Protokoll der Sitzung vom 22.06.2018

Es wird seitens der Landesregierung stets die Frage zu beantworten sein, ob die Arbeitsfähigkeit des Amts für Verfassungsschutz noch gegeben ist, dies gerade auch, wenn das Amt für Verfassungsschutz aufgrund der knappen Personalressourcen unter Beachtung der Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb an seine Belastungsgrenzen stößt. Dies ist Gegenstand der Beratung.

(Beifall CDU)

Aufgrund der knappen Personalausstattung des Amts für Verfassungsschutz musste auch eine Priorisierung in bestimmten Phänomenbereichen vorgenommen werden. Dafür wurde aus anderen Bereichen Personal abgezogen, um es im Bereich des Rechtsextremismus einzusetzen. Das hohe Arbeitsaufkommen und die steigende Arbeitsintensivität führten zu weiterer Belastung. Ursächlich hierfür war auch ein erhöhtes Fallaufkommen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Im Zusammenhang mit dem Auffinden von Substanzen in Rudolstadt und Uhlstädt-Kirchhasel, mit denen die Herstellung von Sprengstoff möglich gewesen wäre, wurde die Landesregierung informiert, dass die Beobachtung der linksextremistischen Szene im Raum Saalfeld-Rudolstadt wegen Personalengpässen ruhend gestellt sei.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ruhend!)

Für die Parlamentarische Kontrollkommission stellt es daher ein ernst zu nehmendes Problem dar, wenn die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben gefährdet ist. Die Anzahl des eingesetzten Personals kann nicht ausschließlich von haushalterischen und politischen Priorisierungen abhängig gemacht werden.

(Beifall CDU, SPD)

In meinen weiteren Ausführungen werde ich den Aspekt der Personalproblematik noch mehrfach erwähnen. Eines möchte ich an dieser Stelle der Vollständigkeit halber aber auch klarstellen: Die Parlamentarische Kontrollkommission ist sich durchaus bewusst, dass die Vorgängerregierungen einen Personalabbaupfad aufgestellt haben, der auch beim Verfassungsschutz, würde man ihn konse

quent umsetzen, zu einer noch stärkeren Personalreduzierung führen würde. Allerdings war die globale, nationale und auch die hiesige Sicherheitslage vor 15, vor zehn oder auch vor fünf Jahren noch eine ganz andere als heute.

(Beifall CDU)

Im Lichte der zahlreichen neuen Bedrohungen bedarf es daher eines Umdenkens im Hinblick auf eine der Sicherheitslage angepasste Personalentwicklung. Daher wird das Ministerium für Inneres und Kommunales gebeten, durch geeignete Personalmaßnahmen zumindest die haushalterisch vorgesehenen Sollstärken auch zu besetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir zu den einzelnen Phänomenbereichen. Wie schon in den vorangegangenen Jahren orientierte sich die Berichterstattung des Amts für Verfassungsschutz an den Kategorien Rechts, Links, Ausländerextremismus und Islamismus. Dem trägt auch dieser Bericht Rechnung. Gleichzeitig sei angemerkt, dass die dem Amt für Verfassungsschutz von diesem Gesetzgeber vorgegebene gesetzliche Grundlage den Begriff „Extremismus“ nicht kennt. Die gesetzliche Pflicht zur Erfüllung seiner Aufgaben besteht für das Amt für Verfassungsschutz vielmehr unabhängig davon, aus welcher politischen, weltanschaulichen oder religiösen Richtung die Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung droht.

Den größten Anteil an der Berichterstattung nahm wiederum der Rechtsextremismus ein, wenngleich sich der Phänomenbereich Islamismus/Ausländerextremismus zunehmend diesem Anteil annähert. Im Mittelpunkt standen die Entwicklungen der rechtsextremistischen Parteistrukturen, das NPDVerbotsverfahren, rechtsextremistische Musikveranstaltungen sowie das Demonstrations- und Kundgebungsgeschehen. Aber auch die wachsende Unterwanderung und Dominierung vormals eher bürgerlich geprägter Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik nahmen einen größeren Raum ein.

