Protokoll der Sitzung vom 23.02.2017

Bei dem Antrag der CDU habe ich allerdings auch das Problem oder den Eindruck, dass es ein Antrag von Widersprüchen ist. Sie haben gesagt: Wir wollen in Thüringen alle planungsrechtlichen Mittel gegen den Ausbau der Windkraft anwenden. Das klingt so, als wenn die letzten 560 Windräder, die in 16 Jahren CDU-Regierung gebaut wurden, nur gegen den Widerstand der CDU entstanden sind und als ob Sie sich als Abgeordnete persönlich an jedes Windrad angekettet haben

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Fast!)

und nicht in der Regierungsbeteiligung waren, Regionalpläne mit Ihren Bürgermeistern und Landräten mit begleitet und diesen Bereich ausgebaut haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Vollbremsung von 100 km/h auf null ist, glaube ich, nicht sehr glaubwürdig. Das haben Sie als große Volkspartei, glaube ich, auch nicht nötig.

Aber dennoch wollen wir uns ganz konkret mit den einzelnen Punkten auseinandersetzen. Sie haben im ersten Punkt gesagt, wir fordern ein Moratorium, dass keine Windenergieanlagen mehr genehmigt werden, bis rechtssichere Regionalpläne vorliegen. Das habe ich, denke ich, richtig verstanden. Das würde bedeuten, wenn dieses Moratorium unendlich wäre, dass es unbeschränkt wäre, unbegrenzt, dass es dann gar keine Notwendigkeit mehr gebe, die Regionalpläne überhaupt aufzustellen und Windenergie auszubauen. Dann kann man ja sagen: Es gibt ein Moratorium dafür und wir machen das nicht mehr. Jetzt nehme ich an, Sie haben das so nicht gemeint, sondern Sie haben gemeint, das soll maximal für ein oder zwei Jahre gelten – Herr Gruhner nickt, also ist das richtig. Aber da habe ich eine sehr gute Nachricht für Sie. Diese Verfügungen werden bereits jetzt umgesetzt, und zwar in

den Fällen, wo es der Regionalplanung nicht entspricht. Dann ist es so, dass das Landesverwaltungsamt mit dem Infrastrukturministerium bereits Verfügungen erlässt, dass Anträge, die nicht der Regionalplanung entsprechen, auch bis zur Verabschiedung nicht gebaut werden. Also brauchen wir dafür keinen Antrag, sondern das wird in der Praxis bereits umgesetzt.

Zum zweiten Punkt: Davon mal abgesehen, dass ich es überhaupt nicht verstanden habe – Sie haben Bundestagswahl, auch die CDU hat Bundestagswahl –, dass Sie jetzt mit Ihrem Antrag hier Ihre CDU-Bundesregierung angreifen, dass Sie sagen: Das, was die in den letzten 16 Jahren entschieden haben, ist alles Quatsch, wir starten jetzt mal eine Initiative. Ich weiß nicht, ob das dann Herr Mohring auch im Bundesvorstand macht, ob er da sagt: Vergesst das alles mal, eure Planungspolitik, wir wollen keine Privilegierung mehr für Windenergieanlagen. Privilegierung klingt so, als wenn das überall gebaut werden kann. Aber der fachliche Begriff sagt in der Übersetzung aus, dass im Außenbereich erst einmal prinzipiell nichts gebaut werden kann – das finde ich auch sehr wichtig, dass das prinzipiell planungsrechtlich so geklärt ist –, außer landwirtschaftliche Anlagen – und jetzt kommen wir dazu: außer Windkraftanlagen. Das ist natürlich so, weil sich der Bund, glaube ich, auch klugerweise entschieden hat zu sagen: Wenn wir Windenergieanlagen bauen wollen – für mehr Klimaschutz zum Beispiel oder auch aus wirtschaftlichen Gründen –, dann wollen wir das natürlich nicht in unseren Ortschaften haben, in Wohngebieten oder neben Verwaltungsgebäuden oder neben Schulen. Sondern die einzige Möglichkeit ist, dies im Außenbereich zu bauen. Deswegen wurde in den Gesetzgebungsverfahren dieses Wort „Privilegierung“ im Außenbereich eingeführt. Eine andere rechtliche Möglichkeit gibt es dafür auch gar nicht. Ich glaube auch, Herr Gruhner, dass Sie schlau genug sind, dass Sie das ganz genau wissen, dass Sie sich aber hier einen schlanken Fuß machen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Wissen nicht unters Volk bringen, sondern damit zurückhalten und so tun, als wenn Thüringen auf einer Insel der glückseligen Windkraftlosigkeit schweben und schwimmen kann. Das ist keine ernst zu nehmende, wirklich sachliche Politik.

