b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Einbruchskriminalität entlang der Thüringer Auto
bahnen – wie schützt Thüringen seine Bürger?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/697
Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Abgeordnetenkollegen, sehr verehrte Besucher auf der Tribüne, es gibt fast undurchlässige Grenzen, es gibt semipermeable Grenzen, es gibt durchlässige Grenzen. Einzeller, Menschen, Staaten verdanken ihre Existenz Grenzen. Kein Sein ohne Grenzen. Ich stelle diese grundsätzlichen Aussagen meinen Ausführungen voran, weil in unserer Zeit Grenze von den politisch bestimmenden Gruppen überwiegend als etwas Hinderliches, etwas zu Überwindendes gedacht wird. Aber die wohltuende, ordnende Funktion von Grenze scheint aus dem Bewusstsein entschwunden zu sein.
Als am 14. Juni 1985 in der kleinen luxemburgischen Gemeinde Schengen das gleichnamige Abkommen geschlossen wurde, das die Grenzen in weiten Teilen Europas sehr durchlässig machte, waren viele Hoffnungen damit verbunden. So begrüßenswert diese Entwicklung damals war, zeigten sich in den Folgejahrzehnten auch schnell die Schattenseiten. Die transnationale Kriminalität fühlt sich nämlich im grenzenlosen Europa grenzenlos frei, sehr verehrte Kollegen. Warenverkehrsfreiheit und Personenverkehrsfreiheit werden von Einbrecherbanden missbraucht, die vorwiegend aus Osteuropa stammen.
Die Zahl der Einbruchsdelikte ist hoch. Im Jahr 2014 gab es in Thüringen 979 Wohnungseinbrüche bei einer Aufklärungsquote von 35,1 Prozent. 1.873-mal wurden Wochenendhäuser ausgeräubert. Die Landesregierung weist in der Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Jörg Thamm aus Arnstadt, Drucksache 6/656, selbst auf die Ursachen hin. Ich zitiere: „Hohe Fallzahlen liegen zumeist in günstigen Tatgelegenheitsstrukturen begründet. Für Arnstadt wirkt sich insbesondere die unmittelbare Nähe zu den Autobahnen A 4 und A 71 tatbegünstigend aus.“ An den Autobahnen A 4 und A 71 haben wir eine Massierung von Einbruchsdelikten, die Hinweise auf die Täter gibt. Die Lage eskaliert.
In Gerstungen, das nach den Worten des Bürgermeisters von Berka von organisierten Einbrecherbanden heimgesucht wird, haben die betroffenen Einwohner aus Verzweiflung mittlerweile eine Bürgerwehr gegründet.
Ich möchte hier betonen: Ich verstehe die Sorgen und Nöte der dort betroffenen Menschen, aber es ist in meinen Augen ein Fall von Staatsversagen, wenn diese Bürger ihre Sicherheit selbst in die Hand nehmen müssen, sehr verehrte Kollegen.
Und ich frage die Landesregierung: Wollen oder können Sie die vornehmste Pflicht des Staats nicht erfüllen? Diese vornehmste Pflicht lautet, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen.
Am 10. Juni gab es in Gerstungen eine der zahlreichen Dialogveranstaltungen. Der Nährwert dieser inflationär durchgeführten Veranstaltung ist gering, das spüren die Menschen draußen im Land immer deutlicher. Die offizielle Seite redet die Problemlage klein und wiegelt ab. Wenn als Ergebnis dieser Bürgerdialoge der Ratschlag an die Bürger übrig bleibt, privat mehr Geld in Sicherheitstechnik zu investieren, dann kann ich das nur noch als zynisch bezeichnen, sehr verehrte Kollegen.
Das Ganze nennt man dann auch: Kurieren an Symptomen. Das kennt man leider von den überkommenen Parteien. Ich stelle fest: Wir brauchen keine Willkommenskultur für Einbrecher.
