Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Ich komme nun zum zweiten großen Aufgabenfeld der Sicherheitsbehörden, der Gefahrenabwehr. Die Gefahrenabwehr ist bekannterweise Ländersache. Im Thüringer Polizeiaufgabengesetz ist auf Grundlage von § 34 a und b der verdeckte Zugriff auf Computer zur Überwachung internetbasierter Telefonie zu Zwecken der Gefahrenabwehr erlaubt. Gemäß § 34 b Abs. 8 Polizeiaufgabengesetz ist die Landesregierung verpflichtet, dem Landtag jährlich über die durchgeführten Maßnahmen der präventivpolizeilichen Telekommunikationsüberwachung Bericht zu erstatten. Danach sind im Berichtszeitraum 2008 bis 2010 keine Maßnahmen zur Anwendung gekommen.

Aktuell findet bundesweit eine Diskussion zu rechtlichen und technischen Einzelheiten des Softwareeinsatzes statt, die noch nicht abgeschlossen ist. Eines ist klar, es muss sichergestellt werden, dass die eingesetzte Technik ausschließlich die rechtlich zulässigen Funktionalitäten aufweist. Die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass alle staatlichen Stellen die Regeln einhalten, natürlich insbesondere die Bestimmungen des Grundgesetzes.

Die Nutzung des Computers, des Smartphones oder anderer internetfähiger Geräte hat für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen eine so große Bedeutung erlangt, dass nur unter den eben genannten strengen Voraussetzungen staatliche Eingriffe zulässig sein dürfen.

Die Quellen-TKÜ ist aber aus unserer Sicht auch ein unverzichtbares Ermittlungsinstrument für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Den Sicherheitsbehörden muss ein Handlungsinstrumentarium zur Bekämpfung von Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität oder des Terrorismus in die Hand gegeben werden, welches aber gleichzeitig eine größtmögliche Schonung der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet. Diese Interessenabwägung verlangt aber eine rechtlich einwandfreie Durchführung solcher Maßnahmen. Herr Innenminister Geibert hat deshalb ausdrücklich die Initiativen des Bundesinnenministers begrüßt, im Bundeskriminalamt ein Kompetenzzentrum für die Entwicklung einer entsprechenden Software einzurichten. Inzwischen sind die ersten konzeptionellen Überlegungen angestellt und ein Aufbaustab zur Errichtung dieses Kompetenzzentrums beim kriminalistischen Institut des BKA eingerichtet. Soweit der Bericht.

Darüber hinaus bitte ich, den Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen, danke schön.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: To- sender Applaus.)

Danke schön, Herr Staatssekretär, folgender Hinweis: Gemäß § 9 Abs. 2 haben wir wieder hier lange Redezeit.

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Bergner.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Hier liegt noch ein Kugelschreiber, Herr Staatssekretär, das ist möglicherweise Ihrer?

Meine Damen und Herren, ich muss sagen, das, was sich jetzt gerade hier abgespielt hat, nämlich die Art und Weise, wie dieser Tagesordnungspunkt beim letzten Mal nicht behandelt worden ist und jetzt hier nach hinten geschoben wird und auch keine Bereitschaft da ist, ihn zu überweisen und parallel dazu eine Ausschusssitzung durchzuführen, die finde ich schon sehr bedenklich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Skandal!)

Gleichwohl hat, trotz dieses Umgangs mit dem Thema, das Thema nicht an Aktualität verloren. Ich bin, gerade weil wir zwischenzeitlich etwas Aufklärung im Innenausschuss erhalten haben, wissen wir ja ein paar Dinge, die anders klingen, als Sie das hier vorgetragen haben. Sie haben jetzt in Ihrer Rede gesagt, Herr Staatssekretär, was man nicht hat,

(Staatssekretär Rieder)

kann man nicht einsetzen. Damit, muss ich schon mal sagen, füllen Sie uns die Taschen. Denn,

