Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall CDU, FDP)

Was wir hier erleben, ist nicht nur Gewalt gegen Sachen, es ist gezielte Gewalt gegen Menschen in einer Dimension, die können und dürfen wir nicht tolerieren. Ich sage ganz deutlich: Gleiches Maß für alle.

(Beifall CDU, FDP)

Auch das gehört zum Rechtsempfinden des Bürgers und vor allem junger Menschen und deswegen

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

sage ich in aller Klarheit: Der Staat, die wehrhafte Demokratie muss in aller Härte gegen diesen menschenverachtenden Terrorismus vorgehen. Für mich gibt es an dieser Stelle ebenfalls null Toleranz.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Bei allen Daten, die uns Sorge bereiten, konstatiert der Thüringen-Monitor unterm Strich aber, und das ist mir wichtig zu betonen, dass die Demokratie von den Thüringerinnen und Thüringern geschätzt und mitgetragen wird. Aber der Garten unserer Demokratie muss weiter sorgfältig gepflegt werden, damit er blüht. Das ist eine wichtige Aufgabe der Politik und der Gesellschaft insgesamt. Eine Demokratie braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich für Politik interessieren, Bürger, die Politik gestalten, sich für das Wohl unserer Gesellschaft einsetzen wollen. Der freiheitlich demokratische Rechtsstaat ist auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger angewiesen.

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, komme ich zum zweiten Teil des Thüringen-Monitors, den speziellen Fragestellungen dieses Jahres, nämlich zu den Staatsaufgaben und den Staatsausgaben. Die Autoren haben mit großer Sorgfalt die sozioökonomische Lage Thüringens untersucht. Es ist offensichtlich, dass der moderne soziale Staat nur dann seine umfangreichen Aufgaben erfüllen kann, wenn auch die wirtschaftliche Entwicklung die nötigen Einnahmen ermöglicht. Deshalb muss bei der Frage nach den Staatsausgaben und Staataufgaben die wirtschaftliche Gesamtsituation Thüringens betrachtet werden.

Aus den Anfang Mai erhobenen Daten des Thüringen-Monitors lässt sich auch die damalige wirtschaftliche Großwetterlage Deutschlands gut herauslesen. 60 Prozent der Befragten schätzten die Lage des Landes als gut ein. Zum Vergleich: Im Januar 2010, in der Spätphase der Finanz- und Wirtschaftskrise, teilten nur 38 Prozent diese Ansicht. Es ist also nicht nur der stärkste Anstieg von einem Jahr zum nächsten, es ist auch der höchste Wert, der je im Thüringen-Monitor gemessen worden ist, und es ist das erste Mal, dass die persönliche Lage, die in der Regel immer besser eingeschätzt worden ist als die allgemeine Lage, jetzt deckungsgleich geworden ist auch mit der allgemeinen Lage in Thüringen. Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis; darauf können wir auch ein Stück stolz sein.

(Beifall CDU)

Die positive Meinung der Mehrheit der Thüringer deckt sich damit auch mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation. Im ersten Halbjahr 2011 ist das Bruttoinlandsprodukt, wie wir heute wissen, im Freistaat Thüringen um 4,1 Prozent gewachsen; das ist über dem Bundesdurchschnitt und im europäischen Rahmen ohnehin. Mehr noch: Der Auf

schwung kommt bei den Menschen an. Im September 2011 hat Thüringen mit 8,1 Prozent die niedrigste jemals gemessene Arbeitslosenquote verzeichnet. Wir haben es auch entlang der Landkreise an der ehemaligen innerdeutschen Grenze von Sonneberg über Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen, Wartburgkreis bis ins Eichsfeld verspürt. Wir haben im Grunde Landkreise mit einer ähnlichen Quote wie die entsprechenden südwestlichen Nachbarländer Bayern, Hessen und Niedersachsen zu verzeichnen. Das ist der mit Abstand beste Wert unter den jungen Ländern. Man kann sogar sagen, dass wir Anschluss an die alten Länder finden. Das Flächenland Nordrhein-Westfalen, so viel sei in Erinnerung gerufen, hat nur eine geringfügig niedrigere Arbeitslosenquote mit 7,8 Prozent und war exakt im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt bei der Quote, die wir heute haben.

