Protokoll der Sitzung vom 26.01.2018

Danke schön. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Doch, Herr Abgeordneter Scherer hat für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor einer Woche war Justizausschusssitzung und die Vorkommnisse in den JVAs waren natürlich in vier Tagesordnungspunkten Gegenstand der Sitzung. Ich will hier nicht über die Vorkommnisse, insbesondere über die beiden Ausbrüche aus der Jugendstrafanstalt Arnstadt und der JVA Suhl-Goldlauter, reden – ich könnte jetzt zu dem Thema eben noch sagen, ein betroffener Hund bellt, aber ich wollte darüber nicht reden.

Wir hatten zum Ausbruch der drei Gefangenen aus der JSA Arnstadt in vertraulicher Sitzung einen Film über diesen Ausbruch gesehen. Das war zwar sehr eindrucksvoll, man kann vielleicht auch „kurzweilig“ sagen, aber die Präsentation lenkt von dem eigentlichen Problem ab, nämlich was die Ursachen waren und welche Konsequenzen bereits gezogen worden oder welche dringend zu ziehen sind. Die Ursachen hat der Justizminister sehr schnell im Versagen einzelner Justizbediensteten gesehen und es mag durchaus auch was dran sein. Die Häufung von Vorkommnissen allein in menschlichem Versagen der Justizbediensteten zu suchen, greift aber sicher zu kurz, denn bisher sind wichtige Fragen ungeklärt geblieben.

Was Suhl-Goldlauter betrifft, ist eine Kommission eingesetzt, das heißt nichts anderes, als dass eine nähere Aufklärung möglicherweise erst in Monaten zu erwarten ist. Wieso es bei einem ziemlich einfachen Vorgang einer Kommission bedarf, sehe ich nicht ganz ein, es sei denn, die Aufklärung soll auf die lange Bank geschoben werden.

Für den Komplex der JSA Arnstadt haben sich Bedienstete auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen. Was aber daran gehindert hat, andere Bedienstete zu befragen und so den Sachverhalt weiter aufzuklären, ist mir auch nicht ersichtlich. Das ist bis heute offenbar nicht geschehen oder wurde jedenfalls im Ausschuss nicht mitgeteilt.

Es bleibt deshalb zunächst nur festzustellen, in beiden Ausbruchsfällen war offenbar die Aufsicht durch Bedienstete nicht so besetzt wie es vorgeschrieben war. Woran das gelegen hat, liegt noch im Dunkeln – und das Wochen nach den Vorfällen.

Es liegt jedoch nahe, dass Bedienstete außer den Überwachungsaufgaben noch andere Aufgaben zu

(Abg. Dr. Martin-Gehl)

erfüllen hatten und unter Umständen mit diesen Aufgaben auch beschäftigt waren, denn eigentlich sind die in der Zentrale eingehenden verschiedenen Alarmmeldungen überhaupt nicht zu übersehen. Allein an der Anzahl der Bediensteten dürfte es nicht liegen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Unterstellungen und Mutmaßungen, Herr Scherer!)

Die JSA Arnstadt ist nur mit 78,7 Prozent belegt, Suhl-Goldlauter ist nur mit 77,6 Prozent belegt, insgesamt die Thüringer Strafanstalten mit 81,8 Prozent. Dennoch musste zum Beispiel in Tonna – Belegung 78,7 Prozent – ein Hafthaus vorzeitig geschlossen werden, die Kantine ist zeitweise außer Betrieb,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Die ist wieder in Betrieb!)

sodass die Versorgung mit einem Caterer erfolgen musste. Irgendetwas stimmt da nicht, Frau Berninger. Auch wenn Sie dazwischenrufen, stimmt da irgendetwas nicht. Wo sieht das Justizministerium die Probleme? Zuallererst bei einem schlichten Versagen von Bediensteten. Ansonsten sind die Leiter der JVAs reihum versetzt worden – das kann es in meinen Augen nicht sein. Bei diesem Karussell kommt ein Leiter bei weiteren Vorkommnissen irgendwann wieder in seiner eigenen Anstalt an.

Wir sehen das Problem an einer ganz anderen Stelle. Im Jahre 2014 ist nämlich ein Justizvollzugsgesetzbuch eingeführt worden mit Vollzugsaufgaben, die weit über die in anderen Ländern als Standard vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen. Ich hatte schon 2013 gesagt, dass Resozialisierung natürlich Ziel des Strafvollzuges ist, aber sie ist nicht das einzige Ziel. Schutz der Bevölkerung vor Straftätern ist ein gleichwertiges Ziel. Offenbar ist es in den letzten drei Jahren Rot-Rot-Grün nicht gelungen, entsprechendes Personal zu gewinnen, mit dem die hoch gesteckten Ziele des Strafvollzugsgesetzbuches verwirklicht werden könnten.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Weil das von Ihnen eingeführte Gesetz zu kurz war!)

