Protokoll der Sitzung vom 11.11.2016

Mit Wirkung vom 5. September 2016 wurde nach intensiver fachlicher Beratung die Rahmenkonzeption über die Schutzausrüstung der Thüringer Polizei in Kraft gesetzt. In Umsetzung der in Rede stehenden Konzeption gilt es, die Thüringer Polizei schrittweise mit einer qualitativ verbesserten Schutzausstattung – das wäre die passive Komponente – und Dienstfahrzeugen auszustatten. So werden wir die Beamten des Einsatz- und Streifendiensts sowie der geschlossenen Einsatzeinheiten der Thüringer Polizei mit ballistischen Schutzhelmen ausstatten.

Nach einem erfolgreichen europaweiten Vergabeverfahren konnte ein entsprechender Liefervertrag unterzeichnet werden, sodass eine erste Teillieferung von ballistischen Helmen noch in diesem Jahr erwartet werden kann. Das Thüringer Finanzministerium willigte auf Einsatz des Innenministeriums hin diesbezüglich in den Antrag des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales auf überplanmäßige Ausgaben im Haushaltsjahr 2016 in Höhe von 3.845.000 Euro ein. Jede Polizeivollzugsbeamtin und jeder Polizeivollzugsbeamte der Thüringer Polizei wird bis Ende kommenden Jahres zudem über eine neue ballistische Schutzweste mit integriertem Stichschutz verfügen. Gegenüber der herkömmlichen personenbezogenen ballistischen Schutzweste geht mit dieser Ersatzbeschaffung ei

(Staatssekretär Götze)

ne weitere Steigerung des persönlichen Schutzes einher.

Darüber hinaus ist beabsichtigt, einzelne Organisationsbereiche der Thüringer Polizei in den nächsten Jahren mit ballistischen Schutzkomponenten wie beispielsweise ballistischen Schutzschilden und ballistischen Plattenträgersystemen auszustatten, welche Schutz gegen eine erhöhte Geschoss- und Durchschlagsenergie von Geschossen aus Waffen bieten. Ergänzend finden die Maßnahmen zur qualitativen Verbesserung der Schutzausstattung durch Aspekte einer bedarfsgerechten Waffen- und Fahrzeugausstattung der Spezialeinheiten der Thüringer Polizei statt.

In Fragen einer bedarfsgerechten, zukunftsweisenden Ausrüstung, die auch den hohen Anforderungen von terroristischen Einsatzlagen entspricht, orientiert sich die Thüringer Polizei an bundesweiten Standards und steht diesbezüglich mit dem Bund und den Ländern im engen Erfahrungsaustausch. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die geänderte Sicherheitslage bereits zum Anlass genommen wurde, um die Ausrüstung der Thüringer Polizei bedarfsgerecht fortzuentwickeln.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, neben einer der Sicherheitslage angepassten Ausstattung ist ein weiterer wesentlicher Sicherheitsaspekt der Personalbestand der Sicherheitsbehörden und insbesondere unserer Polizei. So erfolgte eine personelle Stärkung der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Abteilung des Landeskriminalamts um 15 Bedienstete. Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang auch die weitere Stärkung des Dezernats Cybercrime im Landeskriminalamt. Zu den Aufgaben dieses Dezernats gehören unter anderem Ermittlungen im sogenannten Darknet. Der Fall des Amokläufers von München, der seine Waffe im Darknet erworben hatte, zeigt, wie wichtig es ist, die Fähigkeiten und den Kräfteeinsatz der Thüringer Polizei auf diesem Gebiet zu erhöhen.

