Meine sehr verehrten Damen und Herren – nur dass das auch im Protokoll steht –, die CDU schlägt mit ihrem am weitesten nach hinten gezogenen – also vor dieser Betrachtung am günstigsten – Termin vor, dass nämlich wieder drei Wochen in den Ferien und nur fünf Wochen ohne Ferien Wahlkampf durchgeführt werden kann. Durchsichtig, absolut durchsichtig!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir noch drei historische Zitate zu diesem Thema. Ich zitiere aus dem Landtagsprotokoll der vierten Wahlperiode – und zwar die 89. Sitzung, das war der 09.07.2008 –, zunächst auf dem Blatt 9.045. Da sagt ein Abgeordneter der CDU – das ist der Abgeordnete Carius – auf einen ähnlich gelagerten Antrag der SPD, nämlich Wahlen zu kumulieren, – ich zitiere –: „[…] die SPD-Fraktion scheint den falschen Weg zu gehen, indem sie meint, die Politikverdrossenheit überwinden zu können, indem sie die Bürger am besten so wenig wie möglich in einem Jahr mit Wahlen und mit Politik behelligen möchte.“ Dem kann ich nichts hinzufügen. Damals sprach auch noch Frau Justizministerin Walsmann. Frau Walsmann sagt damals: „Wir brauchen einen deutlichen und inhaltlichen Unterschied zwischen beiden Wahlen, da ansonsten landestypische Themen in der allgemeinen bundespolitischen Debatte unterzugehen drohen. Deshalb dürfen wir es auch nicht zulassen, dass die eine Wahl durch die andere Wahl in den Hintergrund gedrängt wird.“ Na, ich denke, dem, was Frau Walsmann damals gesagt hat, kann man doch nur zustimmen. Oder?
Zum Schluss vielleicht noch einen sehr guten Satz, auch von Frau Walsmann. Die sagte nämlich zu Beginn ihrer Rede damals: „Die Landesregierung wird in verantwortungsvoller Art und Weise und zu gegebener Zeit den Zeitpunkt für die Kommunalwahl und den Zeitpunkt für die Landtagswahl festlegen.“ Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat das Kabinett Bodo Ramelow auch so gemacht. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Entscheidung des Kabinetts, den Wahltermin im Jahr 2019 auf den 27. Oktober
zu legen, deshalb zum Thema im Thüringer Landtag gemacht, weil wir noch mal über die Einordnung dieses Termins sprechen wollen, der sich aus der Folge der Festsetzung für das kommende Jahr ergibt, und auch über die Begründung reden wollen, die die Regierung im Laufe der letzten Wochen in unterschiedlicher Art und Weise gefunden hat, um zur Herleitung des Wahltermins zu kommen.
Sie werden sich erinnern – und Dirk Adams hat das ja eben noch mal zusammenfassend formuliert –: Wir haben die Verfassungslage nach der Landtagswahl 2004 geändert, weil durch die Festsetzung des Korridors, wie es sich aus der ursprünglichen Festsetzung in der Thüringer Landesverfassung ergeben hat, der Wahltermin immer weiter nach vorn gekommen ist. Die Landesregierung hat im Jahr 2003 bei ihrer Entscheidung für die Festsetzung des Wahltermins 2004 die Entscheidung treffen müssen, vor dem Sommer zu wählen, weil der Korridor so eng geworden ist, dass alle nachfolgenden Termine mitten in den Sommerferien gelegen hätten. Das war Anlass für die Verantwortlichen, in der Zeit nach der Landtagswahl 2004, die im Juni – Sie haben es richtigerweise gesagt – stattgefunden hat, die neue Festsetzung eines Korridors zu definieren bzw. einen einigermaßen stabilen Korridor zu finden, was garantiert, dass immer – im besten Falle nach dem Sommer – in Thüringen gewählt werden kann.
