Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Sehr geehrte Kollegin Lukasch von der Fraktion der Linken, Sie haben uns jetzt gerade ein antiquiertes Familienbild unterstellt. Da würde ich Sie natürlich gern fragen, wo Sie denn in unserem Antrag ein antiquiertes Familienbild ausgemacht haben. Wir erkennen das jedenfalls nicht.

(Beifall AfD)

(Unruhe DIE LINKE)

Wir wissen, dass die große Mehrheit der Thüringer, der Deutschen die Familie hoch wertschätzen und in diesen Zeiten sogar wieder beginnen, noch mehr wertzuschätzen.

(Beifall AfD)

Das ist gut so und das ist eine Entwicklung, die wir durchaus begrüßen. Wie Familie im Einzelnen aussieht, das ist gar nicht unser Anliegen, mit diesem Antrag zu definieren

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, niemals!)

und das ist auch nirgendwo in diesem Antrag thematisiert. Aber im Gegensatz zu Ihnen – und jetzt unterstelle ich Ihnen mal ein antiquiertes Familienbild, nämlich das Familienbild einer Gott sei Dank untergegangenen Diktatur auf deutschem Boden –

(Beifall AfD)

wollen wir „Familie“ als Begriff nicht überwinden, sondern wir wollen Familien hoch wertschätzen und Familie selbstverständlich bewahren.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Frau Kollegin Pfefferlein, jetzt haben Sie uns vorgeworfen, dieser Antrag würde, wenn er denn umgesetzt würde, mehr Bürokratie bedeuten. Sehr geehrte Frau Pfefferlein, Sie als Vertreterin einer Partei, die sich ja schon als „Verbotspartei“ einen Namen gemacht hat,

(Abg. Lukasch)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da haben Sie sich aber mal was anderes ausgedacht!)

als Teil einer Regierungsfraktion, die ja auch in den letzten Tagen im Rahmen dieses Landtagsplenums einige Anträge durchgebracht hat, sogar Gesetze in die Wirklichkeit überführt hat, glauben Sie nicht, dass das alles, was Sie hier als Parlamentarier tun, irgendetwas mit Bürokratieproduktion zu tun hat? Oder glauben Sie, Ihr Tun hat keine entsprechenden Folgewirkungen?

(Beifall AfD)

Also das finde ich etwas absurd,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die einen nennen es Büro- kratie, die anderen nennen es Demokratie!)

was Sie hier vorn formuliert haben. Natürlich hat das immer wieder Auswirkungen auf Verwaltungshandeln, was wir alle hier gemeinsam machen. Das muss leider dann auch mal so sein.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, wenn sich Familien überlegen, ihren Lebensmittelpunkt in den ländlichen Raum zu verlegen, dann tauchen plötzlich zahlreiche Probleme auf, Probleme des täglichen Lebens, die in der Stadt zunächst gar keine Rolle spielen. Das ist mir auch wichtig zu betonen: Es geht gar nicht darum, das Land gegen die Stadt auszuspielen. Heimat ist für den einen das Land – wir haben im Augenblick durchaus eine sehr interessante Diskussion auch in der Thüringer Presse – und für den anderen selbstverständlich die Stadt. Das ist kein Gegensatz, sondern das ist eine wunderbare Synthese.

(Beifall AfD)

Aber trotzdem ist die Situation auf dem Land eine andere als in der Stadt, das wissen wir alle. Was sich in dicht besiedelten Regionen mit einer gut ausgebauten Infrastruktur leicht regeln lässt, ist für Bewohner des ländlichen Raums mit großen, manchmal sehr großen Herausforderungen verbunden. Da gibt es die Fragen: Gibt es beispielsweise eine gute Bus- und Bahnverbindung, damit die Kinder schnell und sicher morgens in die Schule kommen? Wenn nicht: Wer bringt die Kinder dann in die Schule? Was ist, wenn ich einen Angehörigen in häuslicher Pflege zu betreuen habe? Auch die Fahrten des täglichen Lebens, die Besorgungsfahrten etc. pp. sind im ländlichen Raum einfach mit mehr Zeit und mit mehr Aufwand verbunden.

Die Politik, also wir können sicherlich nicht zusätzliche Zeit und zusätzliche Anstrengungen kompensieren, die das Leben auf dem Land mit sich bringt; das ist uns allen klar. Aber wir können beispielsweise dafür Sorge tragen, dass zusätzliche Fahrten steuerrechtlich angerechnet werden können. Deswegen haben wir in unseren Antrag auch die Bitte

hineinformuliert, dass sich die Landesregierung im Bundesrat um eine entsprechende „Familienfahrt“ bemühen möge.

