Protokoll der Sitzung vom 17.03.2023

Herr Emde, wenn ich Kämmerer frage, welche Investitionen nicht realisiert werden konnten, dann muss ich natürlich auch die Frage stellen, warum. Hatte ich genug Personalkapazitäten in meiner Bauverwaltung, um eine Planung auf den Weg zu bringen? Herr Walk, Sie wissen es aus Eisenach. Habe ich vielleicht ein Ingenieurbüro, was auch die Planung für mich machen kann? Da muss ich sagen, nein, die Kapazitäten sind erschöpft. Habe ich Angebote aus der Bauwirtschaft bekommen, wenn ich eine Ausschreibung gemacht habe? Begrenzt.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Haben Sie schon mal irgendeinen Antrag in einer Kom- mune gestellt?)

Ja, hören Sie zu, Frau Tasch.

Natürlich hatten wir in den letzten Jahren auch durch Pandemie und andere Effekte gestörte Lieferketten. Wenn ich eine Straßenbaumaßnahme habe, vielleicht im Tiefbau, grundhafter Ausbau, ein längerer Abschnitt, verschiedene Bauabschnitte über verschiedene Jahre, und im letzten Jahr feststellbar gewesen ist, dass durch die Industrie kein Bitumen geliefert werden konnte, was aber für den Straßenbau elementar wichtig ist, dann muss ich die Maßnahme natürlich ins nächste Jahr schieben. Aber ich kann doch nicht sagen, es ist kein Geld vorhanden und deswegen habe ich einen großen Investitionsstau. Nein, es gibt oftmals ganz objektive Gründe dafür, warum eine bestimmte Investition noch mal in ein anderes Jahr geschoben werden musste. Aber ich kann es nicht damit gleichsetzen, dass 1,2 Milliarden Euro fehlen. Da erwarte ich doch tatsächlich eine intensivere Diskussion.

Noch ein Punkt zu der Frage, dass Rot-Rot-Grün die Kommunen unzureichend mit Finanzen ausstatten würde:

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Das ist doch so!)

Es waren die Fraktionen von Rot-Rot-Grün, die unter der letzten CDU-Verantwortung von Dr. Voß ein System mit einer Vielzahl an notleidenden Kommunen geerbt haben. 2014 waren 67 Kommunen, Landkreise, Gemeinden, kreisangehörige Städte usw. usf. von Bedarfszuweisungen abhängig, die waren notleidend. Um Bedarfszuweisungen bekommen zu können, muss man erst einen großen Katalog an Grausamkeiten im Gemeinderat oder im Kreistag beschließen, keine Investitionen, KitaGebühren erhöhen, Bibliotheksöffnungszeiten einschränken, Vereinszuschüsse reduzieren usw. usf., um überhaupt die Nothilfeprogramme des Landes in Anspruch nehmen zu können.

(Unruhe CDU)

Diese Zahl von 67 ist im Jahr 2021 auf immerhin 15 reduziert worden. Auch das Finanzvolumen, das über den Landesausgleichsstock zur Verfügung gestellt werden musste, ist erheblich reduziert worden. Allein der Vergleich von 2015 zu 2021 heißt knapp 50 Millionen Euro weniger an Bedarfszuweisungen, die notwendig geworden sind – 50 Millionen Euro, die für andere Zwecke im Landeshaushalt zur Verfügung stehen, über die wir dann hier auch frei entscheiden können.

Im Übrigen ist – ich will es noch mal betonen – der Finanzausgleich, der in wesentlichen Zügen auch heute noch gilt, damals von der CDU gemacht worden, und es gibt da ein besonderes Element, welches bedeutet, dass der Landesausgleichsstock regelmäßig aufgefüllt werden muss. Frau Tasch,

Sie wissen das. Ich vergleiche das immer mit so einem Topf, da gibt man immer Geld rein, und wenn irgendwann der Topf so voll ist, dass er überquillt, wird er ausgekehrt – machten wir oder machte die Landesregierung erstmalig 2021. Rot-Rot-Grün hat also unter diesem System jedes Jahr Geld in den Landesausgleichsstock gegeben – es ist kommunales Geld, das das Land nur treuhänderisch verwaltet –, und der war am Ende 2021 so voll, dass man daraus ausgeschüttet hat, weil das Gesetz das verlangt. Es waren 11,5 Millionen Euro zusätzlich, die die Kommunen vorher gar nicht planen konnten. 2022, in einem Noch-Krisenjahr, wurden immerhin 35 Millionen Euro zusätzliche kommunale Mittel ausgeschüttet, und in diesem Jahr werden es rund 25 Millionen Euro sein. Wer da also behauptet, dass wir, wenn der Topf immer weiter anschwillt, den Kommunen das Geld vorenthalten haben, der lügt ganz einfach mit Blick auf die Zahlen, die auch aus der Großen Anfrage herauszulesen sind.