Deshalb muss das Gesetz auf den Prüfstand. Schon das Diagnoseverfahren bei der Aufnahme ist weit überzogen, ebenso die ständigen Berichte hierzu und die laufende Fortschreibung und Durchführung des Behandlungsprogramms, Frau Berninger. Diese Bürokratie muss auf ein gesundes Maß zurückgeführt werden und deshalb werden wir im nächsten Plenum unter anderem beantragen, das Justizvollzugsgesetzbuch zu evaluieren, insbesondere § 104 und den zweiten Abschnitt, in dem die Maßnahmen, Aufnahme, Diagnose und Vollzugsplanung beschrieben sind. Wir erwarten, dass der Justizminister dann konkret über die Vollzugswir

kungen dieser Regelungen Auskunft gibt. Danke schön.

(Beifall CDU)

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Herr Justizminister Lauinger, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich glaube, man braucht nicht darum herumreden. Die Tatsache, dass es zwei Ausbrüche aus Thüringer Justizvollzugsanstalten innerhalb weniger Monate gegeben hat, ist ein Umstand, der kritikwürdig ist, ein Umstand, wo man genau schauen muss, welche Fehler sind passiert, ein Umstand, wo man sich auch selber fragen muss, welche Fehler liegen vielleicht in deinem Verantwortungsbereich, dass so etwas passieren kann. Das ist überhaupt keine Frage. Zwei Ausbrüche sollten tatsächlich Anlass sein, über solche Fragen nachzudenken.

Das Problem, wie ich es auch aus vielen Besuchen in Justizvollzugsanstalten kenne, ist die Tatsache, dass die Beamten dort – nahezu 1.000 Beamte in Thüringen, Frau Martin-Gehl hat es schon gesagt – an 365 Tagen im Jahr unter schwierigen Bedingungen – ich habe immer wieder darauf hingewiesen, auch gestern noch einmal während der Haushaltsberatung – eine sehr, sehr gute Arbeit machen. Und wenn sie einen Fehler machen – Fehler passieren, glaube ich, überall –, dann hat es gleich solche Konsequenzen wie diese. Das ist das Problem dieser Arbeit. Wenn tatsächlich alles gut geht, berichtet kein Mensch darüber, dass es in Justizvollzugsanstalten funktioniert. Es wird immer nur dann berichtet, wenn ein Fehler passiert. Das wissen die Beamten auch. Deshalb ist das ein Teil, warum ihre Arbeit tatsächlich so schwer ist.

Ich will mal ein paar Sätze zu den konkreten Vorwürfen sagen, die im Raum stehen, wie sie von Herrn Möller und Herrn Scherer erhoben worden sind.

Es ist beileibe nicht so, dass in dem Arbeitsbereich nur eine Person ist, die auf die Menschen, die dort eine Ausbildung bekommen, aufpasst. Natürlich sind da auch Ausbilder, und das ist das Entscheidende.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die sind nicht dafür zuständig!)

Die Menschen sind dort zur Ausbildung und dort haben sie Ausbilder. Der eingesetzte Beamte ist dort nur vorhanden, damit er eingreifen kann, wenn im Rahmen der Ausbildung irgendwas passiert, denn die Ausbilder können natürlich keine diszipli

(Abg. Scherer)

narischen Maßnahmen verhängen oder Entscheidungen treffen. Deswegen ist es auch in Ordnung – und ich würde mich dagegen wehren zu sagen, da müssen mehrere Beamte eingesetzt werden –, denn das Vorkommnis ist in einem Bereich passiert, wo es tatsächlich um Ausbildung geht.

Herr Scherer – wichtige Fragen ungeklärt, wir hätten nicht weiter gefragt: Ich glaube, auch aus Ihrer Tätigkeit im Justizministerium wissen Sie, wenn Menschen sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen, können wir nichts dagegen tun. Das ist ihr gutes Recht. Und wenn die Kommunikation zwischen zwei Menschen passiert und einer beruft sich auf sein Aussageverweigerungsrecht, frage ich mich, wen wir da weiter noch befragen sollen, um zu näheren Erkenntnissen zu kommen. Das ist dann einfach so, dass man diese rechtsstaatlichen Grundsätze einhalten muss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Es ist auch nicht zutreffend, dass Stellen nicht besetzt waren. Von daher noch mal ganz klar von mir die Aussage: Diese Tatsache, dass es dort zu den Entweichungen gekommen ist, ist nicht gut. Wir haben die Expertenkommission auch nicht deshalb eingesetzt, um irgendwas zu verschleiern – sie war übrigens im Januar schon an drei Tagen in den Haftanstalten und hat sie sich intensiv angeschaut –, sondern um aufzuklären und von dieser Expertenkommission Hinweise darauf zu bekommen, wo wir tatsächlich Verbesserungen machen können. Denn das ist das Entscheidende, dass wir diese Fehler, die passiert sind, zum Anlass nehmen, die Schwächen, die aufgetreten sind, für die Zukunft auszumerzen.

