Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

wenn man Belange des Kinder- und Jugendschutzes und Belange des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit – übrigens auch ein Grundrecht der Bürger, körperliche Unversehrtheit vor Kriminalität

, wenn man diese Grundrechte – und genau darum geht es in unserem Gesetzentwurf – höher wertet als das jederzeitige mögliche Recht, sich überall zu besaufen. Das ist nämlich der Grundtenor Ihrer Verteidigungsrede für das öffentliche Besäufnis, an jedem Ort. Das gilt auch für die weiteren Vorredner.

(Beifall AfD)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren, weil der Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen und der Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren von Kriminalität, auch vor alkoholinduzierter Kriminalität, der Schutz der körperlichen Unversehrtheit selbstverständlich höherrangig ist, als sich jederzeit überall zu besaufen. Das sollte eigentlich in einer aufgeklärten Gesellschaft Common Sense sein, aber offensichtlich ist es das nicht.

Dann muss ich auch ganz ehrlich sagen, Herr Hartung, Sie sprechen davon, Sie wollten Ihre alten Gesetze evaluieren. Wann denn? Ist doch längst fünf Jahre her, die Geschichte, die Sie da erlassen haben. Hat es irgendetwas bewirkt? Ich habe mal in die Satzung der Stadt Erfurt geschaut. Da steht heute noch kursiv ein Alkoholverbot drin. Wissen Sie, warum es kursiv steht? Weil es nach wie vor nicht wirksam in Kraft treten konnte, weil man nämlich die Bedingungen, um es an bestimmten Orten in Kraft zu setzen, obwohl der Bedarf in Erfurt ohne Weiteres da ist, nicht erfüllen kann. Und warum kann man sie nicht erfüllen? Weil die Statistiken entsprechend schlecht geführt sind, weil die Polizei nicht mit der Ermittlung hinterherkommt. Wenn sie es tut, kommt es nicht zu einer Verurteilung. Dann fällt es ihnen als Stadt unglaublich schwer, nachzuweisen, dass es genügend Straftaten gegeben hat, die mit Alkohol in Verbindung stehen.

(Beifall AfD)

All das wissen Sie und trotzdem ist Ihnen das Recht auf öffentliches Besäufnis wichtiger als der Schutz von Kindern, Jugendlichen und der Allgemeinheit vor Gefahren der Ordnung und Sicherheit.

Nun zu Herrn Kollegen Dittes: Also da muss ich erst mal ganz vorn anfangen. Sie beschäftigen sich ja mit dem Thema „Ängste schüren“. Da muss ich Ihnen eins sagen: Ängste schüren nicht die, die auf Missstände hinweisen. Ängste schüren die, die beispielsweise Hunderttausende junge Männer ins Land gelassen haben, die dann im Anschluss versucht haben, jeden Hinweis zu kriminalisieren und zu diffamieren, dass von diesen Menschen doch in einem erheblich höheren Umfang als von der angestammten Bevölkerung, Kriminalität ausgeht. Dadurch schüren Sie Ängste. Denn die Angst kommt nicht dadurch zustande, dass wir irgendwas behaupten. Die Angst kommt dadurch zustande, dass wir anhand von Tatsachen

(Abg. Dr. Hartung)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Doch, die kommt durch Ihre Lügen!)

den Menschen erklären, warum die Kriminalstatistik mittlerweile bei ganz bestimmten Delikten ansteigt, warum es Messerstechereien gibt. Es war neulich die „Bild“-Schlagzeile in der Zeitung, dass die ungefähr um das Dreihundertfache angestiegen sind. Ich meine, woher kommt das denn? Das sind doch Tatsachen. Wenn man Tatsachen benennt, schürt man doch keine Ängste,

(Beifall AfD)

da nennt man erst mal nur Tatsachen. Die Tatsachen gefallen Ihnen nicht, weil sie mit Ihrer Politik zusammenhängen, Herr Dittes, das ist mir schon klar. Aber das können Sie nicht einfach so diffamieren. Damit kommen Sie auch nicht weiter, außer vielleicht bei Ihren Anhängern. Damit werden Sie sicherlich niemanden überzeugen können.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Also mich hat es überzeugt!)

Dazu: Das Alkoholverbot wäre rassistisch; da muss ich dann doch noch mal auf den Kollegen Hartung zurückkommen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Lesen Sie doch mal Ihre Gesetzeseinleitung!)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In der Einführung nachles- bar!)

Also nehmen Sie es mir nicht übel. Das Alkoholverbot, so wie wir es vorsehen, das unterscheidet nicht zwischen Rassen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie begehen Straftaten mit jedem Wort hier!)