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben ganz eindeutig gesagt,

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass der Staatstrojaner, der - sozusagen in der bayrischen Form - in Thüringen nicht zum Einsatz gekommen ist, eher dem Zufall zu verdanken ist und eben nicht der erwünschten Skepsis der Behörden,

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

genauer gesagt die Skepsis, die die Behörden haben müssten mit Blick auf die verfassungsrechtlich zulässige Anwendbarkeit. Wie Sie uns berichtet haben, war der Einsatz in Thüringen zwei Mal vorgesehen und er ist beide Male gescheitert. Es ist also nicht so, dass er daran gescheitert ist, dass Sie Bedenken hatten, sondern er ist schlicht und einfach einmal an technischen und das andere Mal an personellen Engpässen gescheitert. Ansonsten hätten Sie sehr wohl genau diesen bayerischen Staatstrojaner eingesetzt, indem Sie Dritte beauftragt hätten. Das heißt also, dieser Satz, den Sie vorhin gesagt haben, „was man nicht hat, kann man nicht einsetzen“, war schlicht und einfach nur dazu da, uns hier in diesem Hause die Taschen zu füllen. Das ist ein Umgang, den wir uns nicht bieten lassen, meine Herren.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daraus schließe ich, dass es eigentlich nur eine Frage der Zeit sein kann, bis es auch in Thüringen zum Einsatz eines solchen Trojaners kommt. Deswegen ist es eben unehrlich, wenn in der Presse erklärt wird, dass die aufgeflogene Software in Thüringen nicht verwendet werde. Es ist schon abenteuerlich, wie die Politik und die Sicherheitsbehörden mit einem so wichtigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung vom 27. Oktober 2008 umgehen. Mit dem Urteil entwickelte das Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, kurz auch IT-Grundrecht genannt, meine Damen und Herren.

Das ist doch ein wegweisendes Urteil gewesen, das man nicht einfach so wegwischen kann. Zur Quellentelekommunikationsüberwachung führte das Bundesverfassungsgericht damals aus, Zitat: „Wird ein komplexes informationstechnisches System zum Zweck der Telekommunikationsüberwachung technisch infiltriert, so ist mit der Infiltration die entscheidende Hürde genommen, um das System insgesamt auszuspähen. Die dadurch bedingte Gefährdung geht weit über die hinaus, die mit einer

bloßen Überwachung der laufenden Telekommunikation verbunden ist. Insbesondere können auch die auf dem Personalcomputer abgelegten Daten zur Kenntnis genommen werden, die keinen Bezug zu einer telekommunikativen Nutzung des Systems aufweisen.“ Meine Damen und Herren, dieses Zitat sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen.

(Beifall FDP)

Wenn wir jetzt die Entscheidung des Landgerichts Hamburg, Aktenzeichen 608 QS 17/10, dagegenhalten, die uns als Rechtfertigung für den Einsatz von Trojanern genannt wurde, dann bekomme ich wirklich Bauchschmerzen. Herr Staatssekretär, ich zitiere: „Das heimliche Einspielen eines Computerprogramms in das informationstechnische System des überwachten Kommunikationsteilnehmers, das die zum Zwecke der Kommunikation produzierten Daten kopieren und über das Internet an die Ermittlungsbehörden versendet, ist ebenfalls zulässig.“ Jetzt kommt es: „Zwar fehlt es für diese Maßnahme an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Sie ist jedoch als typisch und in die Rechte des Betroffenen nur unwesentlich eingreifende Begleitmaßnahme der TKÜ als sogenannte Annexkompetenz gedeckt.“ Ich will versuchen, das zusammenzufassen, da sich, wie wir alle wissen, Juristen gelegentlich etwas kompliziert ausdrücken. Wenn das höchste Gericht in der Bundesrepublik Deutschland feststellt, dass die Installation einer Software auf einem Computer eine Gefährdung darstellt, die weit über bloße Telekommunikationsüberwachung hinausgeht, habe ich ernsthafte Zweifel, ob man dann, wie es das Landesgericht Hamburg gemacht hat, von einer „typischen in die Rechte des Betroffenen nur unwesentlich eingreifenden Begleitmaßnahme“ ausgehen kann.

