Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Die Landesregierung bekennt sich in ihrer Europastrategie zu dieser gesamteuropäischen Aufgabe. Sie bekennt sich zur Freizügigkeit als eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union. Sie bekennt sich dazu, diese Freizügigkeit nicht als Bedrohung, sondern als Chance für Europa und als Chance für Deutschland und für Thüringen zu begreifen. Sie erteilt allen eine klare Absage, die den notwendigen Schutz der EU-Außengrenze mit deren Schließung verwechseln.

Die Europäische Union wurde gegründet, um langfristig Frieden und Stabilität auf dem europäischen Kontinent zu sichern. Gemeinsame Konfliktlösungsmechanismen anstelle von nationalen Alleingängen – diese europäische Grundidee ist alles andere als überholt. Auf dieser Basis hat Europa schon so manche Krise erfolgreich gemeistert. Es ist aber auch diese Stabilität der Europäischen Union, die Europa zu einem Sehnsuchtsort von Menschen macht, die auf diese Stabilität verzichten müssen, die auf Grund- und Freiheitsrechte verzichten müssen, die auf ihre wirtschaftliche Existenz, auf berufliche Perspektive, auf gesundheitliche Mindestversorgung verzichten müssen. Wenn das Postulat der Allgemeingültigkeit von Grund- und Menschenrechten gilt und wir dieses Postulat in alle Welt tragen, dann dürfen wir – darauf wies Ulrich Beck bei der Eröffnung des Deutschen Soziologentags 2008 in Jena hin – nicht die Grenzen abschotten, wenn diejenigen, die wir auf das Postulat der Allgemeingültigkeit von Menschen- und Freiheitsrechten hingewiesen haben, diesen Anspruch einlösen und sich

auf den Weg dorthin machen, wo man diesen Anspruch einlösen kann, genau an diesen Sehnsuchtsort Europa.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sie postulie- ren den Weltstaat!)

Herr Höcke, ich werde später noch mal darauf zurückkommen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sehr gut!)

Zunächst postuliere ich erst mal nur, dass das Prinzip der Aufklärung, das Europa sich in seinen Grundwerten zu eigen gemacht hat, tatsächlich eine allgemeine Geltung hat. Dass Sie mit dem Blick auf die Reduzierung Europas als nationalstaatliches Konstrukt, als Europa der Völker, das sich gegenseitig abschottet, versuchen, diese Grundidee Europas auszuhöhlen, das können Sie machen. Mit Ihnen gibt es keine europäische Zukunft, deshalb richte ich mich in meiner Rede hier an die Europäerinnen und Europäer hier im Haus.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Helmerich, fraktions- los; Abg. Gentele, fraktionslos)

Die Europäische Union wurde gegründet – ich wiederhole es noch mal –, um langfristig Frieden und Stabilität auf dem europäischen Kontinent zu sichern. Diese gemeinsamen Anstrengungen sind auch jetzt vonnöten. Die Landesregierung wird sich weiterhin dafür einsetzen und auch diejenigen Akteure der Bundesregierung unterstützen, die für eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten setzen. Diese Frage ist ungeachtet der türkischen Vorschläge weiter so aktuell wie problembeladen. Die Verteilungsdiskussion ist allerdings genauso wie die Diskussion über den Schutz der Grenzen auch eine Diskussion über Symptome. Wir müssen viel intensiver darüber reden, wie wir die Bekämpfung der Fluchtursachen intensivieren und nachhaltigere Perspektiven in den Herkunftsländern schaffen. Deshalb geht es auch darum, sich darüber zu verständigen, was wir unter einer besser koordinierten Außen- und Sicherheitspolitik zur Vorbeugung von Krisen verstehen, und dass wir andererseits viel, viel stärker auf die nachhaltige europäische Entwicklungspolitik setzen, auf die Entwicklungszusammenarbeit, die ihren Beitrag zu genau den Aspekten, die ich schon genannt habe, leisten muss: bessere Gesundheitsversorgung, hinreichende und gesunde Ernährung, Zugang zu Wasser sowie schulischer und beruflicher Bildung. Einige dieser Stichworte habe ich schon angesprochen, als ich Ulrich Beck zitierte.