Von besonderer Bedeutung ist auch weiterhin die Stärkung der Spezialeinheiten. Beim Einsatz gegen terroristische Straftäter kommt insbesondere dem Spezialeinsatzkommando eine entscheidende Funktion zu. Das SEK muss in taktischer und technischer Hinsicht, aber gerade auch in personeller Hinsicht auf die neuen Herausforderungen ausgerichtet werden. Und wir werden dem SEK zeitnah weitere Beamte zur Verfügung stellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, hinsichtlich des Gesamtpersonalbestands der Thüringer Polizei kann ich darauf verweisen, dass uns erste Schritte in die richtige Richtung bereits gelungen sind. Nach Jahren des Stellenabbaus wurden die Ausbildungskapazitäten an den Bildungseinrich

tungen der Thüringer Polizei durch eine Erhöhung der Ausbildungszahlen in Meiningen nun effektiv genutzt. Daher können wie schon 2015 auch 2016 wieder zusätzlich 30 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter eingestellt werden. Das ergibt eine Gesamtzahl von 155 Polizeianwärtern. Dieselbe Zahl soll 2017 mindestens erreicht werden. Ziel muss es sein, keine weiteren Polizisten zu verlieren und die Ausbildungskapazitäten voll auszuschöpfen.

Entgegen der Begründung des Antrags der Fraktion der CDU findet die polizeiliche Ausbildung ausschließlich am Standort Meiningen statt. Eine Teilauslagerung an den Standort Gotha, der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, ist derzeit

(Beifall Abg. Hey, SPD)

nicht notwendig und entspricht nach fachlicher Meinung auch nicht den Erfordernissen. Das ist schon einen Beifall wert, Gotha.

Wir müssen diese Problematik aber im Auge behalten, das ist der gegenwärtige Stand. Wir werden hier zunächst bei einer Ausbildung in Meiningen bleiben, so sehr es auch einzelnen Abgeordneten gefallen würde, wenn wir unsere Ausbildung sofort komplett nach Gotha verlagern würden. Das ist aber schwierig, denn wir müssen auch die qualitätssichernden Elemente der Polizeiausbildung im Auge behalten. Wir können in diesem Zusammenhang feststellen, dass sich die gegenwärtige modulare Ausbildung auch bewährt hat. Gerade die modularen Ausbildungsinhalte in den Vorbereitungslehrgängen zum mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst stellen besondere Anforderungen an personelle und materielle Ressourcen.

Eine Abkehr von den Vorbereitungsdiensten in der aktuellen Form wäre ein qualitativer Rückschritt in der Polizeiausbildung entsprechend der Ausbildung in den 90er-Jahren in Thüringen und erscheint nicht angezeigt.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir wollen bei der Polizeiausbildung nicht zurückschauen. Vielmehr wollen wir den Blick und unser Handeln in die Zukunft richten. Ich möchte betonen, dass die gegenwärtige Ausbildung ein Garant für den Erhalt von qualifizierten und rechtlich sicheren Polizeivollzugsbeamten für den Freistaat Thüringen ist. Eine Minimierung der Anforderungen hinsichtlich der Qualität in der Ausbildung erscheint kein geeigneter Weg zur Erhöhung des Personalbestands und der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Thüringen zu sein.

In der aktuellen Debatte zur Sicherheitslage wird weiterhin auch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur Terrorbekämpfung thematisiert. Hier ist insbesondere auf die aktuell in den Gremien der Innenministerkonferenz begonnenen Überlegungen, welche Fähigkeiten in der Bundeswehr zur Bewältigung bestimmter Szenarien vorhanden sind und

(Staatssekretär Götze)

wie diese im konkreten Fall und unter welchen Voraussetzungen genutzt werden können, zu verweisen. Im I. Quartal 2017 soll eine Übung der Bundeswehr unter Beteiligung von sechs Bundesländern stattfinden, die eine mögliche Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den Landespolizeien im Rahmen einer Terrorbewältigung zum Gegenstand hat. Bei einem ganzheitlichen Ansatz in der Sicherheitspolitik darf die nachrichtendienstliche Tätigkeit selbstverständlich nicht ausgespart werden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle zunächst festhalten: Das Amt für Verfassungsschutz ist gut aufgestellt und leistet auch im Verbund der Ämter eine gute Arbeit. Es gibt viele Beispiele, in denen der Verfassungsschutz entsprechend seines gesetzlichen Auftrags wichtige Erkenntnisse an die zuständigen Stellen, insbesondere die Polizei, weiterleitet. Es sei an dieser Stelle auf die jüngsten bundesweiten Durchsuchungen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Terrorismusfinanzierung und der versuchten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gegen eine Gruppierung russischer Staatsbürger tschetschenischer Volkszugehörigkeit hingewiesen. Der Verfassungsschutz trägt mit zu einer Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten bei, wenn dies auch nicht immer in unser Bewusstsein vordringt. Die Gründe hierfür liegen im Wesen des Nachrichtendiensts, da seine Arbeitsweise und auch seine Erfolge doch recht oft im Verborgenen stattfinden.