(Beifall CDU)

Ich rechne im Übrigen auf kurze Frist - das kann sich auch wieder ändern, nichts ist selbstverständlich und nichts muss auf die Dauer stabil sein - in Übereinstimmung mit der Regionaldirektion für Arbeit in Halle, die ja für Thüringen und Sachsen-Anhalt zuständig ist, mit einer weiteren Belebung des Arbeitsmarktes im Herbst. Allerdings könnte die Schuldenkrise - deswegen sage ich, nichts ist selbstverständlich - in der Eurozone für Thüringen noch Risiken bergen, die wir derzeit noch nicht absehen können. Ich verweise auf die Aktuelle Stunde, die wir am gestrigen Tage dazu geführt haben. Diese Rahmenbedingungen können wir nicht beeinflussen. Das ändert aber nichts daran, dass Thüringen heute im Jahr 21 der deutschen Einheit wirtschaftlich hervorragend dasteht. Wir können den Aufschwung nutzen. Dass wir ihn nutzen können, ist der Erfolg eines beispiellosen Gemeinschaftswerkes über zwei Jahrzehnte hier im Freistaat Thüringen,

(Beifall CDU)

ein Gemeinschaftswerk der früheren Landtage in diesem Haus, der Vorgängerregierungen, aber auch der vielen Menschen im Land, von Tausenden von engagierten Thüringer Unternehmerinnen und Unternehmern mit persönlichem Risiko, die für ihre Geschäftsentscheidung einstehen, aber auch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihrer Leistungsbereitschaft erheblichen Anteil am Erfolg unserer Unternehmen haben. Darauf bauen wir auch in der heutigen Landesregierung auf. Ich füge hinzu, es ist auch die Solidarität, die wir innerdeutsch durch den Solidarpakt durch die alten Länder erfahren haben und auch von der Europäischen Union. So viel auch zum solidarischen Verhalten in Europa.

(Beifall CDU, SPD)

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Wir können mit Selbstbewusstsein auf das Erreichte zurückblicken und wir tun es auch. Neun von zehn Befragten erklären im Thüringen-Monitor 2011, so wörtlich: „Auf das, was hier in Thüringen seit 1990 erreicht wurde, kann man stolz sein.“ - 90 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer.

(Beifall CDU, SPD)

Das sagt sogar die überwiegende Mehrheit jener Befragten, die sich benachteiligt fühlen oder sich nach der DDR zurücksehnen. Sie sind dennoch stolz auf das bislang Erreichte und ich sage ganz ehrlich und frei, ich bin es auch. Der erfolgreiche Weg Thüringens in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat auch dazu beigetragen, das Identifikationsgefühl zu stärken. 56 Prozent der Befragten verstehen sich in erster Linie als Thüringer, ein Wert, der erstmals seit Beginn der Erhebung deutlich über 50 Prozent liegt. Also auch hier haben wir diesen Sprung zu diesem Jahr 2011.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir sind Thüringen.)

(Beifall CDU, FDP)

Was ist Thüringen?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist Thüringen? Genau!)

