Protokoll der Sitzung vom 29.09.2017

Darum geht es Ihnen, um nichts anderes. Das haben insbesondere die Wortbeiträge von Frau Pelke gezeigt. Das hat aber auch der Wortbeitrag von

(Abg. Kubitzki)

Frau Henfling gezeigt und jetzt der Wortbeitrag von Herrn Kubitzki. Herr Kubitzki, Sie reden hier von einer Stunde des Anstands, die Sie erwartet hätten. Ich sage Ihnen mal eines, Herr Kubitzki: Wenn Sie hier Anstand wünschen, dann instrumentalisieren Sie nicht das Gedenken an Mordopfer!

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Sie wissen gar nicht, wie das Wort „Anstand“ ge- schrieben wird!)

Dann instrumentalisieren Sie es nicht, denn genau darum geht es.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist einfach nur peinlich!)

Wenn sich Frau Henfling hier hinstellt und zum Besten gibt, dass sie der Polizei rassistische Handlungsweisen unterstellt, dann redet sie sich so halbschwanger raus: Der einzelne Polizist ist nicht rassistisch, aber der ganzen Institution unterstellen wir das schon irgendwo ein bisschen. genauso dem Verfassungsschutz, der selektiv in eine bestimmte Richtung ermittelt – als ob das alles völlig ohne Sinn und Verstand gewesen wäre, was damals geschehen ist. Natürlich hatte die Polizei durchaus auch eine Berechtigung, in Richtung Organisierte Kriminalität zu ermitteln.

(Beifall AfD)

Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Das hat auch nichts mit Rassismus zu tun.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Wo- her wissen Sie denn das?)

Genau das ist das, was Sie verhindern wollen. Sie wollen Reflexe heranzüchten. Sie wollen den Reflex heranzüchten, immer, wenn ein Ausländer Opfer einer Straftat ist, hat es gefälligst ein rechtsextremer Hintergrund zu sein, und alles andere steht hintenan. Meine Damen und Herren, das ist Ideologie in Reinform, was Sie hier wollen, und das ist Instrumentalisieren.

(Beifall AfD)

Dasselbe, was Sie mit der Polizei und den Sicherheitsorganen vorhaben, das haben Sie mit der gesamten Gesellschaft vor. Das zeigt Ihre Initiative zur Enquetekommission „Rassismus“, mit der Sie weite Teile des bürgerlichen Lagers und bürgerlicher Positionen in die Ecke des Rechtsextremismus drängen wollen. Sie können sicher sein – darauf können Sie Gift nehmen –, da kriegen Sie den schärfsten Widerstand von der AfD-Fraktion. Das ist für uns als Demokraten selbstverständlich. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Adams das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen, die letzte Stunde hat in besonderer Weise gezeigt, dass es eine wichtige Debatte ist, weil wir einen gesellschaftlichen Austausch oder auch harten Streit oder die klare Kontroverse stellvertretend hier für unsere Gesellschaft im Parlament führen müssen. Ich bin nach vorn gegangen, weil ich die Äußerungen eben von Herrn Möller und auch von Herrn Rudy als in gröbster Weise infam bezeichnen muss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Haben Sie überhaupt zugehört?)

Ich möchte – ich habe sehr gut zugehört – im Einzelnen darauf eingehen. Herr Möller hat hier eben zu der Frage unterschiedlicher Klassen von Opfern, Instrumentalisierungen von Opfern referiert.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist leider die Realität bei Ihnen!)

Herr Möller, das ist infam, im tiefsten Sinne infam, weil nämlich bösartig.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Geht es ein bisschen konkreter!)

Herr Möller, Sie haben versucht, darzustellen, dass hier Menschen Opfer instrumentalisieren und unterschiedliche Qualitäten herstellen würden. Ja, eine Gesellschaft hat bestimmte Feiertage, bestimmte Gedenktage und auch Menschen, deren Leid sie in besonderer Weise gedenkt. Das kommt daher, weil Gesellschaften nach einem Auseinandersetzungsprozess für sich feststellen, dass es bei manchen besonderen Opfern eine besondere gesellschaftliche Schuld gibt. Deshalb sind die Parlamente der Länder, unser Bundestag, unser Bundesrat und auch das Europäische Parlament dazu gekommen, an bestimmten Gedenktagen bestimmter Ereignisse und besonderer Opfer zu gedenken. Am 13. August machen wir das zum Beispiel für jeden an der Mauer Ermordeten. Im Januar gedenken wir der vielen Ermordeten der Shoah. Dass Sie heute in dieser Debatte verhindern wollen, dass wir der Opfer des NSU, die keine mutmaßlichen Opfer sind,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern die höchst konkrete Opfer sind …

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist aber auch keine gesellschaftliche Schuld!)

(Abg. Möller)

