Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

(Beifall SPD)

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

So weit die Position des Koalitionspartners in der Regierungskommission und im Kabinett.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und der Experten.)

Das habe ich gesagt. Sie können sich auch auf Experten berufen. In der Regierungskommission war eine Mehrheit für diese Position nicht zu erreichen.

(Beifall SPD)

Für mich stellt sich das Bild wie folgt dar: Die bislang vorliegenden Argumente für eine grundlegende Neuordnung von Kreis- und Gebietsstrukturen reichen nicht aus und sie überzeugen daher auch nicht. Reine Analogieschlüsse zu anderen Ländern sind zu wenig.

(Beifall CDU)

Wir haben in Thüringen sehr erfolgreiche und wirtschaftlich gesunde Landkreise,

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD)

zum Teil kleine, es gibt auch flächenmäßig große, die finanziell klamm sind. Ich erkenne deshalb keine überzeugenden Argumente, die belegen, dass größere Kreisstrukturen auch zu mehr Effizienz und zu erheblichen Einsparungen führen würden.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf aus dem Hause)

Allein Geld löst das Problem nicht.

(Beifall CDU)

Das Gegenteil, so meine ich, ist der Fall. Eine Kreisgebietsreform würde zunächst einmal, und das ist auch unbestritten, Geld kosten.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunft kostet was.)

Das legen die Erfahrungen aus der Kreisgebietsreform 1993/1994 nahe. Mit finanziellen Einsparungen ist, wenn überhaupt, erst langfristig zu rechnen. Zudem drohen in großen, kaum noch überschaubaren Einheiten soziale Bindekräfte und Engagementbereitschaft verloren zu gehen. Gerade in den kleinen Gemeinden, in den Dörfern und kleinen Städten wird die Bürgergesellschaft aktiv gelebt.

(Beifall CDU, FDP)

Dort ist das Engagement für das Gemeinwesen, das Ehrenamt eine Selbstverständlichkeit. Bürgernahe kommunale Strukturen sind für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft von großer Bedeutung. Kreissitze stärken die soziale Struktur einer Region.

(Beifall CDU)

Welche Vorzüge mit ihnen verbunden sind, ist unübersehbar. Es muss möglich sein, dass der Landrat, die Landrätin, die ehrenamtlichen Kreistagsmit

glieder ihre Region noch überblicken, und die Bürgerinnen und Bürger müssen noch die Chance haben, ihren Landrat und ihre Landrätin auch persönlich zu kennen.

(Beifall CDU)

Deshalb haben wir hier im Thüringer Landtag auf Initiative der CDU-Fraktion im Jahr 2008 die Thüringer Landgemeinde in der Kommunalordnung verankert - auch dies eine Erfolgsgeschichte, an der wir festhalten sollten.

(Beifall CDU)

Deshalb setzt die CDU auch verstärkt auf eine Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit.

(Beifall CDU)

Bei allen Kontroversen ist klar, Thüringen ist geprägt durch den ländlichen Raum, durch seine Landschaften. Unser Land ist eine historisch und natürlich bedingt kleinteilige Region. 85 Prozent der Menschen in Thüringen leben im ländlichen Raum. Wir brauchen zukunftsträchtige Strukturen, aber sie müssen auch zum Land und zu den Leuten passen.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, deshalb hat die Landesregierung bislang gesetzliche Neugliederungen allein auf der Grundlage freiwilliger Beschlüsse der beteiligten Gemeinden vorgenommen. In der laufenden 5. Legislaturperiode des Thüringer Landtags hat die Landesregierung bisher insgesamt fünf Gesetzentwürfe zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden erarbeitet. Insgesamt waren damit in dieser Legislaturperiode 298 Städte und Gemeinden beteiligt, 118 Gemeinden wurden aufgelöst, 40 Gemeinden wurden in andere eingegliedert, 18 Verwaltungsgemeinschaften wurden aufgelöst, 2 neu gebildet, 11 Verwaltungsgemeinschaften wurden um insgesamt 13 Gemeinden erweitert. Ich meine, wir reden hier nicht von einer Kleinigkeit.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das nennt sich Freiwilligkeit.)

