Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Hier steht: „in denen zahlreiche Muslime oder fanatische Glaubensanhänger leben“. Das heißt, der Tatbestand „Muslime“ allein reicht aus, dass die Gefahr besteht,

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Auch nicht klüger geworden!)

dass sich dann ein islamisches Staatsanhängertum irgendwie breitmachen würde, wenn wir dem nicht entgegentreten würden.

Jetzt aber mal zum wirklichen Ernst zurück: Ich habe bei dieser Veranstaltung sehr gut zugehört. Ich war selbst mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen, auch hier aus dem Haus, dort. Der Imam hat uns auf etwas ganz Wichtiges aufmerksam gemacht. Er hat gesagt, wenn wir Radikalisierungsbestrebungen entgegentreten wollen, dann wäre eine ganz wichtige Maßnahme die religiöse Toleranz und zum Beispiel auch ein Angebot von muslimischem Religionsunterricht. Denn das Problem ist –

und das können Sie auch überall nachlesen bei Leuten, die sich ernsthaft damit beschäftigen –: Wie kommen junge Menschen dazu, sich dem Islamismus zugeneigt zu fühlen? Dann wird gesagt, wenn sie sich überhaupt nur für ihre muslimische Religion interessieren und leben irgendwo alleine in einem Land oder relativ isoliert und gehen beispielsweise ins Internet, dann kommen sie sehr schnell auf solche Seiten. Ein breites, normales religiöses Angebot ist die beste Prävention. Das gilt auch noch bei anderen Bereichen der Radikalisierung. Das hat der Imam uns dort gesagt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt weiter zu Ihrem Antrag: Sie haben schon gesagt, Frau Holbe, die Beratungsstellen in den Landkreisen könnten vielleicht auch an die Ausländerbehörde angekoppelt werden, aber ich möchte noch einmal auf den letzten Verfassungsschutzbericht des Landes Thüringen verweisen. Wir haben in Thüringen insgesamt 6.000 bis 7.000 Angehörige muslimischen Glaubens, die hier in Thüringen überhaupt nur leben, und der Strömung der Salafisten, mit denen Sie sich hier besonders beschäftigen, sollen knapp 100 Leute angehören, darunter ein größerer Anteil des politischen Salafismus. Bei denjenigen, die einem gewaltbereiten Salafismus anhängen, ist im Verfassungsschutzbericht davon die Rede, es würde sich um einzelne Personen handeln. Natürlich ist es immer schön, Beratungsstellen zu haben, aber in allen Landkreisen eine Beratungsstelle anbieten zu wollen, das tut so, als ob dieses Problem in Thüringen flächendeckend ein Massenphänomen wäre. Ich möchte Sie nur einmal vergleichsweise darauf hinweisen. Wissen Sie zufällig, wie viele Interventionsstellen es für Opfer häuslicher Gewalt in Thüringen gibt? Das wissen Sie wahrscheinlich nicht. Es sind genau vier Stück. Das weiß ich deswegen so genau, weil ich in meinem richtigen Leben als Rechtsanwältin, als Opferanwältin tätig bin. Mit diesen vier Beratungsstellen kommen wir landesweit aus für die Opfer häuslicher Gewalt. Natürlich werden Beratungen auch bei anderen Institutionen noch mit durchgeführt. Man kann auch sagen, da ist die Verhältnismäßigkeit klar unterschritten.

Das trifft dann auch auf den Punkt 2 Ihres Antrags zu, „Programme zum Ausstieg aus dem Salafismus zu initiieren“ als Landesprogramme, also für die Einzelnen, das sind dann fünf bis zehn. Da überheben wir uns auch, die Notwendigkeit besteht nicht. Deswegen ist es, wenn man solche Sachen beantragt, die jetzt rein abstrakt theoretisch nicht falsch sind, trotzdem deswegen populistisch, weil so getan wird, als gäbe es hier ein Riesenproblem. Das haben wir in Thüringen Gott sei Dank nicht und wir wollen gemeinsam mit normalen und richtigen Mitteln daran arbeiten, dass wir es nicht bekommen. Dann kommt die Bundesratsinitiative und dann zu

