Protokoll der Sitzung vom 18.12.2015

Sehr geehrte Damen und Herren, 1 Milliarde Euro ist eine riesige Summe. Sie zeigt die Größe meines Hauses mit seinen vielen Querschnittsthemen. So gewaltig sich die Beträge anhören, so dürfen sie dennoch nicht zu dem fatalen Fehlschluss verleiten, dass die Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft aus dem Vollen schöpfen und alle Wünsche erfüllen kann. So ist es natürlich nicht. Die Spielräume, auch in meinem Ministerium, sind begrenzt. Wir haben uns selbstverständlich auch an der sparsamen Haushaltsführung beteiligt, die diese Koalition auszeichnet. Natürlich steht nur ein Teil der Haushaltsmittel für neue Vorhaben frei zu Verfügung. Viele Millionen sind für laufende Projekte verplant, die es selbstverständlich fortzuführen gilt.

Sehr geehrte Damen und Herren, eine halbe Milliarde Euro, also fast die Hälfte des Etats des TMIL, fließen in den Verkehrssektor, davon allein rund 300 Millionen Euro in den öffentlichen Nahverkehr. Für den Wohnungs- und Städtebau sind auch dieses Jahr über 150 Millionen Euro eingeplant. Und auch für den ländlichen Raum und die Land- und Forstwirtschaft stehen jedes Jahr dreistellige Millionenbeträge zur Förderung und Entwicklung bereit. Das Profil rot-rot-grüner Politik wird sehr deutlich abgebildet und damit werden auch die Unterschie

(Abg. Brandner)

de zur CDU-Politik sichtbar. Wir stehen für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Ökologie, mehr Nachhaltigkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dieser Haushaltsplan belegt aber auch, sehr geehrte Damen und Herren, wir wahren die nötige Kontinuität, die in der Infrastrukturpolitik zumindest zu einem großen Teil in der Natur der Sache liegt, denn Straßen-, Schienen- sowie Städte- und Wohnungsbauprojekte benötigen von der Planung bis zur Fertigstellung in aller Regel mehrere Jahre. Auch bei Rot-Rot-Grün ist es nicht anders. Ich muss wohl nicht ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Fertigstellung von Infrastrukturprojekten auch Geld kostet und den Spielraum, wie eben erwähnt, dieser Regierung für Neues erst einmal einschränkt. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Lassen Sie uns nun die Eckdaten der Einzelpläne 10 und 18 betrachten. Die Ausgaben im Einzelplan 10 liegen 2016 etwa 69,2 Millionen Euro und 2017 etwa 113,1 Millionen Euro über den Ausgaben des Jahres 2015. Der Einzelplan 10 ist nach wie vor ein Investitionshaushalt. Die Investitionsquote ist mit 38,7 Prozent in 2016 bzw. 38,05 Prozent in 2017 gegenüber 2015, wo es 35,5 Prozent waren, nochmals gestiegen. Für die Landesregierung sind der Erhalt und Ausbau der Infrastruktur des Freistaats wichtige Schwerpunkte.

Einige neue Schwerpunktsetzungen im Einzelplan 10 möchte ich im Folgenden nennen, mit denen wir unser Ziel, ein soziales und ökologisches Thüringen erreichen zu wollen, und zwar in allen Landesteilen, untersetzen. Wir führen die Städtebauförderung auf hohem Niveau fort. Thüringen ist eines der wenigen Länder, das überhaupt Landesprogramme zur Städtebauförderung auflegt. Damit können wir Vorhaben von überregionaler Bedeutung wie zum Beispiel das Reformationsjubiläum, das insbesondere sein Zentrum in Eisenach hat, unterstützen. In der neuen EFRE-Förderperiode unterstützen wir darüber hinaus die Kommunen mit mehr als 230 Millionen Euro

(Beifall DIE LINKE)

bei der nachhaltigen Stadtentwicklung wie beispielsweise der energetischen Gebäude- und Quartiersanierung oder der Revitalisierung von Brachflächen. Dabei stellen wir uns der Aufgabe, der Zersiedlung entgegenzuwirken und den Flächenverbrauch zu begrenzen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie können wir nur mit einer Intensivierung der Stadt-Umland-Beziehungen realisieren. Hierzu gilt es, die Mittel der Städtebauförderung und der Dorferneuerung klug und koordiniert einzusetzen, was in meinem Minis

terium natürlich ein gutes Potenzial durch die Fusion darstellt.

