Ihr Ja, Herr Montag, macht das nicht besser. Und um das noch mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Mit Ihren Aussagen und Forderungen zum Asylrecht würden Sie das Grundgesetz aushebeln. Artikel 1 – Sie wollen es immer nicht hören, ich trage es trotzdem vor –: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das ist der zentrale Grundsatz unserer Verfassung. Und ob es Ihnen gefällt oder nicht, in der Bundesrepublik hat zum Glück das Recht auf Asyl Verfassungsrang und kann auch nicht einfach umgangen werden.
Was Sie damit bezwecken, ist doch völlig klar. Sie nutzen die Sorge und Verunsicherung über aktuelle Krisenherde aus und das ist brandgefährlich für unsere Demokratie, denn Sie tragen damit zu Spaltung der Gesellschaft und auch zur Normalisierung rechter Positionen bei.
Zahlreiche Studien, die übrigens auch das europäische Ausland in den Blick nehmen, haben gezeigt, dass die Annäherung konservativer Parteien an rechte oder rechtspopulistische Parteien eigentlich immer nur diese und deren Positionen in der Gesellschaft stärken. Sie machen das Geschäft der
Auch in einem weiteren Bereich kann man der Opposition nach Auswertung des Thüringen-Monitors nur vorhalten, auf eine Spaltung abzuzielen, denn der Schwerpunkt der diesjährigen Auswertung lag auf der politischen Kultur in Stadt und Land. Jetzt hat Herr Matthias Hey schon mal vorgerechnet, wo eigentlich wie viele Menschen leben, wir alle wissen auch, wo Mario Voigt wohnt, aber schön, dass er sich an seine Kindheit auf dem Dorf erinnert, das ist auch gut. Die Ergebnisse des Thüringen-Monitors zeigen nämlich ein viel differenziertes Bild, als es die politische Debatte im Landtag in den letzten Monaten erahnen ließ, die sich seitens der Opposition letztlich auf das obligatorische Rufen nach mehr Geld für die Kommunen vor allem im ländlichen Raum reduzierte. So gibt es eine hohe Zufriedenheit und kaum Stadt-Land-Unterschiede bei der Kinderbetreuung – ein für uns ganz wichtiger Aspekt, den ich auch mal mit zu bedenken geben möchte – und auch bei der allgemeinen Familienfreundlichkeit, bei der Versorgung mit Pflegediensten, was bei der Thüringer Altersstruktur übrigens ein Wert an sich ist, und bei der Notfallversorgung sowie bei der mobilen Datenversorgung. Thüringenweit werden das soziale Gefüge als intakt bewertet und die hohe Hilfsbereitschaft sowie Vereinstätigkeiten und Ehrenämter ganz besonders positiv eingeschätzt. Darüber können wir auch nur froh sein und allen danken, die sich hier einbringen und engagieren.
Nach diesen Analysen muss man leider sagen, dass CDU und FDP in den letzten Monaten eine Spaltung zwischen Stadt und Land herbeigeredet haben, die so nicht nachgewiesen werden kann, bei allen Unterschieden, die es gibt. Aber diese Taktik, einen Widerspruch zwischen Land und Stadt heraufzubeschwören, kennen wir zum Beispiel auch schon aus den USA unter Trump. Das hat dort zu einer massiven Spaltung der Gesellschaft geführt, die wir uns nun wirklich nicht wünschen können.
Ich will gar nicht bestreiten, dass es gewisse Unterschiede im Stadt-Land-Vergleich gibt. Das ist doch klar. So ist beispielsweise die Unzufriedenheit mit dem Ausbau der Infrastruktur oder der Erreichbarkeit von Daseinsvorsorge, ich rede jetzt von Einkaufsmöglichkeiten, Fach- und Hausarztquoten etc., aber auch die Sorge vor Abwanderung und dem damit verbundenen Fachkräftemangel in den
ländlichen Regionen höher. Und an diesen Punkten muss Politik ansetzen und auch nach geeigneten Lösungen suchen. So benötigen wir beispielsweise als Antwort auf den Fachkräftemangel eben auch Fachkräfte aus anderen Staaten. Eine Wahrheit, die manche hier nicht so gern hören wollen.
Dazu brauchen wir aber eine Willkommenskultur in Thüringen, die zur Einwanderung einlädt. Also so ziemlich das Gegenteil von dem, was Oppositionsparteien in den letzten Monaten zum Thema „Asyl“ und „Migration“ so von sich gegeben haben.