letzt, jawohl, ploppt auf – Sascha Lobo hat das neulich den „Zombie der Netzpolitik“ genannt, der immer wiederkehrt – die Vorratsdatenspeicherung. Ja, es ist richtig, der nordrhein-westfälische Innenminister gehört auch zu Teilen in der SPD, die immer noch sagen, die Vorratsdatenspeicherung wäre sinnvoll. Ich gehöre nicht dazu. Einen Jäger oder Andersdenkenden gibt es in jeder Partei. Das Problem ist doch, dass in den letzten 15 Jahren – und das stand neulich in einem Artikel im New Yorker – beinahe jeder größere terroristische Angriff auf den Westen von Leuten ausgeführt worden ist, die den Behörden längst bekannt gewesen sind. Das ist leider oder wie auch immer bei den Anschlägen in Paris auch der Fall gewesen. Einschlägig vorbestraft, Besucher eines Terrorcamps, in Waffenbesitz – sofort war doch klar, welche Leute das gewesen sind. Wenn die alle schon seit Jahren auf dem Schirm diverser Sicherheitsbehörden sind, dann ist hier eine Lücke in der Überwachung entstanden. Dann hat man ihre Gefährlichkeit falsch eingeschätzt. Solche Parallelen gibt es überall. Deswegen ist diese Vorratsdatenspeicherung eigentlich abwegig, diese Forderung hier in diesem Zusammenhang zu erheben. Denn wenn diese Daten doch alle schon da sind, wenn man diese Leute genau kennt, warum soll es denn dann einen Unterschied machen, ob die Gesprächsdaten, wann ich oder Sie mit unseren Partnern und Kindern telefoniert haben, auch noch gespeichert sind? Warum soll das denn dann den Unterschied machen? Es macht den Unterschied nicht. Es ist vielmehr der Versuch, mit mehr Überwachung Lücken zu büßen, die man aber nicht durch mehr Überwachung, sondern höchstens durch bessere Überwachung schließen muss. Ich meine, es ist auch tragisch und traurig, aber wir haben ja auch hier in Thüringen die Parallele gehabt mit dem NSU-Trio. Die waren namentlich bekannt, da gab es alljährlich Berichte auf Bundesebene, da stand bei rechtsradikalen oder rechtsterroristischen Aktivitäten, da gibt es doch drei, da wurden sogar die Namen genannt, aus Thüringen, die haben mal Bomben gebastelt, dann sind die verschwunden – wir wissen nicht, wo die sind, aber die machen nichts Böses. Also da waren auch die Namen bekannt, Vorratsdatenspeicherung hin oder her, sie macht da überhaupt nichts anders. Deswegen ist Ihr Antrag schon der Versuch, jetzt die Angst, die besteht, die Befürchtung, für politische Zwecke auszubeuten und ist nicht seriös. Wir lehnen ihn deswegen ab.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Herr Abgeordneter Höcke das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Abgeordnetenkollegen und ganz besonders liebe Gäste auf der Tribüne, die ich explizit hier begrüßen möchte! Schön, dass ihr und Sie so zahlreich erschienen seid.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Der hat ja noch nicht mal den Anstand zu siezen!)

Die Menschen draußen in Thüringen und in Deutschland haben zunehmend das Gefühl, dass die wirklichen Problemlagen dieses Landes von der Politik nicht mehr wahrgenommen werden.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Jetzt kommen Sie!)

Statt Ursachenforschung zu betreiben und an Ursachen zu operieren, betreibt man Politikkosmetik. Das wird von immer mehr Menschen so gesehen. Deswegen haben wir auch die Dynamik auf den Straßen in Thüringen und in Deutschland.

Die freiheitliche demokratische Grundordnung, liebe Kollegen, die muss gegen radikalen Islamismus, gegen Salafismus und andere radikale Gruppen geschützt werden.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Auch gegen radikale Dummheit!)

Wer zweifelt daran? Ich denke, in diesem Hohen Haus niemand, das hoffe ich doch so. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber, liebe CDU-Fraktion, ich erkenne den guten Willen in Ihrem Antrag, aber er kuriert leider nur an Symptomen herum und geht nicht in die Ursachenklärung hinein. Sie fordern neue staatliche Beratungsstellen für Angehörige von Salafisten und radikalen Islamisten. Sie fordern Ausstiegsprogramme für radikale Islamisten. Aber haben Sie bedacht, dass Sie damit eine überwiegend staatlich finanzierte Sozialindustrie noch weiter aufblähen und den Steuerzahler noch mehr belasten? Das mag zwar einige arbeitslose Sozialpädagogen erfreuen, aber glauben Sie ernsthaft, dass das Reden mit radikalen Islamisten zu einem Ergebnis führt? Ich halte das – mit Verlaub – für ein wenig naiv.

Ich möchte an dieser Stelle auch mal was Grundsätzliches sagen in diesem Hohen Haus. Ich glaube, eine Gesellschaft, die über alles reden muss, weil nichts mehr selbstverständlich ist, eine solche Gesellschaft hat keine Zukunft.

(Beifall AfD)

Und die Freunde von der Regierungskoalition bitte ich sehr genau aufzupassen, mit wem Sie sprechen. Ihnen ist sicherlich aufgefallen im letzten Verfassungsschutzbericht von 2013, dass der Thüringer Moscheeverein vom Verfassungsschutz beob

(Abg. Marx)

achtet wird. Wenn Sie in den interkulturellen Dialog eintreten, dann tun Sie das bitte mit Gesprächspartnern, die auch unsere freiheitliche demokratische Grundordnung befürworten und sie nicht gefährden, liebe Abgeordnete.

(Beifall AfD)

Die CDU fordert die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, um eventuell Terroristen dieses Staatsangehörigkeitsrecht zu entziehen oder die Bewegungsfreiheit der Terroristen einzuschränken.

