Seit dem Jahr 2011 hat sich genau – hören Sie bitte gut zu, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete – ein einziges Projekt zumindest hälftig mit der Bekämpfung des Linksextremismus beschäftigt und dieses Projekt wurde mit der gigantischen Summe von 800 Euro gefördert.
Ein Projekt gegen Islamismus sucht man natürlich vergebens, weil es natürlich gar keine islamistische Bedrohung Thüringens, Deutschlands und Europas gibt, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete. Nein, was könnte man da annehmen? Das kann ja gar nicht sein, eine islamistische Bedrohung. Wir wissen, dass es die gibt, und zwar nicht erst seit dem blutigen Juli 2016.
Kein Projekt in unserem hoch gelobten Landesprogramm – auch die CDU hat dieses Programm wiederholt gelobt – fragt nach den Opfern islamistischer Gewalt. Es gibt kein Opfertelefon, keine Erfassung von Straftaten und keine Beobachtung durch eine Dokumentationsstelle oder dergleichen. Gleiches gilt für Straftaten aus dem linksextremistischen Spektrum. Die Anzahl der linksextremistischen Straftaten ist 2015 steil angestiegen und hat mit 373 einen neuen Höchststand erreicht. Die Anzahl der linksextremistischen Veranstaltungen in Thüringen ist im letzten Jahr auf den Rekordstand von 83 angestiegen. Eine Vergleichszahl aus dem Jahr 2010: Damals waren es nur 34. 2015, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, wurden 14 Polizeibeamte durch Linksextremisten verletzt, so viele wie nie seit dem Jahr 2010.
Herr Innenminister, hören Sie bitte gut zu: Das zeigt deutlich, dass diese Landesregierung ebenso wie die letzte – das muss man auch deutlich sagen – die aktuellen Gefahren des Linksextremismus und
des Islamismus ignoriert – und zwar nicht aus Fahrlässigkeit, sondern aus ideologischer Verbohrtheit.
Das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit – ich habe es immer wieder angedeutet – hat überhaupt gar kein Interesse daran umzusetzen, was sein Name vermuten lässt. Das darf nicht sein und mit dieser Einseitigkeit muss jetzt endlich Schluss sein!
Schluss muss auch damit sein, die Richtlinie zur „Förderung von Maßnahmen zur Umsetzung des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“ so auszulegen, wie man es denn gerade braucht. Das geht in einem demokratischen Rechtsstaat nicht. Die Versorgung der Amadeu Antonio Stiftung mit Mitteln aus dem Fördertopf des Landesprogramms ist laut der vorliegenden Richtlinie eigentlich ausgeschlossen. So heißt es unter Nummer 3 – ich zitiere: „Zuwendungsempfänger können bezogen auf die bei Nummer 2 genannten Maßnahmen und Projekte sein: eingetragene Vereine und Verbände […], staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften […], kommunale Gebietskörperschäften einschließlich ihrer Eigenbetriebe […] [und] gemeinnützige juristische Personen des Privatrechts, an denen der Freistaat Thüringen oder eine kommunale Gebietskörperschaft mit Mehrheit beteiligt ist […].“ Nichts von alledem, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, trifft auf die Amadeu Antonio Stiftung zu, die im zweiten Halbjahr 2016 mit über 200.000 Euro Steuermitteln ausgestattet wird.
Es scheint auch keinen der Verantwortlichen zu interessieren, dass aus dem Fördertopf des Landesprogramms Projekte gefördert werden, die mit extremistischen Gruppierungen oder Personen zusammenarbeiten, denn auf eine Extremismusklausel hat man in der Landesregierung einfach verzichtet. Die Regierung geht einfach – ich zitiere – „zunächst bei allen geförderten Projekten […] davon aus […], dass sich kein Projektbeteiligter auf grundgesetzwidrige Weise betätigt, sondern dass sie sich vielmehr programmkonform für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit einsetzen.“
Wir von der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag sehen das anders und halten eine solche Aussage gelinde gesagt für naiv.