Thüringen blieb leider auch im Berichtszeitraum ein Veranstaltungsschwerpunkt für die bundesweite rechtsextremistische Szene. Die Besucherzahlen schwanken zwischen wenigen Personen im zweistelligen Bereich und mehreren Tausend Besuchern. So fand beispielsweise im Juli 2016 in Sondershausen eine Versammlung mit dem Titel „In Bewegung – Das politische Fest der Nationalen“ als Kundgebung unter dem Motto „Für eine lebenswerte Zukunft – Nein zur Überfremdung unserer Heimat“ mit circa 420 Teilnehmern statt. In den Vorjahren wurde diese Veranstaltung von etwa 900 Personen im Jahr 2013 und 700 Personen im Jahr 2014 besucht. Neben dem Auftritt einschlägiger Bands gab es Redebeiträge. Zudem wurde die Veranstaltung zum Vertrieb einschlägiger Tonträger,

von Bekleidung und Literatur genutzt. Die Besucher kamen sowohl aus dem Bundesgebiet als auch aus dem europäischen Ausland.

Die bekannten Örtlichkeiten in Kirchheim und Kloster Veßra dienten ebenso zur Durchführung entsprechender Veranstaltungen. Aufgrund der großen Anzahl verzichte ich darauf, auf jede der Veranstaltungen näher einzugehen. Gemeinsam ist den Veranstaltungen in besagten Räumlichkeiten jedenfalls, dass sie zumeist in geschlossener Form durchgeführt werden und in sozialen Netzwerken beworben werden. Für die Teilnahme ist zumeist ein Eintrittsgeld zu entrichten oder es wird um eine sogenannte Spende geworben. Neben den beiden genannten Örtlichkeiten hat sich mit dem „Flieder Volkshaus“ in Eisenach eine weitere Lokalität herausgebildet, die als Treffpunkt für sogenannte Liederabende durchaus auch unter dem Mantel der sozialen Ausrichtung für sogenannte „Treffen der Generationen“ oder auch als Versammlungsräumlichkeit für rechtsextremistische Nachwuchsorganisationen dient.

Dass Thüringer Rechtsextremisten für die gesamte rechtsextremistische Szene in Europa Bedeutung erlangt haben, beweist ein Konzert, welches am 15. Oktober 2016 mit 5.000 Teilnehmern in der Schweiz stattfand. Rechtsextremisten aus dem Raum Saalfeld waren an der Organisation der Veranstaltung mit beteiligt. Die Veranstaltung war professionell organisiert und konspirativ geplant. Es handelt sich hierbei um eines der größten Konzerte dieser Art. In den letzten Jahren wurde es jedoch – zumindest was die Zahl der Teilnehmer anbetrifft – von einer Veranstaltung hier in Thüringen im Jahr 2017 sogar noch deutlich übertroffen. Zu einem sogenannten „Rock gegenüber Überfremdung 2“ am 15. Juli 2017 gelang es Thüringer Rechtsextremisten, 5.960 Teilnehmer zu mobilisieren. Veranstaltungen dieser Art dienen immer auch der Vernetzung der rechtsextremistischen Szene in Europa und der Knüpfung und Intensivierung von Kontakten. Gerade auch in diesem Aspekt ist ihre besondere Gefährlichkeit begründet. Neben den eigentlichen Musik- und Redebeiträgen werden auch an Informations- und Verkaufsständen Bekleidungsstücke, Literatur und Tonträger einschlägigen Inhalts gehandelt.

Weitere negative Veranstaltungshöhepunkte dieser Art waren am 1. Juli 2017 in Gera der „Rock für Deutschland“ mit 860 Teilnehmern, der „Rock für Identität“ am 29. Juli 2017 und am 18. Oktober der „Rock gegen Links“, welche beide wiederum in Themar stattfanden. Auf dem Veranstaltungsgelände in Themar wurden in der letzten Zeit Bauarbeiten festgestellt, die darauf hindeuten, dass auch zukünftig das Gelände entsprechend genutzt werden wird.

Die Parlamentarische Kontrollkommission betrachtet die Entwicklung weiter mit großer Sorge und forderte mehrfach die Erarbeitung eines Konzepts, wie beispielweise die Veranstaltungen aufgrund der Zahlung des Eintrittsgelds oder der Spenden steuerrechtlich zu bewerten sind. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Konzerte zumindest auch dem Zweck der Einnahmebeschaffung dienen und es somit möglich sein muss, hier einen wirksamen Hebel anzusetzen, um gegensteuern zu können.

