Protokoll der Sitzung vom 17.03.2023

Ich erspare mir jetzt mit Blick auf die doch schwindende Redezeit, das zu wiederholen, was beispielsweise auch beim Kollegen Walk sehr ausführlich über die gesamte Finanzsituation der Kommunen gesagt worden ist, was über die Kommunen in Haushaltssicherung gesagt worden ist. Das muss ich hier nicht wiederholen.

(Abg. Merz)

Auch beim Thema „Personalbedarf“, da besteht Bedarf bei der Umsetzung der Digitalisierung, aber eben nicht nur bei den kleinen Kommunen, auch bei den großen Kommunen. Es ist völlig klar, dass in den Verwaltungen erst einmal ein Aufwuchs benötigt wird, der auch berücksichtigt werden muss.

(Beifall Gruppe der FDP)

Meine Damen und Herren, kommen wir zum Thema „Bedarf an Investitionsmitteln“. Das eine ist das Thema „Fördermittel“. Da fordern wir als Freie Demokraten natürlich schon seit Jahr und Tag, dass es viel mehr Mittel geben muss, die nicht zweckgebunden sind. Überall dort, wo es nicht an EU-Fördermitteln dranhängt, wo es nicht an Bundesfördermitteln dranhängt, sind wir der Meinung, gebt den Kommunalpolitikern vor Ort das Geld, die wissen besser, wie sie es einsetzen können und dürfen,

(Beifall Gruppe der FDP)

und zwar ohne große Fördermittelbürokratie, die jede Menge Verwaltungsleistungen im Land und auch in den Kommunen verschlingt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das Thema „Investitionsstau“ ist ja heute hier schon ein paar Mal angesprochen worden. Sie wissen, dass ich das auch sehr gern und immer wieder anbringe. Wenn ich allein sehe, was im Kommunalmonitor an Investitionsstau genannt worden ist: Allein bei den 83 Kommunen besteht ein Investitionsstau von insgesamt 140 Maßnahmen im Wert von 1,6 Milliarden Euro. Das ist der Investitionsstau bezogen auf den Zeitraum 2017 bis 2021. Ein ganz anderes Thema wird dabei überhaupt nicht betrachtet, meine Damen und Herren. Und auch darauf mache ich immer wieder aufmerksam. Wir haben nämlich bei der Ermittlung des Kommunalen Finanzausgleichs einen ganz großen Krebsschaden, der immer noch nicht ausgemerzt ist, wenn ich das so sagen darf. Es ist nämlich so, dass all die Investitionen, die schon seit sehr langer Zeit noch nicht mal in irgendeiner Mittelfristigen Finanzplanung auftauchen, weil wir wissen, wir haben das Geld nicht, dass die in keiner Weise bei dem Investitionsstau auch nur ermittelt, geschweige denn berücksichtigt worden sind.

(Beifall AfD, Gruppe der FDP)

So kommt es eben, dass wir in Größenordnungen noch Straßen haben, die schon im Dritten Reich gepflastert worden sind – das Beispiel haben wir –, dass wir Bäder haben, die auch in der Zeit gebaut worden sind und die im Investitionsstau nicht auftauchen.

Das, meine Damen und Herren, gehört zur Ehrlichkeit der Debatte dazu und darüber muss auch diskutiert werden.

(Beifall Gruppe der FDP)

Was leider keine Berücksichtigung findet, ist die Frage, wie man Kosten mindern kann. Wir haben mit Ihnen über ein Standarderprobungsgesetz diskutiert, das den Gemeinden die Möglichkeit einräumen sollte, von Standards abzuweichen, wenn man die Aufgaben einfacher erfüllen kann. – Abgelehnt. Meine feste Überzeugung ist, wir brauchen einfachere, kostengünstigere Regelwerke anstatt immer höhere Anforderungen.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Lassen Sie mich das Beispiel aus der vergangenen Woche in den Ausschüssen bringen, als es um die neue Abwasserrichtlinie der EU ging. Natürlich bringt das höhere Kosten für die kommunale Ebene, für die Abwasserbeseitigungspflichtigen, und zwar in der Investition bei allen Kläranlagen ab 10.000 Einwohnern gleichwertend in der Zukunft, und natürlich bringt das auch höhere Kosten in Betrieben, nämlich das Anderthalbfache an Energie, während gleichzeitig gefordert wird, doch bitte CO2neutral zu arbeiten. Da passt etwas nicht zusammen. Wir haben die Chance verpasst, uns als Land dagegen zu positionieren.

