Protokoll der Sitzung vom 09.11.2018

(Beifall DIE LINKE)

Bitte einmal „Rechtsstaat“ googeln, wer es nicht verstanden hat, aber Rechtsstaat ist eben so, dass man, solange ein Grund nicht wegfällt, Bescheide und Urteile nicht einfach ändern kann, das funktioniert nicht.

Und, Herr Möller, Sie haben im dritten Punkt, den ich gern noch aufzählen möchte, einen Satz gesagt, der die Denkweise wirklich noch einmal sehr klar hervorbringt. Sie haben gesagt: Asylbewerberleistungen – damit locken sie keine Fachkräfte nach Deutschland. Nein, wir wollen mit Asylbewerberleistungen auch keine Fachkräfte nach Deutschland locken. Dafür machen wir ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Die Menschen, die zum Asyl- und Flüchtlingsschutz nach Deutschland kommen, werden über diesen Weg entsprechend beschieden und nicht, weil sie hier eine bessere Lebensperspektive haben wollen. Die Fachkräfte müssen über einen anderen Weg zu uns kommen. Aber das werden wir im Rahmen der Bundesregierung gern regeln, und zwar unter dem Titel „Fachkräftezuwanderungsgesetz“, nicht mit einem allgemeinen Zuwanderungsgesetz, wie das die Kollegen auf der linken Seite des Parlaments vielleicht gern hätten, wir aber nicht mitmachen.

(Abg. Berninger)

Also: Argumente aus der Mottenkiste bitte wieder einpacken und diesen Antrag am besten zurückziehen, dann ersparen wir uns jetzt eine Abstimmung. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Möller, Fraktion der AfD.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Jetzt kommt die Fachkraft wieder!)

Ganz kurz noch: Eritrea – Dienstpflicht. Also wenn Sie schon Dienstpflichten in anderen Ländern zum Asylgrund erheben, dann frage ich: Wie grenzenlos weit soll denn das Asylrecht gehen? Wie wollen Sie denn all diese Aufnahmekapazitäten in Deutschland schaffen für diese Kategorie von Asylgründen? Das ist doch offensichtlich unerfüllbar, das wissen Sie auch ganz genau. Ein unerfüllbares Recht zu begründen, das setzt im Grunde genommen auf den Zufall, dass die Anspruchsberechtigten zum größten Teil dann doch aus dem oder dem Grund eben nicht hier ins Land kommen und ihren Anspruch geltend machen. Ich sage es mal so: Ein Rechtssystem, das auf Zufall setzt, ist kein Rechtssystem. Das ist irgendwas schlecht geregeltes, aber mit Sicherheit kein Recht. Das entwertet im Grunde genommen auch den Anspruch auf Asyl.

Das vielleicht zum Thema „Eritrea“ – oder nein, vielleicht noch was zur Dienstpflicht im Allgemeinen. Also ich weiß nicht, ob wir so glücklich werden mit Menschen, die sich ihren vaterländischen Pflichten in anderen Ländern in derartigen Größenordnungen entziehen,

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Sie wissen nicht, was los ist!)

denn Sie wissen auch, dass die Dienstpflicht in Eritrea nicht zwingenderweise eine Militärpflicht ist. Es ist eine Dienstpflicht, ja. Dieses Land hat auch eine Menge aufzuholen. Das hat eine Gesellschaft aufzubauen. Und wie es diesen

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Das ist ei- ne Veränderung in diesem Land!)

gesellschaftlichen Zwang am Ende, die Entwicklung dann umsetzt, dafür müssen Sie den Ländern auch eine gewisse Autonomie zugestehen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na klar!)

Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, ob es so gut ist – also ich habe große Zweifel daran –, jemanden hierher einzuladen, der sich in seiner Heimat seiner

Dienstpflicht entziehen will. Also jemand, der dort schon

(Beifall AfD)

kein Patriot war, wird es hier nie sein! Den werden Sie hier nie integrieren können.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Eine Diktatur!)

Das wäre mir noch mal wichtig.

Dann vielleicht noch mal zum letzten Punkt: Fachkräftemangel. Sie wollen keine Fachkräfte aus Asylbewerbern gewinnen. Da muss ich ganz klar sagen: Das ist falsch.

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Nein!)

Ihr eigener Antrag hat erst kürzlich für einen Spurwechsel plädiert, da ging es um Asylberechtigte oder um Asylbewerber und Flüchtlinge im weiteren und im engeren Sinne. Genau dieser Spurwechsel ist es, der auch ein Fehlanreiz ist, aber das ist vielleicht ein Thema für einen Antrag, den wir das nächste Mal stellen. Danke.

(Beifall AfD)

Es gibt eine weitere Wortmeldung, Abgeordneter Hartung, Fraktion der SPD.

Ich weiß nicht, die Mischung von ignoranter Unkenntnis und Schaum vorm Mund ist niemals eine gute. Herr Möller, es geht nicht um eine Dienstpflicht an sich, es geht darum, dass in Eritrea mit der Begründung des Krieges die einjährige Dienstpflicht für Männer und Frauen auf eine unbefristete und zeitlich unbegrenzte Dienstfrist ausgeweitet worden ist.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist die Wehrpflicht!)