Ich will Ihnen noch eines deutlich sagen: Ich habe eben auf die Jahresüberschüsse hingewiesen, dass es insbesondere die kleinen Kommunen sind, die insbesondere davon profitieren, wie seriös RotRot-Grün mit Kommunalfinanzen umgeht. Der Landesrechnungshof – wir haben das letzte Woche im Innenausschuss diskutiert – hat seinen Bericht vorgelegt, der empfiehlt ausdrücklich Gemeindegebietsreformen, freiwillige Zusammenschlüsse, um die Effizienz in der Verwaltung zu erhöhen. Deswegen warne ich davor, bestimmte Entwicklungen nicht mit in den Blick zu nehmen, weil sie mit einer Kleinstverwaltung von 20 oder 25 Menschen bestimmte Projekte wie eine Digitalisierung, die zusätzlich anfällt, nicht auch noch bewerkstelligen können. Wenn Sie 20 Leute in einer kleinen Verwaltung haben, davon sind vielleicht noch fünf Leute im Bauhof, dann haben Sie noch einen Kindergarten, dann haben Sie noch ein Meldeamt, was Sie irgendwie vorhalten müssen, dann sind zwei Leute immer krank und drei im Urlaub – wie wollen Sie denn da zusätzliche Prozesse, um die Verwaltung zu modernisieren, tatsächlich am Ende abbilden?

Und die Debatte letztes Jahr zu der Frage, Kommunen können die Grundsteuer, die neue Reform nicht bewerkstelligen, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Computersysteme umzustellen, ist doch Ausdruck genau dieses Problems. Deswegen empfiehlt der Rechnungshof ausdrücklich, sich in dieser Frage auch weiterhin zu bewegen, sich meinetwegen zu Landgemeinden zusammenzuschließen. Mir ist es völlig egal, ob das eine Landgemeinde oder eine Einheitsgemeinde ist, wie es vom Namen her heißt. Im Übrigen, ich will Sie noch mal daran erinnern, es war ja das Modell der CDU, dieses Konstrukt der Landgemeinde. Es gab vor 10, 15 Jahren eine

Enquetekommission zur Demografie. Da haben wir genau über diese Fragen schon mal diskutiert. Als Ergebnis dessen war ja dann die Idee – und das war auch das, was umgesetzt wurde –, die Landgemeinde zu bilden. Das ist ein besonderer Typ der Kommunen, wo die Ortsteile eine besondere ausgeprägte demokratische Ortschaftsverfassung haben. Mir ist es egal, ob das am Ende Landgemeinden oder Einheitsgemeinden sind, wenn wir uns am Ende einig sind, dass wir mehr Demokratie überall wollen, und zwar flächendeckend.

(Unruhe CDU)

Deswegen war es richtig, dass wir gestern Abend eine Reform der Kommunalordnung beschlossen haben, dass am Ende die Kommunen selbst entscheiden können, wie sie Demokratie ausleben wollen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Gottweiss, CDU: Ja, mit der AfD zusammen!)

Warum ist das so entscheidend, was ich Ihnen hier gerade gesagt habe?

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Ja, wenn man nicht zählen kann!)

Ja, diese Art und Weise der CDU, mit Lügen Politik zu machen, die ist höchst anstrengend. Das will ich sagen, Herr Gottweiss. Es ist auch unredlich.

(Beifall DIE LINKE)

Ich schätze Sie ja als Politiker, aber das ist nicht Ihr Niveau, auf dem Sie weiter arbeiten sollten.

(Unruhe im Hause)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ende ist immer entscheidend, wie viel Geld die Kommunen zur freien Verwendung zur Verfügung haben. Das Personal muss bezahlt werden. Die Schulen müssen unterhalten werden. Straßen müssen gebaut werden. Kindergärtnerinnen müssen bezahlt werden. Das ist so. Aber die Frage ist doch: Was ist das Identitätsstiftende für die Kommune vor Ort? Worin drückt sich das alltägliche Leben aus? Das ist am Ende die entscheidende Frage. Wie viel kann ich meinem Sportverein geben? Findet in Wasungen der Fasching statt? Kann man hier in Erfurt zum Eishockey gehen? Oder habe ich woanders irgendwie andere kulturelle Highlights, …

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Handball!)