Meine Damen und Herren, gerade im ländlichen Raum, wo ja noch vieles im Argen liegt, was das Thema „Abwasser“ anbelangt, könnte man mit einfacheren Lösungen, beispielsweise naturnahen Verfahren – ich denke an Abwasserteichverfahren oder dort, wo man ein Trennsystem hat, auch Pflanzenkläranlagen –, vieles erreichen mit weniger Geld. Da denke ich auch an das Thema „Straßenbau“, bei dem ich schon meine, dass wir uns Gedanken darüber machen sollten, dass man an manchen Stellen auch von Normen abweichen kann, indem man etwa dort, wo geringe Verkehrsbelastungszahlen sind – ich sage Wohnwege, ich sage Ortsverbindungsstraßen zu kleinen Ortschaften –, vielleicht auch nicht nach RStO ausbauen muss, sondern dass man dort vielleicht auch die Regeln des ländlichen Wegebaus zum Stand der Technik erheben könnte, zumindest auf Landesebene.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da tatsächlich 9 Minuten und 20 Sekunden nicht allzu lang sind, fasse ich zusammen: Forderung der FDP ist es, mehr Vertrauen in die Kommunen zu setzen, weniger Zweckbindungen an Fördermittel zu bringen und vor allem in der Fördermittelbürokratie auszuästen.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Ansonsten ist es so, wir haben noch jede Menge Bedarf an dem dicken Packen, der heute hier vorgelegt worden ist, zu diskutieren, wie wir hoffentlich sachlich und ohne Kleine gegen Große auszuspielen, für die Kommunen in diesem Land streiten können. Ich danke Ihnen.

(Beifall Gruppe der FDP)

Vielen Dank. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat sich Staatssekretärin Schenk zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrter Herr Dr. Rieder, sehr geehrter Herr Steinmeier und die kommunale Familie da oben!

Herr Sesselmann, ich musste bei Ihrer Rede ehrlich gesagt ein bisschen an ein anderes Lied denken, nicht an „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“, sondern eher so ein bisschen an „Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt“ bei Pippi Langstrumpf.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: War eine schöne Serie!)

Eines meiner vielen Alleinstellungsmerkmale ist ja, dass ich Andrea Nahles sehr schätze, und sie hat dieses Lied auch mal in einer Plenardebatte gesungen, weil sie ganz ähnlich wie ich auf der Suche nach Fakten war. Es ist schon befremdlich, muss ich sagen, dass Sie 1.455 Seiten, die im Thüringer Innenministerium und in vielen nachgeordneten Bereichen akribisch zusammengetragen wurden, offensichtlich nicht Anlass genug finden, auch nur eine faktenbasierte Debatte zu führen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Denn eigentlich ist ja heute eine Frage, die wir uns stellen müssen: Wer hat denn nun recht? Ist es der Herr Walk, der hier mit quasi anekdotischer Evidenz Knut Kreuch zitiert hat, oder ist es Herr Bilay, der vielleicht auf eine andere Bürgermeisterin verweisen könnte? Ich kann Ihnen sagen, Herr Walk, ich kann Ihnen auch ein Zitat vorlesen, zum Beispiel von Ihrem Fraktionsvorsitzenden in Weimar, Peter Krause. Er sagt ganz aktuell in der Zeitung: „Wir waren nicht in der Situation, streichen zu müssen.“ Er meint damit keine Räume, sondern den Haushalt. „Diesmal ist einfach Geld da.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Ja, kreisfreie Stadt!)

Das Land geht mit den Kommunen momentan großzügig um.“

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Hört, hört!)

Da kann ich nämlich jetzt auch sagen: Na ja, da hat Peter Krause wahrscheinlich recht und in Weimar ist der Haushalt ganz fabelhaft.

