Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

(Unruhe CDU)

Ja – die CDU hat dafür nur Spott, mir ist es aber wichtig, das ehrlich zu sagen. Es hat zu lange gedauert und das soll so nicht sein und dafür kann man auch mal „Entschuldigung!“ sagen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Lächerlich!)

Entscheidungslosigkeit, Kraftlosigkeit zur Entscheidung, liebe Kollegen von der CDU, wie Sie es gerade

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das hat das Gericht doch letztes Jahr gezeigt!)

ausdrücken, ist, glaube ich, das größere Übel, als lange …

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Um die Oh- ren gehauen haben Sie es euch!)

Herr Kollege Heym!

Es ist schlimmer, in der Politik nicht die Kraft zur Entscheidung zu haben, als lange nachzudenken und hinterher „Entschuldigung!“ dafür zu sagen, dass es länger gedauert hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum es länger gedauert hat, versuche ich mal an drei Beispielen aufzuzeigen. Herrn Meusel habe ich gesehen – gegen das Licht ist es immer schwer zu sehen – aus der zukünftigen Gemeinde Föritztal.

(Abg. Henke)

Hier schließen sich die Gemeinden Judenbach, Neuhaus-Schierschnitz und Föritz zusammen. Es ist eine besondere Lage in unserem Freistaat. Es ist eine Lage in einer Grenzregion zu einem anderen Bundesland und in einer besonderen Lage zu einem Zentrum, das für Südthüringen wichtig ist, nämlich der Stadt Sonneberg. Wir haben hier einen klassischen Konflikt auch aus unserem Leitbild heraus, dass wir sagen, die Gemeinden wollen diesen Weg gehen. Wir wollen den ländlichen Raum auch stärken, das wollen wir unterstützen. Aber wir haben auch ein Zentrum, das sich weiterentwickeln muss. Wie löst man das auf? Indem man zuhört und schaut, welche Möglichkeiten es gibt, Lösungen zu finden. Nichts in der kommunalen Familie ist unlösbar, wenn man an den Tisch geht und gemeinsam spricht.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist das Ziel auch dieses Gesetzes. An der Stelle kann man, glaube ich, eines sagen, mal einen deutlichen Dank an unseren Staatssekretär Uwe Höhn, der sich vor Ort hingesetzt hat

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und gemeinsam mit den Vertretern der beiden hier konkurrierenden Kommunen, nämlich Sonneberg und der zukünftigen Kommune Föritztal, einen Ausgleich gesucht und einen Ausgleich gefunden hat, indem er gesagt hat: Wir anerkennen natürlich, dass sich die Stadt Sonneberg entwickeln muss, aber wir anerkennen das Selbstbestimmungsrecht, die kommunale Selbstverwirklichung, Selbstverwaltung der Kommunen auch an einem Grenzstreifen, die sich eigentlich nirgendwo anders als zu Sonneberg hin entwickeln können. Aber sie wollen das nicht und sie haben das ausgedrückt. Deshalb sagen wir ganz klar: Natürlich muss es hier einen Ausgleich geben. Dass Ihnen dieser Ausgleich gelungen ist, das in einer sehr schwierigen Situation mit lange auch verhärteten Strukturen aufzulösen, darauf dürfen Sie sehr stolz sein und ich möchte mich dafür bedanken.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Weil ihr Angst vor einer Klage hattet!)

Die giftigen Kommentare aus der CDU zeigen doch nur, dass Sie zornig darüber sind und nicht darüber hinwegkommen, dass Sie die Kraft zur Entscheidung nicht haben,

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Das ge- hört zur Wahrheit dazu!)

die Kraft zur Entscheidung und die Kraft, solche schwierigen Probleme zu lösen.

(Unruhe CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Freiwilligkeit ist aber immer – und deshalb habe ich dieses Beispiel gewählt – auch etwas, das man sich genau anschauen muss. Man darf es auch „relativ“ nennen. Denn es gibt – und das will ich hier offen ansprechen – in Judenbach ein Bürgerbegehren. Hier haben nach meinen Informationen circa 250 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben. 250 Bürgerinnen und Bürger haben für folgende Frage schon unterschrieben: „Sind Sie dafür, dass im Zusammenhang mit einem möglichen Gesetzgebungsverfahren zur Bildung einer neuen Gemeinde Föritztal durch die bisherigen Gemeinden Judenbach, Föritz und Neuhaus-Schierschnitz eine Bürgerbefragung der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Judenbach stattfindet?“ Wir haben alle Anfang dieser Woche noch einmal eine E-Mail bekommen von den Vertreterinnen und Vertretern dieses Bürgerbegehrens. Wir haben uns damit auseinandersetzen müssen, weil wir heute entscheiden wollen. Ich habe gestern meine Entscheidung der Vertreterin dieses Bürgerbegehrens mitgeteilt, die natürlich darüber nicht erfreut war, dass ich gesagt habe: Ich habe mir das angeschaut und bin fest der Überzeugung, dass mich die Argumente nicht überzeugen und ich deshalb nicht das Gesetz anhalten werde. Das hat nicht nur den Grund, dass ich sage, ich schau mal darauf, das hat nicht nur den Grund, weil wir andere Gemeinden, die schon lange zusammengehen wollen, nicht zu ihrem Recht, sich selbst zusammenzutun, kommen lassen würden. Sondern es hat auch etwas damit zu tun, dass wir vor wenigen Wochen in der schriftlichen Anhörung der Bürgerinnen und Bürger – es sind 128 aus Judenbach gewesen – die Möglichkeit hatten, uns durchzulesen, welche Einwendungen sie haben. Sie haben drei Punkte eingewendet.