Zum Infraschall wurde schon viel von den anderen Rednern gesagt. Ich möchte Ihnen das noch mal an einem praktischen Beispiel klarer machen. Herr Gruhner, ich weiß nicht genau, wie viele Stunden Sie im Auto sitzen. Ich schätze, so vielleicht – Wahlkreisarbeit und pendeln – drei Stunden im Durchschnitt werden es schon sein. Das sind im Jahr etwa 1.000 Stunden, die Sie direkt hinter dem Steuer sitzen. Ich denke, Sie haben auch wenig Zeit, Sie haben es auch eilig, sodass Sie immer

durchschnittlich mit über 100 km/h auf den Autobahnen unterwegs sind. Jetzt gab es einen Vergleich, wo Infraschall überall auftritt. Natürlich gibt es Infraschall, aber auch im Alltag. Wenn Sie hinter Ihrem Autolenkrad sitzen, dann sind Sie 1.000 Stunden im Jahr dreimal höher pro Stunde belastet, als wenn Sie sich unmittelbar unter einem Windrad aufhalten. Ich weiß nicht, wie oft Sie das machen, dass Sie sich an einen Mast von einem Windrad oder 10 Meter daneben stellen, sich das anschauen, sich dort hinsetzen. Wir nehmen mal an, das ist eine Stunde im Jahr, dass Sie vielleicht mal mit Grünen unterwegs sind und sich das zeigen lassen. Dann haben Sie im letzten Jahr 1.000 Stunden im Auto mit jeweils dreimal höherem Infraschall verbracht als Sie mit einem Windrad zu tun haben. Das zeigt, dass die Belastung natürlich da ist, aber im Alltag viel größer ist, exponentiell größer ist, als wenn Sie sich am Windrad aufhalten. Jetzt frage ich Sie aber auch mal: Welcher vernünftige Mensch stellt sich neben ein Windrad – überhaupt eine Stunde im Jahr? Warum gibt es dafür einen Anlass? Deswegen hat das bayerische Umweltamt untersucht, wie der Infraschall sich entwickelt, und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ab 600 Metern Infraschall überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Dort, wo Menschen leben, wo Menschen wohnen – wir haben es im Windenergieerlass vorgeschlagen –, ab 1.000 Metern tritt kein Infraschall mehr auf. Das heißt nicht, dass es ihn nicht gibt, aber dass er im Praktischen nicht vorkommt. Das hat das bayerische Umweltamt festgelegt. Ich glaube nicht, dass die bayerische Landesregierung, die ja nicht sehr windkraftfreundlich ist, irgendwelche Wohlfühlgutachten in Auftrag gibt. Ich denke, dass es ein richtiges sachliches Thema ist, wenn es aus dieser Richtung kommt.

Zusammenfassend kann man sagen: Politisch verständlich, dass Sie hier versuchen, sich als CDU von der Realität, auch von Ihrer eigenen Politik zu entfernen. Aber wir finden, das ist unsachlich und auch in allen drei Punkten, die Sie genannt haben, einfach nicht richtig. Es ist falsch und deswegen bedarf es nicht des Antrags und deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Gruhner, Fraktion der CDU, das Wort.