(Beifall CDU)

Umso erfreulicher ist es, dass das Thüringer Finanzgericht in Gotha in einem Urteil festgestellt hat, dass politische Kundgebungen mit einem erheblichen Anteil musikalischer Darbietungen und dem Verlangen von Spendengeldern als Eintrittsgeld als unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Steuergesetzes und der Abgabenordnung gelten, mit der Folge, dass auf die Einnahmen Steuern zu zahlen sind.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Genugtuung war im April dieses Jahres zu vernehmen, dass die Steuerfahndung mit Unterstützung der Polizei in Thüringen und Bayern Objekte zweier Rechtsextremisten durchsucht hat, sowohl in Kloster Veßra und Oberhof als auch im oberpfälzischen Mantel. Allein für das Konzert im Juli 2017 gab es circa 210.000 Euro an Einnahmen aus sogenannten Spenden, deren Steuerpflichtigkeit im Raum steht. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzströme infolge der Durchsuchungen weiter aufgehellt werden können und mittels konsequenter Anwendung der Steuergesetze die finanziellen Säulen zusammenbrechen.

(Beifall CDU)

Aus Sicht der Parlamentarischen Kontrollkommission bedarf es bei den Thüringer Verwaltungsgerichten einer gesteigerten Sensibilität im Umgang mit derartigen Konzerten und Versammlungen, insbesondere auch dann, wenn Veranstaltungen für historisch belastete und sensible Tage angemeldet werden und bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen so gut wie keine Möglichkeiten des polizeilichen oder ordnungsbehördlichen Zugriffs bestehen.

Aber – lassen Sie es mich mit aller Deutlichkeit an dieser Stelle sagen – es kann nicht nur Aufgabe des Staates und der betroffenen Kommunen sein, die Veranstaltungen zu verhindern. Nein, hier sind wir alle gefragt, wir Politiker und das gesamte zivilgesellschaftliche Spektrum. Zivilgesellschaftliches Engagement ist unabdingbar, um ein wirksames Zeichen zu setzen. Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion zur zukünftigen Verhinderung auch und gerade von Großveranstaltungen wie in Themar. Das Versammlungsrecht ist hierfür nur bedingt geeignet. Bevölkerung und Unterneh

men müssen sensibilisiert werden, zum Beispiel dann, wenn es darum geht, aus den Veranstaltungen finanziellen Umsatz zu generieren. Es gibt zudem genügend Möglichkeiten, den Veranstaltern mit Auflagen das Leben schwer zu machen. So könnte über die Feststellung des Verhältnisses von Wort- und Musikbeiträgen der Charakter einer Veranstaltung als politische Versammlung oder bloße öffentliche Veranstaltung festgestellt werden. Ebenso wäre die Überprüfung von Hygienestandards bei der Abgabe von Speisen und Getränken eine Möglichkeit, zudem auch die Prüfung der Lautstärke der Veranstaltung. Schließlich sollten auch die Vorfeldkontrollen weiter verstärkt werden. Der behördlich aufgebaute Druck muss spürbar sein. Es muss für potenzielle Veranstalter erkennbar sein, dass man in Thüringen nicht machen kann, was man will.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Begrüßenswert ist, dass mittels Sicherheitsgesprächen des Landeskriminalamts, des Landesverwaltungsamts, der kommunalen Behörden und auch des Verfassungsschutzes diesen kommunalen Behörden entsprechende Unterstützung angeboten wird.

(Beifall CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im rechtsextremistischen Parteienspektrum hat die NPD in den letzten Jahren weiter an Bedeutung verloren. Neue Parteien wie Die Rechte und der Der III. Weg versuchten im Berichtszeitraum mittels sogenannter Graswurzelarbeit ihre Strukturen auszubauen und zu festigen. Kontinuierliche politische Aktivitäten hatten das Ziel, stärker und bekannter zu werden und neue Mitglieder heranzuziehen und zu gewinnen.

