Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Deutschland braucht über 2019 hinaus einen fairen Länderfinanzausgleich, der Unterschiede zwischen den Ländern auf dem bisherigen Niveau ausgleicht und der allen Ebenen – Bund, Ländern und Kommunen – einen fairen und aufgabengerechten Anteil am gesamtstaatlichen Steueraufkommen sichert. Die Landesregierung lässt sich bei den BundLänder-Finanzverhandlungen nicht beirren. Ich habe in den letzten Wochen mehrfach und hartnäckig auf einen Ausgleich für die Sonder- und Zusatzrenten gedrängt. Das brachte mir kürzlich eine harsche Kritik des Bundesfinanzministers ein. Aber das ändert nichts an der Tatsache einer ungerechten Lastenverteilung an dieser Stelle.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn knapp 400 Millionen Euro zahlt der Freistaat in diesem Jahr, das sind 4,25 Prozent des Landeshaushalts. Diese Summe wächst in den kommenden Jahren um mehr als 20 Millionen Euro an. Thü

ringen wird dieses Thema bei den laufenden Verhandlungen zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen nicht totschweigen, sondern hartnäckig auf eine Lösung drängen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Thüringen hat auch von der Solidarität in Europa profitiert. Zur Solidarität gehört nun auch, die erworbenen Stärken zu nutzen und auszubauen. Thüringen wird die europäischen Mittel der Förderprogramme in Höhe von 376 Millionen Euro 2016 und 448 Millionen Euro 2017 kofinanzieren und damit den vollen Einsatz der vorhandenen Gelder garantieren können.

Meine Damen und Herren, dieser Doppelhaushalt setzt nach 25 Jahren deutscher Einheit klare Signale für die Zukunft dieses Landes.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung plant wichtige Investitionen. Rot-Rot-Grün will gestalten und setzt dies im Rahmen des finanziell Machbaren um. Trotz Ausgabensteigerungen steht fest: Die Phase konsolidierter und ausgeglichener Haushalte hält unter Rot-RotGrün an.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war, ist und bleibt ein Grundkonsens dieser Landesregierung und der Koalition, so, wie das der Koalitionsvertrag vorsieht, auch wenn die eine oder andere Äußerung etwas anderes vermuten ließe.

Ein ausgeglichener Haushalt ist durch die Landeshaushaltsordnung geboten. Er ist mit Blick auf die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020 und auf die kommenden Haushalte notwendig. Deshalb wird die Landesregierung ausgeglichene Haushalte vorlegen.

Meine Damen und Herren, mindestens sieben Länder legen in diesem Jahr ausgeglichene Haushaltsentwürfe vor. Thüringen gehört zu diesen Ländern. Auch der Stabilitätsbericht belegt: Thüringen wirtschaftet solide. Mit ausgeglichenen Haushalten bleibt Thüringen auf Zukunftskurs. Dies zu erreichen war nicht leicht, auch das ist kein Geheimnis.

Bei der Haushaltsaufstellung haben wir im Kabinett darum gerungen, wo wir Ausgaben begrenzen können. Nicht alle Projekte, die sich die Kabinettskolleginnen und -kollegen vorgenommen haben, konnten umgesetzt werden. Gleichzeitig hat sich das Kabinett auch die Einnahmeseite angesehen. Da sage ich Ihnen als Finanzministerin: Bei der Erhöhung der Grunderwerbssteuer schlagen auch bei mir zwei Herzen in der Brust. Eine Steuererhöhung ist immer schwierig. Dennoch halte ich sie für vertretbar. Vertretbar deshalb, weil Thüringen darauf bedacht sein muss, auch mit Blick auf 2020 seine eigenen Einnahmen zu stärken. Mit einem Steuer

(Ministerin Taubert)

satz von künftig 6,5 Prozent reihen wir uns in eine Gruppe von Ländern ein, die diesen Schritt bereits gegangen sind.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Alle, die rot und grün regiert sind, reihen sich da ein!)

Ja, Herr Mohring, wenn Herr Schäuble sich beim Bund-Länder-Finanzausgleich ein Stück weit stärker anstrengen würde zugunsten der finanzschwachen Länder, dann müssten wir möglicherweise solche Dinge nicht tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Selber an- strengen hilft auch!)

