Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Wir empfinden es als Verweigerungshaltung der Landesregierung, wenn beispielsweise die FDPFraktion allein in den drei Jahren, in denen wir wieder im Landtag vertreten sind, über 1.800 Anträge mit Sparvorschlägen mit einem Einsparvolumen im Jahr 2010 von 467 Mio. €,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Kür- zungen - nicht „sparen“ - heißt das!)

2011 von ca. 327 Mio. € und für das Jahr 2012 rund 158 Mio. € eingebracht hat und diese in keiner Weise von Ihnen auch nur ernsthaft diskutiert werden. Das ist Ignoranz, meine Damen und Herren, und zwar zum Schaden dieses Landes.

(Beifall FDP)

Das Land hat seine Hausaufgaben noch nicht gemacht und kann deswegen nicht einseitig auf dem Rücken der Thüringer Kommunen eine Haushaltskonsolidierung anstrengen und einseitig die Kommunen schädigen.

(Beifall FDP)

Dies zeigt auch die Personalentwicklung der letzten 15 Jahre. Das Land hat in der Zeit ca. 27 Prozent Personal abgebaut, die Kommunen hingegen über 50 Prozent ihres Personals. Da sind wir wieder an dem Punkt, den ich Ihnen hier an dieser Stelle schon oft gesagt habe; wenn das Land seine Hausaufgaben längst so gemacht hätte wie die Kommunen, wären wir viel weiter in Thüringen.

(Beifall FDP)

Thüringen hat laut Rechnungshofbericht von 2011 rund 21,8 Stellen je 1.000 Einwohner und liegt damit im Ländervergleich sehr hoch. Schleswig-Holstein hat beispielsweise mit seiner ähnlich ländlich geprägten Struktur nur 16 Stellen je 1.000 Einwoh

(Abg. Hey)

ner und Sachsen 18,7 Stellen. Dort, meine Damen und Herren, ist Einsparungspotenzial in Größenordnungen und das haben Sie bislang einfach verpasst anzupacken.

(Beifall FDP)

Das Land kann und darf nicht - das sage ich aus tiefster Überzeugung - überproportional zulasten der Kommunen sparen. Das, meine Damen und Herren, wird nicht funktionieren. Die kommunale Ebene ist das Grundgerüst unserer demokratischen Gesellschaft. Diese darf nicht durch einseitige und vor allem zu weit gehende Einsparmaßnahmen zerrüttet werden. Es ist deshalb auch unredlich, die angemessene Finanzausstattung um 193 Mio. € abzusenken, die Schlüsselmasse um ca. 25 Prozent zu kürzen und gleichzeitig den Kommunen immer mehr Aufgaben aufzuerlegen.

(Beifall FDP)

Dies trifft auch auf die Kommunalisierung von Straßen zu, wonach nach bisheriger Kenntnis bis in das Jahr 2020 ca. 640 km umgestuft werden sollen. Wie das funktionieren soll, meine Damen und Herren, wenn man gleichzeitig den Kommunen den Hahn abdreht, kann mir keiner erklären.

(Beifall FDP)

Hierbei will die Landesregierung offensichtlich nicht nur die Kosten für die ordnungsgemäße Unterhaltung der Straßen auf die Kommunen umlegen, sondern sich gleichzeitig der Straßen entledigen, die sich durch den ungenügenden Sanierungsaufwand des Landes in einem solch schlechten Zustand befinden, dass meist eine baldige Instandsetzung durch die Kommune erforderlich ist. Ich sage Ihnen, ich habe da in der Vergangenheit sehr peinliche Beispiele für die Umstufung von Straßen gesehen.

(Beifall FDP)

Einen Gesetzentwurf, in dem wir den Kommunen zu mehr Rechtssicherheit und mehr Mitspracherecht bei der Umstufung von Landesstraßen verhelfen wollten, haben Sie abgewürgt, bevor er überhaupt in den Ausschuss gekommen ist. Auch das ist kein fairer Umgang mit den Kommunen in Thüringen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Gleiche gilt für die Kommunalisierung von Grundschulhorten. Natürlich gibt es bei der Kommunalisierung Für und Wider und das muss sorgfältig abgewogen werden. Letztendlich aber sollte es eine Einzelfallentscheidung vor Ort bleiben, da gerade die Finanzlage der Kommune eine wesentliche Rolle spielt. Auch das muss man einfach mit einkalkulieren. Dass Herr Matschie uns mit seinem Versprechen zur vollständigen Finanzierung des Kita-Gesetzes entgegen allen Beteuerungen veralbert hat, ist insofern wirklich nur ein offenes Geheimnis.

