Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

Es geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, darum, eine neue politische Kultur möglich zu machen, und damit möchte ich gern eine Meldung aufnehmen, die ich heute Morgen lesen konnte. Der Landesfrauenrat hat sich zu Wort gemeldet. Er hat gesagt: Dies – das war mir selbst noch gar nicht so präsent gewesen – ist die erste Landesregierung seit 25 Jahren,

(Beifall DIE LINKE)

die paritätisch besetzt ist von Frauen und Männern. – Herzlichen Glückwunsch zu diesem Kabinett, Herr Ministerpräsident.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht aber auch darum, Schluss zu machen mit einer Politik, einer Partei, die sich Thüringenpartei nannte und sich noch schlimmer aufgeführt hat. Die Menschen in Thüringen haben sich davon befreit und es wäre gut, wenn auch die CDU sich davon befreien könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, ich möchte ganz kurz auch direkt auf das eingehen, was die AfD hier vorgetragen hat. Die AfD hat einen ganz unglaublichen, unsagbaren Vorwurf ausgesprochen. Sie haben uns ein bestimmtes Weltbild vorgeworfen. Ich kann nur sagen: Solche

(Abg. Hey)

Vorwürfe lenken sich immer auf den Aussprechenden hin, immer direkt auf den Aussprechenden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für Thüringen ist diese Landesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dennoch ein Zeitenwandel hin zu mehr Bürgerbeteiligung, mehr Solidarität und mehr Ökologie, als wir das bisher hatten.

Ich will, weil Frau Tasch so energisch in den Widerstreit hier tritt, auch noch ganz kurz auf die CDU eingehen und die moralische Frage, wer hier mit wem koalieren darf. Das ist nämlich eine ganz spannende Frage und ich verstehe nur nicht, warum die CDU sich hier so aufregt. Ich will gar nicht darauf eingehen, dass die CDU in Chemnitz, Zwickau, Cottbus, Marzahn-Hellersdorf mit der Linken zusammen koaliert. Ich will auch gar nicht darauf eingehen, dass die „Süddeutsche“ zu Recht sagt, ich zitiere: Wenn es um Posten geht, scheint die CDU im Osten keine Scheu zu haben, mit der Linken zusammenzuarbeiten.

(Beifall SPD)

Das alles ist gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist doch, dass Sie in der letzten Legislatur

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Warten wir mal ab! Macht es erstmal besser!)

(Unruhe CDU)

ich schaue da nur mal auf das Rechnungshofgesetz –, gern mit der Linken zusammengearbeitet haben. Da hatten Sie keine Scheu, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber heute demonstrieren Sie hier eine Scheu und Ablehnung, die keinesfalls konsistent ist und auch nicht glaubwürdig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber vielleicht sind Sie auch deshalb so provoziert, weil es natürlich genug Menschen gibt, die aus der CDU in der alten Zeit zusammen mit Leuten aus der SED damals zusammengearbeitet haben. Sie sind doch zusammen geschritten, Seit’ an Seit’, in der Nationalen Front. Ja, es war in der DDR opportun, schnell Ja zu sagen, leicht Ja zu sagen zu einem Volkskammermandat, zu einem Sitz im Kreistag, seit 30 Jahren, Kollege Primas, im Kreistag, und das im 25. Jahr der friedlichen Revolution.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war opportun, schnell Ja zu sagen, und heute ist es opportun, „Pfui Teufel!“ zu rufen. Wir Grüne verschließen uns diesem Opportunismus. Wir sagen: Wir gehen unseren Weg, einen klaren Weg für eine Thüringer Politik, und nicht einen opportunen Weg, wie Sie ihn gern haben wollen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ganz klar!)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Und Sie ha- ben sich eingeschleimt!)

Wir haben die Linke kennengelernt in Sondierungsund Koalitionsgesprächen als eine Partei, der es nicht leichtgefallen ist, aber die den Weg gegangen ist, Unrecht zu bekennen, Unrecht zu benennen und wenigstens sich auf den Weg zu machen, dieses Unrecht auch wiedergutzumachen. Es würde der CDU sehr gut zu Gesicht stehen, wenn sie nicht nur einen Satz in ihrem Grundsatzprogramm hätte, sondern einen ganzen Absatz der Aufarbeitung ihrer Blockflötenvergangenheit widmen würde, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rot-Rot-Grün will nicht alles von Grund auf neu umkrempeln, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen modernisieren, was in 24 Jahren der CDU-Regierung liegengeblieben ist. Den offenen Fragen, den schwierigen Themen, meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen wir uns an. Damit ist es Aufgabe dieser Landesregierung, die großen Themen, wie zum Beispiel eine Polizeistrukturreform, endlich auch zu einem Abschluss zu bekommen, eine Gebiets- und Verwaltungsreform, eine Funktionalreform auf den Weg zu bekommen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wir wollen keine Gebietsreform!)