Sehr geehrte Damen und Herren, was die Europäische Union in guten wie in schwierigen Zeiten ausmacht, sind nicht allein die Institutionen, die de

(Minister Prof. Dr. Hoff)

mokratisch und transparent agieren, nicht allein die Gipfeltreffen der Staatschefinnen und Staatschefs, die Lösungen sorgfältig austarieren müssen – es sind die Bürgerinnen und Bürger, ihre demokratisch legitimierten Vertreterinnen und Vertreter, die sich für das europäische Miteinander engagieren müssen.

Wie geht es weiter in Europa? Dieser Frage haben sich in dieser Woche hier im Landtag zahlreiche Bürgerinnen und Bürger auf Einladung des Europäischen Informationszentrums Thüringen und der Europa-Union Deutschland gewidmet. Es ist heute in der Tagespresse darauf hingewiesen worden, dass wir noch stärkere Anstrengungen unternehmen müssen, aus diesem Gespräch einen tatsächlichen Dialog zu machen, in allen Foren auch zu dieser Dialogstruktur zu kommen. Ich denke, diese Anregung des Kollegen Kellermann, der heute, wie gesagt, in der Zeitung dazu schreibt, werden wir in unseren Auswertungen dieses Bürgerforums ernst nehmen und zum Gegenstand machen. Nichtsdestotrotz oder gerade vielleicht deswegen ist es wichtiger denn je, dass wir offen und gesprächsbereit für die Fragen und Sorgen der Thüringerinnen und Thüringer zur Zukunftsfähigkeit Europas sind. Wir nehmen diese Aufgabe als Landesregierung ernst und wir scheuen keine kritischen Fragen. Wir geben aber auch Antworten, die nicht jedem gefallen müssen.

Wir stehen – lassen Sie mich das gerade mit Blick auf die Wahlergebnisse vom letzten Sonntag deutlich sagen – für Aufklärung, Transparenz und für das Aushalten von Komplexität im Interesse gesamteuropäischer Lösungen. Europa ist das Gegenteil vom Versuch, Politik auf die einfachste Antwort zu reduzieren, auf Nein oder Abschottung. Wir stellen uns gegen das Schüren von Ressentiments – im Gegensatz zu einigen hier im Haus –, wir stellen uns gegen den Rückgriff auf vermeintlich einfaches nationalstaatliches Handeln. Wir stellen uns gegen Scheinlösungen ohne jegliche Substanz.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Thüringen profitiert von einem starken Europa. Es profitiert von einer europaweiten Vernetzung in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, die zu mehr Innovation und Weltoffenheit führt. Thüringen profitiert von den Binnenmarktfreiheiten. Es profitiert finanziell von europäischen Förderprogrammen. Es profitiert von einer Bündelung der Kräfte angesichts weltweiter Herausforderungen wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer oder umweltpolitischer Art. Damit das so bleibt und im Sinne Thüringens die Bürgerinnen und Bürger daran teilhaben können, dieses Europa weiterzuentwickeln, hat die Landesregierung eine Europastrategie für die nächsten Jahre erarbeitet. Wir haben Ziele und Handlungsfelder definiert, aber auch Wege der Mitwirkung im euro

päischen Entscheidungsprozess benannt, um diese Ziele zu erreichen.

Thüringen voranbringen, demokratisch, sozial, wirtschaftlich und ökologisch – nach diesem Motto ist die Koalition auch bei der europapolitischen Strategie vorgegangen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hatten von Anfang an den Anspruch, die Thüringerinnen und Thüringer nicht nur mitzunehmen, sondern sie zu fragen, ihre Überlegungen zur Basisplattform dieser Europastrategie zu machen, uns mit ihnen auseinanderzusetzen, wohin es europapolitisch gehen soll. Wir können nicht für ein demokratisches und bürgernahes Europa eintreten, wenn wir hier im Land unsere eigene Europapolitik als einen bloßen Verwaltungsakt, als Akt der Exekutive handhaben.