Der erste Punkt sind die Sonneberger Entwicklungsmöglichkeiten. Die Menschen in Judenbach haben gesagt, Sonneberg soll sich auch weiterentwickeln können. Der Hauptknackpunkt war diese Frage des Flächentauschs gewesen, der gelungen ist. Da können wir einen Haken an diese Frage machen.

Dann gab es noch zwei weitere Gründe. Das eine ist eine fehlende Straßenverbindung. Wenn man sich das aber genau anguckt, wie nah das alles beieinander liegt und man tatsächlich die Gemarkung einer anderen Gemeinde überfährt, was aber rechtlich überhaupt keine Frage und überhaupt kein Problem ist

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Beim nächsten Mal bauen wir eine Brücke!)

und auch gar kein vernünftiger Hinderungsgrund ist, kann man auch an diesen Punkt einen Haken machen und sagen, das wird natürlich funktionieren. Es ist etwas ungewöhnlich, aber wo ist das Problem, auch ungewöhnliche Schritte zu gehen?

Das Dritte hat einfach meiner Überprüfung nicht standgehalten, dass die Menschen gesagt haben, wenn wir zusammengehen, dann werden unsere Kinder nicht mehr in unsere Schule gehen, sondern dann müssen sie in einen anderen Ortsteil fahren. Das hat der Überprüfung einfach nicht standgehalten. Es scheint mir nicht stichhaltig zu sein, diese Angst zu sehen oder diese Furcht zu haben. Dafür gibt es keine Beweggründe. Deshalb habe ich auch gesagt, wir werden dieses Gesetz nicht anhalten, wir wollen den langjährig gehegten Wunsch, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gemeinden auch wirklich ermöglichen.

Lassen Sie mich zwei Fusionen noch ganz kurz anreißen. Das ist zum einen die Fusion der Gemeinden Drei Gleichen und Günthersleben-Wechmar. Wir haben auf einer Veranstaltung miterleben können, welche breite Bewegung es dazu in diesen beiden Gemeinden gibt, von den Feuerwehren über verschiedenste Sportvereine, die sich schon zusammengetan haben, bis hin zu den Kirchgemeinden, die gesagt, wir wollen gemeinsam gehen. Das haben die vor Ort vorbildlich vorbereitet, super kommuniziert und deshalb ist es richtig, dass wir heute dieser Gemeinde auch das Go geben für eine gute gemeinsame Zukunft.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder das Beispiel der Gemeinde Harztor, der sich mehrere Gemeinden angeschlossen haben, nachdem sie Bürgerabstimmungen durchgeführt und alle gesagt haben, wir wollen nach Harztor, wir wollen nicht nach Nordhausen. Das ist eine gute Entscheidung, dass heute die Landesregierung uns ein Gesetz vorgelegt hat und der Thüringer Landtag sagt: Wenn ihr das vor Ort so wollt, dann werden wir das auch tun. Freiwilligkeit first, der ländliche Raum wird von diesem Gesetz und von rot-rot-grüner Kommunalpolitik profitieren. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe eine weitere Wortmeldung. Abgeordneter Bühl hat sich für die CDU-Fraktion gemeldet.