Handball meinetwegen auch in Eisenach. Wir warten mal ab, wann die Halle kommt.

Das Entscheidende ist: Wie viel Geld steht für diese Projekte zur Verfügung? Und da ist feststellbar:

Unter Rot-Rot-Grün ist das Volumen, das die Gemeinden, Städte und Landkreise genau für diese Frage zur Verfügung haben, von Jahr zu Jahr angewachsen. Inzwischen sind es immerhin 700 Millionen Euro gewesen, über die vor Ort demokratisch, transparent im Dialog miteinander entschieden werden kann, ob ich ein Schwimmbad baue, ob ich da vielleicht die Eintrittspreise senke oder meine Kita-Gebühren entsprechend mitgestalte.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist feststellbar, ohne politische Wertung, sondern rein mit Blick auf die Zahlen,

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Wir wollen die Elternbeiträge ganz abschaffen, Frau Tasch!)

dass unter Rot-Rot-Grün seit 2014 die Kommunen von Jahr zu Jahr höhere Überschüsse erwirtschaftet haben. Gleichzeitig konnte der Investitionsstau abgebaut werden. Schulden konnten verringert werden. Schauen Sie sich die Schuldenlasten an. Kassenkredite spielen in der Wirklichkeit der kommunalen Ebene keine Rolle mehr, kein Problem mehr, konnten fast vollständig reduziert werden. Gleichzeitig konnten die Kommunen ihre eigenen Steuereinnahmen steigern. Es konnten mehr Spielräume für freiwillige Leistungen erschlossen werden. Kommunen haben von Jahr zu Jahr mehr Geld vom Land erhalten. Und die wichtigste Aussage dabei ist: Es ging den Kommunen finanziell noch nie so gut wie unter Rot-Rot-Grün.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe AfD)

Meine Damen und Herren, wir sind immer noch im Plenarsaal des Thüringer Landtags. Da werden üblicherweise die Debatten hier vorn vom Pult aus geführt. Insofern: Danke, Herr Bilay. Für die CDUFraktion hat jetzt Abgeordneter Walk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich ganz besonders, dass wir heute Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes hier haben, dass wir Bürgermeister, Verantwortliche der Verwaltungsgemeinschaften aus Ostthüringen dahaben, aus Greiz und stellvertretend für alle Alexander Schulze aus Greiz und die Bürgermeisterin Krimhild Leutloff aus Ronneburg. Schön, dass Sie der Debatte folgen.

(Beifall CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, die finanzielle Situation der Kommunen ist in Thüringen seit Jahren Gegenstand der politischen Diskussion hier im Hohen Haus, so auch gestern, als wir darüber diskutierten, ob wir einen kommunalen Investitionsfonds auf den Weg bringen. Vorab für die, die es nicht verfolgt haben: Ich denke, da ist eine Lösung auch in Sicht.

Warum ist das Thema so wichtig? Klar, denn alle 2,1 Millionen Menschen, die hier in Thüringen leben, die wohnen natürlich in den Kommunen, und hier – und das ist das Besondere – nimmt der Bürger den Staat ganz unmittelbar vor Ort wahr. Deswegen ist es unsere gemeinsame Aufgabe hier im Hohen Haus, für einen fairen und für einen gerechten Ausgleich zu sorgen, zum einen zwischen Stadt und Land und insgesamt für die Kommunen als Ganzes. Deswegen lassen Sie mich zunächst einen Blick werfen auf den Jahresbericht 2023 zur Überörtlichen Kommunalprüfung – Kollege Bilay hat es angesprochen – des Thüringer Rechnungshofs, der kürzlich vorgestellt wurde, bei uns im Innenausschuss beraten wurde, der sich allerdings auf die Zahlen aus 2021 bezieht, genau wie die Große Anfrage der Linken, keine Frage. Gestiegen sind die Gesamteinnahmen, die Steuereinnahmen, die Zuweisungen und Zuschüsse, insgesamt 6,68 Milliarden. Allerdings sind auch die Gesamtausgaben auf 6,31 Milliarden gestiegen. Insgesamt im Finanzierungssaldo bleibt dort ein Plus von 364 Millionen Euro. Das war allerdings im Jahr 2021.