(Beifall FDP)

Die Entscheidung des Hamburger Gerichts widerspricht nach meiner Auffassung im Wesentlichen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das, meine Damen und Herren, hat für mich vor allem Maß. Darüber hinaus führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Zulässigkeit der Quellentelekommunikationsüberwachung darauf beschränkt ist, dass ausschließlich Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang erfasst werden. Alle anderen Möglichkeiten, ob gewollt oder nicht, müssen bei solchen Maßnahmen ausgeschlossen sein. Ob eine Eingrenzung möglich ist, dass ausschließlich laufende Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden kann, hat uns bis heute niemand beantwortet. Wenn die Software darüber hinaus bei Drittanbietern eingekauft wird, dürfte die Einschätzung über die Funktionalität der Software gegen Null tendieren, Herr Staatssekretär. Der Staat, und dessen sollte sich auch die Landesregierung bewusst sein, trägt die Beweislast, dass diese Gefahren mit letzter Gefahr ausgeschlossen

werden können. Jetzt frage ich Sie, Herr Minister der Minister ist nicht da -, Herr Staatssekretär: Haben Sie den Mut, eine solche Garantieerklärung auszusprechen? Denn Sie bzw. der Minister stehen am Ende in der Verantwortung. Bevor Sie uns aber eine solche Garantie geben wollen, will ich Sie noch auf den Beschluss des Landshuter Gerichts aufmerksam machen, Aktenzeichen 4 QS 346/10. Genau der aus Bayern stammende Trojaner hat neben der schon umstrittenen Quellen-TKÜ alle 30 Sekunden Screenshots von den Bildschirminhalten des Betroffenen gemacht.

Meine Damen und Herren, die Ermittlungsbehörden haben in dem Verfahren bewusst diesen Trojaner eingesetzt und ich sage Ihnen, dieser Vorgang und die teilweise bestehende Gleichgültigkeit der Strafverfolgungsbehörden ist besorgniserregend. Deswegen müssen sich alle genau überlegen, brauchen wir das Instrument Staatstrojaner überhaupt oder gibt es nicht andere, bessere Alternativen? Nach unseren Informationen gibt es die. Das Abhören von Skype kann nämlich technisch auch ohne Trojaner möglich sein. Ich lade Sie ein, meine Damen und Herren, lassen Sie uns im Ausschuss gemeinsam diskutieren und auch mit Fachleuten nach wirklichen Alternativen suchen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bitte sehr.

Ich stelle namens meiner Fraktion den Antrag auf Überweisung an den Innenausschuss. Ich danke Ihnen.

Vielen Dank. Der Antrag ist gestellt von der Antrag stellenden Fraktion, an den Innenausschuss zu überweisen. Gibt es Widerspruch? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Es gibt auch keine weiteren Wortmeldungen. Damit stelle ich die Frage: Wer ist damit einverstanden, dass wir diesen Antrag an den Innenausschuss überweisen? Ich sehe Zustimmung aus den Fraktionen FDP, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD. Gegenstimmen? Sehe ich keine. Enthaltungen? Auch keine. Damit ist der Antrag an den Innenausschuss überwiesen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33

Verbesserung der Wohnraumsituation für Studierende

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/3403

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Nein. Dann eröffne ich die Aussprache und als Erste zu Wort gemeldet hat sich die Abgeordnete Hennig von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, aufgrund der Zeit, aufgrund der Verwirrungen und Irrungen dieses Parlaments in diesem Moment würde ich meine Rede sehr gern knapp halten. Wir haben versucht, im Oktober das Thema „Studentischer Wohnraum“ auf die Tagesordnung zu setzen. Damals hat die Mehrheit des Hauses entschieden, dass dieser Antrag nicht dringlich sei. Wir haben mehrere Vorschläge gemacht, weil wir der Auffassung sind, dass es durchaus ein Problem ist, Studierenden in Weimar, Erfurt, Ilmenau günstigen Wohnraum anzubieten.