Was mich schon sehr verwundert hat, ist auch der Verweis auf das Justizvollzugsgesetzbuch. Meines Erachtens ist es in der letzten Regierung von CDU und SPD beschlossen worden.

(Beifall DIE LINKE)

Auch wenn Sie jetzt mit dem Finger auf die SPD zeigen, Herr Scherer, ich glaube, Ihre Stimmen waren an dieser Stelle auch dabei. Deswegen ganz klar: Natürlich ist es sinnvoll, sich ein Gesetz, das den Justizvollzug durchaus stark betroffen hat, noch mal anzuschauen und zu evaluieren. Ich habe es den Beamten bei meinem Besuch in Arnstadt auch gesagt und ich wiederhole es gern noch mal an dieser Stelle: In dem Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Ordnung in der Anstalt und therapeutischen Angeboten muss immer dann, wenn es da ein Spannungsfeld gibt, die Priorität auf Sicherheit und Ordnung in der Haftanstalt liegen. Das habe ich immer gesagt. Das heißt aber nicht, dass wir uns von diesem behandlerischen Vollzug verab

schieden, denn – das sage ich auch und das sagen Ihnen ganz viele Experten –

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

wenn Sie keine Angebote machen, werden Sie die Leute nicht resozialisieren. Auch erfahrene Justizvollzugsbeamte sagen Ihnen: Wenn es keine Angebote in einer Haftanstalt gibt, ist das Potenzial für Aufruhr und Unruhe noch viel, viel größer.

Deshalb glauben Sie mir: Wir ziehen aus den Vorfällen sehr wohl Konsequenzen und das sind nicht nur personelle Konsequenzen, sondern auch inhaltliche und organisatorische. Ich erhoffe mir auch von dem Bericht der Expertenkommission insoweit noch mal Hinweise darauf, wie man in Zukunft die Sicherheit in den Thüringer Haftanstalten verbessern kann.

Letztes Wort – auch von mir noch mal – zu den Haushaltsverhandlungen: Wir haben große Beträge eingestellt, um tatsächlich weiter an der Sicherheit in der Haftanstalt zu arbeiten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 4 Millionen!)

Wenn ich dann sehe, dass von der Opposition eher im Haushalt Kürzungen vorkommen, dann kommt mir doch die Debatte hier an der einen oder anderen Stelle etwas scheinheilig vor. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Im vergange- nen Jahr sind nicht so viele Leute ausgeris- sen!)

Ich schließe die Aktuelle Stunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 17

Fragestunde

Ich eröffne die Fragestunde. Frau Abgeordnete König-Preuss von der Fraktion Die Linke stellt die erste Frage in Drucksache 6/4915.

Gemeinnützigkeit eines Vereins in Jena?

Am 17. Dezember 2017 berichtete „Zeit Online“ über einen Verein für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit aus Jena, auf den die Domain „Journalistenwatch.com“ registriert ist. Journalistenwatch bzw. „jouwatch“ gilt als einflussreiche Plattform der Neuen Rechten, deren Texte nach meiner Einschätzung von tendenziösen Darstellungen, rechter Rhetorik, Stimmung gegen Geflüchtete und Werbung für die AfD geprägt sind. Ein Journalist

(Minister Lauinger)

schrieb in oben genannter „Zeit Online“: „Unterstützt wird Journalistenwatch allerdings auch vom deutschen Staat, zumindest indirekt: Mitte Februar stufte das Finanzamt Jena den Verein als gemeinnützig ein, weil Journalistenwatch zur ‚Förderung der Volksbildung‘ beitrage. Wer Geld an den Verein spendet, kann dies seitdem von der Steuer absetzen. Auf der Website werben die Macher: ‚Jouwatch unterstützen, Steuern sparen!‘“

Im entsprechenden Blog wird berichtet, dass das Portal um Spenden mit dem Hinweis „dem MerkelRegime noch zusätzlich eins auswischen“ wirbt.