Fast 600.000 Einwohner Thüringens waren von den Gemeindeneugliederungen direkt oder indirekt betroffen,

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Frei- williger Zwang.)

das ist fast ein Viertel der Bevölkerung. Fast 300 Kommunen haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, neue Strukturen zu schaffen. Die Gemeindestrukturen in Thüringen sind also alles andere als in Stein gemeißelt. Eine Blockade gibt es nicht, das belegen die Zahlen. Es herrscht Dynamik vor Ort und das ist entscheidend.

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

(Beifall CDU)

Ich will diese Bewegung auch noch einmal in ein Gesamtbild einordnen, wenn ich bis auf das Jahr 1990 zurückgehe. Damals hatten wir 1.700 kreisangehörige Gemeinden. Zum 1. Dezember 2009 waren es noch 945, damit sind wir in diese Legislaturperiode gestartet. Bis zum Ende 2012 hat sich die Zahl der Gemeinden auf nur noch 872 verringert. Mit der Verabschiedung des Gemeindeneugliederungsgesetzes 2013, was voraussichtlich im Dezember dieses Jahres hier im Hohen Haus der Fall sein wird,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was heißt voraussichtlich? Es wird verabschiedet.)

wird Thüringen nur noch 843 Gemeinden haben,

(Beifall CDU)

also auch in dieser Legislaturperiode mehr als 100 weniger. Es ist also in den vergangenen Jahren und besonders auch in dieser Legislaturperiode viel passiert. Wir werden diesen erfolgreichen Weg der Gemeindeneugliederung weiter fortsetzen. Wir gehen von unten nach oben vor. Wir denken von den Gemeinden, von der Basis aus.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, leistungsfähige Gemeinden bilden das Fundament, auf dem sich Thüringen als Ganzes erfolgreich entwickeln kann. Mit der demografischen Entwicklung werden die meisten Städte und Gemeinden im Freistaat weiter schrumpfen. Wir wollen und müssen daran festhalten, den ländlichen Raum als Lebens- und Wirtschaftsraum zu sichern und zu stärken. Wir wollen seine Attraktivität als Natur-, Kulturund Erholungsraum erhalten und entwickeln. Wir müssen uns darauf einrichten, Standards und Aufgaben immer wieder neu zu überprüfen. Möglicherweise müssen wir auch das Netz der Daseinsvorsorge an mancher Stelle weitmaschiger knüpfen, aber wir dürfen das Netz nicht zerschneiden.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Reformen sind kein Selbstzweck. Es geht mir vielmehr darum, neue Chancen zu eröffnen, Handlungsspielräume zurückzugewinnen. Dafür müssen wir heute die Weichen richtig stellen. Es ist alles andere als einfach, Menschen für Reformen zu gewinnen, wenn sich die Verbesserungen erst nach Jahren einstellen oder gar erst nachfolgenden Generationen zugute kommen. Mehr denn je ist heute der Einzelne gefordert, sich einzubringen und mitzumachen. Unser Gemeinwesen ist darauf angewiesen. Ohne das Engagement des Einzelnen lässt sich Eigenständigkeit kaum aufrechterhalten. Das gilt im Besonderen für die Verwaltung, aber es gilt auch für die Gesellschaft insgesamt. Wir haben

uns auf den Weg gemacht; dieser Weg ist lang und mühevoll.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Und er ist bald zu Ende. Nächstes Jahr endlich! Diese Qual hat ein Ende.)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alles fromme Wünsche!)

Er birgt auch manche Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Manchen Stein haben wir in den vergangenen Jahren schon aus dem Weg geräumt. Wir sind gestärkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise vom Beginn der Legislaturperiode herausgekommen. Ich bin überzeugt, der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist der Mühe wert, denn dann wird Thüringen im Jahr 2020 auf eigenen Füßen stehen, dann wird unser Land auch in weiter Zukunft ein lebenswertes, ein eigenständiges und innovatives Land sein, ein Land mit soliden Finanzen, ein Land, das Unternehmen attraktive Standortbedingungen bietet, in dem auch künftig Investitionsentscheidungen getroffen werden, wie gerade erst und eingangs zitiert in Jena, ein Land, in dem die Menschen gern und gut leben, und ein Land der leistungsfähigsten und effizientesten Verwaltungen in Deutschland und in Europa. Hieran wollen wir uns messen lassen und hieran werden wir weiter arbeiten. Herzlichen Dank.