Mit dem Inkrafttreten des novellierten Thüringer Verfassungsschutzgesetzes vom 1. Januar 2015 wurde das Amt für Verfassungsschutz bereits strukturell umorganisiert. Diese Veränderungen stellen lediglich einen Teil eines sich stets weiterentwickelnden Prozesses dar. Gegenwärtig ist ein möglicher zukunftssicherer struktureller oder personeller Veränderungsbedarf noch nicht abschließend verifizierbar, gleichwohl davon ausgegangen werden kann, dass die Veränderungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind. So werden wir zunächst die Evaluation des Thüringer Verfassungsschutzberichts auswerten, um auf einer validen Entscheidungsbasis aufbauen zu können. Ungeachtet der bisherigen und künftigen strukturellen Reformen ist der Nachrichtendienst insbesondere auch technisch so auszustatten, dass die Ermittlungsmethoden dem Stand der Technik entsprechen.

(Beifall Abg. Fiedler, CDU)

Extremistische und insbesondere im Untergrund stattfindende terroristische Aktivitäten können oftmals nur unter Einsatz verdeckter technischer Mittel aufgehellt werden. Um den gegenwärtigen Herausforderungen wirksam begegnen zu können, bedarf es einer leistungsfähigen und zeitgemäßen technischen Ausstattung. Mir ist bewusst, dass die technische Ausstattung nur ein Baustein in der Sicherheitsarchitektur des Amts für Verfassungsschutz

sein kann. Eingebettet in die Sicherheitskooperation und den Verbund der Ämter ist es unabdingbar, dass auch im Freistaat der Personalbestand des Amts auf den Prüfstand zu stellen ist. Dies bedeutet aber auch, dass es in dieser Frage einer tieferen und längerfristigen Betrachtung bedarf, um konkrete Entscheidungen treffen zu können.

Sie werden mir zustimmen, dass diese Diskussion insbesondere in Bezug auf das Amt für Verfassungsschutz aufgrund der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise nur zum Teil öffentlich geführt werden kann. Unstreitig ist aber mit Sicherheit und nach den Vorkommnissen in Würzburg, Ansbach und München sowie den Festnahmen von Chemnitz, Leipzig und Berlin liegt es auf der Hand, dass es im Interesse aller, der Politik und der Bürgerinnen und Bürger, sein muss, unsere Sicherheitsbehörden einschließlich des Amts für Verfassungsschutz bestmöglich aufzustellen,

(Beifall SPD)

um derartige weitere Ereignisse verhindern zu können, auch wenn es eine hundertprozentige Sicherheit niemals geben kann.