(Beifall SPD)

Sie können jetzt natürlich reinrufen, da geht es um eine kreisfreie Stadt. Da haben wir die Diskussion. Jetzt hat Abgeordneter Bergner gerade angesprochen: Wollen wir die Diskussion führen Stadt/Land? Mein Eindruck war, als wir am Anfang mal die Zahlen vorgetragen bekommen haben – das hat Abgeordneter Bilay ja gemacht, auf die Linksfraktion geht schließlich die Große Anfrage auch zurück –, da wurde immer ganz oft reingerufen: Ja, das ist doch aber so und das stimmt doch gar nicht und wir lassen die Kommunen ausbluten. Und mein Eindruck ist, ehrlich gesagt, dass Sie der kommunalen Familie, die jetzt geduldig bis 16.14 Uhr hier gewartet hat, keinen großen Dienst erweisen, wenn wir einfach immer starrsinnig bei der Meinung bleiben: Das ist doch aber so. Denn der politische Zweck ist ja, Zahlen, Daten und Fakten zu interpretieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Genau, ha- ben wir doch gemacht!)

Und dazu kann man dann am Ende schauen, ob sich die Schlüsse, die man gezogen hat, mit Zahlen, Daten und Fakten wieder belegen lassen. Genau dazu dient aus meiner Sicht diese Große Anfrage. Es gibt einen ziemlich großen Unterschied zwischen den Worten „anscheinend“ und „scheinbar“. Ich habe den Eindruck, dass wir die hier ziemlich synonym verwendet haben. Denn obwohl wir hier Zahlen, Daten und Fakten haben – das haben jetzt mehrere Abgeordnete vorgetragen –, die Überschüsse darstellen, ziehen sich immer alle darauf zurück zu sagen: Ja, aber bei mir – und da sind wir jetzt wieder bei Ihrem Zitat von Knut Kreuch – in der Kommune fehlt aber Geld. Der Abgeordnete Bergner hat aus meiner Sicht ein Schlaglicht auf genau die Frage geworfen, die es dabei eigentlich zu lösen gilt, nämlich auf die Frage zwischen Bedarf und Wunsch.

(Beifall Gruppe der FDP)

Ich wünsche mir auch alle möglichen Dinge und ich finde das auch richtig und so stelle ich mir kommunale Selbstverwaltung auch vor, dass ich mir einen

(Abg. Bergner)

großen Plan mache: Wo will ich hin? Und da kann ich mir natürlich auch vornehmen, dass ich mir ein Schloss kaufen möchte und dass ich noch ein touristisches Konzept kaufen möchte. Trotzdem – und darauf hat die Abgeordnete Merz hingewiesen – muss das Ganze irgendwie auch im Verhältnis zu dem stehen, was das Land finanziell leisten kann. Und wir sind da lange nicht mehr bei dem, dass wir über Mindestausstattung oder angemessene Finanzausstattung reden, sondern wir sind – das zeigen ja auch die Überschüsse, natürlich, und das eint ja auch die demokratischen Fraktionen hier – alle entschlossen, die kommunale Familie gut aufzustellen. Deswegen ist es gar nicht mein Eindruck, dass es sich irgendwie lohnt und dass es irgendwie zweckführend ist, diese Große Anfrage dafür zu nutzen, sie politisch nutzbar zu machen im Sinne von: Ja, da lassen wir sie ausbluten, und nein, Sie haben ein Beispiel, wie wir sie nicht ausbluten lassen.

Sondern aus meiner Sicht gibt es drei zentrale Punkte, die sich aus dieser Anfrage ableiten lassen, und die haben Sie ja hier im Hohen Haus auch diskutiert. Und das ist – darauf haben Sie mit Recht verwiesen – zum Beispiel der Investitionsstau. Und der Investitionsstau – das haben wir ja auch in der Anfrage ganz klar beantwortet – ist natürlich eine Sache, die sich aus der Vergangenheit speist. Und, Herr Sesselmann, da sind wir wieder bei Zahlen, Daten, Fakten. Sie haben nach einer Investitionspauschale verlangt. Ja, die gibt es schon, die Investitionspauschale. Die hat das Hohe Haus hier beschlossen. Und diese Investitionspauschale wurde in den Finanzausgleich überführt und ist dort verstetigt worden

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Die AfD hat es nicht mit beschlossen!)

und wird jetzt im nächsten Jahr evaluiert, sprich: Sie fordern etwas, was da ist.