Sie haben sich ja schon in den vergangenen Jahren erfolgreich angestrengt.

(Beifall und Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: 350 Millio- nen Euro Rücklagen!)

(Unruhe CDU)

Herr Mohring, vielen Dank für die Aufklärung, Frau Ministerin hat aber das Wort. Sie setzen bitte fort, Frau Ministerin.

Trotz alledem lassen Sie mich sagen, Herr Mohring, Sie sind Herrn Voß auch in vielen Bereichen reingegrätscht. Auch das gehört zur Wahrheit der letzten Koalition dazu.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in Summe sehe ich es als einen Erfolg dieser Haushaltsverhandlungen und Ausdruck eines gemeinsamen Willens des Kabinetts an, dass die Mehranmeldungen der Ressorts auf die angepassten Eckwerte zurückgeführt werden konnten. Ich danke allen Kabinettskolleginnen und Kabinettskollegen für ihr Einlenken und ihre Unterstützung und danke Herrn Ministerpräsidenten Ramelow für seine klaren Worte und sein Bekenntnis zu ausgeglichenen Haushalten ohne Neuverschuldung. An dieser Stelle aber ebenfalls einen außerordentlich großen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Thüringer Ministerien. Sie haben einen besonders wichtigen Beitrag dafür geleistet, dass wir heute den Haushaltsentwurf gemeinsam beraten konnten. Wenn ich an das Finanzministerium denke, ich habe im Frühjahr gesagt, Urlaub wird überbewertet, jeder wusste, dass auf uns sehr arbeitsreiche Zeiten zukom

men – auch da noch mal meinen ganz besonderen Dank für die Unterstützung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben einen ausgeglichenen Haushalt, der Impulse setzt und trotzdem in vollem Umfang die Versorgung der Flüchtlinge in Thüringen auch finanziell sicherstellt. Natürlich bilden die Kosten für die Versorgung und die Unterkunft der Flüchtlinge einen großen Posten im Haushalt. Thüringen hilft in einer humanitären Katastrophe. Thüringen reicht den Menschen, die aus Not und Elend zu uns fliehen, beide Hände.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Damit ist Thüringen an das Limit seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gegangen und hat all seine finanziellen Reserven mobilisiert. Wir haben dies ganz bewusst getan, um weiter notwendigen Impulsen für die Entwicklung des Landes Vorschub zu leisten und zugleich die Finanzierung der Ausgaben für Flüchtlinge ohne Kreditaufnahme sicherstellen zu können. Daran wird aber auch deutlich, dass es sich um den richtigen Weg für den Doppelhaushalt 2016/2017 handelt, der jedoch nur einmalig so möglich ist. Ich begrüße an dieser Stelle, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder einen Lösungsvorschlag gefunden hat, um den Ländern und Kommunen besser zu helfen. Endlich – sage ich. Das Maßnahmenpaket war längst überfällig. Es wird nicht das Ende der Gespräche mit den Ländern sein. Es wird nun entscheidend darauf ankommen,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: … nur noch zustimmen im Bundesrat!)

Herr Mohring, welche Maßnahmen der Bund unmittelbar nach Verabschiedung des Pakets auch in die Tat umsetzt und welche Auswirkungen dies auf Länder und Kommunen hat.

Meine Damen und Herren, die Volumina des vorliegenden Entwurfs steigen in den nächsten beiden Jahren auf 9,727 Milliarden Euro im Jahr 2016 und 10,056 Milliarden Euro für 2017. Damit hat die Regierung erste wichtige Ziele der Koalition in Zahlen gegossen.

Lassen Sie mich nun auf die verschiedenen Bereiche eingehen und einige konkrete Maßnahmen herausheben.

