Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie herzlich zu unserer heutigen Plenarsitzung begrüßen. Besonders herzlich begrüße ich die Zuschauer auf der Besuchertribüne, das sind eine 9. Klasse vom Heinrich-Hertz-Gymnasium hier in Erfurt, von der Berufsschule in Jena und vom Grone-Bildungszentrum – offensichtlich alle zum Thema des Tages gekommen. Herzlich willkommen!
Ich begrüße auch den neuen Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Herrn Sebastian von Ammon, in unserer Runde.
Für die Plenarsitzung hat als Schriftführerin neben mir Frau Abgeordnete Rosin Platz genommen und die Redeliste wird von Frau Abgeordneter MartinGehl geführt. Herzlichen Dank schon mal dafür!
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Ministerin Dr. Klaubert, Herr Abgeordneter Emde, Frau Abgeordnete Holbe, Herr Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, Herr Ministerpräsident Ramelow und Frau Ministerin Siegesmund zeitweise.
Wir haben ein Geburtstagskind unter uns. Frau Abgeordnete Christina Liebetrau, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, alles, alles Gute
Ich darf noch darauf hinweisen, dass ich aufgrund der Eilbedürftigkeit Herrn Christoph Werz von der Landesschülervertretung eine außerordentliche Akkreditierung für Bild- und Tonaufnahmen gemäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung erteilt habe.
Zur Tagesordnung darf ich darauf hinweisen, dass zu Tagesordnungspunkt 9 ein Alternativantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/4012 verteilt wird.
Zu Tagesordnungspunkt 10 wurde ein Alternativantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/4010 verteilt.
Zu Tagesordnungspunkt 11 wurde ein Alternativantrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/4011 verteilt.
punkt 16 sowie zu den neuen Tagesordnungspunkten 18 b, c und d von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Gibt es weitere Wünsche zur Tagesordnung? Das ist nicht der Fall, sodass wir die Tagesordnung hiermit abarbeiten können.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe hier im Plenarsaal auf den Besuchertribünen vertretenen Mitglieder der Landesschülerinnen- und -schülervertretung, Mitglieder der Landeselternvertretungen aus den Bereichen Kita und Schule, Vertreter der Gewerkschaften, liebe Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler hier im Thüringer Landtag, aber auch anderswo, sehr verehrte Damen und Herren! In rund einer Stunde werden vor diesem Haus mehrere Hundert Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern mit kreativen Aktionen auf das Problem des Unterrichtsausfalls in Thüringen aufmerksam machen. Heute Nachmittag findet in Gera eine Demonstration mit gleicher Zielsetzung statt. Initiiert wurden diese Veranstaltungen von der Landeselternvertretung, der Landesschülerinnen- und -schülervertretung, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie dem Thüringer Lehrerverband. Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen sind heute hier im Plenarsaal. Ich habe sie eingeladen, dieser Regierungserklärung sowie der anschließenden Debatte über die Thüringer Bildungspolitik beizuwohnen. Danke, dass Sie der Einladung gefolgt sind!
Ebenfalls sind heute auf der Gästetribüne Frau Lailach, Horterzieherin aus Gera, Frau Lehmann, Leiterin der Kita Montessori-Kinderhaus „Sausewind“ im Ostthüringer Bürgel, Frau Hammer, Lehrerin an der Gesamtschule „Grete Unrein“ in Jena, sowie Frau Dr. Purgahn, Lehrerin am Spezialschulteil des Erfurter Albert-Schweitzer-Gymnasiums. Auch Sie haben meine Einladung dankenswerterweise angenommen, nachdem wir uns am Dienstag zu einem ausführlichen Gespräch trafen, denn ich hatte Sie gebeten, mir Ihre Sichtweise auf das Thüringer Bil
dungssystem darzulegen, obwohl oder gerade weil wir uns, auch Sie sich untereinander bis dato überhaupt nicht kannten. Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, die auch in die Darstellung dessen, was ich Ihnen heute vortragen möchte, einfließen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, diese Regierungserklärung, die ich heute vor Ihnen halten darf, gebe ich in Vertretung der erkrankten Bildungsministerin Birgit Klaubert. Sie gestatten, dass ich Birgit Klaubert von diesem Pult aus in meinem Namen, im Namen des Ministerpräsidenten, der heute auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin weilt, im Namen der ganzen Landesregierung und sicher auch mit Ihrer aller Zustimmung beste Genesungswünsche übermittele.
