Protokoll der Sitzung vom 10.05.2019

Herr Kellner, noch einmal: Wenn jemand vortäuscht, dass er kandidiert, beispielsweise für einen Stadtrat, wie der Oberbürgermeister Bausewein oder der Landrat Henning, und dieses Mandat dann nicht annimmt, dann ist es selbstverständlich eine Täuschung. Und jetzt kommen Sie mit der sibyllinischen Bemerkung: Na ja, Herr Möller, das wissen Sie ja jetzt noch gar nicht. Ja, denken Sie denn, wir sind auf der Wurstsuppe hergeschwommen!

(Heiterkeit CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also nehmen Sie es mir nicht übel, das ist doch wirklich Dummenfang, was Sie da gemacht haben. Natürlich ist es Dummenfang. Denn Sie tauschen doch im Leben nicht Ihre Amtsträger – egal ob es die SPD ist oder ob es die Linke ist oder Ihre –, Sie tauschen doch nicht im Ernst eine B-Besoldung gegen eine ehrenamtliche Entschädigung im Kreistag oder im Stadtrat. Also nehmen Sie es mir nicht übel, das können Sie doch keinem Menschen erzählen. Ich danke Ihnen ja dafür, dass Sie das so gesagt haben, dass das Ihr geschlagenes Argument ist, dass man es ja jetzt noch nicht wisse, ob die ihre B-Besoldung gegen 300 Euro Entschädigung tauschen. Also das Argument bringe ich in jeder Podiumsdiskussion, die ich demnächst habe, und ich werde es auch meinen ganzen Kandidaten im Kommunalwahlkampf

(Beifall AfD)

empfehlen, wenn das geschieht bei Kommunalwahlen vor Ort, wo dann eben auch so eine Scheinkandidatur der CDU oder von den anderen Altparteien vorhanden ist. Also das ist so unterirdisch, so zu argumentieren. Das geht weiter, wenn ich höre: Ja, die Wähler, das sind doch alles erwachsene Menschen, die brauchen doch Ihren Antrag nicht. Ja, da können wir auch einen Betrugstatbestand abschaffen. Das sind auch oft erwachsene Menschen, die da betrogen werden, oder meistens erwachsene Menschen, die da betrogen werden. Wir können die ganzen Anfechtungstatbestände im BGB alle abschaffen, denn die schützen auch erwachsene Menschen, geschäftsfähige Menschen. Das ist einem Rechtsstaat schlicht und ergreifend unange

(Abg. Kellner)

messen, so zu argumentieren. Es ist wirklich traurig, dass Sie auf solche Rechtfertigungsmittel zurückgreifen.

Ich könnte Ihnen jetzt noch erklären, was eine Freistellung, was ein Rücktritt ist. Da hinten sitzen die Lernresistenten, die wollen es gar nicht hören, für Sie ist es vielleicht interessant, das können wir ja dann mal im Einzelgespräch machen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Bitte nicht!)

Ich denke, es ist klar geworden, für was sich die anderen Fraktionen hier im Haus entschieden haben. Sie haben sich eben nicht für die Demokratie entschieden, nicht für die freie Wahl, sondern Sie haben sich für die Täuschung zum Zwecke des Machterhalts entschieden. Und ich denke, das kommt beim Wähler dann auch entsprechend an. Danke.

(Beifall AfD)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat Staatssekretär Götze das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich denke, in der Debatte, Herr Möller, geht es nicht um Machterhalt, sondern es geht um unsere Verfassung. Und genau aus diesen Gründen ist Ihr Antrag abzulehnen.

Der Gesetzentwurf ist mit den vom Grundgesetz geforderten Wahlrechtsgrundsätzen nicht vereinbar. Insbesondere gilt dies für den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Ich will Ihnen meine Rechtsauffassung kurz begründen. Nach Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz und Artikel 95 der Thüringer Landesverfassung muss das Volk in den Gemeinden und Kreisen eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen, geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Damit gilt der Grundsatz der Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl auch für die Wahl der Gemeinderats- und Kreistagsmitglieder. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl besagt, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihr aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können müssen. Einschränkungen gegen die vom Grundgesetz geforderte Gleichheit der Wahl sind nur möglich, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsieht oder aus der Verfassungsordnung sonst eine ausreichende Ermächtigung entnommen werden kann.