Insgesamt wachsen die Haushalte um 450 Millionen Euro und um 330 Millionen Euro. Diese Aufwüchse resultieren aus Investitionen und eben auch aus Mehrausgaben für Flüchtlinge. Ein besonderes Kapitel dieser Haushaltsaufstellung und der gesellschaftlichen Debatte in unserem Land betrifft die Frage, wie wir mit den zu uns flüchtenden Menschen umgehen. Die letzten Wochen und Monate

(Ministerin Taubert)

habe ich als eine Zeit erlebt, in der große Unsicherheit in unserem Land herrschte. In den unzähligen Gesprächen wurde gefragt: Wer sind die Menschen, die zu uns kommen? Wie können wir mit den Ankommenden zusammenleben? Wie lange werden sie bleiben? Auch: Wird uns der Zuzug überfordern? Dies sind berechtigte Fragen, eine Antwort aber werden wir nur im gemeinsamen Gespräch mit den Flüchtlingen erhalten. Nicht das Vorurteil und die eigene Sicht werden uns diese Antworten liefern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig, meine Damen und Herren, erleben wir eine Zeit, in der Bürgerinnen und Bürger in Thüringen die Hände ausstrecken. Zivilgesellschaftliche und bürgerliche Initiativen gehen auf die Flüchtlinge zu. Das zeigt, dass wir Solidarität leben, dass Thüringen weltoffen ist. Das ist ein unverzichtbarer Beitrag, aber dies allein reicht uns nicht.

Für das Kabinett standen mit der Haushaltsaufstellung auch die mit den Flüchtlingen verbundenen Kosten auf der Tagesordnung. Die Versorgung und Unterbringung sowohl in Erstaufnahmeeinrichtungen als auch in Kommunen, die Durchführung von Integrations- und Sprachkursen muss finanziert werden. Für das nächste Jahr rechnen wir mit 22.000 Menschen und haben entsprechend 469 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt. Die Summe wird sich bei gleicher Anzahl Neuankommender auf 598 Millionen Euro im Jahr 2017 erhöhen. In diesen Summen sind sowohl Mittel für die Unterkunft und Verpflegung als auch Mittel für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die Gesundheitskosten sowie Mittel für Integrationsund Sprachkurse enthalten. Die Finanzierung der Kosten für Flüchtlinge ist die große Herausforderung dieses Haushalts. Die Koalition legt mit dem Haushalt 2016/2017 einen Plan für die Finanzierung dieser Herausforderung vor. 1 Milliarde Euro zusätzlich finanzieren, das ist ein Kraftakt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Bemerkungen zur bisherigen Debatte um die Kosten für Flüchtlinge machen. Da war in der letzten Woche von der Opposition zu hören, wir würden die Zahlen zu hoch ansetzen und damit den Haushalt künstlich aufblähen. Ich persönlich, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, war fassungslos, als ich dies gehört habe. Die Argumentation ist nicht nur falsch, sie ist auch frech, weil wider besseres Wissen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und sie spielt den Rechtsextremen in die Hände, weil sie suggeriert, dass für Flüchtlinge alles getan wird, aber für unsere Bevölkerung nichts mehr übrig bleibt. Was für ein Unsinn! Dieser Haushaltsentwurf mit seinen Schwerpunkten, auf die ich noch zu

sprechen komme, beweist das Gegenteil. Er ist nicht das Resultat einer panischen Rotstiftpolitik, die kürzt um des Kürzens willen. Er ist das Resultat einer Finanzpolitik, die das Notwendige mit dem Machbaren verbindet.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Und die Steuern erhöht!)

Die Situation ist nicht einfach, aber wir sind angetreten, das Beste daraus zu machen, das Beste für die Thüringerinnen und Thüringer und für alle, die bei uns Schutz und Hilfe suchen. Wie lautete noch einmal der Vorwurf der Opposition? Das Land Nordrhein-Westfalen komme mit weniger als der Hälfte der für Thüringen 2016 geplanten 469 Millionen Euro für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen aus.

Meine Damen und Herren, der Haushaltsansatz ist mit 7.582 Euro pro Flüchtling in Thüringen aber etwa der gleiche wie in Nordrhein-Westfalen, aber Nordrhein-Westfalen erstattet den Kommunen dort nur rund die Hälfte der entstehenden Kosten. Ich habe ja schon mal auf die Steuerkraft von 55 Prozent in Thüringen gegenüber dem Bundesdurchschnitt hingewiesen. So ergibt sich in der Gesamtrechnung tatsächlich eine große Differenz. Ich möchte die Opposition mal hören, wenn wir das in Thüringen auch so machen würden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da vieles ja berechenbar ist, wäre auch das, was da gesagt würde, berechenbar. Ich will es mal kurz zusammenfassen: Die Kommunen bleiben im Regen stehen. Die Kommunen werden ausgehungert. Die Kommunen bleiben auf den Kosten sitzen.