Nein, ist es nicht. Aber die ist doch auch nicht zeitlich unbegrenzt, Herr Möller. Natürlich, eine Wehrpflicht ist begrenzt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was ist denn im Kriegsfall!)

Es ist kein Krieg, Sie haben es doch selber festgestellt, Herr Möller. Sie müssen doch in Ihrer Argumentation konsistent sein. Dazu müssten Sie doch intelligent genug sein, sonst wären Sie nicht Jurist. Also ein bisschen konsistent in der Argumentation müssen Sie schon bleiben. Also es ist kein Krieg, es gibt eine im Zweifel lebenslängliche, unbegrenzte, unentgeltliche Dienstpflicht. Dafür gibt es ein Wort, das heißt Sklaverei. Das ist Sklaverei. Wer lebenslang, wer ohne Begrenzung unentgeltlich arbeiten muss.

(Abg. Herrgott)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist grober Unfug!)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Fake News! – Fake News!)

Das, was Sie verbreiten, sind Fake News. Herr Höcke, vielleicht schlagen Sie doch mal in „Mein Kampf“ nach, vielleicht finden Sie eine Antwort.

Wer unentgeltlich lebenslänglich zu einem Dienst verpflichtet wird, ist ein Sklave – und davor darf man flüchten, das ist erlaubt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ich glaube, ich spinne! Das ist unerträglich!)

Jetzt spricht die Landesregierung, Herr Staatssekretär von Ammon.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Da spreche ich danach noch mal!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, auch zu diesem Antrag der Fraktion der AfD nehme ich für die Landesregierung in der gebotenen Kürze Stellung. Der Antrag und insbesondere seine Begründung unterstellen, dass sich Migranten allein deswegen nach Deutschland begeben würden, um hier in den Genuss von Sozialleistungen zu gelangen. Ein solcher Ansatz geht an der Wirklichkeit weit vorbei, Herr Herrgott hat hierzu schon hinreichend ausgeführt. Dieser Antrag drückt aber auch eine Missachtung der Menschen aus, die Krieg, Verfolgung und existenzieller Not ausgesetzt sind. Dass Menschen, die ihre Heimat verlassen, nur deshalb nach Deutschland kommen, um Geldleistungen zu erhalten, liegt weit neben der Sache.

Herr Möller, weil Sie zu angeblichem Sozialbetrug und zu Unrecht erhaltenen Leistungen des Sozialstaats so umfangreich ausgeführt haben – auch dazu muss ich wieder eines bemerken: Ob jemand zu Recht oder zu Unrecht Sozialleistungen erhalten hat, darüber entscheiden nicht Sie,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber ich kann eine Meinung dazu haben, Herr Staatssekre- tär!)

sondern in einem Rechtsstaat unabhängige Gerichte. Des Weiteren widerspricht der Antrag rechtsstaatlichen sozialen Grundsätzen. Nach seinem Inhalt ist er nichts weiter, als ein Appell an die niedersten Instinkte der Menschen, nämlich Neid und Missgunst.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 klargestellt, dass Artikel 1 Abs. 1 – die Menschenwürde – in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz einen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums begründet. Dieser Anspruch gilt für alle Menschen, die sich in Deutschland aufhalten, egal, welche Staatsangehörigkeit sie haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Des Weiteren: Dieser Anspruch – und der ist verfassungsrechtlich festgelegt – umfasst nicht nur die Sicherung der physischen Existenz, sondern auch die Möglichkeiten, zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen und am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen – Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich hat auch hierzu vorgetragen. Dieser Anspruch, der – wie gesagt – in der Menschwürde gründet, kann keinesfalls relativiert werden. Daher sind alle Erwägungen, die Leistungen an asylsuchende Flüchtlinge weiter zu verringern suchen und die Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum senken wollen, von vornherein verfehlt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Verfassungsrechtslage wurde im Jahr 2014 mit dem Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes sowie mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern das Asylbewerberleistungsgesetz neu ausgerichtet. Insbesondere wurde das vorrangige Sachleistungsprinzip bei einer Unterbringung außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen aufgegeben und ein vorrangiger Geldleistungsanspruch geschaffen. Wie dieses Existenzminimum gedeckt wird, hängt gemäß § 3 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz davon ab, ob die Sachleistungsgewährung mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Die betreffende Entscheidung ist insbesondere vor dem Hintergrund personeller und sächlicher Kosten zu treffen. In Thüringen werden deshalb Geldleistungen für diese Bedarfe gewährt. Sie werden deswegen als Geldleistung gewährt, weil Asylsuchende so selbstbestimmter leben können.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wie aufgezeigt, war der Bundesgesetzgeber in den letzten Jahren mehrfach mit Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und im Kontext hierzu auch mit dem Sachleistungsprinzip befasst. Er hat sich mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014 bei der Unterbringung außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen des Landes für den Vorrang der Geldleistungen entschieden und dies eben auch aus guten Gründen, denn mit dem Vorrang der Geldleistungen werden

(Abg. Dr. Hartung)