(Beifall Abg. Walk, CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, meinen Ausführungen entsprechend sind die vorliegenden Anträge der Fraktion der CDU und der AfD aus Sicht der Landesregierung abzulehnen, da sich ihre Forderungen im Wesentlichen erledigt haben bzw. bereits in Bearbeitung befinden. Wir haben die Sicherheitslage des Freistaats im Blick und passen unsere Vorbereitungen kontinuierlich an die jeweilige Lageveränderung an, um den bestmöglichen Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Den Beamtinnen und Beamten der Thüringer Sicherheitsbehörden, die mit ihrem täglichen Einsatz dafür Sorge tragen, dass Thüringen ein sicheres Land ist, in dem seine Bürgerinnen und Bürger in Freiheit leben können, möchte ich an dieser Stelle noch mal ausdrücklich in den Fokus heben und ihnen auch meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diesen wirklich erschöpfenden Sofortbericht. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer 1 des Alternativantrags der Fraktion der AfD? Das sind Wünsche aus allen Fraktionen, sodass ich damit die Aussprache eröffne. Als Erster erhält Abgeordneter Dittes für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Staatssekretär Götze)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, in der heute Morgen stattgefundenen Beratung hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion ausgeführt: Es ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen, Vertrauen in die Polizei zu stärken. – Und, Herr Fiedler, man kann bestimmten Vorwürfen nicht dadurch entgehen, dass man, bevor sie geäußert worden sind, einfach darauf verweist und einfach in den Raum stellt, sie würden nicht stimmen. Ich will Ihnen mal deutlich sagen, dass Ihr Antrag genau kein Beitrag ist, Vertrauen in die Thüringer Polizei zu schaffen oder zu stärken. Das wird bereits im Titel Ihres Antrags deutlich. Dort schreiben Sie: „Geänderte Sicherheitslage im Freistaat endlich ernst nehmen“. Was Sie damit öffentlich zum Ausdruck bringen, ist, dass Sie es sind, die die Sicherheitslage hier in Thüringen ernst nehmen, und alle anderen, die möglicherweise dazu politische oder fachliche Verantwortung haben, dies gerade nicht tun. Ich glaube, dass Sie nicht nur dem Bericht des Staatssekretärs gerade entnehmen konnten, dass diese Landesregierung sich tatsächlich sehr wohl auf die veränderte Sicherheitslage – darauf komme ich gleich zu sprechen – konzentriert und überlegt, wie man darauf reagieren kann, sondern Sie hätten es tatsächlich auch den zahlreichen Beratungen im Innenausschuss entnehmen können, dass diese Reaktion längst stattfindet, und zwar seit Januar 2015, seitdem wir mehrfach hier im Landtag, mehrfach im Innenausschuss und mehrfach auch in außerplanmäßigen Informationsveranstaltungen des Innenministeriums als Parlamentarier über Maßnahmen und veränderte Bedingungen in Thüringen informiert worden sind und die Möglichkeit hatten, das zu hinterfragen.

Das heißt, das, was Sie hier in der Überschrift dieses Antrags suggerieren, ist wider besseres Wissen. Es ist einfach falsch, denn es suggeriert etwas, nämlich dass die Menschen sich Sorgen machen müssen, ob die Sicherheit bei dieser Landesregierung in den richtigen Händen ist.

Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen, weil ich das auch für unverfroren gehalten habe, als ich davon gehört habe, nämlich ein zweites Beispiel dafür, wie Sie tatsächlich auch mit Ihrer oppositionellen Verantwortungsrolle im Zusammenhang mit Fragen der Sicherheit leichtfertig umgehen. Nach den von Ihnen angesprochenen Anschlägen in Würzburg und Ansbach hat die Thüringer Landesregierung in Person des Staatssekretärs die Parlamentarier in einem außerplanmäßig einberufenen Treffen informiert. Über die veränderte Sicherheitslage führt die Thüringer Landesregierung dazu nun aus – ich glaube, Ihrerseits war der Abgeordnete Walk anwesend –, in dieser Runde informierte Staatssekretär Götze bzw. er fragte die anwesenden Parlamentarier: Gibt es denn noch weitere Fragen? Es gab keine weiteren Fragen, auch nicht Ih