Frau Präsidentin, herzlichen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will gern auf die einzelnen Debattenbeiträge noch mal eingehen und im Zusammenhang auch noch mal darstellen, was wir hier im Detail beabsichtigen. Ich fand es schon inte

ressant. Wir haben jetzt gerade eine Aneinanderreihung von vielen Ausreden gehört, warum was nicht geht und warum was schlimm ist. Ich will Ihnen sagen, wenn Sie hier deutlich machen, das wäre ein Wiederholungsthema und das wäre ein Dauerthema von uns und es gäbe auch keine neuen Erkenntnisse, da kann ich Ihnen sagen: Ja, richtig, es gibt keine neuen Erkenntnisse, aber Sie sind dauerhaft ignorant. Das ist der Unterschied und deswegen setzen wir das hier auf die Tagesordnung.

(Beifall CDU)

Ich will Ihnen auch sagen, auch wenn heute hier Weiberfastnacht ist: Die Lächerlichmachung von einzelnen Koalitionsvertretern zu einem durchaus ernsthaften Anliegen zeigt doch eigentlich nur, dass es Ihnen absolut an Argumenten fehlt.

(Beifall CDU)

Lächerlichmachung – keine Argumente. Das ist das, was Sie hier gemacht haben.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist ja schrecklich!)

Dann will ich Ihnen auch mal sagen – und das haben jetzt verschiedene Redner auch deutlich gemacht: Es ist doch nun wirklich ein billiger und vor allem auch ein absolut untauglicher Versuch, immer wieder den Eindruck zu erwecken, es gebe irgendeinen Unterschied zwischen unserer Position und der der Bundes-CDU oder der Kanzlerin. Das Gegenteil ist doch der Fall. Wir sind uns absolut einig.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat denn hier so et- was gemacht?)

Deswegen hat die Bundesregierung – die große Koalition im Bund, im Übrigen mit Beteiligung und unter Federführung der Sozialdemokraten, ihrem Koalitionspartner – im vergangenen Jahr im Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Novelle auf den Weg gebracht, die genau eines beinhaltet: nämlich die Deckelung und die Drosselung des Windenergieausbaus.

(Beifall CDU)

Das ist genau das, was wir wollen. Wir sagen nicht: Wir wollen keine Windräder mehr. Aber wir wollen Augenmaß, wir wollen Windenergieausbau deckeln und wir wollen eben nicht, dass das ins Grenzenlose nach oben steigt. Deswegen gibt es da gar keine Differenz zwischen uns und der Kanzlerin. Wir sind uns einig, dass wir eine Energiewende mit Augenmaß wollen. Sie wollen alles andere, Sie wollen Energiewende auf Biegen und Brechen und auch das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Der war gut!)

(Abg. Kobelt)

Dann hat der Kollege Kießling von der AfD hier gesagt: Na ja, das würde ja alles ins Leere führen, was wir hier beantragt haben, was wir vorschlagen, weil das am Ende eine Alibi-Veranstaltung ist, weil das alles eine Sache des Bundes sei. Das ist eben genau nicht so. Es macht schon einen Unterschied, ob ich im Land eine rot-rot-grüne Regierung habe, die ohne Sinn und Verstand Windenergie zubauen will, oder ob ich eine Regierung hätte, die das mit Augenmaß macht.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum haben Sie es denn nicht gleich abgeschafft?)

Und natürlich hat das nichts mit dem Bund zu tun, dass diese Koalition gesagt hat, sie will auf einem Prozent der Landesfläche Windräder aufstellen. Das ist nicht in Berlin beschlossen worden, das hat diese Landesregierung beschlossen. Deswegen ist das nicht eine Sache des Bundes, es ist eine Sache dieser Landesregierung, die es absolut übertreibt. Deswegen ist Ihr Versuch absolut untauglich, hier zu sagen, das, was wir hier beantragt hätten, sei ein Schaufensterantrag.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das ist aber offensichtlich kein Argument!)