(Beifall AfD)

Mit dieser „Familienfahrt“ würde zumindest in dieser Hinsicht Gerechtigkeit zwischen den städtischen und den ländlichen Regionen hier in Thüringen hergestellt werden. Diese „Familienfahrt“ entsprechend in das deutsche Steuerrecht zu implementieren, das sowieso eines der gewaltigsten Werke des Rechts weltweit ist, ich glaube nicht, dass das einen ungebührlichen Bürokratieaufwand bedeuten würde. Das wäre analog den Werbungskosten zu regeln, die man beispielsweise im Rahmen von Fahrten zur Arbeitsstelle hat. Ich glaube, das wäre tatsächlich ein überschaubarer bürokratischer Aufwand, Frau Kollegin Pfefferlein.

(Beifall AfD)

Die Gegenwart ist geprägt von ständig steigenden Immobilienpreisen und in der Folge natürlich auch von ständig steigenden Mietpreisen. Das ist auch eine Folge der Politik der Altparteien, denn die Politik der Altparteien unterstützt die Niedrigzinspolitik der EZB, die eine Geldflut produziert, die wiederum auf der Suche nach geeigneten Renditeobjekten ist – Renditeobjekte, die dann oftmals Wohnungen sind, die zu immer höheren Preisen vermietet werden. Für uns als AfD-Fraktion hier im Thüringer Landtag gilt ohne Wenn und Aber: Junge Familien, denen unsere besondere Sorge gilt, dürfen nicht zu Opfern von Spekulationen werden. Für junge Familien muss Wohnraum immer bezahlbar bleiben.

(Beifall AfD)

Dass wir in diesem Zusammenhang aktiv werden müssen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, um soziale Härten abzufedern, das zeigt auch der Thüringer Immobilienmarktbericht vom letzten Jahr. Dort konnten wir herauslesen, dass sich der Kaufpreis für bestimmte Immobilien im Freistaat Thüringen seit 2006 – also binnen einer Dekade – stellenweise verdoppelt hat. Das ist tatsächlich, glaube ich, für uns alle eine besorgniserregende Entwicklung.

(Beifall AfD)

Auch deswegen, um damit verbundene soziale Härten abzufedern, wollen wir ein sogenanntes kommunales Familienvorkaufsrecht einführen. Den Kommunen soll es mit diesem kommunalen Familienvorkaufsrecht ermöglicht werden, attraktiven Wohnraum zu erstehen und ihn dann interessierten jungen Familien zu – selbstverständlich – Vorzugskonditionen zur Verfügung zu stellen.

(Beifall AfD)

Um Familien für den ländlichen Raum zu gewinnen oder auch nur das Wegziehen zu verhindern, kann

schließlich auch das Land Thüringen, also nicht nur der Bund über die Neuregelung des Steuerrechts oder die Kommunen mit dem Familienvorkaufsrecht, einen Beitrag leisten. Deswegen schlagen wir – wie wir das in unserem Antrag ausgeführt haben – vor, dass die Thüringer Aufbaubank Familienkredite für Wohnraumzwecke ausreicht. Kreditvergabe muss hier unserer Meinung nach auch mit wenig Eigenkapital möglich sein.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, die steuerrechtliche Anrechnung der Familienfahrt, das kommunale Familienvorkaufsrecht und der Familienkredit würden in unseren Augen ein starkes Zeichen für junge Familien bedeuten, würden ein starkes Zeichen für die Revitalisierung des ländlichen Raums bedeuten. Wir finden auch, wenn dieser Antrag, der natürlich nicht alle Probleme löst – das gibt er auch nicht vor –, nur ein kleiner Schritt ist, um die Situation von jungen Familien und die Situation des ländlichen Raumes zu verbessern, so lohnt es sich doch, über diese Ansätze zu diskutieren. Deswegen beantragen wir die Überweisung unseres Antrags an den federführenden Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit und an den Innen- und Kommunalausschuss. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Pelke für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Gäste, zunächst einmal einige wenige Sätze zum unmittelbaren Vorredner. Ja, Familie ist in Deutschland wichtig, aber Familie ist genauso wichtig in Italien, in Spanien, in Syrien – überall.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß gar nicht, warum Sie das an dieser Stelle so hervorheben.

Lassen Sie mich noch einen Satz zu Ihren Ausführungen, was den Begriff „Europa der Vaterländer“ angeht, sagen. Das ist ein Begriff, der historisch Charles de Gaulle in den 60er-Jahren zugesprochen wird. Das war ein Kernbegriff seiner Europapolitik und deswegen ist es ihm zugesprochen und nicht Herrn Adenauer. Das sollten Sie eigentlich auch als Historiker wissen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ich gebe Ih- nen gleich die Antwort!)