Was uns ebenfalls Sorgen machen sollte, ist das sehr ausgeprägte Gefühl des sogenannten – ich setze es bewusst in Anführungszeichen – Abgehängtseins mit Blick auf den Rest der Republik, was in ganz Thüringen verbreitet ist. Und das lässt sich eben nicht damit erklären, dass jemand im ländlichen Raum lebt, sondern diejenigen, die sich abgehängt fühlen, haben das Gefühl, sozial benachteiligt oder auch als Ostdeutsche benachteiligt zu sein oder haben Angst vor dem Verlust ihres Status. Es geht hier eben auch um sehr individuelle Wahrnehmungen von Menschen, die durch ganz verschiedene Variablen verstärkt werden und daher keine einfachen Lösungsvorschläge ermöglichen.
Das Thema ist jedenfalls völlig ungeeignet für populistische Antworten à la – was Sie ja so gerne machen – Rot-Rot-Grün lässt den ländlichen Raum im Stich und mitunter noch viel drastischere Zuspitzungen, wie wir sie immer wieder hören müssen. Im Gegenteil, denn die aktuellen Zahlen zeigen – und damit noch ein letzter Punkt zum Thüringen-Monitor –, dass die Zustimmung zu Populismus und antielitären Auffassungen deutlich zugenommen hat. Und das sehen wir als große Gefahr für unsere Demokratie, denn Populismus an sich ist ein Gegenentwurf zu unserer liberalen Demokratie und auch hier kann uns die Entwicklung in den USA seit Trump – oder weil Ihnen der Vergleich ja nicht so gut gefallen hat, schauen wir einfach mal nach Italien, das kennen vielleicht manche besser – ein abschreckendes Beispiel dafür sein, was passiert, wenn sich antielitäre Auffassungen verfestigen und versucht wird, ein Gegeneinander von demokratischen Institutionen und Bevölkerungen herbeizubeschwören. Vorhin sprach man von den gekauften Journalisten etc., weil Honorare, was sich einfach mal so gehört, beispielsweise für Moderationsleistungen gezahlt werden. Aber so kann man natürlich ganz perfide die Gesellschaft spalten.
Populistische Politik will gar keine Antworten geben, Sie versuchen es, mit einfachen Antworten auf schwierige Probleme zu antworten. Aber diese Antworten, wie wir alle wissen, tragen nicht weit. Und auch hier müssen Sie sich als Oppositionsparteien den Vorwurf gefallen lassen, eher weiter Öl ins Feuer zu gießen, als irgendwie zu einer Lösung beizutragen. Wenn Sie beispielsweise letzte Woche erklären, Rot-Rot-Grün kümmere sich nicht um die – in Anführungszeichen – echten Sorgen der normalen Bürger und führe stattdessen abgehobene Diskussionen über linke Identitätsthemen und grüne Verbotsdebatten, dann bedienen Sie genau dieses populistische Muster. Und die Tofubratwurst vorhin durfte ja nicht fehlen, es war wahrscheinlich Ihr Schenkelklopfer, Herr Voigt, aber den finden maximal Sie lustig und das sollte Ihnen vielleicht auch was sagen.
Politik ist eben mehr als eine Schlagzeile in der „Bild“-Zeitung – Matthias Hey hat es hier sehr schön demonstriert – und sollte sich fachlich zumindest auf einem anderen Niveau bewegen. Denn wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie zugeben, dass es das grüne Wirtschaftsministerium war, das dafür gesorgt hat, dass wir gut durch die Energieund Wärmekrise gekommen sind und das mit an die grüne Schmerzgrenze gehenden Kompromissen. Was Sie gerade tun, ist ein Beispiel dafür, wie gelungene Krisenbewältigung kaputtgeredet wird, erst recht zur Verunsicherung in der Bevölkerung führt.
Mit der Skandalisierung der gesamten Heizungsdebatte durch die CDU und FDP – oh, Herr Kemmerich ist auch wieder da –
im Schulterschluss mit der Springer-Presse sorgen Sie absehbar für erneuten Frust über die Demokratie. Das wird nämlich spätestens genau dann passieren, wenn die Menschen, die sich jetzt noch eine Gasheizung oder Ähnliches einbauen, weil Sie von Ihnen so massiv verunsichert wurden, dann in ein paar Jahren werden feststellen müssen, dass fossile Brennstoffe ganz enorm teuer geworden sind und sie sich so oder so eine Heizung werden einbauen müssen und diese Investitionen dann in Rauch aufgegangen sind.
