Protokoll der Sitzung vom 01.06.2023

Ja, dass Sie mit Handwerkern nichts tun haben und dass Sie keinen Draht zu denen haben, sie auch nicht verstehen, ist mir völlig klar.

Aber wir werden hören, was die Handwerker uns zu sagen haben. Was die Handwerkskammern zu sagen haben, was die IHK zu sagen hat, was die Ingenieurkammer zu sagen hat, was die Städte und Gemeinden zu sagen haben. Die Bürgermeister und die Bauamtsleiter,

(Zwischenruf Abg. Plötner, DIE LINKE: Die Beschäftigten!)

(Zwischenruf Abg. Güngör, DIE LINKE: Die Gewerkschaften!)

die jeden Tag mit den Problemen zu tun haben, auf die werden wir hören und dann werden wir sehen, welches Gesetz sinnvoll ist – Ihres oder unseres. Und dann werden wir nach Mehrheiten suchen. Wir werben für unser Gesetz. Ihr Gesetz in der vorliegenden Form wird unsere Zustimmung nicht finden. Ganz herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Henkel. Jetzt erteile ich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Abgeordneten Müller das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, wir legen heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Vergabegesetzes vor und wir berücksichtigen dabei selbstverständlich die Ergebnisse der von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Evaluation des Gesetzes. Dazu gehört das Beibehalten bzw. Anpassen des vergabespezifischen Mindestlohns, ei

ne Verschlankung des Gesetzes durch den Wegfall von redundanten Regelungen und unnötigen Verweisen und die Einrichtung einer einheitlichen Vergabeplattform. Hinzu kommt der Einstieg in ein digitalisiertes Vergabeverfahren. Dieses war ein zentraler Punkt des Entschließungsantrags zum Haushalt 2022, den wir – der eine oder andere mag sich noch daran erinnern – gemeinsam mit der CDU beschlossen haben.

In diesem Antrag wird die Landesregierung in Punkt 2 aufgefordert, die Vergabeverfahren stärker digital auszurichten und digitale Bieterprofile zu implementieren. Bestenfalls soll eine zentrale Vergabestelle eingerichtet werden, die Unternehmen für die Bewerbung auf öffentliche Aufträge des Landes, der Kommunen und sonstiger Auftraggeber gleichermaßen nutzen können. Damit sind wir weitergegangen als das Evaluationsgutachten, das bereits die Möglichkeit einer Übersendung von Unterlagen als großen Wurf ansieht, ebenso wie der Entwurf der CDU-Fraktion, der es hinsichtlich der Digitalisierung dabei belässt, die Kommunikation per E-Mail zuzulassen, also das ist quasi heute die Form der Brieftaube. Eine große Erleichterung und Innovation lässt sich in diesem Vorschlag, meine Damen und Herren, nicht erkennen.

Ein Problem im Vergabeverfahren, das von den Rechtsanwendern genannt wurde, ist die erforderliche Übersendung von umfänglichen Dokumenten. Im Bereich des E-Governments wird vielfach das Once-Only-Prinzip gefordert. Diesem Anspruch wird eine E-Mail-gestützte Übermittlung der Dokumente in keiner Weise gerecht.

(Beifall DIE LINKE)

Leitidee sollte eher eine bundeseinheitliche elektronische Vergabeplattform sein, bei der die Unternehmen Userprofile anlegen können. In diesen Profilen werden die benötigten Dokumente und Nachweise einmal hochgeladen und können dann von den jeweiligen Auftraggeberinnen eingesehen werden. Das wäre wirklich eine Erleichterung, Benachrichtigungssysteme informieren über Aktualisierungsbedarfe bei den Lizenzen. Allen wäre geholfen: weniger rumschicken, mehr wichtige und wirkliche Zeit für Bearbeitung.

