Protokoll der Sitzung vom 12.06.2019

lich planen muss. Deswegen haben wir zu Recht aufgenommen: Alle fünf Jahre muss das Schulnetz überplant, überdacht, evaluiert werden, sagt man da so schön. Ja, wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer dort einsetzen, wo sie gebraucht werden, selbstverständlich. Dafür brauchen wir aber eine gute Schulnetzplanung. Und wir müssen damit aufhören, das letzte Land zu sein, was keine verbindlichen Schulnetzvorausplanungen hat und damit keine Vorgaben.

Zweitens – und damit will ich mit einer Mär aufräumen und die Junge Union kann die Plakate einstampfen, die sie schon mal rausgehangen hat –

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sorgen wir für echte Sicherheit für den ländlichen Raum. Wir führen eine Garantie zumutbarer Schulwege ein und eine Abdeckung in der Fläche.

Um die Frage zu beantworten, Frau Muhsal, wie das mit der Berechnung der Schulwege ist: Die Sache ist ganz klar. Es gibt eine höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Schulweg, die Zeit des Schulwegs wird gemessen vom Verlassen der Haustür bis zum Betreten des Schulhofs und umgekehrt, vom Verlassen des Schulhofs bis zum Betreten der Haustür, egal, ob das Kind von der Haustür zur Bushaltestelle gehen muss, ob das Kind unterwegs noch mal umsteigen muss. Das sind eben für Grundschüler 35 Minuten, für die Regelschülerinnen und Regelschüler 45 Minuten und für die anderen 60 Minuten. Da beißt die Maus den Faden nicht ab. Eindeutig geregelt, da gibt es keine Interpretationsmöglichkeit. Das müssen die Schulträger umsetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn im Landkreis Greiz Grundschüler noch 70 Minuten zur Schule fahren, dann ist das nicht nur nach diesem Gesetz widrig, sondern hat auch mit meinem Verständnis von kurzen Wegen für kurze Beine nichts mehr zu tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Gesetz garantiert die wohnortnahe Beschulung, meine Damen und Herren, und nicht so wie einige von Ihnen immer sagen: Machen Sie Sachsen. Sachsen hat die Möglichkeit, Schulstandorte einfach wegfallen zu lassen, wenn die Geburten weiter zurückgehen. Dieses Gesetz erlaubt das nicht, sondern die kleinen Schulen werden erhalten.

Drittens, meine Damen und Herren, sorgen wir damit vor, dass auch kleine ländliche Schulstandorte/ Schulen nicht in die Qualitätsfalle kommen. Denn wir wollen an jeder Schule guten Fachunterricht geben. Ich meine, ich habe ja schon darüber gesprochen, es geht um Qualität. Gut funktionierender Fachunterricht findet dann statt, wenn ausreichend Lehrerinnen und Lehrer für die einzelnen Fachdisziplinen zur Verfügung stehen. Je kleiner die Schule, umso kleiner ist das Kollegium, umso weniger Lehrerinnen und Lehrer sind da. Einfache Mathematik, ganz klar. Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir hier auch ganz klare Entscheidungen, damit junge Lehrerinnen und Lehrer, die in den Schuldienst kommen, wissen: Hat meine Schule Bestand, kann ich mich dort niederlassen, eine Familie gründen und entsprechende Entscheidungen, beispielsweise ein Haus zu kaufen, treffen? Selbstverständlich. Und ich möchte endlich Schluss machen mit diesen Einzelanweisungen von oben,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

sondern Schulen sollen untereinander absprechen, wie Vertretung organisiert wird, und nicht per Abordnung und damit mit Order aus dem Schulamt oder sogar aus dem Ministerium. Deswegen kommen wir um die Kooperationen nicht herum. Es geht da nicht um Zentralismus, es geht eigentlich nur um ein Gebot der Zeit und der Zukunft, Schule so zu organisieren, dass der Fachunterricht überall über Kooperationen organisiert wird. Deswegen geht es darum, genau diese Kooperationsmodelle zu untersetzen. Wir können das ausprobieren. Alles andere sind Fake News, ist einfach die Unwahrheit. Wir wollen das erproben und selbst der Thüringische Landkreistag hat eingeräumt, dass Kooperationen notwendig sein werden, damit wir einen zuverlässigen Rahmen für die Schulen, gerade im ländlichen Raum, haben.