Im Einzelplan 18 stellt mein Haus sicher, dass staatliche Hochbaumaßnahmen einem wirtschaftlichen und technologisch sinnvollen Bauablauf folgen. Für die staatlichen Hochbaumaßnahmen sind im Jahr 2016 insgesamt 132,8 Millionen Euro und im Jahr 2017 insgesamt 120,6 Millionen Euro in der Veranschlagung. Dies stellt eine Steigerung um rund 26,55 Prozent bzw. 15 Prozent gegenüber 2015 dar. Die Ausgaben werden in den nächsten Jahren allerdings von folgenden Baumaßnahmen dominiert: Uniklinikum Jena zum Bau des zweiten Bauabschnitts, Zuweisungen zum Bau der gemeinsamen JVA mit Sachsen in Zwickau-Marienthal und Investitionen zur Schaffung eines Universitätscampus der FSU Jena am Standort Inselplatz. Der Strategiewechsel vom Neubau hin zur Erhaltung wird konsequent durch eine stetige Erhöhung der Bauunterhaltungsmittel fortgeführt.

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Forderung des Koalitionsvertrags für gutes Wohnen war die Grundlage zur Entwicklung unserer Vier-SäulenStrategie für bezahlbares Wohnen, die wir kürzlich als Neuausrichtung der sozialen Wohnungsbaupolitik in Thüringen vorgestellt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Eine der vier Säulen ist das Wohngeld. Sie wissen, wir werden durch die Wohngeldreform ab 1. Januar 2016 eine weiter steigende Anzahl wohngeldberechtigter Haushalte hier in Thüringen haben. Mit der Mietpreisbremse als zweiter Säule werden wir in Erfurt und Jena im nächsten Jahr den Anstieg der Mieten in angespannten Wohnungsmärkten Grenzen setzen. Auch wenn wir wissen, dass dieses Instrument nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, betrachten wir es als notwendig, um die Mieterinnen und Mieter in den besonders angespannten Wohnungsmärkten vor weiteren Mietpreissteigerungen zu schützen. Um eine langfristige Entlastung der Wohnungsmärkte zu erreichen, legen wir politisch und finanziell einen ganz besonderen Schwerpunkt darauf, den sozialen Wohnungsbau zu stimulieren und nachhaltig zu stärken. Mit der Neuausrichtung der Wohnungsbauförderprogramme und dem Wohnungsbauvermögen sichern wir drittens die notwendige Weiterentwicklung des Wohnungsmarkts. In diesem Zusammenhang werbe ich um Zustimmung für den Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Errichtung von Fonds zur Förderung des Städte- und Wohnungsbaus. Mit dieser Gesetzesänderung können wir auch künftig die soziale Wohnraumförderung nachhaltig wahrnehmen. Darüber hinaus werden mit den flexibel einsetzbaren Entflechtungsmitteln notwendige In

(Ministerin Keller)

vestitionen in anderen Infrastrukturbereichen möglich.

Angesichts der hohen Anzahl der Asyl- und Schutzsuchenden beabsichtigt der Bund, die Länder und Kommunen zusätzlich beim Neubau von Wohnungen und bei der Erweiterung des Bestands an Sozialwohnungen zu unterstützen. Hier setzt auch die vierte Säule unseres Konzepts für eine neue Wohnungsbaupolitik an.

Wir wollen die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kommunen ausbauen. Entlastung für angespannte Wohnungsmärkte erreichen wir nur durch den Bau neuer Wohnungen. An dieser Stelle möchte ich vor allem auch einen Appell an die Kommunen richten. Bei der Ausweisung von Baugebieten und bei Investitionen der kommunalen Wohnungsunternehmen muss auch bei ihnen der soziale Wohnungsneubau eine zentrale Rolle spielen. Auch die Kommunen werden sich hier ihrer Verantwortung stellen.