(Beifall FDP)

Ich möchte Ihnen gleich noch ein paar Beispiele nennen, die mir besonders unter den Nägeln brennen. Zum einen sind es die fiktiven Hebesätze bzw. konkreter formuliert die Bildung der Höhe der fiktiven Hebesätze. Die starke Kürzung der Schlüsselzuweisung wird mit dem Anstieg der prognostizierten kommunalen Steuereinnahmen im Jahr 2012 begründet. Es wird für das Jahr 2012 ein Anstieg um 173 Mio. € erwartet, wobei davon ca. 106 Mio. € auf die fiktiven Hebesätze zurückzuführen sind. Für die Hebesätze der Grundsteuer A - 297 Prozent und Grundsteuer B - 400 Prozent - wurde der bundesweite Durchschnitt zugrunde gelegt. Bei der Gewerbesteuer - 400 Prozent - wird aber abweichend der bundesweite Durchschnitt mit 387 Prozent und der Durchschnitt des Freistaats Sachsen mit 411 Prozent angesetzt. Wir sind der Überzeugung, meine Damen und Herren, dass die Abweichung vom bundesweiten Durchschnitt bei der Gewerbesteuer willkürlich ist und somit nicht gerechtfertigt werden kann.

(Beifall FDP)

Das kann übrigens auch nicht mit irgendwelchen statistischen Taschenspielertricks gerechtfertigt werden. Es ist schlicht und einfach an der Stelle wieder ein unredlicher Umgang mit den Kommunen in Thüringen. Weiterhin ist auch völlig unberücksichtigt geblieben, dass unterschiedliche Gemeindestrukturen natürlich Auswirkungen auf die Höhe der Hebesätze für die Grundsteuer B haben. Stadtstaaten - nach der Statistik 2009 Berlin mit 810 Prozent, Bremen 572 Prozent, Hamburg 540 Prozent haben deutlich höhere Hebesätze als die ländlich geprägten Flächenländer wie Schleswig-Holstein mit 327 Prozent. Das ist etwas, das in keiner Weise die Lebenssituation in Thüringen widerspiegelt und wo der Durchschnitt statistisch das falsche Mittel ist.

(Beifall FDP)

Nebenbei gesagt fließen in diesen Durchschnitt auch Regionen ein, die keine Beiträge ziehen. Das Thema hatten wir gestern schon. Diese Anhebungen gerade des Gewerbesteuerhebesatzes führen dazu, dass Bürgermeister in ihren Gemeinden als wortbrüchig von den Gewerbetreibenden und Grundstückseigentümern betitelt werden, obwohl sie durch das Land indirekt zu einer Anhebung gezwungen werden. Hier ist aber, meine Damen und Herren - das wollen wir nicht verschweigen -, die Fantasie der Landesregierung leider immer noch nicht am Ende. Es soll eine Finanzausgleichsumlage eingeführt werden, durch die die sogenannten abundanten Gemeinden verpflichtet werden, 30 Prozent des Differenzbetrages zwischen der Steuerkraftmesszahl und der Bedarfsmesszahl an bedürftige Gemeinden zu zahlen. Mit abundanten Gemeinden sind solche gemeint, von denen man behauptet, sie könnten sich das leisten. Das sehen

die, nebenbei gesagt, wenn man dort einmal im Gespräch ist, deutlich anders, und zwar aus gutem Grund.

(Beifall FDP)

Von den abundanten Gemeinden gibt es in Thüringen derzeit ca. 43 Stück und eines, meine Damen und Herren, ist sicher: Wenn Sie den KFA 2012 so beschließen, wird diese Anzahl abundanter Gemeinden rapide sinken.

(Beifall FDP)

Nach unserer Auffassung ist die Finanzausgleichsumlage ein Schlag ins Gesicht für alle Gemeinden, die wirtschaftlich arbeiten und sich seit Jahren bemühen, ihre Gemeinden schuldenfrei zu bekommen. Es ist ein Trugschluss, dass abundante Gemeinden schuldenfrei seien. Das ist per se nicht der Fall und deswegen muss umso mehr der Grundsatz gelten, dass sich Leistung auch auszahlen muss. Daher haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der vorsieht, dass ein Schonbetrag von 15 Prozent eingefügt wird. Mit dem 15-prozentigen Schonbetrag wird erst dann eine Finanzausgleichsumlage fällig, wenn die gemeindliche Steuerkraft mindestens 15 Prozent über dem Finanzbedarf liegt, um die Anreizwirkung für die Gemeinden zur Generierung von Steuereinnahmen zu erhalten.

(Beifall FDP)

Dieser Schonbetrag - ich sage, wir machen das nicht aus großer Freude, sondern um das Schlimmste für diese Gemeinden zu verhindern - kann von den Gemeinden gerade auch dafür genutzt werden, ihre bestehenden Schulden abzubauen.

(Beifall FDP)

Änderungsbedarf, meine Damen und Herren, beim Kommunalen Finanzausgleich 2012 sehen wir auch bei der Berechnung der Auftragskostenpauschale. Nun ist seit 2011 ein sogenanntes Benchmarking vorgesehen, bei dem die jeweils drei am wirtschaftlichsten arbeitenden Kommunen innerhalb eines Verwaltungstyps ermittelt und jeweils die Durchschnittskosten pauschal angesetzt werden. Nach unserer Überzeugung bestehen hier erhebliche Probleme bei der Berechnung, da zum einen Äpfel mit Birnen verglichen werden und zum anderen Zahlenmaterial herangezogen wird, das von den Kommunen 2006 gemeldet wurde - 2006! Sie haben sich nicht verhört, auch nicht oben auf den Rängen. Solches Zahlenmaterial kann unserer Auffassung nach nun wirklich nicht Grundlage des heutigen Standes sein. Jeder, der draußen im Leben aktiv ist, weiß, wie sich in der Zeit Kosten entwickelt haben.