Dafür wurde ein Korridor festgelegt, der es ermöglicht, früh nach dem Sommer bis in den Herbst hinein zu wählen. Der Ministerpräsident hat das ja aufgegriffen in einem frühen Interview in diesem Jahr oder sogar schon im letzten Jahr und hat gesagt, dass der spätmöglichste Termin der 10. November sei, und hat damit eine Markierung gesetzt, welche Ausreizungsmöglichkeiten es gibt. Davon ist die Regierung abgekommen, weil sie selbst gemerkt hat, so spät den Termin festzulegen, rechtfertigt keine Begründung, weil noch nie, in keinem deutschen Landesparlament, mit nur einer Ausnahme in Zeiten von Willy Brandt, in einem November in der Bundesrepublik Deutschland gewählt wurde – noch nie.
Deswegen ist man hier dann auch davon weggekommen. Als die Begründung so hart war, dass man daran nicht mehr festhalten konnte, sind dann nacheinander zwei inhaltliche Begründungen gekommen, zu denen ich sprechen möchte, die in unterschiedlicher Art und Weise herhalten mussten für die Festsetzung eines späten Wahltermins. Der Erste war, dass die Regierung sich entschlossen hat, einen Haushalt für 2020 vorzulegen. Noch nie in der Geschichte dieses Freistaats hat eine Regierung, gar eine Parlamentsmehrheit es für sich in
Anspruch genommen, für die Zeit nach der Konstituierung eines neuen Landtags, nach einer erfolgten Landtagswahl, derart in das Budgetrecht einzugreifen, wie es Rot-Rot-Grün für den Haushalt 2020 plant. Das war die erste Begründung und das war die erste Unverschämtheit.
Man muss es deshalb sagen, weil es damit zusammenhing, dass gesagt wurde: Wir brauchen frühzeitig einen Haushalt für 2020, weil durch den späten Wahltermin so spät erst die Konstituierung und Regierungsbildung stattfinden kann, dass man dann nicht zum 01.01. oder im Januar oder im Februar des Folgejahres schon einen Haushalt hat und damit sozusagen in die vorläufige Haushaltsführung gerät. Das ist das erste Glatteis, auf dem Rot-RotGrün ausrutschen wird. Denn es ist doch ganz klar: Wähle ich früher, dann habe ich auch früher die Möglichkeit, den Landtag zu konstituieren, und ich habe früher die Möglichkeit, die Regierungsbildung abzuschließen. Reize ich aber den Korridor, den der Landtag sich in der Verfassung 2005 gegeben hat, aus und wähle so spät im Jahr, dass danach kaum noch Konstituierung, geschweige denn Regierungsbildung, abgeschlossen werden kann, dann trägt doch erst das Argument, dass ich in die vorläufige Haushaltsführung gerate. Deswegen ist es ein trügerisches, vorgeschobenes Argument, ich muss den Haushalt 2020 verabschieden und wähle spät, damit ich dann aber Planungssicherheit habe.
Nein. Ich bin ja mitten in meiner Rede. Da wäre das ja verrückt, wenn mit Zwischenfragen der Zwischenredner meint, er könnte mich unterbrechen.
Das zweite Argument, was dann tragen sollte, war jenes, dass man gesagt hatte: Wir sind gerade so im Fluss von freiwilligen Gemeindeneugliederungen, dass wir gar nicht mehr aufhören wollen mit Gemeindeneugliederungen,
nachdem man die halbe Wahlperiode verschlafen hat durch Zwangsfusionen und gesagt hat, jetzt machen wir auch noch ein drittes Neugliederungsgesetz.
Weil das Rot-Rot-Grün so spät eingefallen ist, haben Sie gemerkt, Sie kommen damit nicht mehr rum und schaffen es gar nicht mehr bis zum Ende der Wahlperiode, das dritte Neugliederungsgesetz tatsächlich zu verabschieden. Ich will dazu zwei Dinge sagen. Das Erste ist: Natürlich kann eine Regierung ein Gesetz vorlegen, dem Landtag zuleiten. Das mag der Diskontinuität unterfallen, aber zumindest wir als größte Oppositionsfraktion haben zugesichert, auch in einer neuen Wahlperiode, mit welchen Mehrheiten auch immer, zu garantieren, dass das Parlament dieses zugeleitete Gesetz dann aufgreifen und rechtzeitig verabschieden könnte. Sie sind darauf nicht eingegangen, es ist vergossene Milch, es ist Geschichte.