Herr Kuschel, jetzt haben Sie mich mit Ihren Äußerungen, die Sie hier getätigt haben, doch genötigt, noch mal hier vorzukommen. Überschätzen Sie Ihren Einfluss da nicht. In der Regel schaffen Sie es ja, ordentlich zu polarisieren. Das kann durchaus manchmal gut sein. In dem Punkt, finde ich, ist es keine gute Sache, wenn Sie hier so polarisieren und so schwarz und weiß malen, denn unterm Strich muss man ja tatsächlich feststellen, dass es immer auf den Einzelfall ankommt, der vor Ort gezeichnet wird. Wenn Sie den Einzelfall Ilmenau

ganz explizit angesprochen haben, dann will ich dazu gleich noch etwas sagen. Aber im Vorfeld will ich zu Ihrer Rede, zu dem, was Sie hier gesagt haben, sagen, das Thema „Geld“ ist natürlich eine Frage für viele Gemeinden. Auch im Ilm-Kreis werden Sie feststellen können – und Sie sprechen ja auch viel mit den kommunalen Vertretern –, dass es dort oft um diese Prämie geht, die man da kriegen kann. Das ist ja auch okay. Die Möglichkeit haben sie jetzt, weil sie eine ausgesprochen gute Konjunktur aktuell haben; ob das in der Zukunft noch so sein wird – andere Frage. Aber dass dieses Geld ein Thema ist, das können Sie nicht negieren, genauso wenig, wie Sie hier mit alternativen Fakten argumentiert haben, was Sonneberg betrifft. Die Kollegin hat eben im Gespräch noch mal betont, dass Sonneberg an sich nicht zugestimmt hat. Ich meine, Sie und Ihre Landrätin haben da aktuell im IlmKreis einen Dissens, was Gehlberg betrifft, Sie ist dafür, Bürgerbeteiligung in Gehlberg voranzutreiben, Sie sind nicht dafür, das zu tun. Das zeigt doch aber auch vor Ort, dass diese Möglichkeit der Bürgerbeteiligung durchaus genutzt wird, und das ist keine Möglichkeit, die wir in irgendeiner Form hier unredlich mit nutzen. Das ist eine Möglichkeit, die vor Ort besteht, um den Bürgerwillen herauszukehren.

(Beifall CDU)

Ich finde es ziemlich unredlich von Ihnen, dass Sie dann, wenn es Ihnen passt, sagen, Bürgerbeteiligung ist okay, dass Sie aber dann, wenn Bürgerbeteiligung sich vielleicht mal gegen Sie wendet,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es geht um den Zeitpunkt für Bürgerbeteiligung!)

sagen: Okay, das war aber jetzt nicht die richtige Form der Bürgerbeteiligung.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: So etwas würden Sie nie ma- chen!)

So kann es nicht funktionieren. Das zeigt aber auch so ein bisschen, wie Ihre Reform insgesamt funktioniert hat. Sie war tatsächlich ziemlich planlos. Sie haben alles, was Sie bekommen haben, in ein Gesetz zusammengebunden. Das zeigt ja auch die Probleme, weshalb der Kollege Fiedler schon betont hat, dass es durchaus unterschiedliche Würdigungen vom Landesverwaltungsamt gibt, was für zustimmungswürdig erachtet wird oder eben auch nicht.

Da bin ich beim Punkt Ilmenau, was den Einzelfall betrifft. Wir vor Ort waren uns alle einig, dass wir das machen wollen, dass wir die Gebietsreform voranbringen wollen und dass wir die auch zu einem Erfolg führen wollen. Da zeigt sich, dass Freiwilligkeit einer der wesentlichen Fakten ist, denn wenn man freiwillig nicht zusammenfindet, dann wird es unterm Strich auch nicht funktionieren. Wenn es –

(Abg. Adams)

sagen wir mal – ein freiwilliger Zwang ist, der im Hintergrund steht, wird es auch nicht funktionieren. Ich bin ziemlich überzeugt, dass wir diese Reform bei uns zu einem Erfolg bringen können, aber das liegt auch maßgeblich daran,

(Beifall DIE LINKE)

weil wir – und da muss ich Frau Scheerschmidt so ein Stück widersprechen, sie hat gemeint, da ist doch ein Kostenersparnisfaktor im Hintergrund, den man vor Ort vorantreibt, weil die Kommunen nicht mehr so ausgestattet sind – haben Sie ja gesagt – oder nicht mehr so ausgestattet werden in der Zukunft. Ich bin der Meinung, Geld wird man nicht sparen können. Das sehen wir jetzt schon, dass wir Geld vor Ort mit dieser Reform nicht sparen, weil wir nämlich vor Ort sagen, wir behalten die Bürgerbüros in den Orten, die wir erhalten wollen,

(Beifall CDU)

wir erhalten das örtliche Leben in den Orten, wir steigern sogar das Geld, das die einzelnen Ortsteile bekommen, damit sie ihr örtliches Leben erhalten können, damit wir nicht bei der größten Struktur – Ilmenau wird die zweitgrößte Stadt Thüringens von der Fläche her – Verluste in den einzelnen Ortsteilen haben, damit das Leben vor Ort erhalten bleibt, dass wir dort mehr Geld reinstecken, damit wir alle Feuerwachen, alle örtlichen Einrichtungen erhalten. Da kann mir keiner erzählen, dass wir dann vor Ort damit Geld sparen werden. Das wird nicht passieren.

(Beifall CDU)