Protokoll der Sitzung vom 27.04.2018

Wer dem Gesetzentwurf die Zustimmung in der Schlussabstimmung gibt, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Das sind die Koalitionsfraktionen und die Abgeordneten Gentele und Krumpe. Gegenstimmen? Das sind die Mitglieder der CDUFraktion und der AfD-Fraktion. Damit ist auch der Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung angenommen und ich kann den Tagesordnungspunkt schließen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2 in seinen Teilen

a) Thüringer Gesetz zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen sowie zur Änderung weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4467 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft - Drucksache 6/5585

dazu: Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5632

ZWEITE BERATUNG

b) Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 6/4657 - Neufassung dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft - Drucksache 6/5586

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat zuerst Abgeordneter Schaft aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zur Berichterstattung zu den beiden Tagesordnungspunkten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne – ich grüße insbesondere den Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz und Rektor der TU Ilmenau, Herrn Prof. Dr. Scharff –

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und natürlich auch alle Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream, durch den Beschluss des Landtags in seiner 96. Plenarsitzung am 29. September 2017 wurde der Gesetzentwurf der Landesregierung unter dem Titel „Thüringer Gesetz zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen sowie zur Änderung weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften“ in der Drucksache 6/4467 nach der ersten Lesung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft überwiesen. Damit wurde ein umfassender zweijähriger Dialog- und Beratungsprozess hier im Parlament Realität. Die Mitglieder des Ausschusses kamen in der 38. Sitzung am 26. Oktober 2017 überein, eine schriftliche und eine mündliche Anhörung zum Gesetz durchzuführen sowie das Gesetz im Online-Diskussionsforum des Thüringer Landtags zur Debatte zu stellen. Am 2. November 2017 wurde mit dem Ersten Gesetz zur Änderung

(Vizepräsidentin Jung)

des Thüringer Hochschulgesetzes ein alternativer Gegenvorschlag der CDU-Fraktion eingebracht und ebenso an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft überwiesen. In der Sondersitzung am 3. November 2017 kam der Ausschuss überein, den CDU-Gesetzentwurf einer schriftlichen Anhörung zu unterziehen und durch eine Synchronisation der Abläufe beide Gesetzentwürfe dann so zu behandeln, dass sie auch das Plenum zusammen erreichen können.

Im Rahmen der schriftlichen Anhörung erfolgten 48 Zuschriften zum Gesetzentwurf der Landesregierung sowie drei Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern im Online-Diskussionsforum. Zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion gingen 19 Stellungnahmen ein sowie zwei Äußerungen im Online-Diskussionsforum. Die mündliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung fand am 18. Januar 2018 mit einer Gesamtlänge von zehn Stunden unter Beteiligung von insgesamt 30 Anzuhörenden statt.

Schriftliche und mündliche Stellungnahmen zeigten eine sehr differenzierte Sichtweise auf den vorliegenden Gesetzentwurf – oder auf die vorliegenden Gesetzentwürfe. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen dabei Fragen der Hochschulgovernance und ihrer Demokratisierung, die Mitbestimmungsrechte einzelner Statusgruppen, die durch die Koalition beabsichtigte Einführung einer Zivilklausel, Möglichkeiten im Rahmen des Hochschulbaus, die Stärkung der Autonomierechte der Hochschulen, Fragen Guter Arbeit in der Wissenschaft sowie zur Anwesenheitspflicht und Feststellung der Prüfungsunfähigkeit.

Am 26. Januar 2018 wurde durch den Thüringer Landtag ein weiterer Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulgesetz in der Drucksache 6/4908 an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft überwiesen. Die darin vorgeschlagene Anpassung bezog sich auf den Studienakkreditierungsstaatsvertrag, der erst nach dem Inkrafttreten zum 1. Januar 2018 Berücksichtigung finden konnte.

In seiner Sitzung am 15. Februar 2018 wurde die mündliche und schriftliche Anhörung zu den beiden Gesetzentwürfen der Landesregierung und der CDU-Fraktion ausgewertet. Es wurde vereinbart, in der Sitzung am 15. März 2018 über mögliche Änderungsanträge der Fraktionen zu beraten. Die Koalitionsfraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen reichten vereinbarungsgemäß am 9. März 2018 gemeinsam einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf ein, der im Wesentlichen neben geringfügigen formalen Korrekturen Anmerkungen aus der Anhörung aufgriff.