Am vergangenen Sonntag hat die Wahlbeteiligung nach langer Zeit wieder spürbar zugenommen. Am vergangenen Sonntag haben diejenigen, die, statt Wahlen fernzubleiben, sich an ihnen beteiligt haben, einen Anspruch eingelöst, nicht Betroffene, sondern Beteiligte sein zu wollen. Diese Landesregierung macht Ernst mit direkter Demokratie, aber anders als für eine Fraktion hier im Haus, nämlich die AfD, ist die direkte Demokratie für Rot-Rot-Grün kein Vehikel im Kampf gegen die vermeintlichen Eliten, sondern es ist Ausdruck von Volkssouveränität im Sinne radikaldemokratischer Traditionen

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

in Anlehnung an Kant, Wilhelm Liebknecht bis hin zu Ingeborg Maus.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Kant würde sich im Grab umdrehen!)

Kannten Sie Kant?

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zukunftsdebatte Thüringer Europapolitik haben wir auch zu einer schriftlichen Umfrage unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu einigen europäischen Themen bzw. zur Wahrnehmung der EU in Bezug auf bestimmte Politikfelder genutzt. Zusammen mit dem Thüringen-Monitor zur Europapolitik 2014 und aktuellen Eurobarometerumfragen sind die Ergebnisse in unsere Arbeit eingeflossen.

Es ist übrigens der Thüringen-Monitor, der entstanden ist nach einem Anschlag, einem rechtsextremen Anschlag hier in Thüringen, der seit Jahren mit wissenschaftlichen Instrumenten den Demokratiestand in Thüringen misst und insofern tatsächlich ein Thermometer im politischen Bewusstsein der Thüringerinnen und Thüringer ist. Der von allen anerkannt wird, außer von einer Fraktion, die im letzten Jahr den Thüringen-Monitor als unwissen

(Minister Prof. Dr. Hoff)

schaftlich kritisierte und versuchte, dem Begriff der Lügenpresse quasi noch den Begriff der Lügenwissenschaft hinzuzufügen. Für uns ist der ThüringenMonitor und bleibt der Thüringen-Monitor Gegenstand und Basis auch unserer Bewertung dessen, wie Politik in Thüringen entwickelt werden muss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für alle Bürgerinnen und Bürger in Thüringen besteht die Möglichkeit, sich auch weiterhin mit schriftlichen Beiträgen an der Fortentwicklung der Europastrategie zu beteiligen. Hierzu sind in den sozialen Netzwerken der Landesregierung der entsprechende Platz und Foren geschaffen worden.

Es liegt in der Natur der Europapolitik als Querschnittsthema, dass die Anregungen und Debattenbeiträge sehr heterogen ausgefallen sind. Europa hat keinen einheitlichen Blick von den Bürgerinnen und Bürgern zu erwarten. Der Blick auf Europa ist zum Teil widersprüchlich, zum Teil ergänzt er sich und es sind häufig, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger nach ihrem Blick auf Europa gefragt haben, landes- und bundespolitische Themen angesprochen worden. Das überrascht nicht, denn auch die Europäische Union ist von Brüssel bis runter nach Tambach-Dietharz eine Verflechtungsstruktur föderaler Art. Europa wirkt nach unten und gleichzeitig wirkt regionales Bewusstsein. Da geht es um so etwas wie Marken, die Thüringer Bratwurst als ein Beispiel dafür, aber eben auch die Frage, wie vernetzt wir in Europa sind, welche Datengeschwindigkeiten europäischer Standard sind, und um die Auseinandersetzung, welche Sozialstandards wir hier setzen und welche Auswirkungen das in Nordund in Südeuropa hat und wie sich Gewerkschafter, Umweltverbände etc. vernetzen. All diese unterschiedlichen Gesichtspunkte machen Europa im Alltag aus.