Es gibt verzweifelte Bemühungen von Studienanfängern, die auch in der Presse dokumentiert sind, die sich in Veranstaltungen, in Gesprächen usw. wiederfinden. Bei 27.000 Studenten insgesamt und fast 10.000 Studienanfängern hatte das Studentenwerk in Jena nach Zeitungsberichten zu Beginn des Wintersemesters gerade einmal 350 frei werdende Wohnheimplätze. Wer jetzt davon spricht, dass wir kein Problem haben und wenn wir eins hätten, dass das die Studierenden selbst klären müssten, halte ich das für vollständig falsch. Die Annahme, dass nur Jena betroffen ist, findet spätestens seit diesem Jahr nicht mehr statt.

Auch Erfurt entwickelt sich langsam zum Problem, was günstigen Wohnraum angeht, und das hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf Studierende, sondern auch auf den gesamten Wohnungsmarkt und damit wird Druck auf alle Mieterinnen und Mieter ausgeübt. Ich hatte angekündigt, ich möchte nicht allzu lange reden. Wir hatten beantragt - oder das würde ich auch jetzt beantragen - die Überweisung an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr sowie an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Wir möchten mit Ihnen darüber diskutieren, wie wir die Situation für Studierende erträglicher machen können, das heißt für uns z.B. die Einführung eines Thüringen-Tickets, dass man von überall kostengünstig in Thüringen an seinen Studienstandort kommt. Wir möchten zusammen mit dem Studentenwerk über studentischen Wohnraum und Schaffung studentischen Wohnraums reden und wir möchten natürlich auch mit Ihnen darüber sprechen, wie man das Umfeld von Hochschulstandorten besser in die Wohnraumbeschaffung einbinden kann. Ich will es nur noch einmal sagen: Das Studentenwerk, das günstigen Wohnraum anbieten

(Abg. Bergner)

kann, hat in den letzten Jahren bei ständig steigenden Studierendenzahlen 2 Mio. € weniger bekommen. Gleichzeitig wird im Haushalt das Loch für die Kommunen aufgemacht. Das bedeutet, dass auch Kommunen faktisch unter Druck gesetzt werden, öffentliches Wohnungseigentum zu verkaufen, wenn es nicht eine starke LINKE vor Ort gibt, die dieses verhindert. Ohne öffentliches Eigentum an Wohnraum können wir natürlich auch als Stadträte wenig entscheiden, wie wir günstigen Wohnraum anbieten können.

Deswegen kurz und knapp hier noch einmal: Überweisen Sie den Antrag bitte an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr wie auch an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster spricht Abgeordneter Dr. Mario Voigt von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin, wir haben einen Antrag der Fraktion DIE LINKE vorliegen, in dem es um die Verbesserung der Wohnraumsituation für Studierende geht. Nun ist es so, dass wir heute schon bei dem Tagesordnungspunkt zum Thema BAföG über die Fragestellung des Studentenwerks und der Bedeutung bester Bedingungen für Thüringer Studenten an den Thüringer Hochschulen diskutiert haben. Ich glaube, die Studenten haben in Thüringen sehr gute Bedingungen, auch sehr gute Wohnbedingungen. Sowohl die Wohnheime als auch die privaten Angebote sind sehr breit aufgestellt.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber nicht in Jena.)

Frau Siegesmund, Sie sollten da auch mal die Brille abnehmen. Thüringen ist größer. Wir haben 7.350 Wohnheimplätze in ganz Thüringen, die beziehen sich nicht nur auf Jena.