Ich erlaube mir, kurz einige Beispiele des Änderungsantrags zu nennen und aufzuführen, die aus dem Ausschuss in der Beschlussempfehlung vorlie

gen. Es geht zum einen darum, dass mit der Änderung in § 15 Abs. 1 des Gesetzentwurfs künftig den Hochschulen gestattet werden soll, kleine Baumaßnahmen in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Zudem ist eine Positivliste zu den unmittelbaren Angelegenheiten von Forschung und Lehre vorgeschlagen worden, um den Befürchtungen zu begegnen, dass die Hochschulen handlungsunfähig werden. Weiterer Änderungsvorschlag: Im Bereich Gute Arbeit finden zum Beispiel mit der Einstellung der Drittmittelbeschäftigten die Kodizes für Gute Arbeit Berücksichtigung sowie die Vergütung der Vor- und Nachbereitungszeiten bei Lehrbeauftragten; eine Studierbarkeitsgarantie wird vorgeschlagen sowie eine Neufassung zur Prüfungsunfähigkeit. Weitere Anpassungen im Thüringer Hochschulgebührenund -entgeltgesetz sollen auch noch einige Hinweise der Anzuhörenden berücksichtigen.

Weiterhin übernimmt der Änderungsantrag der regierungstragenden Fraktionen wortgleich die Neuformulierung zum § 49 – also dem betreffenden Paragrafen zur Akkreditierung –, die sich aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung anlässlich des Inkrafttretens des Studienakkreditierungsstaatsvertrags ergibt.

In der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft am 15. März wurden die Änderungsanträge der regierungstragenden Fraktionen eingebracht. Die geplante Beschlussfassung zum neuen Thüringer Hochschulgesetz wurde im Einvernehmen mit den Ausschussmitgliedern auf die nächste Sitzung im April vertagt. Während der Ausschusssitzung hatte sich herausgestellt, dass das Protokoll zur Auswertung der Anhörungen den Abgeordneten nicht rechtzeitig zugeleitet wurde. Um keine rechtlichen Unsicherheiten zu riskieren und allen Abgeordneten die Gelegenheit zu geben, sich mit den Diskussionsergebnissen der vorherigen Ausschusssitzung zu befassen, wurde deshalb die Beratung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen zum Hochschulgesetz um einen Monat verschoben.

In seiner Sitzung am 19. April 2018 legte die CDUFraktion einen Änderungsantrag in der Vorlage 6/ 3923 zu ihrem eigenen Gesetzentwurf vor, der keine Mehrheit im Ausschuss fand. Daraufhin verabschiedete der Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei den Gegenstimmen der Opposition eine Beschlussempfehlung, die die Annahme des Gesetzentwurfs der Landesregierung unter Berücksichtigung des Änderungsantrags oder der Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen und die Ablehnung des Gesetzentwurfs der CDU-Fraktion empfiehlt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die gemeinsame Beratung und als erste Rednerin hat Abgeordnete Mühlbauer, Fraktion der SPD, das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, werter Rektor Prof. Scharff – ich grüße auch Sie von dieser Stelle aus –, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, als Erstes möchte ich hier auch an alle die Grüße meines Fraktionsvorsitzenden erwähnen, der gesagt hat: Das ist ein sehr gutes Gesetz – ein sehr gutes Gesetz nicht nur wegen der vielen Inhalte, über die wir jetzt gerade sprechen werden, sondern auch – aus seiner Sicht –, weil wir uns auch dort zu Gotha formuliert haben, und zwar zu Gotha als Forschungsbibliothekseinrichtung. Das möge mir jetzt hier so am Rande erlaubt sein; das war ihm sehr wichtig und er hat mich hier beauftragt, dieses besonders zu erwähnen. Denn der heute bevorstehende Beschluss des neuen Thüringer Hochschulgesetzes ist ein weiterer Meilenstein und Bestandteil unserer fortschrittlichen Wissenschaftspolitik, die wir seit 2009 als Sozialdemokraten in Thüringen verantworten. Wir haben in dieser Wahlperiode wichtige Weichen für den Hochschulund Wissenschaftsstandort Thüringen gestellt. Ich will einige Beispiele nennen:

1. Wir haben die Duale Hochschule Gera-Eisenach begründet, dadurch die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis auf eine neue Stufe gehoben, die Abschlüsse der Studierenden aufgewertet und damit einen wichtigen Beitrag zur regionalen Fachkräftesicherung geleistet.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

2. Wir haben mit der Hochschulrahmenvereinbarung IV verlässliche Bedingungen für die Thüringer Hochschulen geschaffen, indem die Universitäten und Fachhochschulen jährlich mit einem finanziellen Mittelaufwuchs von 4 Prozent rechnen können.

(Beifall DIE LINKE)

3. Wir werden durch eine Fortschreibung der Hochschulrahmenvereinbarung bis 2020 diese Planungssicherheit über die Wahlperiode hinaus fortschreiben.

(Beifall DIE LINKE)

Und mit dem heute zur Debatte stehenden neuen Thüringer Hochschulgesetz setzen wir Maßstäbe in Sachen Demokratie und Mitbestimmung an Thüringer Hochschulen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schon die Erarbeitung des neuen Thüringer Hochschulge

setzes ging mit einem bis dahin nie da gewesenen zweijährigen Dialog- und Beteiligungsprozess einher. Anfang 2016 startete das Wissenschaftsministerium den Thüringer Hochschuldialog. Studierende, Lehrende an allen Hochschulstandorten nahmen daran teil.