Liebe CDU-Fraktion, das sind sicherlich erst mal sinnvolle Forderungen, aber unser Staatsangehörigkeitsrecht ist grundsätzlich falsch angelegt. Das muss mal gesagt werden.

(Beifall AfD)

Die CDU ist selbst mit ihrem Einknicken vor dem Zeitgeist schuld daran, dass wir heute eine Fehlentwicklung haben und Tausende Terroristen im Besitz des Deutschen Passes sind.

(Beifall AfD)

Die AfD-Fraktion sagt ganz eindeutig: Der deutsche Pass muss am Ende eines abgeschlossenen Integrationsprozesses stehen und darf nicht als Willkommensgeschenk jedem in die Hand gedrückt werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Islamisten mitnichten integriert sind, liebe Abgeordnetenkollegen, das müsste eigentlich jedem klar sein.

(Beifall AfD)

Auch die bundesgesetzliche Grundlage zu schaffen, Vorratsdatenspeicherung zur Terrorabwehr zu ermöglichen, scheint auch zunächst sinnvoll vor dem Hintergrund des Pariser Massakers. Aber wir müssen uns doch fragen: Warum konnte es so weit kommen? Die AfD-Fraktion hat nicht den Wunsch, in Deutschland die gläsernen Bürger zu schaffen, auf die der Staat jederzeit Zugriff hat. Summa summarum muss ich leider zu dem Antrag der CDU sagen: Ihr Antrag, liebe CDU-Fraktion, enthält gute Ansätze, er fußt aber leider nicht auf einer Ursachenanalyse, sondern doktert lediglich an Symptomen rum, und deswegen können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen rufe ich den Abgeordneten Adams auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, wer die Presseveröffentlichung der CDU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz aufmerksam gelesen hat – die Pressemitteilung, die danach herausgegeben wurde –, sieht, dass dieser Antrag im Prinzip eine Umsetzung eines Treffens von verschiedenen CDUPolitikern, ich glaube, auch aus dem Innenbereich, ist. Ich frage mich, wie der Antrag ausgesehen hätte, hätte es dieses Treffen nicht gegeben. Aber es ist ja sinnvoll, Dinge auch nachzunutzen und umzusetzen. Allerdings fehlt – darauf werde ich nachher noch mal zurückkommen – eine Thüringer Sicht, eine klare Analyse auch der Situation bei uns im Bundesland, für das wir hier die Diskussion führen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, es gibt eine Terrorbedrohung und die Bundesrepublik Deutschland war zu jeder Zeit mal mehr, mal weniger aber von Terror bedroht. Terror ist immer der Versuch Einzelner, den Staat dadurch anzugreifen, dass man das Individuum, den Menschen in seiner vitalen Grundlage, versucht zu beschädigen, Leib oder gar Leben zu vernichten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Versuch eint alle Terroristen und wir haben diesen Versuch in der Bundesrepublik Deutschland oftmals zurückschlagen können, oftmals ist es aber nicht gelungen. Immer dann, wenn der Terror siegt, hat der Staat versagt. Genau das haben wir in der letzten Legislatur in großer Tiefe und mit gebotener Breite bei den Terrortaten des NSU diskutiert, und auch das steht hier im Raum, wenn wir die Diskussion führen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Versuch, die innenpolitische Debatte um Terror immer gleichzusetzen mit dem, was als Argumentationsgrundlagen hierfür geboten wird, schlägt fehl. Es geht zuerst darum, Terror, Terrorversuche durch Sicherheitsbehörden und gute Sicherheitspolitik zurückzudrängen und auf der zweiten Ebene dann nach den Ursachen und den Motivationen zu fragen. Auch das haben wir beim Fall des NSU intensiv diskutiert. Es hilft nicht, wenn ein Herr Gauland von der AfD gestern im „Tagesspiegel“ die kulturelle Herkunft von Menschen mit ihrer absehbaren abstrakten Gefährlichkeit gleichsetzt und damit Einreiseverbote in die Bundesrepublik Deutschland gleichsetzen will, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das hat er so nicht gesagt!)

Wenn wir uns darauf einlassen, dann haben die Terrorristen den ersten Etappensieg bekommen, weil wir nämlich unsere Werte zur Disposition stel

(Abg. Höcke)

len, unsere Werte von Menschlichkeit und unsere Werte von Bürgerrechten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umso mehr beunruhigt es mich, dass in der derzeitigen Debatte um die Terrorabwehr in diesem Land immer auch wieder Religionsfreiheit berührt wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer diese Debatte schürt, sei es auch noch so vorsichtig, dass er jeden Salafisten, der unbestritten nicht auf unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik steht,

(Beifall AfD)

aber mit einem Terroristen gleichsetzt, führt hier eine gefährliche Argumentation. Auch das Gleichsetzen von solchen terroristischen Taten mit Taten im Namen des Propheten Allah ist meiner Meinung nach der Versuch, eine Religion zu diskreditieren.