Mir ist natürlich bewusst, dass die Situation in Thüringen von Kommune zu Kommune, von Landkreis zu Landkreis sehr, sehr unterschiedlich ist. Wir haben Kommunen, in denen ein Wohnungsleerstand von über 10 Prozent nach wie vor ein großes Problem darstellt, wo wir die Wohnungsbaugesellschaft dabei unterstützen müssen, ihren Wohnungsbestand zu verringern, weil sie unter den Belastungen leiden, die der Leerstand mit sich bringt. Und wir haben Kommunen, wie Erfurt und Jena, wo wir einen geringen Wohnungsleerstand haben, wo also ein Zuzug von vielen Wohnungssuchenden sehr bald Probleme auf dem Wohnungsmarkt mit sich bringen wird. Bei der letzten offiziellen Erhebung im Mai 2011 gab es im Freistaat Thüringen 1.113.600 Wohnungen, von denen 75.227 leer standen. Die im Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft zusammengeschlossenen Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften zählten in diesem Jahr 22.000 leer stehende Wohnungen. Da die in diesem Verband zusammengeschlossenen Vermieter jedoch nicht einmal die Hälfte der Mietwohnungen besitzen, können wir davon ausgehen, dass wir aktuell mindestens 40.000 leer stehende Wohnungen in Thüringen haben. Das bedeutet: Im Prinzip haben wir keine Probleme damit, 20.000 oder 30.000 Flüchtlinge mit Wohnungen zu versorgen. Da wir jedoch in größeren Städten, Erfurt und Jena, die bei Mietern besonders begehrt sind und deren Einwohnerzahlen steigen, nur noch einen sehr geringen Leerstand haben, müssen wir in unserer Wohnungsbaupolitik mit entsprechend differenzierten Instrumenten auf die unterschiedlichen Anforderungen reagieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu sind wir mit Kommunen und Wohnungswirtschaft in ständigem Kontakt und ich bin sicher,

dass wir gemeinsam gute Lösungen im Interesse der Thüringerinnen und Thüringer finden werden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit dem neu veranschlagten Schulbauinvestitionsprogramm setzen wir einen Schwerpunkt aus dem Koalitionsvertrag um. Wir wollen die staatlichen Schulträger bei der Durchführung von notwendigen Investitionen in Schulgebäude und Schulsporthallen unterstützen.

(Beifall DIE LINKE)

Dafür werden wir in dieser Legislaturperiode von 2015 bis 2019 insgesamt 150 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Der Doppelhaushalt 2016/2017 erhöht den Verpflichtungsrahmen für dieses Programm auf insgesamt 73 Millionen Euro. Ich gehe davon aus, dass wir im Laufe dieser Legislaturperiode Maßnahmen bei 40 bis 60 Schulen im Freistaat unterstützen können. Damit werden vielleicht noch nicht alle Versäumnisse der Vorgängerregierungen behoben werden können, aber wir machen einen großen Schritt vorwärts und kommen der Umsetzung unserer Zielstellung näher, dass gute Bildung auch gute Schulgebäude erfordert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, für den öffentlichen Personennahverkehr hat sich die Koalition große Ziele gesteckt. Der ÖPNV soll Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr erhalten. Für die Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln stellt Thüringen insgesamt rund 310 Millionen Euro jährlich bereit. Wir fördern ab 2017 den Aufbau eines landesbedeutsamen Busnetzes, das die Zentralen Orte besser miteinander verbinden soll, zunächst mit 2 Millionen Euro.

(Beifall DIE LINKE)

Wir treiben die Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung voran. Wir haben dafür 3 Millionen Euro im Haushalt eingestellt.

Auch mit dem Blick auf die Ergebnisse der Klimakonferenz in Paris in der letzten Woche leistet Thüringen mit dem Vorzug Schiene vor Straße einen Anteil zur Unterstützung umweltfreundlicher Verkehrskonzepte. Wie Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, hängt die Finanzierung des ÖPNV fast ausschließlich von der Ausstattung des Landes mit den Regionalisierungsmitteln des Bundes ab. Die Landesregierung wird alles unternehmen, um eine Benachteiligung Thüringens und der anderen Ostländer zu verhindern. Denn jeder abbestellte Schienenkilometer erhöht den Individualverkehr um ein Vielfaches und trägt zur Belastung der Umwelt und letztlich auch der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger bei.

