Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Danke schön, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion der FDP spricht der Abgeordnete Bergner.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ich habe hohen Respekt vor den Müttern und Vätern der Verfassung des Freistaats Thüringen. Die haben sich etwas dabei gedacht, als sie in Artikel 93 hineinformuliert haben, dass das Land verpflichtet ist, den Kommunen eine angemessene Finanzausstattung zu sichern. Das ist keine Verfügungsmasse, das ist ein Verfassungsanspruch.

(Beifall DIE LINKE)

Der Kommunale Finanzausgleich soll den Gemeinden die Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung sichern. Die Ermittlung der angemessenen Finanzausstattung muss ständig überprüft und entsprechend angepasst werden, siehe § 3 Abs. 3 FAG. Der Gesetzentwurf der Landesregierung soll diese geführte Revision umsetzen.

Meine Damen und Herren, ich denke, die Kommunen beschweren sich zu Recht über das neue Finanzausgleichsgesetz, denn dessen Regelungen sind eben nicht nachvollziehbar, sie sind nicht transparent. Genau das kritisieren wir.

(Beifall FDP)

(Abg. Hey)

Exemplarisch dafür ist der Umgang mit dem KitaGesetz, für dessen Finanzierung die Schlüsselmasse zwar um 90 Mio. € erhöht wurde, die allerdings an anderer Stelle wieder herausgestrichen wurde. Für mich war jetzt schon spannend, auch dieses Spannungsfeld innerhalb der Regierungskoalition beobachten zu dürfen. Hier ist noch richtig handwerkliche Arbeit zu leisten.

Vor allem aber haben die Kommunen und Landkreise das Recht, offen und transparent zu erfahren, wie es zu den Zahlen im FAG kommt. Wenn selbst die Experten die Berechnungen als undurchsichtig und willkürlich brandmarken, dann ist es kein Wunder, wenn sich Bürgermeister, Landräte und Kreistagsabgeordnete doch ein gutes Stück weit vom Innenministerium und vom Kultusministerium veralbert fühlen. Die FDP-Fraktion hat deshalb bereits im Juli eine Normenkontrollklage beim Thüringer Verfassungsgerichtshof eingereicht mit dem Ziel, Rechtssicherheit für die Kommunen zu schaffen.

(Beifall FDP)

Im Rahmen der Revision wurden prognostizierte Steuereinnahmen der Kommunen für das Jahr 2011 angenommen; dies erfolgte durch fiktive Hebesätze.

Meine Damen und Herren, ich habe gestern bereits in der Aktuellen Stunde, die auch dem Ziel diente, genau dieses Thema besonders hervorzuheben, Ihnen ausführlich geschildert, was für eine Vielzahl verschiedener Hebesätze es gibt. Mit Blick auf die Uhr möchte ich Ihnen das heute nicht erneut zumuten.

(Beifall FDP)

Der § 3 Abs. 2 FAG spricht aber von tatsächlichen Steuereinnahmen. Ob eine fiktive Anrechnung von Steuereinnahmen ohne Rechtsgrundlage erfolgen kann, meine Damen und Herren, das sehen wir ausgesprochen und außerordentlich kritisch.

(Beifall FDP)

Natürlich - und jetzt möchte ich auf das kommen, was auch Kollege Fiedler gesagt hat - werden die Kommunen durch die fiktiven Hebesätze nicht direkt zur Anhebung der Hebesätze gezwungen, da keine offizielle Verpflichtung besteht, diese auch tatsächlich umzusetzen. Wer aber nicht lebensfremd ist, der weiß, wie es den Kommunen finanziell geht. Man kann somit davon ausgehen, dass Kommunen die Hebesätze anheben müssen, um diese fiktive Anrechnung zu kompensieren. Indirekt werden die Kommunen dazu gezwungen, da ihnen das Geld verloren geht, das dringend benötigt wird, meine Damen und Herren. Genau das ist nicht in Ordnung. Bei der Anhebung der fiktiven Hebesätze ist völlig unbeachtet geblieben, dass unterschiedliche Gemeindestrukturen bei den Hebesätzen be

rücksichtigt werden müssen. Da langt es nicht, einfach nur nach größeren Strukturen zu schreien.