Genau. Das ist Thüringen, auch das. 30 Prozent sehen sich zunächst als Deutsche, auch ein stabiler Wert seit Jahren. Dass sich nur 5 Prozent der Thüringer in erster Linie als Europäer sehen, stellt den bislang niedrigsten Wert seit Beginn der Befragungen 2001 dar. Es liegt nahe, die Verbindung herzustellen zu den Nachrichten, die seit Monaten die Menschen beunruhigen und auch uns hier im Hohen Haus. Die immer neuen Maßnahmen zur Stabilisierung der angeschlagenen Euroländer beschäftigen Politik und Bürger nun schon seit eineinhalb Jahren, ohne dass ein wirkliches Ende dieser Krise in Sicht wäre und das treibt die Menschen um. Auch der Europäische Rettungsschirm, über den Bundestag und Bundesrat Ende September abgestimmt haben, zum Glück mit einem deutlichen Signal, ersetzt nicht die notwendigen Reformanstrengungen, insbesondere Griechenlands selbst, die uns noch alle lange Zeit beschäftigen werden. Ich halte diese Maßnahmen für notwendig. Die diskutierten Alternativen - von Eurobonds bis zur Insolvenz Griechenlands - kämen uns aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich teurer. Der Präsident des Thüringer Rechnungshofs hat darauf hingewiesen, dass der Thüringer Haushalt infolge des Zinsanstiegs durch Vergemeinschaftung von Schulden beispielsweise um circa 450 Mio. € belastet werden würde. Das wäre eine dramatische Situation und würde die Zukunftsfähigkeit des Landes und den Sanierungskurs im Freistaat nachhaltig infrage stel

len. Deswegen kann ich nur sagen, wir brauchen für Europa eine Stabilitätsunion. Es geht um Europa als Ganzes und in Europa - das ist unsere Erkenntnis - liegt unsere Zukunft, die Zukunft Thüringens. Deswegen ist die Vergemeinschaftung von Schulden die denkbar schlechteste Alternative für Deutschland und Europa.

(Beifall CDU)

Deswegen sollten wir ein vitales Interesse haben, die aktuelle Krise tatsächlich zu bewältigen und die vereinbarten Hilfen zu leisten. Bei aller notwendigen Solidarität muss aber der Grundsatz der Subsidiarität weiter gültig bleiben. Es gibt Unterstützung nur gegen ambitionierte eigene Anstrengungen, die Krise zu bewältigen.

Bei aller berechtigten Kritik an den in Not geratenen Euro-Staaten sollten wir uns aber auch erinnern ich erwähnte es bereits im Zusammenhang mit unserer erfolgreichen Entwicklung -, dass Deutschland in der Vergangenheit ebenfalls auf die Hilfe und Solidarität anderer Staaten angewiesen war. Ohne europäische Solidarität hätte es die deutsche Einheit und auch den Aufbau Thüringens in dieser erfolgreichen Entwicklung so nicht gegeben.

(Beifall CDU)

Nun sind auch in Deutschland für die Stabilität unserer Währung alle staatlichen Ebenen in die Pflicht genommen - Bund, Länder und Kommunen. Das sehen wir wohl. Die Auswirkungen einer Überschuldung des Staates werden uns gerade in Europa drastisch vor Augen geführt. Die europäische Schuldenkrise zeigt, nur eine verbindliche Regelung zur Begrenzung der Schuldenpolitik ist das wirksamste Instrument für die Mitgliedstaaten. Dass Spanien beispielsweise die deutsche Schuldenregelung und Schuldenbremse übernommen hat, zeigt, dass wir in Deutschland offenbar doch auf dem richtigen Weg sind, so auch in Thüringen. Wir wollen und müssen unseren Beitrag leisten, die Staatsfinanzen zu konsolidieren, aus gutem Grund.

Im Jahr 2020 wird sich die Einnahmeseite des Landeshaushalts um bis zu einem Drittel verringern. Dieser große Konsolidierungsbedarf zwingt zu einer frühzeitigen Anpassung staatlicher Leistungen und Strukturen. Dabei stehen wir in Thüringen nicht allein, die anderen jungen Länder sind ebenso betroffen. Die Autoren des Thüringen-Monitors stellen dazu fest, so wörtlich: „Die Notwendigkeit der Anpassung Thüringens wie der neuen Länder insgesamt an die finanzwirtschaftliche Normallage aller deutschen Länder ist Bestandteil eines grundlegenden Paradigmenwechsels im deutschen föderalen Finanzverbund.“ - so weit der Thüringen-Monitor.