Förderung der Amadeu Antonio Stiftung, zu der mein Kollege Stephan Brandner sicherlich gleich die richtigen und notwendig deutlichen Worte finden wird, und dem Betrieb einer sogenannten Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie erkennen und ablesen. So zählt die umtriebige Julia Schramm zum Mitarbeiterstab. Diese Dame machte mit Aussagen auf Twitter aufmerksam wie – hören Sie gut zu, bitte, besonders die Kollegen von der CDU sollten jetzt mal sehr gut zuhören – „Bomber-Harris Flächenbrand, Deutschland wieder Ackerland!“ oder „Mehr Volkstod wagen!“. Ist das in Ihrem Interesse, sehr geehrte Kollegen von der CDU? Oder: „Deutschland darf getötet werden“. Ich finde, solche Aussagen sind unerträglich und sind in einem demokratischen Rechtsstaat unzulässig.
Mit Anetta Kahane – darauf hat zumindest zaghaft, aber nicht in der gebotenen Deutlichkeit Kollege Tischner von der CDU hingewiesen; Sie müssen deutlicher werden, Herr Tischner, das bitte ich Sie –, Vorsitzende der Stiftung und frühere Inoffizielle Mitarbeiterin des Ministeriums für Staatssicherheit, steht eine denkbar – um das diplomatisch auszudrücken – ungeeignete Person an der Spitze dieser Stiftung, die diese Dokumentationsstelle federführend begleiten soll.
Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, der Freistaat Thüringen – und daran kann doch gar kein Zweifel sein – hat eine besondere Verantwortung bei der Aufarbeitung von Stasiunrecht.
Es ist ein politischer Skandal erster Güte, wenn eine von einem ehemaligen Stasispitzel geleitete Organisation mit der Überwachung und Speicherung von Meinungen der Thüringer Bürger beauftragt wird.
Die intransparente Vergabe der neu eingerichteten Dokumentationsstelle ist schon angesprochen worden. Sie ist eine Frechheit – anders kann man das nicht sagen – und spricht jedem Standard in einem Rechtsstaat Hohn. Nach Ansicht der Landesregierung hätte die Erwähnung – die Erwähnung, Herr Ministerpräsident Ramelow – des Dokumentationsstellenprojekts im Koalitionsvertrag angeblich ausgereicht, um potenzielle Interessenten zur Bewerbung zu animieren. Sogar die Fraktionsvorsitzende der Linken hat zumindest heute in der Zeitung erklärt, es gebe da in diesem Rahmen einen Mangel an Sensibilität. Oh, doch ein kleiner Anklang an Einsicht, Frau Hennig-Wellsow. Ich frage Sie, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete des Hohen Hauses: Ist das die Offenheit, ist das die Voraussetzung für eine transparente Bestenauslese? Ich sage: Schluss mit diesem Klüngel!
Zusammenfassend, summa summarum: Die vom Landesprogramm geförderten Projekte haben mit Toleranz, Demokratie und Weltoffenheit oft überhaupt nichts zu tun. Dieses Programm nährt ganz offensichtlich verbohrte, verbiesterte, spießige, linksextremistische, antideutsche Dunkeldeutsche.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste! Weil es den Anträgen der AfD und auch einigen der Redebeiträge, die wir heute gehört haben, offensichtlich fehlt, möchte ich noch mal meinen hohen Respekt vor denen ausdrücken, die sich jeden Tag gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit und für Demokratie einsetzen,
und zwar egal wo sie das tun, sei es auf der Straße bei Demonstrationen, bei Projekttagen an Schulen, bei der Beratung von Opfern rechter Gewalt oder lokalen Bündnissen. Ihre Arbeit ist die Grundlage für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft. Dafür möchte ich Danke sagen.
Dass wir einen Handlungsbedarf haben, was die Themenbereiche Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit angeht, das ist unstrittig, und zwar nicht erst seit dem NSU, der nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt ist, wo nach wie vor unklar ist, wo staatliche Behörden versagt haben, wo es aber auch in Jugendarbeit, in Schule und im sozialen Umfeld Probleme gegeben hat. All das fordert uns Sensibilität ab.