Unbestritten positive Zahlen, aber dennoch oder gerade deswegen möchte ich einen etwas differenzierteren Blick auf das Zahlenwerk richten. Zunächst will ich feststellen, dass die Zahlen aus 2021 sind und die heutige Situation eben nicht eins zu eins übertragbar ist. Deswegen lohnt ein Blick auf die Pressemitteilung des Landesamts für Statistik von vorgestern. Dort wird festgehalten, dass die Einnahmen weiter gestiegen sind. Die Ausgaben sind auch weiter gestiegen. Aber kurzum – das wurde auch belegt –: Die Ausgaben steigen sowohl absolut als auch proportional mehr als die Einnahmen. Das führt dazu – und das ist, glaube ich, besonders bemerkenswert, das kam eben nicht zur Sprache, Herr Bilay –, dass insbesondere ein Rückgang im Bereich der Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land zu Buche schlagen. Sage und schreibe ein sattes Minus von 56 Millionen Euro, die an Mitteln nicht an die Kommunen ausgereicht wurden, und insgesamt entspricht das einem Minus von 9,3 Prozent.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Hört, hört!)

Deswegen ist es doch gar nicht verwunderlich, wenn 56 Millionen fehlen an Zuweisungen, dass

(Abg. Bilay)

die Kommunen im letzten Jahr dann auch 16 Millionen Euro weniger investieren konnten. Also Stand heute: Anstatt eines satten Plus von 363 Millionen Euro in 2021 haben wir es im Jahr 2022 mit einem Plus von 192 Millionen Euro, etwa die Hälfte des Überschusses aus 2021, zu tun.

Was auch bemerkenswert ist, ist, dass die Ausgaben für Sachaufwand überproportional um 12,4 Prozent, für soziale Leistungen um 7,3, für Personalausgaben um 6,5 stiegen und die Sachinvestitionen sich sogar um 16 Millionen reduzierten, das entspricht 1,7 Prozent.

Das waren jetzt sehr viele Zahlen, und ich will den Blick, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher, nach vorne richten. Der Thüringer Landkreistag hat in einer Umfrage Ende 2022 bei seinen Mitgliedern ermittelt, dass diese mit Mehrausgaben in 2023 von insgesamt 287 Millionen Euro rechnen, davon allein 71 Millionen Euro für ukrainische Flüchtlinge, allein 44 Millionen für die steigenden Energiepreise und allein 49 Millionen Euro für zusätzliche Personalkosten. Das ist alles in den Zahlen eben nicht eingepreist gewesen. Wozu führt das? Das wissen wir alle. Die Landkreise sind sozusagen gezwungen, die Kreisumlagen anzuheben und nur in wenigen Landkreisen wie beispielsweise im Weimarer Land, 39,8 Prozent Umlage, konnte die Kreisumlage stabil gehalten werden. Ich habe ja die Landesregierung gestern angefragt, wie die Zahlen in diesem Jahr aussehen.

(Beifall CDU)

Die endgültigen Zahlen lagen allerdings noch nicht vor. Aber, Frau Staatssekretärin Schenk ist ja auch heute hier, die Antwort der Landesregierung ist dennoch bemerkenswert, weil, ich habe gefragt, wie viele Kommunen in Thüringen, Stand heute, noch keinen verabschiedeten und beschlossenen Haushalt haben. Insgesamt, das ist die Besonderheit, zwei Drittel der Kommunen sind es, genau zehn Landkreise, zwei kreisfreie Städte und 407 kreisangehörige Gemeinden haben noch keine beschlossene Haushaltssatzung zur Prüfung vorlegen können. Fakt ist auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass sich die Inflationsrate derzeit auf hohem Niveau bei 8,7 Prozent eingependelt hat und sich die Energiepreise innerhalb Jahresfrist um 19,1 Prozent erhöht haben. Auch das ist nicht eingepreist.

Wie wichtig in diesem Zusammenhang unser sogenanntes Kleine-Kommunen-Programm ist, zeigt eine Abfrage bei den 639 Kommunen. Ich habe gefragt, wie denn die zusätzlichen 30 Millionen Euro als Ergebnis einer CDU-Initiative beim letzten Mal in den Kommunen eingesetzt wurden. Darauf ha

ben 40 Prozent – nur 40 Prozent – geantwortet, dass das ausgereichte Geld im Vermögenshaushalt veranschlagt werden konnte. 60 Prozent, weit über die Hälfte, mussten das Geld nutzen – wahrscheinlich auch bei Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Bürgermeister und VG-Chefs –, um ihren Verwaltungshaushalt zu bekommen. Das ist die Wahrheit.