Ein wirklich digitalisiertes Vergabeverfahren birgt ein riesiges Innovations- und Erleichterungspotenzial. Dafür müssen wir allerdings eine Reihe von Voraussetzungen schaffen. Die meisten davon liegen auf Bundesebene, dort muss die Idee der Vergabeprofile umgesetzt werden. Aktuell wird an einem solchen Verfahren auch gearbeitet. Landesseitig ist es daher notwendig, dass die Thüringer Ausschreibungen ebenfalls einheitlich elektronisch ver

(Abg. Henkel)

öffentlicht werden. Zurzeit geschieht das ganz nach Thüringer IT-Tradition eher im Modus eines Flickenteppichs: ein wildes Sammelsurium aus kommunaler Homepage, Verbundvergabeplattform oder rein analogen Verfahren. Hier schaffen wir mit unserem Gesetzentwurf mehr Einheitlichkeit und damit die Voraussetzung für die Implementierung von Vergabeprofilen. Auftraggeberinnen, auch auf kommunaler Seite, müssen elektronisch veröffentlichen. Konkret sind nach § 3 Abs. 3 nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren Bekanntmachungen eines öffentlichen Auftrags in elektronischer Form auf der zentralen Landesvergabeplattform oder auf dem Bekanntmachungsservice des Bundes zu veröffentlichen. Auch dafür kann und wird die zentrale Vergabeberatungsstelle, die ebenfalls in unserem Entwurf aufgegriffen wird, den Auftraggeberinnen Hilfestellungen leisten.

Wir schaffen mit unserem Gesetzentwurf die Rahmenbedingungen für ein wirklich durchdigitalisiertes Vergabeverfahren, das diesen Namen auch verdient und mehr ist als das Anbiedern und Abbilden von analogen Verfahren mit digitalen Mitteln. Lassen Sie uns über den Gesetzentwurf und den der CDU im Ausschuss weiter sprechen. Wir beantragen hiermit die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. Ich erteile Herrn Abgeordneten Schubert für die Fraktion Die Linke das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Henkel, es war Ihr Fraktionsvorsitzender, der die hier eingebrachte Entwurfsfassung für eine Veränderung des Thüringer Vergabegesetzes als Diskussionsangebot vonseiten der CDU bezeichnet hat. Ich hoffe, Ihre Rede war heute nicht so zu verstehen, dass Sie der Meinung sind, dieser Gesetzentwurf ist mit welchen Mehrheiten auch immer eins zu eins hier abzustimmen. Wir hoffen auf eine konstruktive und faktenbasierte Debatte im Ausschuss. Deswegen empfehle ich – möglicherweise ein Hinweis, der sich im Lichte der Diskussion heute Vormittag gut verteilen lässt –, noch mal ein Stück weit argumentativ vielleicht abzurüsten, denn auch bei dieser Debatte „Bürokratie mit neuer Bürokratie“ fällt mir sofort der von Ihnen auch mit einer Vorlage herbeigesehnte Normenkontrollrat ein, der

nichts anderes sein sollte als ein neues bürokratisches Gremium, um Bürokratien abzubauen. Also Sie sind da nicht ganz stringent in Ihrer Debatte und deshalb glaube ich, Sie sollten nicht so viel in die Diskussionen zwischen den Koalitionsfraktionen und dem Wirtschaftsministerium hineingeheimnissen, sondern Sie sollten vielleicht mal Ihre Rede an die Parteikollegin, die Kommissionsvorsitzende Frau von der Leyen, schicken und mal fragen, ob sie das bei ihren Regelungen auf europäischer Ebene alles genauso sieht, wie Sie das uns jetzt hier dargelegt haben, da Sie doch in der gleichen Partei sind.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Henkel, CDU: Wir küm- mern uns erst mal um Thüringen!)

Bereits in der Anhörung 2021 zum Vergabegesetz, zu dem Antrag, den Sie uns damals vorgelegt haben und mit dem Sie übrigens den vergabespezifischen Mindestlohn in Thüringen eliminieren wollten – nur noch einmal zur Erinnerung –

(Zwischenruf Abg. Henkel, CDU: Wir haben es aber korrigiert!)