Die vorübergehenden Grenzkontrollen im Kontext des G7-Gipfels zeigen, wie es geht. In Bayern wurden von der Bundespolizei innerhalb von zwei Wochen 105.000 Personen überprüft. Dabei wurden 350 per Haftbefehl gesuchte Personen ermittelt. In 8.600 Fällen wurde illegale Einreise verhindert. Sehr geehrte Landesregierung, wenn es Ihnen wirklich um die Sicherheit unserer Bürger geht, dann hören Sie auf zu reden und handeln Sie endlich! Schützen Sie das hart erarbeitete Eigentum unserer Bürger, indem Sie der Empfehlung der Gewerkschaft der Polizei folgen und sich bei der Innenministerkonferenz für die Wiedereinführung von punktuellen, stichprobenartigen Grenzkontrollen einsetzen!
Meine Damen und Herren, wenn ich in dieser Woche an Gefahren entlang der Thüringer Autobahn denke, dann denke ich als Erstes an den Bruch eines demokratischen Konsens durch 13 Stadträte der Stadt Eisenach, die am Montag durch Zustimmung zu einem Antrag der neonazistischen NPD tatsächlich diesen Konsens gebrochen haben.
Lassen Sie mich das sagen, Herr Walk, wer Neonazis nutzt, um Denkzettel zu verteilen, hat nicht verstanden, welche Gefahren vom Neonazismus ausgehen,
und der unterminiert das NPD-Verbotsverfahren, was durch alle Bundesländer gemeinsam betrieben wird, also auch durch Thüringen.
(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Gut, dass das keine Volkskammer ist, sondern der Thürin- ger Landtag!)
Aber die AfD-Fraktion hat beantragt, über Einbruchskriminalität zu reden, also reden wir auch darüber. Da muss man als Erstes auch mal öffentlich deutlich machen, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche im Jahr 2014 gegenüber dem Jahr 2013 um mehr als 11 Prozent zurückgegangen ist. Insgesamt wurden statistisch 253 Wohnungseinbrüche weniger erfasst. Thüringen gehört damit zu den Bundesländern, die den Wohnungseinbruchsdiebstahl minimieren konnten. Also kein aktueller Anlass und es stellt sich auch tatsächlich kein aktueller Anlass dar, wenn man die Regionen um die Autobahn betrachtet.
Das konnte die AfD-Fraktion auch der Beantwortung ihrer eigenen Kleinen Anfrage durch die Landesregierung zum Bereich der A 9 entnehmen. So bleibt, meine Damen und Herren, für uns der Verdacht, dass es hier tatsächlich darum geht, durch ein sehr populistisch und demagogisch gesetztes Thema, die Differenz zwischen dem subjektiven Sicherheitsempfinden und der tatsächlichen Sicherheitslage in Thüringen weiter auseinanderzutreiben.
Da greife ich auch mal auf das aktuelle Beispiel in Gerstungen zurück. Da versammelten sich 300 Menschen zu einer Diskussionsveranstaltung, eine Bürgerwehr wird gegründet, die in Facebook mehr als 2.500 Unterstützer hat und die, meine Damen und Herren, das habe ich gestern gehört und ich finde das erschreckend, in der Tat mittlerweile nicht nur die Straßen kontrolliert, sondern auch die Ausweise von Menschen, die sich in Gerstungen frei bewegen.
Die sachliche Grundlage haben Sie in Ihrem Debattenbeitrag dafür nicht genannt. Deswegen will ich das hier nachholen. Ich sage Ihnen, Sie haben sie aus guten Gründen nicht genannt, denn die sachliche Grundlage für all das, was in Gerstungen gerade politisiert geschieht, sind acht Einbrüche in fünf Häusern in der Region in einem Zeitraum von Januar bis Mai 2015. Meine Damen und Herren, diese Zahl mag für den einzelnen Betroffenen tatsächlich vollkommen unerheblich sein, sie rechtfertigt aber keinesfalls das Geschehen, was sich in Gerstungen tatsächlich vollzieht. Sie rechtfertigt es auch nicht, hier solche Redebeiträge zu halten, wie eben vom Fraktionsvorsitzenden der AfD gehört.