Eine der wesentlichen Aufgaben bestand darin, die für eine mittelfristig angelegte Strategie geeigneten Anliegen an eine europäische Ebene herauszufiltern, mit den eigenen Schwerpunkten der Koalition abzugleichen und auf den Punkt zu bringen. Im Ergebnis dieses Zusammenspiels aus Impulsen von außen und politischen Zielen der Landesregierung haben sich im Vergleich zu den vorangegangenen Europastrategien neue Schwerpunkte, neue Ansätze für die Thüringer Europapolitik entwickelt.

Auf einige wichtige Punkte, die sicher im Laufe der weiteren parlamentarischen Beratung noch vertieft werden, möchte ich eingehen:

Eine wichtige Erkenntnis, die sich sowohl aus dem erwähnten Thüringen-Monitor zur Europapolitik als auch aus dem im Rahmen des Beteiligungsprozesses hergestellten Meinungs- und Stimmungsbild entnehmen lässt, ist diese: Es herrscht zwar, wenn man allgemein fragt, eine gewisse Skepsis vor,

wenn es um weitere Kompetenzverlagerungen auf die europäische Ebene geht. Auf der anderen Seite wünschen sich viele Bürgerinnen und Bürger ganz konkret in einigen Bereichen „mehr Europa“. Dazu gehört zum Beispiel die Sozialpolitik. Es wird Sie nicht verwundern, dass die Landesregierung hier im Rahmen der ihr gegebenen Einflussmöglichkeiten einen wichtigen Schwerpunkt setzt.

Der Begriff des „Sozialen Europas“ ist vielfältig, zum Teil sogar schillernd. Das europäische Sozialmodell gibt es nicht, sondern eine Vielzahl zum Teil sehr unterschiedlicher sozialstaatlicher Traditionen in den Mitgliedstaaten. Ich bin auf den Unterschied zwischen Nord- und Südeuropa bereits eingegangen. Die eher schmalen Kompetenzen der EU im Sozialbereich entbinden uns nicht von der Aufgabe, mögliche, notwendige und wünschenswerte Handlungsfelder europäischer Sozialpolitik zu benennen. Europäische Sozialpolitik muss stärker als eigenständiger Politikbereich wahrgenommen werden. Sie darf und soll nicht auf eine Rolle als Anhängsel der Wirtschafts- und Währungspolitik reduziert oder den Binnenmarktfreiheiten untergeordnet werden, sie ist aus unserer Perspektive ein zentrales Handlungsfeld europäischer Politik. In dieser Hinsicht bleiben die europäischen Institutionen nach meiner Überzeugung noch hinter den Möglichkeiten und Notwendigkeiten zurück. Häufig liegt die Betonung der EU-2020-Ziele zu sehr auf dem Begriff des Wachstums und zu wenig auf den Zusätzen „nachhaltig“ und „integrativ“.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein anschauliches Beispiel dafür ist der sogenannte Fünf-Präsidenten-Bericht zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion. Während mögliche Schritte im Hinblick auf die Bankenunion oder die engere wirtschaftspolitische Koordinierung sehr detailliert beschrieben werden, bleibt es in Bezug auf die soziale Komponente überwiegend bei Floskeln und vagen Andeutungen. Nötig wäre stattdessen ein deutliches Bekenntnis etwa zu gemeinsamen Mindestlohnstandards, zu Mindeststandards bei der sozialen Grundsicherung oder zur stärkeren Berücksichtigung sozialer Indikatoren im Rahmen der wirtschaftspolitischen Koordinierung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die europapolitische Strategie der Landesregierung enthält hierzu grundsätzliche Aussagen. In der Debatte über Europas Zukunft müssen und sollen, dafür werbe ich, diejenigen Gehör finden, die die EU als Sozialunion gestalten wollen. Europa als Sozialstaat ist aus meiner Sicht das wohl wirksamste Modell zur Zukunftsentwicklung, gegen die Verlustängste der bedrohten Arbeitnehmermitte und

(Minister Prof. Dr. Hoff)

die Wut derjenigen, die sich als European-Underclass, als Prekariat abgehängt sehen.