Sehr geehrter Herr Mohring, in der Zeitung heute las ich, diese Regierungserklärung sei ein Misstrauensvotum gegenüber Birgit Klaubert. Diese Aussage erinnert mich an die Weisheit, die meine Großmutter mir früher immer sagte: Nur was ich selber denk’ und tu’, das trau’ ich auch den anderen zu.
Sie haben auch nach zweieinhalb Jahren Rot-RotGrün nicht verstanden, dass es in dieser Regierung, in dieser Koalition nicht zugeht wie möglicherweise in Ihrer eigenen Partei, also nach dem Motto: Feind, Erzfeind, Parteifreund! Glauben Sie ernsthaft, Birgit Klaubert, Gabi Ohler und ich würden nicht miteinander reden?
Quod erat demonstrandum. Denken Sie ernsthaft, Birgit Klaubert hätte nicht jede Maßnahme, die Gabi Ohler und ich in den vergangenen Wochen initiiert haben, eins zu eins genauso umgesetzt?
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hätte sie nicht! Sie hätte ihren Büroleiter, ihren persön- lichen Referenten nicht rausgeschmissen!)
Ja, nur was ich selber denk’ und tu’, das trau’ ich auch den anderen zu. Insofern will ich an dieser Stelle Gabi Ohler ganz herzlich danken, die eine ganz hervorragende Arbeit in der Vertretung als Staatssekretärin in diesem Bildungsministerium macht, in der Zeit, in der Birgit Klaubert erkrankt war und ich mich in diese Funktion der Vertretung
Bildungspolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren, galt ursprünglich als Königsdisziplin der Länder im föderalen Bundesstaat. Zu Recht, denn viele Reformen, die die Bundesrepublik im internationalen Vergleich vorangebracht hat, beruhen auf bildungspolitischen Innovationen, die in den Ländern vorbereitet und dort erprobt wurden. Dennoch ist der Bildungsföderalismus in Verruf geraten. Statt innovativer Dynamik wird im öffentlichen Raum die schul- und bildungspolitische Kleinstaaterei kritisiert. Daran sind die Länder – egal, welche politische Konstellation regiert – nicht unschuldig. Das Hin und Her bei G8 oder G9, der Frage, ob das Abitur nach zwölf oder 13 Jahren abgelegt wird, ist dafür ein beredtes Beispiel.
Bei Schülerinnen und Schülern, Eltern und bei den Lehrkräften hat sich bundesweit der Eindruck verfestigt, Schule sei ein Experimentierfeld politischer Ideen geworden. Erst in dieser Woche präsentierte der Thüringer Lehrerverband die Ergebnisse einer Befragung von 250 Lehrerinnen und Lehrern aus Mitteldeutschland zur Inklusion im Bildungsbereich. Kritik wird nicht am Ziel des gemeinsamen Unterrichts geäußert, sondern daran, dass ein als sinnvoll erachtetes Ziel aufgrund unzureichender personeller und baulicher Voraussetzungen in allen Bundesländern – ich danke Ihnen ganz herzlich, Herr Götze – auf dem Rücken der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler durchgesetzt zu werden droht. Langjährige ideologische Debatten zwischen Mitte-links auf der einen Seite und Liberalen und Konservativen auf der anderen Seite über längeres gemeinsames Lernen an der Gemeinschaftsschule oder über die Gesamtschule versus Gymnasium haben dazu beigetragen, dass das Vertrauen in die Bildungspolitik – egal, welche Partei jeweils das Bildungsressort in einer Landesregierung verantwortet – abgesunken ist. Lehrkräfte, die lange unterschiedlichste Modellvorhaben vorangebracht haben, ziehen nicht selten eine ernüchternde Bilanz.