Nach Artikel 137 Abs. 1 Grundgesetz kann beispielsweise die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden. Ziel ist die Verhinderung von Interessenkollisionen. Die Einschränkungen stellen eine Ausnahme dar. Das Bundesverfassungsgericht, die Obergerichte anderer Bundesländer und die Thüringer Gerichte betonen in diesem Zusammenhang immer wieder, dass übermäßige Einschränkungen des passiven Wahlrechts unzulässig sind. Nach der Rechtsprechung genügen gesetzliche Beschränkungen des passiven Wahlrechts den Anforderungen des Artikels 137 Abs. 1 Grundgesetz nur dann, wenn sie zur Verhinderung des Zusammentreffens von Amt und Mandat, nicht aber zum Ausschluss der Wählbarkeit führen. Die Unvereinbarkeitsvorschriften dürfen damit lediglich die Übernahme des Wahlmandats durch den Gewählten von der gleichzeitigen Entbindung von seinen Aufgaben im Bereich der öffentlichen Verwaltung abhängig machen. Der Gesetzgeber darf also den Gewählten nur vor die Alternative stellen, den einen oder anderen Status niederzulegen bzw. nicht wahrzunehmen. Verfassungswidrig sind dagegen Regelungen, die den Betroffenen von vornherein von der Möglichkeit ausschließen, gewählt zu werden oder fordern, dass er sein Amt bereits mit der Kandidatur niederlegt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das machen wir ja nicht!)

Doch, das tun Sie schon. Der Thüringer Gesetzgeber darf somit den von der AfD-Fraktion in der Begründung des Gesetzentwurfs angesprochenen Bewerberkreis nur vor die Alternative stellen, ob diese Personen ihr Amt als Bürgermeister, Landrat oder Beigeordneter im Fall einer erfolgreichen Wahl aufgeben und das kommunale Ehrenamt des Gemeinderats- oder Kreistagsmitglieds annehmen oder ihre Ämter als Bürgermeister, Landrat oder Beigeordneter weiterführen wollen.

Im Gegensatz zu den in der Thüringer Kommunalordnung geregelten Amtsantrittshindernissen schließt der von der AfD-Fraktion vorgeschlagene Gesetzentwurf die Wählbarkeit der Bürgermeister, Landräte und Beigeordneten bereits vor der Wahl ausdrücklich aus. Soweit der Gesetzentwurf für die Wählbarkeit fordert, dass der kommunale Amtsträger vor der Wahl, also mit seiner Kandidatur, eine unwiderrufliche Freistellung von seinem Amtsverhältnis für die gesamte Amtszeit des zu wählenden Gemeinderats oder Kreistags nachweist, hilft dies dem Wählbarkeitsausschluss für den betroffenen Personenkreis der Oberbürgermeister und Landräte

(Abg. Möller)

bzw. Bürgermeister nicht ab. Den betroffenen Personen wird von vornherein die Freiheit genommen, erst im Falle der Wahl die Entscheidung über das eine oder andere Amt zu treffen, da die künftige Freistellung bereits bei Kandidatur nachzuweisen ist. Angesichts der dargelegten Rechtsprechung halte ich die vorgeschlagenen Regelungen bereits wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl für verfassungswidrig und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe keine Wortmeldungen. Damit schließe ich die Aussprache. Es ist keine Ausschussüberweisung – an welchen Ausschuss?

Inneres und Kommunales und Justiz.

Es ist Ausschussüberweisung an den Innen- und Kommunalausschuss beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir stimmen über die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Damit ist auch diese Ausschussüberweisung abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich schließe die heutige Plenarsitzung und wünsche eine gute Nachhausefahrt!

Ende: 18.10 Uhr