Das unterscheidet einfach nur, ob Straftaten mit einem gewissen Alkoholbezug oder eben Störungen der Ordnung und Sicherheit mit Alkoholbezug stattgefunden haben oder nicht. Wer sie begeht, ist völlig egal. Da ist nicht ein Körnchen Rassismus dabei, nehmen Sie es mir nicht übel. Die Einleitung unseres Gesetzesentwurfs, dass es zu einer Erhöhung von Straftaten gekommen ist, im Zuge der Asylkrise: Entschuldigung, dann lesen Sie doch einfach die polizeiliche Kriminalstatistik, wenn Sie mir nicht glauben. Da steht es doch genau so drin.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Steht es nicht!)

Da können Sie es genau so nachlesen, und zwar bei allen Delikten.

(Beifall AfD)

Rechnen Sie sich einfach mal aus, wie hoch der Anteil der Tatverdächtigen beispielsweise bei sexueller Nötigung oder bei Diebstahl oder bei Körperverletzung oder sonstigen Gewaltdelikten bei Aus

ländern, vor allem bei Flüchtlingen, und wie er bei der autochthonen Bevölkerung ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unter Alkohol!)

Dann werden Sie es ganz schnell mitkriegen, dass das schlicht und ergreifend ein Fakt ist, an dem Sie eben nicht vorbeikommen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den darf man selbstverständlich auch in eine Einleitung eines Gesetzentwurfs schreiben.

(Beifall AfD)

Das macht den Gesetzentwurf keineswegs rassistisch.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dann hilft es Ihnen auch überhaupt nicht weiter, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie versuchen, unseren Gesetzentwurf zu überzeichnen. Hier ist nicht von einem Alkoholverbot die Rede. Natürlich kämen wir nie auf die Idee, Alkohol zu verbieten, erstens, weil dann die meisten Kollegen hier im Landtag

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Niemand hat die Absicht!)

und besonders laute Kollegen im Landtag ein massives Problem hätten, wenn wir den Alkohol verbieten – das zum einen – und zum Zweiten, weil es natürlich eine Reaktion im Übermaß wäre. Das ist auch gar nicht notwendig. Deswegen sagen wir, nach diesem Gesetzentwurf besteht diese Möglichkeit für die Gemeinden, die können es einschätzen. Nicht die AfD-Fraktion, die böse rechtspopulistische, entscheidet, wo es ein Alkoholverbot gibt, sondern die Gemeinden tun es. Also ich verstehe Ihr Problem überhaupt nicht. Wenn die Gemeinde sagt, ich habe da kein Problem, wird sie kein Alkoholverbot erlassen.

Zu Herrn Fiedler: Herr Fiedler, Sie haben gesagt, Gefahrenvorsorge braucht eine abstrakte Gefahr. Dazu muss ich Ihnen sagen, da haben Sie einfach das Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht gelesen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass das große Manko der ordnungsbehördlichen Regelung zum Zeitpunkt des Urteils und auch jetzt noch ist – denn an dem Fakt hat sich nichts geändert –, dass sie allein Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zulässt. Genau das ist ja das Problem. Wenn Sie erst für die Gefahrenabwehr zumindest eine abstrakte Gefahr benötigen, dann müssen Sie erst mal in Kauf nehmen, dass es nach dieser Regelung, die bisher im Gesetz steht, dass es eine gewisse Anzahl an Verstößen, an Straftaten gegeben hat, die alkoholbedingt sind. Das heißt, es muss erst mal Täter geben, es muss erst mal Opfer geben. Das kann doch nicht der An

spruch eines Rechtsstaats sein. Der Anspruch eines Rechtsstaats kann doch nicht sein, dass ich erst mal eine gewisse Anzahl an Straftaten über die Bevölkerung ergehen lasse, bevor ich dann irgendwann mal tätig werde. Und es wird ja keiner tätig. Erfurt wird seit Jahren nicht tätig.

(Beifall AfD)

Erfurt hat den Anger, das ist ein „gefährlicher Ort“. Es geschieht dort nichts – Entschuldigung. Warum geschieht dort nichts? Weil die Anknüpfungstatsachen, die bewiesen werden müssen, viel zu kompliziert sind, weil man diese Voraussetzungen schlicht nicht erfüllen kann.

Dann gehe ich auf Ihr zweites Argument ein, Herr Fiedler. Sie sagen, das wäre ja auch alles gar nicht zu realisieren, weil es fehlt ja die Polizei.

(Unruhe DIE LINKE)

Da haben Sie sogar recht. Es fehlt die Polizei. Aber die Polizei oder auch die Ordnungsbehörden, denen fällt es viel einfacher, jemanden mit einer Flasche Bier festzustellen, wo er nicht sein darf, und dem einen Platzverweis zu erteilen, als beispielsweise Straftaten zu verhindern, weil man dann nämlich permanent überwachen müsste. Dann bräuchte man Videoüberwachung, wogegen auch die Hälfte des Hauses ist. Man bräuchte viel mehr Polizisten, wo die Bereitschaft zur Finanzierung hier im Haus nicht vorhanden ist, man bräuchte viel mehr Geld für die Kommunen, um entsprechende Ordnungsbehörden auf die Beine zu stellen, wo auch der politische Wille hier im Haus nicht vorhanden ist.