Ja, jetzt haben Sie es korrigiert. Deswegen war es hilfreich, dass wir die Evaluation gemacht haben. Da ist offensichtlich auch bei der CDU ein Stück weit Entwicklung ausgelöst worden. Dabei ist deutlich geworden, dass das Thüringer Vergabegesetz insgesamt begrüßt wurde – bei einer Anhörung, die wir hier in diesem Saal hatten. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Ausführungen von Prof. Klaus Dörre, der das hier klar dargelegt hat. Wenn wir jetzt im Ergebnis der Evaluation 13,50 Euro mit den zukünftigen Dynamisierungen vorschlagen, dann ist das, um Gute Arbeit mit fairen Löhnen bei öffentlichen Aufträgen zu garantieren.

Da will ich gern noch einmal auf die Handwerker zurückkommen, von denen Sie vorhin gesprochen haben. Reden Sie doch mal mit den Vertretern der Handwerker, mit den Kammern oder mit den Handwerkern selbst, was die zum vergabespezifischen Mindestlohn sagen.

(Zwischenruf Abg. Henkel, CDU: Mache ich ständig!)

Meine Erfahrungen aus solchen Gesprächen sind, dass die Handwerker überhaupt kein Problem mit dem vergabespezifischen Mindestlohn haben, weil sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter längst über diesen entlohnen. Deshalb müssen Sie doch für sich als CDU die Frage beantworten – wenn Sie insgesamt sagen, dass das ein richtiges Instrument ist, auch im Lichte der Evaluierung, deswegen ha

(Abg. Müller)

ben Sie das in Ihrem Gesetzentwurf jetzt mit aufgenommen –, warum denn das, was für die Landesebene, für die Aufträge der öffentlichen Hand auf Landesebene gut und richtig ist, offensichtlich auch von den Arbeitgebern befürwortet wird, warum dieses gleiche Instrument nicht für die Aufträge der öffentlichen Hand auf der kommunalen Ebene gelten soll. Das ist doch ein Widerspruch an sich, den Sie mal auflösen müssen! Diese Frage werden Sie im Ausschuss zu beantworten haben.

(Beifall DIE LINKE)

Hinsichtlich des Bürokratieabbaus besteht natürlich Reformbedarf. Das wollen wir als Linke überhaupt nicht negieren. Im Kern geht es jetzt deshalb um die Weiterentwicklung. Wir möchten natürlich jetzt auch diese Fragen der Digitalisierung in den Blick nehmen. Da glauben wir nicht, Herr Henkel, im Ernst glauben wir nicht, dass wir bei der Digitalisierung schon die Ergebnisse erreichen, wenn wir einfach nur sagen, wir streichen Formblätter und lassen in Zukunft eine E-Mail-Kommunikation zu. Wir wollen als Koalition tatsächlich eine qualitative Entwicklung an dieser Stelle, eine Vergabe für elektronische Vergabeverfahren. Da müssen wir uns doch auf den Weg machen! Und da haben mit Sicherheit auch alle diejenigen einen Beitrag zu leisten, die an dieser Vergabeplattform am Ende des Tages Stakeholder sind. Das ist nach meinem Kenntnisstand leider nicht nur die Landesebene, sondern da gibt es einen bundesweiten Verbund.

Die Einhaltung verbindlicher Dekarbonisierungsziele bzw. sozialer und ökologischer Nachhaltigkeitskriterien zu garantieren, muss für jeden Betrieb, für jedes Unternehmen zu einer Selbstverständlichkeit werden, weil es Zukunftsfragen sind. Das als Bürokratisierung zu sehen, betrachten wir als das, was es ist: grob fahrlässig. Gute Wirtschaftspolitik ist auch gute Klima- und Nachhaltigkeitspolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir müssen doch dafür sorgen, wie wir uns in unserem Land Thüringen an die Spitze der Bewegung setzen können und wie wir als öffentlicher Auftraggeber zum Beispiel auch Produkte befördern, die den CO2Fußabdruck reduzieren.