Die Landesregierung teilt diese Auffassung. Deshalb haben wir bereits im vergangenen Jahr den Paradigmenwechsel für den Freistaat Thüringen vollzogen. Denn Thüringen hat heute noch die

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Möglichkeit, für die Zukunft vorzusorgen. Wir wollen und müssen diese Chance nutzen, auch um uns noch im Jahr 2020 einen Handlungsspielraum zu erhalten. Der Diskussionsprozess über das Leitbild Thüringen 2020, den ich im vergangenen Jahr angestoßen habe, hat mir bestätigt, es ist richtig, politisches Handeln stärker an längeren Zeiträumen zu orientieren.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Hört, hört!)

Jawohl, und ich stehe als Ministerpräsidentin für eine Politik, die eben nicht von Wahltermin zu Wahltermin hechelt, sondern für eine Politik, die über Legislaturperioden hinaus denkt. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass das Vertrauen in die politischen Institutionen dann steigt, wenn wir aufhören, Politik immer danach auszurichten, was vielleicht gerade parteipolitisch opportun ist und kurzfristig Applaus bringt, aber nachhaltig nicht prägt. Nein, wir müssen auch Entscheidungen treffen, die zunächst unbequem sind, die Widerspruch hervorrufen, die kontroversen Debatten dann aber auch ausgesetzt werden müssen,

(Beifall CDU, SPD)

auch standhalten müssen, die sich aber langfristig auszahlen. Und oft zeigt sich die Richtigkeit von Politik erst Jahre später. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir jetzt bereit sein müssen, Einschnitte vorzunehmen, um 2020 erfolgreich sein zu können.

Mit Blick auf die vergangenen 12 Monate habe ich den Eindruck, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit gestiegen ist, den Landeshaushalt zu konsolidieren, im Parlament ebenso wie in der Bevölkerung. Die große Zustimmung zur Konsolidierungspolitik, wie sie im Thüringen-Monitor zum Ausdruck kommt, bestätigt diesen Eindruck. Auch hier wörtlich aus dem Monitor: „82 Prozent geben Ausgabenkürzungen gegenüber Steuererhöhungen (11 Prozent) oder der Aufnahme neuer Schulden (8 Prozent) den Vorzug. Auch der Vorschlag, die Aufnahme neuer Schulden in der Verfassung zu verbieten, findet eine wenn auch geringere, so doch deutliche Mehrheit (61 Prozent).“

(Beifall CDU)

Die Mehrheit, die sich für eine Schuldenbremse ausspricht, gilt im Übrigen parteiübergreifend, wie das auch in anderen Werten der Fall ist. Hier liefert der Thüringen-Monitor außerordentlich interessante Daten. Ich möchte klarstellen: Sparen ist für uns kein Selbstzweck. Wir sparen nicht um des Sparens Willen. Es geht aber darum, uns auch in Zukunft noch Handlungsspielräume zu erhalten und vor allen Dingen der nachfolgenden Generation. Auch das ist eine Aufgabe von Generationengerechtigkeit, von solidarischem Verhalten, den Blick auf die Zukunft gerichtet.

(Beifall CDU)

Eine Finanzpolitik ist also eine Frage der Generationengerechtigkeit. Ich möchte Ihren und auch meinen Kindern - ich glaube, darüber gibt es großes Einvernehmen - ein Land anvertrauen, da sehe ich mich auch moralisch in der Pflicht, in dem es ihnen in Zukunft nicht schlechter gehen soll als uns heute, sondern mindestens ebenso gut. Ich denke, das ist ein Konsens, auf den wir uns in der Tat alle einlassen können.

(Beifall CDU, SPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, vor wenigen Wochen hat die Landesregierung den Entwurf für den Landeshaushalt 2012 in den Landtag eingebracht. Finanzminister Voß hat ihn hier im Parlament vorgestellt. Ich habe im Haushalts- und Finanzausschuss über die Eckdaten noch einmal Bericht erstattet. Derzeit ist ja die Beratung der Einzeletats in den Ausschüssen. Sie kennen also die Fakten zur Genüge. Ich nenne sie dennoch noch einmal, weil nicht jeder Finanzexperte im Einzelnen ist. Deswegen: Das wichtigste finanzpolitische Ziel für 2012 ist und bleibt, keine neuen Schulden aufzunehmen,

(Beifall CDU)