Es ist nahezu witzig, wenn Herr Gruhner heute fordert, dass hier Bürgerbeteiligung mit eingebunden werden soll. Wir haben hier als Grüne vor zwei Jahren schon einen Antrag gestellt, dass wir eine Gebietsreform auf den Weg bringen müssen mit einem Maßnahmeplan, und immer wieder gekoppelt an Bürgerentscheide vor Ort. Es ist so was von durchsichtig, dass die CDU jetzt nach einem Volksentscheid danach ruft – doch nicht, um den Willen der Bürger zu erfahren, sondern weil Sie glauben, dass Sie im Land so viel Bambule gegen dieses Projekt machen können, dass es mit einem Volksentscheid durchläuft. Sie instrumentalisieren die Bürgerbeteiligung für Ihre Ziele. Wir wollen die Bürger einbinden und bieten ihnen die Bürgerbeteiligung an. Das ist ein vollkommen anderer Weg und das ist unser neuer politischer Stil hier in Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Regierungsantritt von Rot-Rot-Grün ist der Beginn einer neuen politischen Kultur. Es geht darum, den Menschen in Thüringen mehr Beteiligung zu ermöglichen und ihnen deutlich zu sagen: Bürgerbeteiligung ist nicht nur angeboten, sondern Bürgerbeteiligung ist ausdrücklich gewünscht. Bürgerbeteiligung ist das, womit wir Regierungshandeln gestalten, Regierungshandeln ausbauen, Regierungshandeln stärker machen.

Ich möchte auf einige inhaltliche Themen, die heute in der Debatte schon vorgekommen sind, noch mal ganz besonders eingehen. Hier ist über die Frage, die Debatte, die die Innenministerkonferenz derzeit gerade führt, über die Verlässlichkeit des Thüringer Verfassungsschutzes zum Beispiel, diskutiert worden. Ich bin erstaunt über diese Debatte. Ich bin da absolut erstaunt, dass gerade die CDU diese Debatte hier in den Landtag holt und meint, darstellen zu können, dass das irgendetwas mit dem rot-rotgrünen Koalitionsvertrag zu tun hat. Darüber bin ich sehr erstaunt. Schaut man sich an, was der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern kritisiert, Herr Caffier, dann kann man sehr genau lesen – ein kleines Zitat aus der heutigen „Thüringer Allgemeinen“ –, hier sagt er ganz deutlich: Er könne den Austausch der Daten nicht als Gefährdung für seine V-Leute zulassen. – Ich wüsste nicht, wo es um Austausch von Daten im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün geht. Wir schalten V-Leute ab, das ist das Credo unserer Arbeit. Ich glaube, es war Herr Geibert gewesen vor gar nicht allzu langer Zeit, der hier ein Gesetz vorgelegt hat, in dem es um diesen Austausch von Daten ging, den alle Innenminister kritisiert haben. Ihr Vorwurf wendet sich auch direkt gegen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da haben Sie nicht ordentlich zugehört, was die Debattenlage überhaupt im Augenblick ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Naturschutz, Bildung und Migration, das sind die wichtigen Punkte, die von den Kollegen hier schon angesprochen wurden. Auch dafür, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, vielen Dank, dass Sie das angesprochen haben. Naturschutz, es wird Sie nicht verwundern, dass das ein wichtiges Thema für uns Grüne ist.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Darauf bin ich mal gespannt!)

Das ist für uns sehr wichtig und ich probiere mal einen ganz kleinen Problemaufriss, Frau Kollegin Tasch. Natura 2000 – Sie kennen diese Debatte um diesen Prozess und wir haben in Thüringen, wir sind ein kleines Bundesland, verhältnismäßig kleine Flächen, aber eine sehr stark diverse unterschiedliche Landschaftsform. Wir haben 2.400 Pflanzenarten, 750 Flechtenarten und 500 Pflanzengesellschaften, die wir in diesem Natura-2000-Prozess schützen wollen. Der derzeitige Zustand, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach 24 Jahren CDU-Koalition ist, dass wir hier bei der Hälfte der Tier- und Pflanzenarten eine Gefährdung feststellen müssen. Wir müssen bei 51 Prozent der Pflanzengesellschaften Gefährdungen feststellen. Wir müssen bei 89 Prozent der Biotope eine Gefährdung feststellen. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine neue Umweltministerin haben, die dieses Projekt angeht, die unsere Natur stark macht, dass sie das

Grüne Herz bewahrt, dass es auch in der Zukunft noch den Menschen Freude macht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und es geht bei dieser Frage um den Wald, das ist das grüne Gold Thüringens, das ist das Fort Knox. Kein vernünftiger Mensch würde auf die Idee kommen, Fort Knox zu plündern, um kurzfristig aus der Goldreserve Geld zu schlagen. Das würde niemand machen. Jeder Vernünftige würde versuchen, aus Fort Knox einen sicheren Ort zu machen, der Bestand hat, diese Reserve und die eher zum Wachsen zu bringen. Genau so wollen wir Forstpolitik machen. Wir wollen unseren Wald stark machen, wir wollen ihm die Möglichkeit geben zu wachsen, stärker zu werden. Dann haben wir ihn auch in der Not, wenn wir ihn einmal brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Aber die Bäume wachsen von alleine!)