Ja, und viertens geht es darum, dass sich alle Schülerinnen und Schüler willkommen fühlen. Selbstverständlich. Da geht es nicht in erster Linie um die Schülerinnen und Schüler, die aus Fluchtgebieten kommen, sondern die Schule, die Kinder, die Schülerinnen und Schüler sind vielfältiger geworden. Sie haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten, sie haben unterschiedlichen Förderbedarf. Alle sollen individuell gefördert werden, jeder nach seinen Stärken und Schwächen. Ich möchte Schluss machen damit, dass Kinder in irgendwelche Schubladen gesteckt werden, vorsortiert werden und damit ihr Lebensweg schon vorprogrammiert ist. Das kann doch nicht in unserem Sinne sein, dass durch Selektion und Separation in der Schule der Lebensweg vorgeschrieben ist.

(Minister für Bildung, Jugend und Sport Holter)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fördern also nach Stärken und Schwächen. Das Gesetz verstärkt dieses Recht auf Förderung selbstverständlich von Anfang an. Und auch noch einmal deutlich an die Eltern, die hier im Raum sind: Die Elternrechte werden gestärkt, auch wenn andere teilweise anderes erzählen. Und ich will das hier noch mal betonen: Förderschulen in Thüringen werden nicht abgeschafft. Sie stehen im Paragrafen als eigenständige Schulart.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was schon gar nicht geht: Dass Kinder in eine Schule gezwungen werden. Das stimmt einfach nicht, was Herr Tischner hier erzählt, dass das Schulamt zentralistisch entscheidet, wo Kinder beschult werden. Das ist natürlich am Ende der Verwaltungsakt, den muss es natürlich geben, aber davorgelagert – selbstverständlich – ist genau eine Beratung mit allen Beteiligten, darüber ist gesprochen worden.

(Zwischenruf: Abg. Tischner, CDU: Die wohl mal unabhängig ist!)

Ja, und fünftens geht es um die eigenverantwortliche Schule. Es geht darum, Schulen mutig weiterzuentwickeln. Reden Sie doch mal mit den Schulleiterinnen und Schulleitern. Die fordern mehr Freiheitsgrade, damit sie viele Ideen zur Schulentwicklung umsetzen können. Dieses Gesetz gibt ihnen die Möglichkeit. Wir stärken die Schulleiterinnen und Schulleiter, wir erhöhen ihre Verantwortung.

(Zwischenruf: Abg. Tischner, CDU: Sie ma- chen genau das Gegenteil!)

Ja, selbstverständlich. Aber die Schulleiterinnen und Schulleiter sagen mir: Wir wollen diese Verantwortung tragen,

(Beifall: DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil wir unsere Schule entsprechend entwickeln wollen. Ja, und da haben wir doch Vielfalt. Das ist doch gut. Je mehr Vielfalt im Angebot ist, umso besser können auch Eltern und Schüler eine Entscheidung treffen, an welcher Schule wer denn am besten aufgehoben ist. Das, glaube ich, ist eine gute Entscheidung. Und das hat auch was mit den Momenten zu tun, die mehr Demokratie in Schule einführen, denn es geht um Transparenz und Mitbestimmung. Es geht aber auch darum, den Schülerinnen und Schülern mehr Mitsprache in schulischen Angelegenheiten zu geben. Alle freuen sich über „Fridays for Future“. Selbstverständlich. Die

CDU hat da ein bisschen eine andere Auffassung, das sei jetzt mal dahingestellt. Wir freuen uns, dass Schülerinnen und Schüler auf die Straße gehen und sich für ein Thema starkmachen. Selbstverständlich. Aber warum sollen sie denn nicht bei Dingen, die sie unmittelbar in der Schule angehen, auch mitsprechen können? Mein Verständnis ist so:

(Beifall DIE LINKE)

Demokratie bedeutet nicht Ausschluss, Demokratie bedeutet Mitsprache und Einbeziehung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und genau da setzt dieses Schulgesetz wichtige Impulse. Deswegen, meine Damen und Herren, geht es hier um zuverlässige langfristige Rahmenbedingungen, die wichtig sind, damit „Zukunft Schule“ nicht nur eine Worthülse ist, sondern tatsächlich gefüllt wird.