Die Partei Die Rechte verfügt in Thüringen über zwei Kreisverbände und zwei sogenannte Stützpunkte. Die Partei Der III. Weg zeichnet sich im Vergleich zu den anderen entsprechenden Parteien durch ein hohes Aktionsniveau und überdurchschnittliche Mobilisierungsund Aktionsfähigkeit aus. Demonstrationen der Partei Die Rechte am 2. Oktober 2016 in Weimar unter dem Motto „Reconquista oder Untergang – Gemeinsam gegen linke Gewalt“ mit 123 Teilnehmern oder auch am 12. und 19. November 2016 in Gera, Jena und Gotha sprechen für sich. Auch bei einer Veranstaltung außerhalb Thüringens am 18. März 2017 in Leipzig zeigte sich eine maßgebliche Beeinflussung durch Thüringer Rechtsextremisten.

Zudem kam es im Nachgang einer Demonstration am 1. Mai 2017 im sachsen-anhaltinischen Köthen zu einer Spontanveranstaltung, als mehrere Gruppen von etwa 150 gewaltbereiten Rechtsextremisten szeneorientiert und völlig unerwartet in Apolda auf die Straße gingen. Am gleichen Tag gab es in

Gera auch eine Demonstration der Partei Der III. Weg mit etwa 400 Teilnehmern. Auch griff die Partei geschichtlich bedeutsame Tage – wie die Bombardierung der Städte Weimar und Nordhausen – auf, um sie für ihre Zwecke umzudeuten.

Bereits diese wenigen Beispiele zeigen, dass es der rechtsextremistischen Parteiszene durchaus gelingt, an historisch und politisch bedeutsamen und sensiblen Tagen eine größere Anzahl von Anhängern zu mobilisieren und dies auch in Parallelveranstaltungen. Für Parteiveranstaltungen im engeren Sinne, wie Bundes- und Landesparteitage, gelingt es zu oft, einschlägige Räumlichkeiten zu nutzen. So fand beispielsweise am 7. Januar 2017 der Landesparteitag der Partei Die Rechte in Thüringen statt. Aber auch der siebte Bundesparteitag dieser Partei im Dezember 2016, die Bundesparteitage im Oktober 2016 mit anschließendem „Tag der Gemeinschaft“ und am 30. September 2017 der Parteitag der Partei Der III. Weg wurden in Thüringen durchgeführt.

Am 18. Februar 2017 fand im Flieder Volkshaus in Eisenach der letztjährige Landesparteitag der NPD Thüringen statt, bei dem es im Rahmen der Neuwahl des Vorstands an der Parteispitze zu einem Wechsel gekommen ist. Nunmehr wird der NPDLandesverband durch den hinlänglich bekannten und vorbestraften Rechtsextremisten Thorsten Heise geführt, der auf Bundesebene auch zum Stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt wurde. Infolgedessen waren eine stärkere aktionistische Handlungsweise und eine offensivere Außendarstellung festzustellen. Es wird nun für eine nationale Einheit aller politischen Kräfte rechts zur AfD geworben. Hinsichtlich des Ausgangs des NPD-Verbotsverfahrens waren allerdings keine bedeutenden Reaktionen zu vernehmen. Das desaströse Abschneiden der NPD bei der Bundestagswahl im September des letzten Jahres führte zur Stärkung des nationalen Lagers innerhalb der NPD. Die Partei möchte sich zunehmend als Machtpartei gerieren, unter anderem mit einer sogenannten Schutzzonenkampagne und der Organisation von Großveranstaltungen.

Eine der größten Veranstaltungen, der sogenannte Eichsfeldtag, fand im vergangenen Jahr wieder statt. Am 6. Mai 2017 nahmen 500 Personen daran in Leinefelde teil. Hinsichtlich der Finanzierung zeigte sich ein ähnliches Bild wie bei den vergleichbaren beschriebenen Veranstaltungen. So wurde auf die Entrichtung eines Eintrittsgelds verzichtet, gleichzeitig jedoch um Spenden gebeten. Auch bei dieser Veranstaltung gilt es, die Finanzkreisläufe verstärkt in den Blick zu nehmen. Neben den üblichen Reden einschlägiger Protagonisten traten rechtextremistische Bands und Liedermacher auf. Als besonders bedenklich wurde angesehen, dass es auch ein Programm für Kinder gab, sodass bei den Kindern auf diese Weise der Eindruck erweckt

wird, es handele sich um eine ganz normale Veranstaltung.