Zur umweltverträglichen Entwicklung Thüringens gehört aber auch, dass wir endlich Verantwortung übernehmen dafür, welche Entwicklung das Klima nimmt. Die Erderwärmung, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Erwärmung unseres Klimasystems ist eindeutig. Der Weltklimarat hat in seinem Fünften Sachstandsbericht deutlich gemacht, dass der menschliche Einfluss die Hauptursache für die Erwärmung jetzt im 20. Jahrhundert ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann Thüringen natürlich nicht alleine lösen, aber wir können mitmachen bei den Ländern, die an der Spitze stehen, hin zu einem klimaneutralen Handeln. Deshalb ist es richtig, dass diese Koalition sich das ambitionierte Ziel gestellt hat, bis 2020 25 Prozent und bis 2040 100 Prozent der erneuerbaren Energien aus einheimischen Rohstoffen, aus einheimischer Qualitätssonne, aus Thüringer Qualitätswind zu gewinnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das führt zu Innovation, das führt zu Wertschöpfung im Land, wenn wir den Strom nicht mehr kaufen, und das führt zu einem starken Mittelstand und einer Handwerkerschaft, die in Thüringen immer goldenen Boden hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bildungspolitik – alle Kollegen haben sie schon angesprochen – ist ein Thema, das uns ganz wichtig ist. Ich will es auf die einfache und klare Formel bringen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Gute Bildung ist Chancengerechtigkeit, schlechte Bildung ist ungerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren, einfach nur ungerecht. Uns Grünen sind dabei zwei Aspekte wichtig, die man immer unter den Begriff „Vielfalt“ fassen kann: erstens Menschen, die vielfältig sind. Menschen sind unter

schiedlich und deshalb müssen wir darauf unsere Politik ausrichten, die Menschen hineinzuholen, Inklusion zu üben, nicht rausdrängen, nicht verdrängen, sondern inklusiven Unterricht anbieten, Familien mit Kindern, die inklusiven Unterricht benötigen, es nicht aufzubürden, sonst wohin fahren zu müssen, sondern immer in der Nähe eine Schule zu haben, die inklusiven Unterricht auch anbieten kann. Das ist kein Teufelswerk. Das hat vor allen Dingen etwas mit Wollen und Bekenntnis sowie der Unterschiedlichkeit und Würde eines jeden einzelnen Menschen zu tun. Und es ist die Vielfalt in der Schullandschaft, denn wir glauben, dass die Vielfalt und auch die Konkurrenz unterschiedlicher pädagogischer Systeme unserem Schulsystem insgesamt guttut, und die freien Schulen sind immer der Motor gewesen für diese Entwicklung. Wir werden sie stärken und auch da bin ich dem Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er nicht begründet hat damit, dass die Vorgängerregierung sich ja einen Richterspruch vom Verfassungsgerichtshof geholt hat, sondern dass er das Bekenntnis zur freien Schule abgegeben hat mit dem Ziel, Vielfalt zu schaffen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auf ein weiteres Thema, das ich vorhin mit dem Schlagwort „Migration“ benannt habe, eingehen. Wenn ich die Debatten in diesem Landtag richtig verfolgt habe, dann diskutieren wir nicht nur über Migration, über Einwanderung, wir reden auch über den sicheren Ort für Flüchtlinge, wir reden über ein weltoffenes Thüringen, wir reden vor allen Dingen aber auch über Religionsfreiheit, die jeder Religion beigemessen werden soll. Und Islamophobie oder Islamfeindlichkeit sollte in diesem Haus überhaupt keinen Platz haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte bei diesem Thema einen wirklichen Fachmann zitieren, nämlich unseren Altbischof Wanke. Ich glaube, es war in seiner Weihnachtspredigt im Jahr 2012, da ist er auf die Frage eingegangen, die Angst davor, dass Moscheen in Thüringen entstehen und der Muezzin dann irgendwann zum Gebet ruft. Bischof Wanke hat in seiner großen Klarheit, in seiner großen Glaubensfestigkeit einen sehr schönen Satz gesagt, ungefähr so sinnhaft zitierbar: Er hat keine Angst davor, dass der Muezzin ruft. Er hat davor Angst, dass in diesem Land Kirchenglocken nicht mehr das Wort der Nächstenliebe verkünden. – Dem schließe ich mich voll an, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir von Bündnis 90/Die Grünen finden es unerträglich, dass zum Beispiel Politiker, Geschichtslehrer,

Juristen und Zahnärzte aus Opportunitätsgründen die Demonstrationen vermeintlicher Europäer, die islamfeindlich und rassistisch auftreten, rechtfertigen oder sogar offen unterstützen. Wir finden es unerträglich,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

meine sehr verehrten Damen und Herren. Und dies macht uns nur stark. Es macht uns traurig und wütend, ja, aber es macht uns stark in unserem Widerstand dagegen.

Jetzt will ich mich noch mal ganz klar der AfD zuwenden. Was erlauben Sie sich? Was erlauben Sie sich, Menschen abzuwerten,