(Beifall FDP)

Denn selbst wenn mehrere Gemeinden im ländlichen Raum zusammengeschlossen werden, bleibt es immer noch ein ländlicher Raum mit all den Nachteilen, die er hat. Deswegen ist es so, dass sich Bundesländer mit einwohnerstarken Kommunen meist etwas höhere Hebesätze leisten können, weil die die Standortvorteile haben, die auch Menschen, Unternehmen dorthin locken. Ich bleibe bei dem, was ich gestern gesagt habe: Städte und Gemeinden müssen die Chance haben, auch die Nachteile von ländlichen Räumen entsprechend abzufedern.

Die Kommunen in Thüringen - und Thüringen ist ein klein strukturiertes Flächenland - erheben bereits jetzt schon die höchsten Gewerbesteuersätze im Vergleich zu anderen ländlich geprägten Flächenländern. Durch den Zwang, Gewerbesteuerhebesätze anzuheben, wird den Kommunen jeglicher Spielraum genommen, sich für Gewerbetreibende attraktiv zu präsentieren.

Mit einer derartigen Vorgehensweise, meine Damen und Herren, vergrault man nicht nur Unternehmen, sondern man beschleunigt gleichzeitig die Abwanderung der Bürger aus dem ländlichen Raum.

(Beifall FDP)

Das ist genau der Weg in die falsche Richtung. Ich sage es noch einmal, ich glaube nicht daran, dass das Anheben der Gewerbesteuern tatsächlich auch auf Dauer zu mehr Einnahmen führen wird, weil die Unternehmen versuchen werden, sich anderweitig zu entziehen. Da gibt es die Möglichkeit der Abwanderung, aber es gibt eben auch die Möglichkeit, bei Unternehmen Teile auszugründen, um damit die Grenzen für das Erheben von Gewerbesteuern zu unterschreiten. All das, meine Damen und Herren, werden wir erleben.

Am Ende, meine Damen und Herren, sind die Bürger die Betroffenen, da diese die Kosten über die Grundsteuer bezahlen werden. Bei der Grundsteuer - ich habe es gestern schon einmal gesagt - …

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Mit Blick auf die Uhr, denke ich, sollten wir heute etwas stringent arbeiten.

(Beifall FDP)

Die Grundsteuer, meine Damen und Herren, ist eine Steuer, der die Menschen nicht so ohne Weiteres ausweichen können, und es trifft genau die, die ohnehin schon Probleme haben mit Omas Häuschen, das sie geerbt haben, gerade so über die Runden zu kommen. Es trifft auch die, die große Grundstücke geerbt haben und sie nicht verkaufen können bei dieser Marktsituation, die wir haben.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, es trifft - und auch das habe ich gestern geschildert - die Mieter über die Warmmiete; auch das halten wir für nicht vertretbar.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dass die FDP so ein soziales Gewissen hat!)

Ja, sehen Sie, Herr Kollege Kuschel, mich hat auch gewundert, dass Ihnen das fehlt. Ich muss Ihnen eines sagen: Ihre Forderung nach höheren Steuern möchte ich an dieser Stelle ganz eindeutig stark kritisieren.

(Beifall FDP)

Kommen wir zum Thüringer Kita-Gesetz. Wir haben prognostizierte Ausgaben von insgesamt 529,73 Mio. €. Der prognostizierte Mehrbedarf beläuft sich auf 90,43 Mio. €, das bedeutet einen ungedeckten Finanzbedarf 2011 von insgesamt 442,23 Mio. €. Dieser soll durch Landespauschalen in Höhe von 172,4 Mio. € als zweckgebundene Zuschüsse und durch die Schlüsselmasse mit 269,83 Mio. € nicht zweckgebunden gedeckt werden. Das Problem ist, trotz steigenden Finanzbedarfs der Gemeinden bleiben die zweckgebundenen Zuschüsse des Landes gleich und die Kommunen müssen prüfen, ob alles, was nicht durch die Landespauschale gedeckt wird, durch Erhöhung ihres Eigenanteils und Mittel aus der Schlüsselmasse abgedeckt werden kann. Da die Mittel überwiegend nicht ausreichen werden, die im Jahr 2011 anfallenden Aufgaben zu finanzieren, werden die Gemeinden zunächst die Gebühren der Kindertageseinrichtungen erhöhen und genau das erleben wir und genau das ist nicht das, was uns mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs seinerzeit versprochen worden ist.