Meine Damen und Herren, in letzter Zeit war festzustellen, dass sich Gruppen, die im rechtsextremistischen Bereich bislang als Konkurrenten auftraten, zusammenschließen und beginnen, gemeinsame Aktionen durchzuführen. Zudem intensivierten sich die Kontakte zwischen deutschen und russischen Rechtsextremisten immer weiter – auch mit Bezügen nach Thüringen. Zum Teil wird von diesen auch massiv auf rechtsextremistische Kleinparteien Einfluss genommen, was eine neue Gefahrenqualität hat.

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt des Phänomenbereichs Rechtsextremismus aufgreifen, der bereits in dem letzten Tätigkeitsbericht einen größeren Raum eingenommen hatte. In der Folge der Flüchtlingsbewegung der Jahre 2015 und 2016 und der damit verbundenen unmittelbaren Betroffenheit Thüringens gründete sich im Freistaat in Anlehnung an die in Dresden schon aktive Pegida-Bewegung unter anderem die sogenannte Thügida. Diese führte zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen in Thüringer Städten mit zum Teil beachtlichen Teilnehmerzahlen durch, die sich zum damaligen Zeitpunkt schwerpunktmäßig dem sogenannten wutbürgerlichen Lager zurechnen ließen.

Im aktuellen Berichtszeitraum war festzustellen, dass sich die Thügida-Bewegung und auch die sogenannten „Wir-lieben...“-Bewegungen, die sich zunehmend organisatorisch vernetzen, tendenziell rechtsextremistisch ausrichteten, was unter anderem auch daran erkennbar war, dass historisch belastete bzw. sensible Tage, wie der 20. April, der 17. August und der 9. November als Veranstaltungstage genutzt wurden und zunehmend Redner aus dem rechtsextremistischen Spektrum die Kundgebungen dominierten. Das Themenfeld der Veranstaltungen der Thügida-Bewegung verbreiterte sich zunehmend. Wenngleich die Flüchtlingsthematik und die Anti-Asyl-Agitation nicht gänzlich aus dem Fokus verschwunden sind, so stehen doch nunmehr Themen wie Sozialpolitik, die vermeintliche antideutsche Politik oder auch die vermeintliche linke Medienhetze im Mittelpunkt.

Aber auch der geplante Bau einer Moschee im Erfurter Stadtteil Marbach war Gegenstand der Agitation. Dieses Thema wurde auch von anderen Gruppierungen aufgegriffen, so von der sogenannten Ein-Prozent-Bewegung, welche Bezüge zur rechtsextremistischen Szene aufweist, die in dem Bereich mehrere überdimensionale Holzkreuze aufgestellt hat. Der geplante Bau der Moschee hat sowohl in Marbach als auch hier im Landtag zu zum Teil hitzigen Debatten geführt. Zwischenzeitlich wurde die Baugenehmigung für die Moschee durch die Stadt Erfurt erteilt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erfreulicherweise war im Berichtszeitraum festzustellen, dass Straftaten gegen Asylbewerber und Flüchtlingsunterkünfte deutlich gesunken sind. Das Bundesamt für Verfassungsschutz setzte ein, dass die Tatverdächtigen größtenteils keine Angehörigen der rechtsextremistischen Szene waren. Sie agitierten überwiegend im lokalen Umfeld und es handelte sich zumeist um Einzeltäter und Kleinstgruppen ohne übergeordnete Handlungsweisen. Gleichwohl bedeutet diese erfreuliche Tendenz keine Entwarnung. Jede Straftat, insbesondere auch in diesem Bereich, ist eine zu viel.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im rechtsextremistischen Spektrum hat sich mit der Identitären Bewegung – kurz IB – in letzter Zeit eine weitere Gruppierung etabliert, die Mitte des Jahres 2016 in Thüringen zum Beobachtungsobjekt erklärt wurde. Die Identitäre Bewegung charakterisiert sich als völkisch-nationale Bewegung mit rassistischer Agenda, die sich gegen Globalisierung, das sogenannte Multikulti, Immigration und Islamisierung wendet und als homophob anzusehen ist. Bejaht wird ein sogenannter Ethnopluralismus. Neben diesen eindeutig dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordneten Themen greift die IB aber beispielsweise mit dem Umweltschutz andere Themen auf, die durchaus allgemeine Befindlichkeiten der Bevölkerung ansprechen. Die IB stellt eine Weiterentwicklung einer im Jahr 2012 gegründeten ursprünglichen Internetbewegung dar, die zunehmend mit Aktionen öffentlichkeitswirksam agiert. Die Bestrebungen der IB wenden sich eindeutig gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, werden doch der Gleichheitsgrundsatz ebenso wie die repräsentative Demokratie und freie Wahlen sowie das Grundrecht auf Asyl durch die IB abgelehnt.