(Ministerin Keller)

Der Koalitionsvertrag formuliert das Ziel, Straßenerhalt vor Straßenneubau. Für einen sachgerechten Erhalt der Landesstraßen sind jährliche Erhaltungsinvestitionen von 45 Millionen Euro erforderlich. Mit dem Doppelhaushalt wird diese Zahl endlich erreicht. Zur Umsetzung ist hier noch eine Änderung des Gemeindeinfrastrukturfördergesetzes erforderlich. Das Gesetzesvorhaben befindet sich derzeit in der Anhörung und wird dem Landtag in Kürze vorgelegt.

Auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Erhöhung der Mittel für den Radwegebau wird bereits mit diesem Haushaltsplan schrittweise umgesetzt. Zunächst müssen wir die Bauplanung für neue Radwege vorantreiben. Jeder weiß, dass wir keine Bauplanungen oder so gut wie keine in der Schublade vorgefunden haben, weil der Fokus der Vorgängerregierung eben nicht auf Radwegen gelegen hat, sondern wir ihn jetzt darauf legen. Wir hoffen, dass wir die Summen, die wir hier eingestellt haben, auch sehr schnell in Radwege umsetzen können. Mit dem Haushalt 2016/2017 verdoppeln wir bereits den Etat zum Radwegebau. Das im Koalitionsvertrag formulierte 10-Prozent-Ziel werden wir im Laufe der Legislaturperiode erreichen, da bin ich mir sicher.

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, Alterung und Bevölkerungsrückgang sind die größten Herausforderungen für die Sicherung der Daseinsvorsorge in den ländlichen Regionen des Freistaats. Das Ziel der Landesregierung ist es, aktiv auf den demografischen Wandel zu reagieren und gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Thüringen herzustellen. Mit dem landesweiten Modellprogramm, das derzeit den Arbeitstitel „Multifunktionszentren der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum“ trägt, schafft mein Ministerium in den nächsten beiden Jahren die Grundlagen, mit denen in Zukunft Daseinsvorsorge in allen Landesteilen gewährleistet werden kann. Und es ist das Ziel, ressortübergreifend diese Modellregionen zu entwickeln.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu bin ich mit den Ministerien bereits im Gespräch, dem Sozial-, dem Bildungs- und auch dem Wirtschaftsministerium. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf werden für das Jahr 2016 rund 131 Millionen Euro und für das Jahr 2017 rund 152 Millionen Euro öffentliche Mittel für die Umsetzung der Förderinitiative „Ländliche Entwicklung in Thüringen 2014 - 2020“ zur Verfügung gestellt. Die Instrumente der ländlichen Entwicklung sollen weiterentwickelt unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft genutzt werden. Auch damit kommen wir unserem Ziel näher, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen zu schaffen und dabei die Bürgerinnen und Bürger aktiv zu beteiligen. Priorität im Haushaltsentwurf hatte ferner, dass die dem Frei

staat zustehenden Anteile aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ vollständig kofinanziert werden. Ich nehme das Lob dafür gern entgegen. Dies ist notwendig, da die Gemeinschaftsaufgabe wichtiges Instrument für die Kofinanzierung des ELER-Entwicklungsprogramms ist, und deshalb auch an die regierungstragenden Fraktionen ein herzliches Dankeschön, denn das ist Weitblick für den ländlichen Raum.

(Beifall DIE LINKE)

An dieser Stelle möchte ich noch ein Wort zur Ausgleichszulage in den benachteiligten Gebieten sagen. Hier halte ich mich streng an den Satz aus dem Koalitionsvertrag: „Die Förderung benachteiligter Gebiete bleibt erhalten.“ Dafür haben wir in der Tat die notwendigen öffentlichen Mittel bereitgestellt. Ja, wir haben sie sogar trotz knapper Kassen um 1 Million Euro aufgestockt.

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, vom ÖkoAktionsplan war hier schon die Rede. Ich möchte dies nicht noch einmal betonen. Aber eines möchte ich betonen: Konventionelle Landwirtschaft, ökologische Landwirtschaft sind die wichtigsten, gleichwertigen Säulen der Landwirtschaft hier bei uns in Thüringen und sie werden es auch bleiben.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben den Negativtrend bei der Entwicklung von Ökoflächen stoppen können, inzwischen stellen auch wieder Betriebe auf den Ökolandbau um, weil sie in unsere Politik Vertrauen haben. Das ist, denke ich, ein gutes Signal für Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)