(Beifall AfD)

Daran krankt doch überhaupt diese Gesellschaft. Sie wissen ganz genau, welche Prämissen Sie setzen müssten, um so ein Alkoholverbot zu verhindern. Aber Sie haben nicht den politischen Willen, um diese Prämissen vorher dann auch politisch in die Tat umzusetzen. Deswegen bleibt uns nach diesen Haushaltsverhandlungen – so wie sie abgeschlossen worden sind – natürlich nur die Möglichkeit, mit den vorhandenen Mitteln umzugehen. Dann ist es nun mal für eine Ordnungsbehörde einfacher, sie setzt inhaltlich neue Prämissen, sie konzentriert sich nicht mehr so sehr auf die Verfolgung von Blitzern und von Parkverstößen, sondern sie konzentriert sich zum Beispiel auf die Durchsetzung von ordnungsbehördlichen Satzungen, wie zum Beispiel auch räumlichen Alkoholverboten im Bereich „gefährlicher Orte“ wie zum Beispiel dem Anger. Also das wäre durchaus eine realistische Möglichkeit und ist vor allem einfacher, als Straftaten, sage ich mal, aufzuklären oder dann überhaupt mal rechtzeitig wahrzunehmen, damit man da noch einschreiten kann.

Natürlich haben Sie recht, ich verlagere damit nur ein Problem. Aber selbst das ist ein legitimes Ziel ordnungsbehördlichen Handelns. Wenn ich aus einer besonders sensiblen Zone, Fußgängerzone zum Beispiel, wo besonders viele Menschen von bestimmtem kriminellen oder ordnungsbehördlich problematischem Verhalten betroffen sind, dann ist es doch legitim, wenn ich diese Vorfälle aus diesem Bereich herausdränge in Bereiche, wo das eben nicht so eine Rolle spielt. Wenn ich zum Beispiel Alkoholkonsum bei einem Kinderspielplatz oder einem „gefährlichen Ort“, der viel frequentiert wird, verhindere und den beispielsweise zur nächsten Tankstelle verlagere, dann ist das auf jeden Fall auch ordnungsbehördlich eine akzeptable Richtungsentscheidung in der Gemeinde. Wie gesagt, nicht wir treffen die Entscheidung, es treffen am Ende immer noch die Gemeinden die Entscheidung, wie groß die ordnungsbehördliche Alkoholverbotszone ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)

Ganz zum Schluss noch mal zum Kollegen Dittes: Er hat gesagt, die Gerichte würden es überhaupt nicht zulassen, dass man die Gefahrenvorsorge bereits als Schwelle des ordnungsbehördlichen Handelns für zulässig erklärt. Das ist offensichtlich falsch, denn gerade der Verwaltungsgerichtshof in Weimar hat das explizit festgestellt, dass das Problem beim OBG, beim Thüringer OBG, nach wie vor – damals und heute immer noch – ist, dass keine Eingriffsschwelle zur Gefahrenvorsorge vorgesehen ist. Logischerweise, wenn das Gericht das so anmerkt, dann braucht es nur eine entsprechende Änderung und dann können sie natürlich auch zur Gefahrenvorsorge tätig werden, was Sie ja nicht machen im Bereich der Gefahrenvorsorge, dass Sie irgendwelche konkreten Maßnahmen gegen bestimmte Leute ergreifen, sondern Sie versuchen, mit einem Alkoholverbot eine abstrakt-generelle Regelung zu schaffen für alle Leute, für alle Menschen, die sich in der Zone aufhalten, um die es da geht, und dadurch, sage ich mal, Gefahrenpotenzial zu unterbinden. Es ist doch geradezu eine absurde Vorstellung, dass die Unterbindung von Gefahren, also vor dem Entstehen, für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verfassungswidrig sein soll. Nun sagen Sie mal: In was für einem Land leben wir denn, wenn die Unterbindung von Gefahren für die Ordnung und Sicherheit verfassungswidrig sein soll?

(Beifall AfD)

Also nehmen Sie es mir nicht übel, das ist wirklich eine sehr, sehr absurde Vorstellung und sie zeigt auch ganz klar, dass Sie ein generelles Problem mit Eingriffsbefugnissen für Ordnungsbehörden und Polizeien haben. Das mag in Ihrer Biografie verankert sein, da will ich jetzt gar nicht tiefer gehen,

aber es erklärt, warum Sie da so eine sehr, sehr restriktive Meinung vertreten. Vielen Dank.