Genau diese Identitäre Bewegung war es auch, die am 30. Oktober 2017 mit einer Aktion vor dem Gebäude des Amts für Verfassungsschutz in der Haarbergstraße in Erfurt für Aufsehen sorgte. Die Aktion richtete sich gegen die Nennung der Gruppierung in Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder. Sie hatte noch nicht die Qualität einer Straftat, wurde vielmehr noch als straflose Provokation eingestuft, warf jedoch erneut die unzureichende Unterbringungssituation des Amts für Verfassungsschutz auf. Diese ist im besagten Gebäude als suboptimal anzusehen. An dieser Stelle ergeht deshalb erneut der Appell an die Landesregierung, in einem überschaubaren Zeitfenster durch die Errichtung des geplanten Neubaus am Komplex Am Schwemmbach die baulichen und sicherheitsmäßigen Rahmenbedingungen für das Amt für Verfassungsschutz deutlich zu verbessern.

Bereits am 2. Juli 2017 machte die IB auf dem Erfurter Domplatz mit einer Aktion öffentlichkeitswirk

sam auf sich aufmerksam. Dort wurden drei Särge mit Blumengestecken und ein Transparent aufgestellt, welches den sogenannten Schlepperwahnsinn thematisierte. Auch gibt es Hinweise dafür, dass die IB Grundstücke in Thüringen erworben hat. Und schließlich nutzte die IB in der Vorweihnachtszeit auch völlig unpolitische Veranstaltungen, um mit einer Weihnachtsaktion auf sich aufmerksam zu machen. Das zeigt, dass sich hier eine weitere rechtsextremistische Organisation zunehmend auch in Thüringen etabliert.

Neben Demonstrationen, die von Parteien und Organisationen wie der Thügida angemeldet wurden, gab es im Berichtszeitraum auch wieder zahlreiche von Einzelpersonen initiierte Demonstrationen, die sich gegen vermeintliche oder tatsächliche von Ausländern und Angehörigen der linksextremistischen Szene verübte Gewalttaten richteten. Den meisten dieser Veranstaltungen war gemein, dass die tatsächliche Teilnehmerzahl zum Teil weit hinter den anvisierten und angemeldeten Zahlen zurückblieb. Man kann somit sagen, dass diese Veranstaltungen von einer regelrechten Teilnehmerflaute betroffen waren. Die Gründe sind sicherlich darin zu suchen, dass sich gleichgelagert Veranstaltungen häufen und die potenziellen Teilnehmer zunehmend demonstrationsmüde geworden sind.

Durch rechtsextremistische Gruppierungen wurde auch der Volkstrauertag im November wiederum genutzt, um ihn als sogenanntes Heldengedenken umzudeuten und ihn zur Glorifizierung des verbrecherischen Zweiten Weltkriegs zu nutzen. An zahlreichen Gedenkorten in Thüringen wurden Kränze niedergelegt, Gedenkveranstaltungen abgehalten, zum Teil als Fackelmarsch und mit Musik umrahmt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf einige weitere Aspekte zur NPD kommen. In dem Tätigkeitsbericht der Jahre 2014 und 2016 wurde es bereits thematisiert: das NPDVerbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Wie Sie wissen, hatte der Präsident des Bundesrats seinerzeit am 3. Dezember 2013 beim Bundesverfassungsgericht einen Auftrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD eingereicht. Seit diesem Zeitpunkt wurde die Parlamentarische Kontrollkommission von der Landesregierung über die wesentlichen Verfahrens- und Sachstände informiert. Zudem wurden relevante Schriftsätze übergeben.

Am 17. Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht sein lang erwartetes und sicherlich richtungsweisendes Urteil. Wir alle können uns noch an das große Presseecho aus Karlsruhe erinnern. In dem Urteil stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die NPD ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtetes Konzept verfolgt. Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an