(Unruhe CDU)

Ja, Herr Walk, ich habe Ihnen gerade beantwortet, wo die herkommen, die hat das Hohe Haus beschlossen, in großer Einheit. Und verstetigt wurde sie im Finanzausgleichsgesetz, das mein Haus vorgelegt hat.

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Die AfD war nicht dabei!)

Sie haben 1.400 Seiten, in denen Sie nachvollziehen können, wo es Überschüsse und wo es Defizite gibt. Und ich möchte mal einen Fokus auf einen ganz bestimmten Kern dieser Zahlen werfen, und zwar auf das Thema „Haushaltssicherung“ und „Bedarfszuweisung“. Denn man könnte ja meinen,

dass die Kommunen, denen es am allerschlechtesten geht, vielleicht ein besonderes Schlaglicht auf die eigentliche Finanzsituation werfen. Da würde ich Ihnen zustimmen, wir beschäftigen uns auch in Mündlichen Anfragen sehr häufig mit dem HSK und mit den Bedarfszuweisungen. Der Abgeordnete Bilay hat auch darauf hingewiesen, dass die Zahlen stetig rückläufig sind, und es wurde hier jetzt im letzten Rund immer wieder der Anschein erweckt, dass wir irgendwie alte Zahlen verwendet haben und dass wir ja nur die Zahlen von 2021 vorliegen haben. Das ist aber nicht ganz richtig, denn abgesehen davon, dass natürlich die Jahresrechnungsstatistik erst im April da ist und sie deswegen einfach gar nicht viel eher irgendwas Valides vorlegen können. Gerade gestern habe ich Ihnen ja in Ihrer Mündlichen Anfrage auch beantwortet, wie sich die Kreisumlagen entwickelt haben. Und ich muss auch mal sagen: Was war denn das Jahr 2021? War das ein Jahr prosperierender Gewerbesteuereinnahmen, ein Jahr, in dem es uns super ging? Ich würde sagen: nein. Wir sind uns hier alle einig, dass es ein Krisenjahr war. Wenn in diesen Zahlen deutlich wird, dass die Kommunen dort nicht unter extremen Belastungen gelitten haben, zumindest nicht im Durchschnitt und darum geht es jetzt hier, dann spricht das ja wohl eher dafür, dass wir uns hier nicht in der Rubrik „ausbluten und verhungern lassen an der kurzen Leine“ irgendwie wiederfinden.

Im Gegenteil, und deswegen möchte ich Ihnen gern Zahlen von 2022 nachliefern: Sieben Kommunen sind momentan auf Bedarfszuweisungen angewiesen. Wir haben aktuell 19 Millionen Euro, die wir auszahlen müssen – im Vergleich zu 2014, als wir noch von über 76 Millionen Euro gesprochen haben. Wenn man da nicht erkennen kann, dass wir auf einem Pfad der Konsolidierung sind, auf einem Pfad, in dem es darum geht, gesunde Strukturen zu schaffen, dann weiß ich auch nicht. Das sind eben Zahlen, Daten, Fakten, die wir in dieser Großen Anfrage vorgestellt haben aus ganz vielen Bereichen, die belegen, dass sich die kommunale Familie auf einem guten Weg befindet.

Trotzdem könnte man jetzt zurückkommen und sagen: Es ist doch richtig, was Herr Walk gesagt hat. Es gibt Bürgermeister, die beklagen ein klaffendes Loch, es gibt VG-Vorsitzende, die beklagen das, und es gibt demgegenüber genauso – ich komme auf mein Zitat aus Weimar zurück – einige, die sagen, es geht ihnen sehr gut. Was stimmt denn nun? Aus meiner Sicht beides, denn – und auch das zeigt die Große Anfrage sehr deutlich – bei all den positiven Aspekten, die wir haben, gibt es immer noch viele kleine Kommunen, in denen Gelder zum Beispiel auch deswegen nicht verausgabt wer

(Staatssekretärin Schenk)