Jetzt lassen Sie mich noch einiges zu Ihrem Begriff „Heimat“ sagen. Heimat – und das ist meine Ein

schätzung und, ich denke, auch die meiner Fraktion und der Koalitionsfraktionen – ist da, wo man sich zu Hause fühlt. Heimat ist da, wo Familien, in welcher Form auch immer – da gibt es nämlich die unterschiedlichsten Formen –, leben, wo Freunde sind und wo Menschen, egal welcher Nationalität, friedlich und gut zusammenleben. Das ist Heimat!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau dafür sorgen wir oder müssen wir Sorge tragen in der Politik. Da müssen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen, im ländlichen Raum – selbstverständlich –, in den Städten, in Gesamtthüringen, wo wir Verantwortung tragen.

Jetzt einige wenige Sätze zu Ihren Anträgen: In den Anträgen werden viele Dinge aufgelistet, insbesondere bei dem Antrag der CDU. „Gemischtwarenladen“ hat Frau Pfefferlein gesagt. Das ist eine Auflistung von den verschiedensten Überlegungen, während der AfD-Antrag natürlich sehr einseitig ist – da schließe ich mich der Kritik von Herrn Thamm an. Aber lassen Sie mich einige wenige Dinge zu den Auflistungen des CDU-Antrags sagen. Das ehrenamtliche Engagement im ländlichen Raum sicherstellen: Es ist schon darauf verwiesen worden, dass wir auch in den Haushaltsberatungen weiter und mehr Geld für die Ehrenamtsstiftungen zur Verfügung stellen wollen. Da gibt es kein Vertun. Selbstverständlich wollen wir das ehrenamtliche Engagement weiter unterstützen. Das Berufsschulnetz in der Fläche erhalten: Dafür haben wir hier schon vor Monaten, schon vor Jahren sehr umfassende Diskussionen geführt und auch deutlich gemacht, dass wir genau dieses auch wollen, und zwar insbesondere im ländlichen Raum, und dass wir uns gegen eine Verlagerung in die großen Städte entlang der A 4 aussprechen. Auch das ist schon diskutiert worden, ein Auszubildendenticket – so steht es in dem CDU-Antrag – für den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr auf den Weg bringen: Wer die Diskussion verfolgt hat, weiß, dass wir genau dieses im Moment tun, dass wir genau daran arbeiten und dass das alles haushalterisch untersetzt wird und in 2018 die entsprechenden Ausführungen folgen werden.

Lassen Sie mich ein Letztes sagen, weil das genau der Punkt ist, worauf die Koalitionsfraktionen einen Schwerpunkt gesetzt haben, nämlich das Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“. Meine Kollegin Pfefferlein hat schon deutlich gemacht, dass wir 10 Millionen Euro einsetzen für dieses Landesprogramm und dieses in den Haushalt eingestellt haben. Genau mit diesem Landesprogramm wollen wir eine leistungsfähige, eine soziale Infrastruktur, wir wollen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Zusammenleben mit Kindern und auch die Pflegearbeit in der Familie gegenüber der älteren Generation gewährleisten. Ge

(Abg. Höcke)

nau das ist dieses generationsübergreifende Miteinander, was wir mit diesem Programm wollen. Das Wesentliche ist, dass wir dieses Programm nicht einfach in irgendeiner Form überstülpen, sondern dass wir einen breiten Beteiligungsprozess eingeleitet haben, an dem sich auch ganz, ganz viele beteiligt haben, sodass wir uns genau daran orientieren, dort, wo die Menschen wissen, was gebraucht wird, nämlich innerhalb der Kommunen, und dass die Kommunen auch vorgeben und die Bedarfe festschreiben. Dafür wollen wir dieses Programm erstens finanzieren und zweitens auch weiter begleiten. Da geht es eben um die Themen des generationsübergreifenden Wohnens, da geht es eben um das Wiederbeleben des ländlichen Raums, da geht es um soziale und lokale Netzwerke gemeinsam mit den Trägern der Sozialwirtschaft, gemeinsam mit den Kommunen, und wir wollen die Initiativen und Verbände mit einbinden. Wir wollen von Jung bis Alt ein begleitendes Programm auf den Weg bringen. Hier haben im Übrigen insbesondere auch das Ministerium und die Ministerin zu diesem Programm schon viele Ausführungen gemacht. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt der Familienpolitik der Koalitionsfraktionen. Im Übrigen will ich auch noch darauf Wert legen, dass bereits in Modellregionen, was Kommunen angeht, im Kyffhäuserkreis und im Altenburger Land genau daran gearbeitet wird, die Vorarbeiten schon laufen, sodass wir sagen: Wir sind auf dem richtigen Weg, indem wir nachfragen, wo und wie die Bedarfe sind. Das orientiert sich von der Jugendeinrichtung bis zur Mobilitätsfrage, was den öffentlichen Personennahverkehr angeht. Genau das ist ein wesentlicher Punkt, dass ich auch, wenn ich im ländlichen Raum wohne, beweglich bin und mich von X nach Y bewegen kann.