Aber ich will etwas anderes sagen. Dann haben wir die Landesregierung gebeten – und sie hat das dankenswerterweise gemacht –, sie möge den Zeitplan vorlegen, mit dem sie begründet, warum wir so weit, bis spät in den Spätsommer des Jahres 2019 gehen müssen, um das dritte Neugliederungsgesetz auf den Weg zu bringen. Dann haben wir uns das angeschaut und haben die lange Zeitschiene gesehen, Ende der Antragsfrist 31. Oktober 2018, Erarbeitung Referentenentwurf, Ressortabstimmung, Kabinettsdurchgang, Zuleitung an den Landtag nach dem zweiten Kabinettsdurchgang und dann alle parlamentarischen Befassungsebenen. Und da wird es interessant, weil wir, wenn der Innenminister mit seinen Fachleuten eine Zeitschiene für das parlamentarische Verfahren vorlegt, diese eins zu eins akzeptieren, weil das, was wir beim Verfassungsgericht geklärt haben, nämlich dass die formellen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, auch in der Zeitschiene abgebildet werden muss.
Die Zeitschiene hängt nur an einer Stelle, nämlich am Ende. Während die zweite Beratung im Innenund Kommunalausschuss und die Auswertung der Anhörungsergebnisse für den 27. Juni vorgesehen sind, inkludiert der Innenminister dann einfach in seine Zeitschiene die komplette Sommerpause. Deswegen kommt es dazu, dass man erst noch die geplante September-Landtagssitzung 2019 braucht, um das Gesetz zu verabschieden, was man auch nach der Auswertung der Anhörung zum Ende der Sommerpause in einer abschließenden Beratung des Innen- und Kommunalausschusses und in einer weiteren vielleicht zwei Stunden umfassenden Sitzung des Landtages bis zum August klären könnte. Dann wäre das vorgeschobene Argument,
dass man weder Anhörungsfristen einhalten könne, dass man weder die Anhörungsrechte der Kommunen noch die des Parlaments streifen würde, nämlich obsolet. Dann wäre der Weg frei, noch im September die Landtagswahlen durchzuführen. Dem Argument verschließen Sie sich, weil Sie auch nur dieses Argument der Zeitschiene vorgeschoben haben.
Deswegen will ich darauf zu sprechen kommen, welche Chance Sie sich entgehen lassen, sich Thüringen entgehen lässt. Das ist die, dass wir am 1. September 2019 gemeinsam mit Brandenburg und Sachsen und Thüringen wählen könnten. Die Themen des Ostens in Deutschland, die Themen, die die Menschen bewegen, warum sie auf die Straße gehen, die Themen, die den Menschen das Gefühl zurücklassen, dass sie allein gelassen werden,
die Themen der Menschen, dass sie sagen, unsere Löhne steigen nicht schnell genug, die Themen der Menschen, dass sie sich im ländlichen Raum alleingelassen fühlen und dass das offensichtlich nicht nur für die Thüringer, die Sachsen oder die Brandenburger ein Thema ist,
diese Themen nehmen Sie weg, sodass sie nicht das Gehör mit der bundespolitischen Bedeutung finden, die es braucht, wenn man gemeinsam wählt und gemeinsam die Themen in den Mittelpunkt stellt.
Aber ich will Ihnen auch sagen, was Sie eigentlich vorhaben, eigentlich geht es Ihnen doch nur um eines. Sie wissen natürlich, wie kompliziert die Verhältnisse derzeit – mit Stand heute – in den Umfragen in Brandenburg, in Sachsen sind. Sie gehen dieses Risiko ein, da Sie sagen, Sie wollen aus den Ergebnissen der Wahl zum Landtag in Brandenburg und in Sachsen politisches Kapital schlagen. Plötzlich rücken Sie nicht Thüringer Themen in den Mittelpunkt, sondern wollen nur über die Wahlergebnisse dieser beiden Länder reden, um Mobilisierung zu organisieren, die vielleicht Ihnen, aber nicht den Thüringer Bürgerinnen und Bürgern nützt. Das ist das Entscheidende!
Wir aber wollen nicht acht Wochen lang über die Ergebnisse von Sachsen und Brandenburg reden, wir wollen in Thüringen über Thüringer Probleme reden. Sie wollen sich dem verweigern, weil Sie nichts vorzulegen haben. Das ist das Entscheidende!