(Beifall DIE LINKE)

An den anschließenden Werkstattgesprächen beteiligten sich Stakeholder aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft. Das neue Hochschulgesetz – es sei mir hier erlaubt zu sagen – ist ein Ergebnis dieses Hochschuldialogs und kann sich sehen lassen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Einführung der Parität als Kernbestandteil des neuen Hochschulgesetzes sorgen wir dafür, dass alle Statusgruppen der Fachhochschulen und Universitäten gleichberechtigt in allen Hochschulgremien vertreten sind. Zum Grundsatz der Parität hat sich erst vor wenigen Tagen der stellvertretende Vorsitzende der GEW Andreas Keller, ein Hochschulexperte, geäußert. Laut Keller bringt das neue Thüringer Hochschulgesetz Bewegung in eine seit 1973 festgefahrene Debatte um die Hochschulgovernance und ist ein wichtiger Weg hin zu mehr Demokratisierung an Hochschulen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem schließe ich mich vollumfänglich an.

Ich will aber auch auf die von der Opposition und einigen Anzuhörenden geäußerten Einwände an der Parität eingehen. Dies geht teilweise so weit, dass von Verfassungswidrigkeit die Rede ist, weil die Professorenmehrheit vermeintlich nicht mehr gewährleistet ist.

Lassen Sie mich zu Beginn gleich klarstellen: Das ist nicht so! Der Gesetzentwurf sieht und sah schon immer vor, dass in allen Angelegenheiten der Forschung und Lehre nach wie vor die Hochschullehrermehrheit greift. Der aus der Wissenschaftsfreiheit abgeleitete und durch das Bundesverfassungsgericht formulierte Grundsatz, dass die Entscheidung über Angelegenheiten, die unmittelbar Forschung und Lehre betreffen, den Hochschullehrern zu obliegen hat, wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Gleichwohl haben wir als Koalition den Gesetzentwurf in diesem Punkt nicht unverändert gelassen. Damit haben wir auf das Unverständnis reagiert, dass es dem Regierungsentwurf an einer klaren Definition fehlt, welche Angelegenheiten genau zu Forschung und Lehre zu rechnen sind. Wir haben mit der Koalition lange darüber diskutiert, ob wir einen Katalog im Gesetz verankern oder dies der untergesetzlichen Regelung durch die Landesregierung überlassen. Am Ende haben wir uns für eine gesetzliche Definition der Angelegenheiten von Forschung und Lehre entschieden, die sich

nunmehr auch in der Beschlussempfehlung wiederfindet. In diesem Punkt haben wir also die Anregungen aus der Anhörung berücksichtigt.

Sehr geehrte Damen und Herren, gleichwohl teilen wir nicht die grundsätzliche Kritik an der Parität, wie sie mitunter formuliert wurde. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen, und werter Prof. Dr. Scharff, Sie sind anwesend, ich erlaube mir, Sie zu zitieren. Es handelt sich um eine Veröffentlichung einer CDU-„DruckSache“, die mit Sicherheit Prof. Voigt auch bekannt ist. – Frau Präsidentin, Sie erlauben? – Sie werden dort wie folgt zitiert: „Selbstverständlich ist Demokratie wichtig und muss mit den Studierenden an der Universität eingeübt werden. Doch der Daseinszweck der Universität ist nicht, demokratisch verwaltet zu sein, sondern Forschung und Lehre. Es gibt Fragen, die kann man nicht demokratisch entscheiden. Wenn sich Wissenschaftler und Fachleute einen wohlüberlegten Standpunkt gebildet haben, sollte der nicht einem Prozess unterworfen werden, in dem am Ende Mehrheiten aus Studierenden und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern Mehrheitsentscheidungen treffen.“

Sehr geehrte Damen und Herren, was will ich Ihnen damit sagen? Warum habe ich mir dieses Zitat rausgesucht? Ich habe mich sehr intensiv auch nach der Anhörung damit beschäftigt, mit dieser Auffassung beschäftigt. Sehr geehrte Damen und Herren, nach meiner Auffassung entspricht diese Formulierung eher dem Idealtyp der Expertokratie als dem der Demokratie.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin grundlegend davon überzeugt, dass die übergroße Mehrheit der Hochschulmitglieder ebenfalls eine grundlegend andere Vorstellung von Demokratie hat. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage: Wenn auch nur in Teilen der Thüringer Hochschullandschaft die Meinung besteht, Expertenmeinungen bräuchten sich grundsätzlich keiner demokratischen Entscheidung unterwerfen, dann tun wir mit der Einführung der Parität das einzig Richtige!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens handelt es sich bei Studierenden nicht um Menschen, mit denen erst Demokratie eingeübt werden muss. Die meisten Studierenden in Thüringen haben das 18. Lebensjahr vollendet und sind damit per Gesetz wahl- und stimmberechtigt. Das gilt erst recht für die wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter. Die müssen Demokratie nicht erst einüben, sondern verdienen es, als erwachsene Menschen und Mitglieder der Hochschule ernst genommen zu werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)