rer Fraktion, Sie fühlten sich also ausreichend informiert. Aber nur wenige Minuten später veröffentlichte Ihre Fraktion eine Pressemitteilung, in der sie der Öffentlichkeit kundtat: Es gab zwar die Information der Landesregierung, aber viele Fragen blieben offen. Da sage ich Ihnen hier noch mal: Das kann ja sein, bloß dann muss man diese Fragen an die Landesregierung auch stellen, dazu wurden Sie aufgefordert. Das haben Sie nicht getan und dann suggerieren Sie in der Öffentlichkeit, dass Sie über etwas im Dunkeln gehalten werden. Und dort, wo Nichtwissen existiert, entsteht eben auch Unsicherheit und mitunter auch Angst. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie keinen aktiven Beitrag dazu leisten, diese abzubauen, sondern im Gegenteil durch genau derartige Wortwahl auch noch zur Unsicherheit beitragen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass in Ihrem Antrag auch noch ein logischer Schluss enthalten ist, wenn Sie in der Überschrift sagen „Geänderte Sicherheitslage endlich ernst nehmen“ und im ersten Satz dann feststellen, dass sich eigentlich nichts verändert hat, das mag Ihr Problem sein. Das kann jeder nachlesen, der Ihren Antrag zur Hand nimmt, aber ich will zumindest darauf hinweisen. Und wenn Sie sagen, dass der Antrag nicht die Wiederholung von März 2015 ist: Auch da will ich Sie korrigieren. Es ist nämlich in Punkt 2 wortgleich die Wiederholung des Antrags aus dem März 2015. Wenn Sie auch hier wieder in der Öffentlichkeit kundtun und im Prinzip den Landtag zwingen, auch noch per Beschluss festzustellen, dass die Thüringer Sicherheitsbehörden nicht hinreichend auf potenzielle Gefahren vorbereitet sind und dass sich seit März 2015 bis November 2016 in Kenntnis dessen, was Staatssekretär Götze hier eben vorgetragen hat, bei Ihnen an dieser Behauptung nichts verändert, also gar kein Erkenntnisgewinn vorliegt oder einer, den Sie im Prinzip nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann sage ich Ihnen auch, dann spielen Sie tatsächlich zu politischen Zwecken mit dem Unsicherheitsgefühl der Menschen. Sie diskreditieren aber auch – das habe ich Ihnen gestern schon gesagt – die Arbeit der Thüringer Polizei, insbesondere auch des Landeskriminalamts.

Meine Damen und Herren, wir werden es gleich wieder hören. Weil ich gestern in der Aktuellen Stunde zu wenig Zeit hatte, will ich doch noch auf etwas eingehen, bevor ich zu einzelnen Punkten Ihres Änderungsantrags komme. Herr Fiedler, der innenpolitische Sprecher der größten Oppositionsfraktion dieses Landtags, lässt sich gestern hinreißen – ich habe es gestern schon mal zitiert –, gegenüber dem MDR zu äußern: „Es ist [...] eine bodenlose [...] Sauerei, dass hier in Thüringen die innere Sicherheit so weit unten gehalten wird“. Herr Fiedler, ich möchte gar nicht, dass Sie sich voller

Demut in den Dreck werfen, wenn Sie über innere Sicherheit in diesem Land diskutieren. Sie müssen auch nicht jedes Mal sagen: Die große Herausforderung für diese Landesregierung liegt darin, die Versäumnisse Ihrer Politik jetzt aufzuarbeiten und Lösungen anzubieten. Aber was ich möchte, ist, wenn Sie schon als Oppositionsfraktion den Finger in die Wunde legen, dass Sie sich durchaus sachgerecht informieren und in Kenntnis eigener Verantwortlichkeiten auch etwas konstruktiv in die Debatte einbringen und nicht so eine ungeheure Ungeheuerlichkeit in die öffentliche Debatte einbringen.

(Unruhe CDU)

Und weil Ihr Fraktionsvorsitzender den Faktencheck doch so liebt, führen wir tatsächlich mal den Faktencheck durch, den Sie in diesem Bereich möglicherweise dann auch korrigieren oder konkretisieren, möglicherweise auch erweitern können. Wir haben im Innenausschuss in der vergangenen Legislaturperiode ein Personalentwicklungskonzept der Thüringer Polizei diskutiert. Dort waren jahresgenau bis zum Jahr 2020 die altersbedingten Abgänge in der Polizei aufgezeigt. Nicht aufgezeigt waren die Einstellungszahlen ab dem Jahr 2015. Bereits damals, als wir das im Innenausschuss diskutiert haben, war klar, dass Sie in Ihrer Verantwortung für die Innenpolitik in diesem Land der demografischen Entwicklung innerhalb der Polizeistruktur nicht gegensteuern, sondern das im Prinzip haben errechnen können, erwarten können, was wir heute vorfinden können.