(Beifall FDP)

Wenn das Land ein solches Benchmarking einführt, muss es auch vor der eigenen Haustür kehren. Wir

hoffen aber, dass der Finanzminister seiner Ankündigung folgt und den Kommunalen Finanzausgleich für 2013 grundlegend überarbeitet.

Aber die Hiobsbotschaften für die Kommunen hören immer noch nicht auf. Gestern durfte ich - das ist heute hier auch schon Thema gewesen - den Entschließungsantrag von CDU und SPD mit dem Titel „Weiterentwicklung der gemeindlichen Strukturen im Freistaat Thüringen“ lesen. Sie haben es bereits gehört, VG und erfüllende Gemeinde sind danach Auslaufmodelle, egal, ob sie gut funktionieren oder nicht, und die Landgemeinde ist auf einmal die Lösung aller Probleme. Selbstständige Gemeinden sollen demnach dauerhaft mehr als 5.000 Einwohner umfassen. Ich sage Ihnen, da gibt es Gegenden, da müssen Sie in Thüringen ganz schön lange fahren, bis Sie die erreichen. Vorrang sollen dabei immer die zentralen Orte haben. Finanzielle Förderung freiwilliger Gemeindeneugliederung soll künftig ausgeschlossen sein. Ich kann Ihnen eines sagen, meine Damen und Herren, ich fühle mich - und jetzt will ich mich höflich ausdrücken - ausgesprochen veralbert. Ich hätte an der Stelle deftigere Vokabeln drauf.

(Beifall FDP)

Ich möchte aber nicht die Präsidentin provozieren. Erst soll ein Gutachten für eine Gebietsreform in Auftrag gegeben werden; nachdem die Landesregierung aber nach fast einem Jahr feststellt, dass die Gutachter dafür auch Geld haben wollen, setzt man eine Expertenkommission ein. Um den Schein der offenen Diskussion zu wahren, wird darüber hinaus auch noch ein Beirat gebildet. Meine Damen und Herren, ich bin selbst mit dabei gewesen und stelle mir jetzt erst recht Fragen, was das Ganze soll, denn mit dem eingebrachten Entschließungsantrag wird ein Schauspiel gezeigt und am Ende wird es sowieso gemacht, wie es Ihnen gerade passt.

(Beifall FDP)

Eines, meine Damen und Herren, ist doch offensichtlich. Durch den Entschließungsantrag soll über die Hintertür des Haushaltsgesetzes 2012 klammheimlich die Gebietsreform durchgedrückt werden. Für mich stellt sich die Frage, ob man die Expertenkommission zur Umsetzung der Verwaltungs- und Gebietsreform überhaupt noch braucht. Vielleicht kann mir das jemand beantworten. Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren, die Ausführungen der Ministerpräsidentin, in denen das Thema heute tangiert wurde, waren für mich keine Antwort darauf und sie waren nicht überzeugend.

(Beifall FDP)

Am Ende versucht man die Kommunen mit 60 Mio. € ruhigzustellen und von den 60 Mio. € sollen ca. 50 Mio. € in den KFA fließen.

Meine Damen und Herren, anstatt die Probleme, die wir strukturell haben, zu lösen, versuchen Sie sich einfach rauszukaufen und das kann ja nicht die Antwort sein.

(Beifall FDP)

Mit diesen 50 Mio. € an die Kommunen schaffen Sie am Ende nur eines, nämlich Unverständnis. Auf einmal ist noch Geld da, welches nicht zur Konsolidierung gebraucht wird. Woher, meine Damen und Herren, ein solcher Sinneswandel? Ich kann Ihnen sagen woher, es kommt nicht von ungefähr, dass die glücklichen Gewinner die SPD-regierten kreisfreien Städte sind. Diese erhalten nämlich gut 20 Mio. € vom 50 Mio. € großen Kuchen. Weitere 15 Mio. € erhalten die 17 Landkreise und den Rest dürfen sich die 907 Gemeinden und Städte brüderlich teilen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das hat Ihr Vorsitzender heute Vormittag schon vorgelesen.)

Ich erinnere mich da an diesen Vergleich mit dem großen und dem kleinen Bruder, rund 16.000 € im Schnitt für jeden Ort. Ich sage Ihnen eines, in JGZeiten gab es damals das Lied „Der Tropfen auf den heißen Stein kann der Anfang eines Regens sein“. Das hier wird noch nicht einmal ein Nieselregen, was Sie da erzeugen. Ich kann hier nur wiederholen, was vorhin schon einmal gesagt wurde: Diese Gießkannenpolitik ist nichts anderes als eine gigantische Wahlkampfhilfe für die SPD-OBs.

Meine Damen und Herren, ich bin ehrlich enttäuscht, wie sich die Union an dieser Stelle übertölpeln lässt.

(Beifall FDP)