Darauf komme ich auch gleich noch. Wenn ich richtig gehört habe – ich habe es nicht gesehen –, hat Herr Kollege Heym gerade eben, wenn ich das zitieren darf, damit es auch im Protokoll drin ist, gesagt: „Das ist aber auch keine gesellschaftliche Schuld“. Darauf will ich gleich noch eingehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird natürlich nach einer hinreichenden, gründlichen, gesellschaftlich diskutierten und durch parlamentarische und gerichtliche Aufarbeitung bestätigten Diskussion in der Gesellschaft auch eine solche Debatte für die Opfer – die uns genauso im Herzen brennen – des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz geben. Natürlich! Wenn Sie behaupten, dass Grüne sich nicht engagiert hätten, ist das unglaublich infam – könnte man infam steigern, so müsste man den Superlativ benutzen –, weil, wenn Sie unter den Namen Irene Mihalic, Konstantin von Notz und Breitscheidplatz nachschauen, dann werden Sie sehen, dass diese beiden Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen des Deutschen Bundestags im letzten Jahr nicht geruht haben, um diese Beteiligung, mögliche Mitschuld des Staats und Versäumnisse des Staats, das Behördenversagen deutlich zu machen. Und Vieles, was wir darüber wissen, ist aus der Arbeit dieser beiden und der Abgeordneten aller anderen demokratischen Fraktionen – der letzte Bundestag war ja grundsätzlich demokratisch besetzt – hervorgegangen. Sie versuchen, das den Menschen in Thüringen, den Menschen hier im Landtag, die zu Besuch sind, in der Öffentlichkeit auszureden. Sie streuen den Hass in unsere Gesellschaft, indem Sie behaupten, dass es Menschen gibt, die sich um manche Opfer kümmern und um manche Opfer nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie wollen manche Opfer nicht wahrnehmen. Sie wollen manche Opfer wegreden. Das ist unglaublich infam, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dieser Landtag hat genauso wie an jeder anderen Stelle der Opfer des islamischen Terrorismus am Breitscheidplatz gedacht. Und er wird nicht ruhen. Sollte es Hinweise geben, dass es einen Bezug nach Thüringen gibt – bisher haben wir den noch nicht festgestellt, wenn Sie dafür Anzeichen haben, bitte sagen Sie es –, dann werden wir auch genau hier einen Untersuchungsausschuss einsetzen und wir werden das bis zum letzten bearbeiten, bis wir Gewissheit haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit komme ich auf Herrn Heym zurück. Sie haben gesagt, es ist keine Mitschuld des Staats zu sehen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Der Gesell- schaft!)

Der Gesellschaft. Da komme ich noch zu einem weiteren Schritt. Wir beginnen bei Herrn Rudy. Herr

Rudy hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, das ist nicht immer möglich, gesagt: Im Grünen-Sondervotum sei – wir versuchen das gleich noch mal zu transkribieren – gesagt worden, dass es eine Mitschuld des Staats gibt. Das haben wir in unserem Grünen-Sondervotum geschrieben. Das müsste in Ihrer Rede stehen, Sie hatten das als Zitat angekündigt, wir schauen das nach, ob das da so drinsteht, was ich bestätigen möchte, das ist nämlich das Ergebnis unserer Untersuchung.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Nein.)

Ich will Ihnen zwei Beispiele dafür geben – des Grünen-Sondervotums, Herr Kellner, da können Sie doch nicht den Kopf schütteln. Sie müssen sich mal unseren gemeinsamen Untersuchungsausschussbericht ansehen und dann Ihr Sondervotum und dann unseres und dann können wir uns auch wieder in die Augen schauen.

Wenn Thüringer Ermittler nach Bombenbauern, die 1,4 Kilogramm TNT hatten und damit eine Bombe bauen wollten und damit Versuche gemacht haben, suchen, innehalten und nicht weiter ermitteln, weil Sie in einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme festgestellt haben, dass sich dieses damals noch nicht unter diesem Begriff bekannte Trio möglicherweise im Umfeld – das sie auf sehr gute Polizeiarbeit hin lokalisiert haben – einer Person aufhält, die sie in einer TKÜ-Maßnahme haben, und sie nicht weiter ermitteln, nur weil sie feststellen, dass die Handynummer, an die die Nachricht gesendet wurde, ein Handy ist, das einer Nummer des brandenburgischen Innenministeriums gehört. Man hörte auf zu ermitteln, obwohl man auf der Suche nach Bombenbauern ist, hochgefährlich, das waren keine dummen Jungs, die hier untergetaucht sind, sondern es waren hochgefährliche Menschen, Herr Kellner. Es hat sich hinterher bewiesen, wir haben gewusst, dass sie hochgefährlich sind und wir haben sie gesucht, wir haben sie nicht gefunden, im Übrigen auch, weil unsere Ermittler aufgehört haben zu suchen, nur, weil sie die Information bekommen haben, das ist eine Handynummer, die dem Innenministerium in Brandenburg gehört. Das geht nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Und es geht nicht, dass sie in Chemnitz nah am Umfeld dran sind, dort auch eine Ansprache durchführen und hinterher wegfahren und erst Monate später sagen, was haben wir denn noch mal, wo wir weiter ermitteln können. Durch solche Fehler ist eine Mitschuld des Freistaats Thüringen entstanden. Das sehe ich so und das muss man bestätigen und dem müssen wir uns stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist natürlich eine rassistische Motivation, wenn die bayerischen Ermittler – und das ist auch im Bundestagsuntersuchungsausschuss hinreichend ausgeführt –, obwohl sie bei allen Opfern des NSU keine Anzeichnen für organisierte Kriminalität finden, sagen, möglicherweise ist aber in dem Kulturkreis gar nichts anderes als organisierte Kriminalität möglich.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist eine total fiese Unterstellung!)

Das ist keine fiese Unterstellung, das ist eine Feststellung aus dem Untersuchungsausschussbericht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie wissen al- les besser!)

Nein. Ich habe mich vier Jahre lang mit diesem Thema befassen müssen und habe diese Berichte gelesen und habe die Punkte verinnerlichen müssen.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Keine Ahnung, Herr Möller, aber behaupten!)

(Unruhe DIE LINKE)

In Bayern, Herr Möller. Sie müssen sich – das ist auch diese wahnsinnige Unkenntnis, das muss man wirklich sagen, die Sie hier deutlich machen, wenn Sie diesen Fakt bestreiten. Wir haben das aufgeklärt, wir haben das untersucht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)