Warum machen wir das in Zukunft nicht so, dass wir zum Beispiel bei öffentlichen Bauaufträgen den Einsatz zum Beispiel von grünem Stahl oder von Recyclingprodukten wie bei den Gipsbauprodukten fordern? Dann könnten wir als öffentliche Hand tatsächlich einen ganz konkreten Beitrag leisten, um diesem Transformationsprozess auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gerecht zu werden. Das entspricht, meine sehr geehrten Damen und Herren, am Ende auch europäischen Vorgaben.

Damit komme ich noch einmal zurück auf den Redner der AfD, Herrn Aust. Herr Aust, Sie haben wahrscheinlich in dieser Plenarwoche die Aufgabe, noch einmal deutlich zu machen, wie asozial die Politik der AfD ist. Gestern haben Sie schon gegen die Umverteilung an sich gesprochen und heute fordern Sie einen Wettbewerb zwischen den Firmen auf Kosten der Umwelt, auf Kosten unserer Lebensbedingungen. Das kann doch beileibe kein Konzept für die Zukunft sein. Das ist genauso absurd wie Ihre Forderung, dass Deutschland aus der EU austreten müsste. Welchen wirtschaftspolitischen Sachverstand bringen Sie eigentlich in diese Debatte hier mit ein?

(Beifall DIE LINKE)

Das heißt, eine attraktive Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens für Unternehmen rechtfertigt für uns als Linke keinesfalls Nachteile für Arbeitnehmerinnen, für Umwelt und Gesellschaft. Wir müssen den Spagat schaffen zwischen Wirtschaftlichkeit für die Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen durch Entbürokratisierung, durch eine echte Digitalisierung, ohne dabei Standards für Umwelt und Gesellschaft abzubauen. Besser wäre es sogar, diese verstärkt zu kontrollieren. Wir als Linke werden jedenfalls weiter für soziale und ökologische Kriterien wie Gesundheitsschutz, Regionalität und Nachhaltigkeit kämpfen und dies auch in den Anhörungen mit einfließen lassen.

Ich wünsche uns, dass wir zum Vergabegesetz die tatsächlich beschworene fakten- und sachorientierte Debatte haben werden, auch im Ergebnis der Anhörung, die wir heute noch im Wirtschaftsausschuss beschließen wollen. Deshalb bin ich da wirklich gespannt, wie sich diese Argumente dann auch auf die Positionierung derjenigen auswirken werden, die heute hier einen Gesetzentwurf bewerten, den die Koalition vorgelegt hat. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schubert. Jetzt habe ich noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Montag für die Gruppe der FDP.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schubert, ich freue mich ja immer, dass Sie ganz beherzt loslaufen, sozusagen die Speerspitze in Deutschland sein wollen. Ich wünschte mir nur manchmal, dass Sie we

(Abg. Schubert)

nigstens einmal auch in die richtige Richtung laufen würden statt immer nur in die falsche.

(Beifall CDU)

Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf hier vorlege und durchlese, muss ich fragen, ob Sie die letzten zwei, drei, vier Jahre an Debatte zum Vergabegesetz verpasst haben. Denn wo Sie wirklich Bürokratie abbauen, das möchte ich gerne wissen, und zwar ganz konkret. Es ist nicht in Ihren Unterlagen, die uns hier vorliegen, zu finden. Es gibt schlicht keinen Bürokratieabbau.

(Beifall CDU)

Das ist insofern ärgerlich, weil man das Gefühl nicht loswird, dass hier – na ja, ein Jahr vor der Landtagswahl – vor allen Dingen noch mal vor einer bestimmten Klientel, nämlich der gewerkschaftlichen Klientel, der Kotau gemacht werden soll und Sie eben nicht die Frage stellen, wie überhaupt öffentliche Auftraggeber noch an Unternehmen kommen, die öffentliche Aufträge annehmen, und zwar zu guten Löhnen, denn es werden im Thüringenschnitt sehr gute Löhne gezahlt. Das ist doch die Frage, die uns umtreiben muss.

(Zwischenruf Abg. Güngör, DIE LINKE: War- um haben dann so viele von der Mindest- lohnerhöhung profitiert?)

Die Frage ist, haben sie das und ist das notwendig gewesen und

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)