(Beifall FDP)

Insofern wäre es zumindest notwendig gewesen, den Mehrbedarf von 90,43 Mio. € vollständig auf die zweckgebundene Landespauschale umzulegen.

Heute, meine Damen und Herren, haben Sie hier die „Katze aus dem Sack“ gelassen und gesagt, man muss auch gegenrechnen, welche Einnahmen die Kommunen durch höhere Steuereinnahmen versäumt haben. Das ist schon ein Stück weit unehrlich gegenüber dem Ansatz des Kita-Gesetzes gewesen.

(Beifall FDP)

Kommen wir zur Reduzierung der Verbundquote von 2,25 Prozent auf 1 Prozent gemäß Neuregelung nach § 3 Abs. 1 des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes.

Die Reduzierung der Verbundquote wird mit dem Rückgang der Leistungskraft des Landes wegen sinkender Steuereinnahmen begründet, obwohl steigende Steuereinnahmen für die nächsten Jahre prognostiziert wurden. Da passt etwas ganz eindeutig nicht zusammen. Die Steuerschätzungen vom Mai 2010 stehen demnach im Gegensatz zu der Begründung des Gesetzentwurfs zur Senkung der Verbundquote. Kollege Kuschel hat das vorhin schon ganz gut dargestellt. Deswegen ist die Reduzierung um 67,9 Mio. auf 54 Mio. € eben nicht nachvollziehbar, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wenn wir die Veränderung der Auftragskostenpauschale mit Einsparungen von 18,15 Mio. € sehen, dann muss man sagen - die Korridorbereinigung ist heute ja auch schon ausführlich diskutiert worden -, abweichend von der bisherigen Methode der Korridorbereinigung sollen eine separate Betrachtung jeder einzelnen übertragenen Aufgabe erfolgen und dabei jeweils die drei am wirtschaftlichsten arbeitenden Kommunen innerhalb eines Verwaltungstyps ermittelt werden. Thema Benchmarking: Wir sollten die Anforderungen, was Benchmarking anbelangt, bitte schön auch an das Land selber stellen, meine Damen und Herren, bevor wir bei den Kommunen damit anfangen.

(Beifall FDP)

Ich teile deswegen auch die Ausführungen des Gemeinde- und Städtebunds zur Korridorreduzierung.

Meine Damen und Herren, die Probleme bei der Umsetzung sind eben die, dass die Sachverhalte vergleichbar sein müssen, dass regionalen Besonderheiten Rechnung getragen werden muss und wie wir sehen, wird das im Einzelfall sehr schwierig sein. Dann weisen Sie einen Minderbedarf aufgrund der demographischen Entwicklung mit Einsparungen von 11,5 Mio. € aus. Erstmalig wird damit die demographische Entwicklung als Faktor zur Bestimmung des angemessenen Finanzbedarfs mit einbezogen. Es wird unterstellt, dass der Rückgang der Einwohner in Thüringen maßgeblichen Einfluss auf den Finanzbedarf der Kommunen hat, z.B. durch organisatorische Anpassungen in der Verwaltung, Rückgang der Schülerzahlen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie in den Gemeinden unterwegs sind, werden Sie sehen, dass dort bereits so weit reduziert worden ist, dass das in vielen Orten nicht funktionieren wird, und was die Infrastrukturausgaben von Kommunen anbelangt, wird keine Straße, keine Straßenbahn, keine ande

re Infrastruktureinrichtung kleiner oder kürzer, bloß weil in den Ortsteilen vielleicht weniger Menschen wohnen.

(Beifall FDP)

Es ist eben so, dass viele Kosten der Gemeinden Fixkosten sind und nicht mit einem stetigen Rückgang der Einwohner in Verbindung gesetzt werden können. Man könnte auch die Behauptung aufstellen, dass durch die jetzige Einbeziehung des Faktors „demographische Entwicklung“ die Flächengemeinden weiter massiv benachteiligt werden sollen, und genau dem werden wir uns entgegenstellen.