Im Gegenteil, hier geht es ganz konkret um die Dinge, die in Thüringen anstehen. Und ich will es auch noch einmal ganz im Konkreten deutlich machen, weil das eben nicht was Abstraktes ist, was wir hier sagen. Wenn wir in Punkt I verlangen, dass Landesplanungsrecht konsequent angewendet wird: Es ist eben nicht so, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist und hier angeblich nichts genehmigt wird. Ich kann das für meinen Landkreis sagen, den Saale-Orla-Kreis, dort sind derzeit 21 Windräder beantragt, obwohl der Raumordnungsplan nicht in Kraft ist. Und wenn ich mit denjenigen spreche, die das im Landratsamt zu genehmigen haben, dann sagen die ganz klar: Wir haben gegenwärtig keine Handhabe, das zu verhindern;

(Beifall CDU)

das Landesverwaltungsamt hätte diese Handhabe und müsste hier klar einschreiten. Und die zuständigen Fachleute in den Landratsämtern –

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Frau Schweinsburg hat zwei Jahre geschlafen!)

da können Sie auch in andere Landratsämter gehen, die das betrifft – die sagen eindeutig: Sie können hier nichts machen. Erforderlich ist klares, konsequentes Handeln des Landesverwaltungsamts und das Landesplanungsrecht – § 9, das kennen Sie alle – würde hier auch die Möglichkeit bieten. Deswegen fordern wir das hier auch politisch ein, weil es eben wichtig ist, dass kein Wildwuchs entsteht.

Man kann an dieser Stelle auch nicht den Regionalen Planungsgemeinschaften den Schwarzen Peter zuschieben, denn natürlich ist es richtig, wenn beispielsweise in Ostthüringen siebeneinhalbtausend Stellungnahmen auf dem Tisch liegen, dass die erst einmal gründlich ausgewertet werden. Das ist im Übrigen der Unterschied zu Ihrer Politik. Dort wird das ernst genommen, dort wird das ausgewertet – Sie wischen die Dinge einfach weg. Weil das eben jetzt aufgrund dieser Auswertungen noch ein Stück dauert, ist es auch wichtig, dass hier das Landesplanungsrecht konsequent angewendet wird,

(Beifall CDU)

bevor wir Entwicklungen haben, die wir am Ende hoffentlich alle nicht wollen. Im Übrigen schützt das nicht nur die Bevölkerung, es schützt im Zweifel auch die Investoren, wenn sie an Stellen beantragen, die sich dann im Nachhinein als Gebiete erweisen, die offensichtlich vielleicht gar nicht so geeignet sind. Aber Kernpunkt, das, was wir hier in Punkt I beantragt haben, ist nicht irgendeine abstrakte Forderung, es ist konkrete Realität.

Ich kann Ihnen noch mal ein Beispiel aus meinem Wahlkreis sagen, weil Frau Taubert gerade hier sitzt, sie kennt selber den Ort Stelzen, sie war viele Male dort, Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin, auch viele andere. Dort wird alljährlich im Sommer mitten in der Natur ein tolles Musikfestival mit klassischer Musik aufgeführt. Und der Charme dieses Festivals ist natürlich, dass das in unberührter Natur stattfindet. Jetzt liegt dort aktuell ein Antrag vor, direkt in unmittelbarer Nähe sechs Windräder zu errichten. Das Landratsamt sagt, dass sie das, wenn das Land nicht einschreitet, auch aktuell nicht verhindern können. Wissen Sie, was die Leute sagen? Die sagen: Warum sollen wir eigentlich ein Festival noch mitten in der Natur mit Musik organisieren, wenn sich dann nebendran sechs Windräder drehen und ordentlich Nebenkonzert machen?

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist eine konkrete Situation. Dort sagen die Leute – ich finde das wirklich bemerkenswert, dass Sie die Leute da einfach auslachen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Wir sind doch hier nicht in der Bütt!)

Das ist ein ganz deutliches Zeichen Ihrer Ignoranz, dass es Leute gibt,

(Beifall CDU)

die dort Sorgen haben, dass ehrenamtliches Engagement zerstört wird, und Sie, Herr Adams von den Grünen, setzen sich hierhin und lachen nur. Das zeigt, wie Sie am Ende tatsächlich drauf sind.