befristungen anzugehen.

Ein Zweites ist schon angesprochen worden. Wir sind unzufrieden, ich sage es noch mal, wir sind wirklich unzufrieden mit dem Frauenanteil in der Thüringer Wissenschaft. Wir können und wir werden uns nicht zufriedengeben mit dem sicheren letzten Platz, wie ich das den Rektoren gegenüber ausgedrückt habe, den Thüringen hier einnimmt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das begrüßen wir.)

Ich denke, da sind wir uns hier einig, das ist auch eine beispiellose Ressourcenverschwendung, wenn wir hinnehmen - das ist wiederum nicht nur Thüringen -, dass eben nach der Promotion der Frauenanteil in den akademischen Personalstrukturen dramatisch abnimmt (natürlich ein Grund, warum die Zahl der Befristungen bei den Frauen so drama- tisch - bis zur Promotion - so hoch ist, danach ge- hen sie dem Hochschulsystem leider in großer Zahl verloren). Das mag auch damit zu tun haben, dass wir an den Hochschulen oder in der Wissenschaft eine Arbeitskultur entwickelt haben, eine Männerkultur entwickelt haben, die Kriterien in den Vordergrund stellt, die klugen, begabten Frauen möglicherweise auch schlechterdings nicht als attraktiv erscheint. Ich sage es deswegen, weil auch dort, wo wir - und ich komme noch auf das Professorinnenprogramm zu sprechen - deutliche Anreize setzen und die Hochschulen sehr stark ermutigen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Un- terlassen Sie bitte die Drohungen.)

Frauen verstärkt zu berufen, uns Hochschulen dokumentiert berichten, dass die Zahl der Bewerbungen von Frauen auf solche Stellen durchaus zu wünschen übrig lässt. Also wir müssen auch etwas dafür tun, tatsächlich eine Kultur an den Hochschulen zu schaffen, dass Frauen in der Wissenschaft tatsächlich die Karriere an der Hochschule auch für sich selbst als attraktive Hochschule entdecken. Darauf aufgesetzt muss dieser Kulturwandel dazu führen, dass Frauen, die sich bewerben, dann auch eine ihnen angemessene Chance haben.

Wir haben im Übrigen erstens mit den Hochschulen in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen klare Ziele vereinbart, was sowohl den Anteil der Frauen in Abschlüssen als auch unter den Professoren betrifft. Wir haben das Gender-Kompetenz-Zentrum eingerichtet, das gerade die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten an den Hochschule deutlich stärken soll. Nicht alle Hochschulen waren begeistert von diesem Schritt, aber es ist jetzt drin. Wir fördern es auch mit 250.000 €.

(Beifall im Hause)

Danke. Wir haben - das ist mein letzter Punkt, ich kann Sie beruhigen

(Beifall im Hause)

sichergestellt, dass die Thüringer Universitäten sich an der zweiten Runde des Professorinnenprogramms erneut beteiligen können. Wir werden auch hier erreichen können, dass die Universitäten, die hier mitmachen, ihre Gleichstellungskonzepte - die sind auf Hochschulen angepasst - so ausarbeiten, dass wir uns dann von unserem Schlusslichtplatz, den wir einnehmen, entfernen können.

(Staatssekretär Prof. Dr. Deufel)

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist angesprochen worden, ich mache es ganz kurz. Wir sind intensiv eingebunden in diese Arbeit. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz so, wie es jetzt im Bundesrat vorliegt, nimmt viele der Grundlinien auf, die ich Ihnen hier versucht hatte, als notwendig zu entwickeln.

Lassen Sie mich schließen. Ich denke, dass die Thüringer Hochschulen erstens mit Ihrer Hilfe eine stabile, eine auch finanziell stabile Grundlage haben, dass wir in Thüringen eine Hochschullandschaft haben, auf die wir miteinander und mit den Hochschulen zusammen stolz sein können. Ich denke, dass wir gut beraten sind, uns mit den Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler zu beschäftigen, fortlaufend zu beschäftigen. Ich denke, dass unser Thüringer Hochschuldialog einen guten Beitrag dazu leisten kann.

Ich freue mich auf die Beratung dieser Anfrage im Ausschuss mit Ihnen zusammen und die Darstellung dessen, was mein Minister Ihnen hierzu an Konzepten vorzulegen hat. Danke schön.

(Beifall im Hause)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Alle Fraktionen haben die Beratung der Großen Anfrage und der Antwort der Landesregierung im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur beantragt, so dass wir jetzt zur Abstimmung kommen. Wer für diese Weiterberatung im Ausschuss ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung in allen Fraktionen. Wer ist dagegen? Gegenstimmen keine, Enthaltungen auch keine. Damit ist die Ausschussberatung einstimmig so beschlossen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt, ich schließe die Sitzung und lade Sie ein für die nächsten Sitzungen am 10., 11. und 12. Juli dieses Jahres hier in diesem Plenarsaal.

(Beifall im Hause)

Einen guten Nachhauseweg allen und ein schönes und hoffentlich auch erholsames Wochenende.

Ende: 18.29 Uhr