Ja, Sie sind es leider. Sie bedienen genau diese Vorurteile und die stimmen einfach nicht. Sie machen den Menschen Angst.
Niemand bekommt seine Heizung weggenommen. Das wissen Sie auch. – Ach, mir machen Sie keine Angst. Sie nerven mich vielleicht, aber Angst machen Sie mir nicht.
Das mag Ihnen kurze mediale Aufmerksamkeit bringen, allerdings verhilft es eben zu keiner politischen Lösung und das ist ein gefährlicher Kurs, den Sie da einschlagen.
Und, Herr Voigt, für den Energie-Stasi-Vergleich, den Sie gemeinsam mit der „Bild“-Zeitung in der letzten Woche gebracht haben, gab es ja mittlerweile sehr viele kritische Reaktionen, vor allem bundesweit, aber es zeigt einmal mehr, wie weit Sie bereit sind, im Namen der Schlagzeile zu gehen. Mal abgesehen davon, dass solche Regelungen wie im Gebäudeenergiegesetz, die Sie hier als Stasi-Methoden kennzeichnen, nicht nur im Thüringer Klimagesetz, sondern auch in den entsprechenden Gesetzen von Bayern oder Schleswig-Holstein, also unionsgeführten Ländern, enthalten sind, ist dieser Vergleich natürlich völlig absurd und relativiert lediglich den SED-Unrechtsstaat. Aber auch das scheint Ihnen an dieser Stelle recht zu sein, auch wenn Sie sonst angeblich für Aufarbeitung stehen. Es wäre schon angebracht, sich für diesen unsäglichen Stasi-Vergleich, der Ihnen zugegebenermaßen Presse beschert hat, zu entschuldigen, gerade wenn Sie wie im Tagesspiegel auf die Vertreibung Ihrer Großeltern verweisen. Insbesondere vor diesem Hintergrund sollte Ihnen auch klarwerden, dass Sie sich völlig verrannt haben – stattdessen aber nur halbherziges Ausweichen auch wieder in diesem Interview.
Herr Debes hat in der letzten Woche sehr treffend formuliert: Man kann vieles in der Politik kritisieren, es herrscht politischer Wettbewerb und Meinungsfreiheit sowieso. Aber wenn Sie hier den Vergleich zur Stasi herleiten, dürfen Sie sich eben auch nicht beschweren, wenn Sie vom politischen Gegner bei
Wir sollten die Ergebnisse dieses Thüringen-Monitors zum Anlass nehmen, endlich wieder zu sachlicher und konstruktiver Politik zurückzukehren und damit die Sorgen der Bürgerinnen wirklich ernst zu nehmen, indem wir gemeinsam Lösungen für die Bewältigung der in der Tat umfangreichen und vielschichtigen politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme
(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Nach Ihrer Rede können Sie froh sein, wenn Sie in diesem Landtag noch irgendetwas durchbekommen!)
suchen. Aber dafür benötigt es eben auch die entsprechende Selbsterkenntnis – Herr Montag, Selbsterkenntnis fällt Ihnen schwer, ich weiß – und vielleicht auch ein bisschen Demut – das kennen Sie gar nicht, darüber können wir gerne mal diskutieren – seitens der demokratischen Opposition. Solange Sie nicht selbst erkennen, wohin die von Ihnen unterstützte Diskursverschiebung führt, werden wir da aber leider nicht zusammenkommen. Damit muss ich jetzt leider schließen. Vielen herzlichen Dank.
Gibt es jetzt aus den Reihen der Abgeordneten noch weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Bergner.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat mich jetzt doch noch mal kurz nach vorne getrieben.
Frau Kollegin Rothe-Beinlich, wenn Sie alle anderen zur Sachlichkeit aufrufen: Diese Rede, die Sie gehalten haben, war nun mit Sachlichkeit in keiner Weise verbunden.
Anstatt uns Trumpismus vorzuwerfen, sollten Sie vielleicht gerade mal bei dieser Diskussion, die hier stattfindet, auch in den ländlichen Raum gehen und sich mit den Menschen unterhalten, warum und wo der Schuh drückt.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht nur Sie unterhalten sich mit Menschen!)