Jetzt kommt es auf die Macherinnen und Macher vor Ort an – heute, morgen und in Zukunft. Wenn das Gesetz heute verabschiedet ist, ist die Arbeit nicht beendet, es muss die Schulordnung geändert werden, andere Rechtsverordnungen müssen ausgearbeitet werden. Wir müssen auch vor Ort die Möglichkeiten schaffen, zu Kooperationen zu kommen. Es wird mit den Schulträgern weiter darüber gesprochen werden müssen, wie denn die Schulnetzplanung erfolgt, welche Bedingungen ganz konkret dort geschaffen werden müssen. Ja, das ist so. Deswegen kann ich hier nur noch mal appellieren, gemeinsame Verabredungen zu treffen, die über die Legislaturperiode hinausgehen. Ja, ich denke, wir müssen damit Schluss machen, dass Kinder der einen Schulform gegen Kinder in einer anderen Schulform ausgespielt werden oder dass Schulen im ländlichen Raum gegen Schulen im städtischen Raum ausgespielt werden oder die heutigen Kinder gegen die nächste Generation der Schülerinnen und Schüler.

Prof. Hoff, der damalige Interimsminister für Bildung, hat Anfang 2017 an Sie, meine Damen und Herren der CDU, die Einladung ausgesprochen, sich zu beteiligen. Sie haben abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Hört, hört!)

Als ich im August 2017 das Amt übernommen habe, habe ich Ihnen im Ausschuss angeboten: Ich komme in die Fraktion oder zumindest in den Arbeitskreis der CDU, um darüber zu sprechen, wie wir „Zukunft Schule“ gemeinsam gestalten können. Sie haben abgelehnt, Sie haben auf das ausschließlich parlamentarische Verfahren verwiesen. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit den Landrätinnen

(Minister für Bildung, Jugend und Sport Holter)

und Landräten, aber auch mit dem einen oder anderen von Ihnen vor Ort habe ich andere Gespräche geführt. Sie müssen sich nur mal entscheiden, was Sie nun ganz konkret wollen. Ich weiß, dass Sie das nicht tun werden, aber ich kann nur an Sie appellieren, geben Sie diesem Gesetz Ihre Stimme, denn damit schaffen Sie folgende Grundlagen: Erstens geben Sie die Garantie für alle Schularten in Thüringen. Zweitens geben Sie die Garantie für eine eigenverantwortliche Schulentwicklung. Sie leiten weitere Schritte zum Bürokratieabbau ein und Sie unterstützen den Weg zu flexibleren Einstellungsverfahren, auch für mehr Stellen und Aushilfsmittel. Deswegen bin ich der Überzeugung: Dieses Gesetz heute ist eine Entscheidung für die Zukunft und ist Maßstab für Entscheidungen für gute Schule für heute, für morgen, für übermorgen. Ich danke den Koalitionsfraktionen für die Unterstützung. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Gruhner, Fraktion der CDU. Alle Fraktionen erhalten aufgrund der längeren Redezeit des Ministers noch 12 Minuten und 45 Sekunden dazu.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin nicht Mitglied des Bildungsausschusses, ich will aber trotzdem zwei, drei kurze Bemerkungen machen, zu denen mich der Minister veranlasst hat. Er hat sich hier vorn hingestellt, hat über sein Schulgesetz gesprochen, über Inklusion und hat dann gesagt, weil die CDU-Fraktion seine Inklusionspolitik – seine verfehlte Inklusionspolitik – kritisiert,

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das sa- gen Sie!)

müsse man darüber reden, ob wir denn tatsächlich aus dem christlichen Menschenbild heraus Politik machen. Er hat sogar gesagt, man müsse uns ja fast das C absprechen, weil wir das, was Sie in diesem Bereich machen, kritisieren.

Dazu will ich Ihnen zwei Dinge sagen. Das Erste ist: Wir werden uns als Thüringer Christdemokraten mit Sicherheiten nicht von einem Linken erklären lassen, was es heißt, Politik auf Grundlage des christlichen Menschenbilds zu machen.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Sie brauchen nicht so laut zu rufen, dann will ich Ihnen zurufen: Arbeiten Sie erst mal auf, wie Sie in der DDR mit Christen umgegangen sind.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Ideologie! Das ist doch ideologisch verbohrt!)

Das ist die erste Bemerkung.

(Beifall CDU)

Und die zweite Bemerkung, die ich Ihnen zu dieser Frage sagen will, ist: Vielleicht muss man es Ihnen einfach mal erklären, was es heißt, auch Bildungspolitik aus dem christlichen Menschenbild heraus zu entwickeln.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von einer Blockpartei!)

Christliche Soziallehre hat etwas mit Subsidiarität zu tun, das hat etwas mit Solidarität zu tun, aber es hat vor allem auch etwas mit Personalität zu tun.

(Zwischenruf Abg. Lukasch, DIE LINKE: Soli- darität haben Sie noch nie gemacht!)