Meine Damen und Herren, es mag ja sein, dass mit der Regierungsübernahme von Rot-Rot-Grün manche Menschen in diesem Land graue Haare bekommen haben. Aber es ist doch keine Überraschung, dass auch Polizeibeamte Jahr für Jahr älter werden, und zwar jeweils um ein Jahr. Deswegen war doch die Situation lange bekannt. Gleichzeitig, indem Sie diese Entwicklung einfach ignoriert haben und nichts gemacht haben, haben Sie eine Polizeistrukturreform durchgeführt. Zu dieser Polizeistrukturreform sagte beispielsweise Staatssekretär Rieder am 27. Februar 2014: „Ein Ziel der Polizeistrukturreform ist die personelle Stärkung der Basisdienststellen zur Erhöhung der Polizeipräsenz […]. Unterstützungskräfte sind dann schneller verfügbar, wodurch sich die Wirksamkeit des Außendienstes erhöht und die Interventionszeiten weiter verringern. Infolge der Polizeistrukturreform konnten die Basisdienststellen seit Januar 2012 bereits um Polizeibezugsbeamte in einer Größenordnung von 250 bis 300 verstärkt werden. Dies entspricht im Landesdurchschnitt in etwa einem zusätzlichen Streifenwagen pro Basisdienststelle rund um die Uhr.“

Herr Fiedler, in Kenntnis dieser Aussage Ihrer Landesregierung hätte ich gestern nicht in Richtung Rot-Rot-Grün von einer „bodenlosen Sauerei“ ge

sprochen, sondern ich hätte mich hingestellt und hätte gesagt: Wir haben verstanden, wir haben eine Entwicklung möglicherweise falsch prognostiziert. Das, was wir mit der Polizeistrukturreform erhofft haben, ist nicht eingetreten. Wir müssen uns korrigieren und wir sind bereit, hier Vorschläge einzubringen. – Aber es ist ja nicht so, dass Sie sich geirrt haben, sondern Ihre Landesregierung – zur damaligen Zeit Herr Innenminister Geibert – antwortet noch auf eine Kleine Anfrage, bezogen auf die Auswirkungen der altersbedingten Abgänge bei der Polizei: „Die […] aufgeführten Personalabgänge haben keine Auswirkungen auf die Umsetzung der Polizeistrukturreform.“ Das heißt, Sie haben 2014 öffentlich dargestellt, dass die altersbedingten Abgänge bei der Polizei nicht das Ziel der Polizeistrukturreform „Mehr Blau auf die Straße“ infrage stellen. Das haben Sie der Öffentlichkeit erklärt. Was Sie aber gleichzeitig gemacht haben, ist, ein Stellenabbaukonzept für das Thüringer Innenministerium beschlossen und mitgetragen und bis zuletzt verteidigt. Das fordern Sie bis heute auch ein, dass wir das einhalten. Da komme ich mal zum Faktencheck und dann bin ich damit am Ende. Ich hoffe, dass Sie vielleicht derartige Aussagen, die Sie gestern getätigt haben, in Zukunft nicht mehr tun.

2012 hat Ihre Landesregierung – Herr Mohring, da können Sie ruhig zuhören – beschlossen,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich höre Ihnen zu!)

für den Bereich des Thüringer Ministeriums des Innern 2.020 Stellen abzubauen. Das Innenministerium hatte zum damaligen Zeitpunkt insgesamt 9.537 Stellen. Jetzt will ich Ihnen mal vorrechnen: Wenn Sie dieses Ziel des Stellenabbaupfades einhalten wollten, hätten Sie das Thüringer Ministerium des Innern komplett abschaffen müssen, das Landesamt für Statistik komplett abschaffen müssen, das Landesverwaltungsamt komplett abschaffen müssen, die Brand- und Katastrophenschutzschule komplett abschaffen müssen, das von Ihnen so heiß geliebte Amt für Verfassungsschutz komplett abschaffen müssen und Sie hätten dann noch 100 Polizeibeamte in bestimmten Dienststellen reduzieren müssen, um diesen Stellenabbaupfad zu realisieren. Das ist Ihr Konzept der inneren Sicherheit in den letzten Jahren gewesen. Das können Sie nachrechnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)