Wenn wir uns das vergangene Jahr anschauen, seit Mitte 2015, wenn wir uns ansehen, wie viele fremdenfeindliche und rassistische Demonstrationen wir erlebt haben, wenn wir sehen, wie viele Kundgebungen, wie viele rechte Konzerte es gegeben hat, wenn wir uns den Anstieg von Übergriffen auf Geflüchtete und auf Flüchtlingsunterkünfte ansehen, dann ist das ein Zeichen dafür, wie hoch der Handlungsbedarf in Thüringen ist. Den sehen wir aber auch, wenn wir uns zum Beispiel den Thüringen-Monitor ansehen – auch darüber reden wir heute hier nicht zum ersten Mal. Auch der zeigt deutlich, dass es eine Zunahme fremdenfeindlicher
Einstellungen in unserer Gesellschaft gibt. Ein Viertel der Thüringerinnen und Thüringer haben ein verfestigtes rechtsextremes Weltbild. Das zeigt sich immer auch in der Abwertung bestimmter Personengruppen. Wenn zum Beispiel 9 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer der Aussage „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so richtig zu uns.“ zustimmen, wenn 40 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sagen, bettelnde Obdachlose sollten aus der Fußgängerzone entfernt werden, wenn 55 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer der Meinung sind, dass die meisten Langzeitarbeitslosen sich auf Kosten anderer ein schönes Leben machen, wenn 24 Prozent der Menschen, die in Thüringen leben, der Meinung sind, dass eine Beziehung zwischen zwei Personen desselben Geschlechts unnatürlich ist, dann zeigt uns das, dass wir ein Problem haben, und es impliziert auch immer,
dass es darum geht, dass Menschen aufgrund bestimmter Merkmale weniger wert sind als andere und deswegen nicht so richtig zu uns dazugehören. Das gibt es in allen gesellschaftlichen Gruppen, das haben wir heute schon gehört, und das gibt es auch bei Wählern aller Parteien. Umso deutlicher macht das aber für uns, dass wir da etwas machen müssen. Das zeigt vor allem, wie verbreitet das ist.
Deswegen sind zum Beispiel auch im NSU-Abschlussbericht eine ganze Reihe von Forderungen und Konsequenzen formuliert, die wir zu ziehen haben. Die eine ist die Weiterentwicklung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Wir haben das Zitat heute schon gehört, das der NSU-Abschlussbericht dazu formuliert, dass das aktuell in Thüringen bestehende Landesprogramm zu überarbeiten und als klares Landesprogramm gegen Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu gestalten ist. Dieser Abschlussbericht ist aus dem Jahr 2014, das heißt, er berücksichtigt nicht nur die Situation, die wir 2014 hatten, sondern natürlich auch die Entwicklung, die sich seit 2009 in Thüringen abzeichnet.
Das ist eigentlich ein Konsens, dem sich damals alle Fraktionen, die hier im Thüringer Landtag vertreten waren, angeschlossen haben. Ich muss sagen: Ich finde es mehr als schade, dass die CDU-Fraktion diesen Konsens hier offensichtlich gerade aufgibt. Herr Tischner, ich muss schon sagen, dass ich es einigermaßen erstaunlich finde, dass Sie die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als eine Bewusstseinsuntersuchung formuliert haben. Das ist nämlich keine Bewusstseinsuntersuchung, sondern die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und die Debatte, die damit zu tun hat, sind eine re
nommierte und fundierte sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung. Dies hier so abzuwerten, finde ich nicht gerechtfertigt.
Der zweite nicht ganz unwesentliche Punkt aus dem NSU-Abschlussbericht – zwar nicht aus dem, den alle getragen haben, aber trotz alledem hat er es in den Koalitionsvertrag geschafft – ist die Einrichtung einer Dokumentationsstelle für Demokratie und Menschenrechte, die neonazistische und andere gegen die Grundsätze der Verfassung gerichtete Aktivitäten dokumentieren soll, die wissenschaftliche Forschung zu Inhalt, Wirkungsweise und Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit umsetzen, aber eben auch Gegenkonzepte entwickeln soll. Das hat gar nicht so viel mit Intervention oder Repression zu tun, was die Polizei macht, sondern es hat vor allem etwas damit zu tun: Wie kann man eben mit genau solchen Einstellungen umgehen, was kann ich machen, um Zivilgesellschaft in ihrer Arbeit für Demokratie und unsere Gesellschaft zu unterstützen.