Ich möchte diese Regierungserklärung nutzen, in der Mitte der laufenden Wahlperiode nach zweieinhalb Jahren rot-rot-grüner Landesregierung, aber auch nach mehr als einem Vierteljahrhundert der Wiedererrichtung des Freistaats Thüringen über die Herausforderungen der Thüringer Bildungspolitik zu sprechen. Ich werde dabei über Erfolge berichten und über ungelöste Probleme sprechen, ebenso über Entscheidungen, die zu ihrer Zeit richtig waren und heute dennoch neu getroffen werden müssen, weil sich die Zeiten und die zu lösenden Probleme fundamental geändert haben.
Ich werde Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, Komplexität und Ambivalenzen zumuten, denn es gibt in der Bildungspolitik aus meiner Sicht nur selten ein eindeutiges Richtig oder ein eindeutiges
Falsch. Dafür ist das Bildungssystem mit 1.315 Kindertagesstätten in Thüringen und 1.009 Schulen, den zahlreichen Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie über 50.000 Beschäftigten viel zu differenziert.
Ich werde natürlich darauf verweisen, was wir als rot-rot-grüne Landesregierung erfolgreich umgesetzt haben, aber ich werde auch deutlich machen, welche richtigen Entscheidungen durch Christine Lieberknecht, durch Dieter Althaus, Michael Krapp, Jens Goebel, Bernward Müller und den von mir sehr geschätzten Christoph Matschie getroffen wurden, von denen Birgit Klaubert und ich, aber insbesondere das Thüringer Bildungssystem heute profitieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Frau Dr. Purgahn, bei unserem Gespräch am Dienstag habe ich Sie gefragt, was in einer Regierungserklärung zur Bildungspolitik aus Ihrer Sicht eine zentrale Aussage sein müsste, und Sie haben damals geantwortet: Es wäre gut, wenn Sie sagen würden, dass es Probleme gibt, dass die Probleme gelöst werden, aber weisen Sie bitte auch darauf hin, dass wir bei allen Problemen auf das Thüringer Bildungssystem stolz sein können. – Dieser Aufforderung komme ich gern nach. Ich halte es vielmehr aus folgenden Gründen für unerlässlich, dass wir uns der Stärkung des Thüringer Bildungssystems bewusst werden:
Erstens: Die Stärke unseres Bildungssystems beruht auf dem Engagement der Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten, dem Hort, den Lehrkräften an den Schulen, von der Grundschule bis zur Berufsschule. Ich sehe es als meine Pflicht an, mich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen in den Kitas, Horten und Schulen, im Namen der Landesregierung, aber sicher auch namens der hier versammelten Abgeordneten zu bedanken.
Bei allem Streit und den vielen Differenzen, die in der Diskussion zu dieser Regierungserklärung zwischen den Landtagsfraktionen deutlich werden, eint uns doch das gemeinsame Ziel, die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Thüringer Bildungssystem zu verbessern.
Zweitens: Proportional zur Stärke unseres Bildungssystems steigen die Herausforderungen. Ein Beispiel: In Thüringen ist der Schulhort organisatorischer Teil der Grundschule. Das ist in dieser Form selbst in Ostdeutschland einmalig und westdeutsche Bundesländer sind davon weit entfernt. Diese hervorragende Infrastruktur aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, ist personalintensiv, ist kostenintensiv und jeder Euro ist hier gut investiert. Aber es ist eben eine Herausforderung, genau diese Ressourcen zu sichern, zur Verfügung zu stellen. Das ist genau immer dann schwierig, wenn die öko
nomischen und damit auch die finanziellen Rahmenbedingungen eines Landes schwieriger werden. Wenn wir aus dieser Perspektive über das Bildungsland Thüringen und seine Menschen sprechen – also über die Stärken, die ich hier benannt habe –, müssen wir meines Erachtens Neues wagen, sowohl in der Debatte als auch bei den Lösungswegen.