In diesem Zusammenhang begrüße ich den Ansatz der Europäischen Kommission, mit einer Säule sozialer Rechte dem Grundgedanken einer Sozialunion institutionelle Bedeutung zu verleihen und den Weg der warmen Worte zugunsten tatsächlich rechtlich verbriefter Ansprüche zu verlassen. Wünschenswert nicht nur aus Thüringer Sicht wäre, diesem Anspruch nun zügig Taten folgen zu lassen. Mit der gerade in der letzten Woche von der Kommission vorgestellten Revision der Entsenderichtlinie ist ein erster Schritt getan, auch wenn dieser noch in vielen Punkten verbesserungswürdig ist. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass das Prinzip „Gleicher Lohn und gleiche Rechte für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ ohne Umgehungsmöglichkeiten eine europäische gesetzliche Grundlage erhält.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Diesem Anspruch wird der Vorschlag der Kommission noch nicht gerecht und wir werden uns selbstverständlich am gerade begonnenen Konsultationsverfahren beteiligen, um den Bürgerinnen und Bürgern Thüringens und dem Rest Europas die soziale Sicherheit zu garantieren, die sich die Mütter und Väter der Europäischen Union erhofft haben. Auch sollte es uns ein Anliegen sein, dass bisherige Errungenschaften im sozialen Bereich nicht ausgehöhlt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe die Wirtschafts- und Währungsunion in dem Fünf-Präsidenten-Bericht bereits angesprochen. Zu einzelnen Elementen hat sich die Landesregierung im Bundesrat positioniert, der Landtag hat hierzu intensiv diskutiert und Vorschläge, wie das geplante europäische Einlagensicherungssystem, sind hier im Landtag kritisch erörtert worden. Ich glaube, diese Auseinandersetzung um das europäische Einlagensicherungssystem hat auch noch mal die Funktion dieses Landtags deutlich gemacht. Ich denke, dass die Beratung der europapolitischen Strategie hier im Landtag vor allem auch dazu beitragen sollte, die Funktion des Landesparlaments als einen wesentlichen Akteur der europapolitischen Strategieentwicklung in Thüringen noch mal klarer zu beschreiben. Das können wir als Landesregierung schwer möglich machen, das muss der Landtag selbst tun. Ich denke, dass wir eine Beschreibung der Position des Landtags hier in Thüringen finden müssen, die über die Subsidiaritätsprüfung, also die Frage, ob ein bestimmtes europäisches Vorhaben die Grundinteressen der regionalen Ebene verletzt, hinausgeht, hin zu einer positiven Beschreibung, was kann der Landtag als die Vertretung, was können die gewählten Abgeordneten als quasi persönlicher und institutioneller Ausdruck von Volkssouve

ränität dazu beitragen, den europäischen Gedanken in Thüringen noch stärker zu machen.

Jenseits der konkreten Frage der Einlagensicherung bedarf es aber mittel- und langfristig einer gemeinsamen Antwort auf die Frage der Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das bedeutet auch, sich über die allgemeine Zielrichtung zu verständigen. Wir lehnen jedenfalls eine Politik ab, die neue Kompetenzen und Institutionen einseitig unter dem Aspekt der fiskalischen Disziplinierung einzelner Mitgliedstaaten betrachtet. Ich hoffe sehr, dass es gelingen wird, die Wirtschafts- und Finanzkrise im Geiste der europäischen Solidarität zu bewältigen. Dazu bedarf es, neben einer Stärkung der sozialen Komponente und einer verbesserten Regulierung der Finanzmärkte, natürlich auch der Anstrengungen der betreffenden Mitgliedstaaten, aber eben auch eines besseren Zusammenwirkens der europäischen Institutionen, insbesondere einer Einbeziehung des europäischen Parlaments und einer Stärkung dessen Rechte.