Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne.
Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne – herzlich willkommen – und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Zuschauerinnen und Zuschauer am Internet-Livestream.
Mit der Schriftführung zu Beginn der heutigen Sitzung sind Frau Abgeordnete Güngör und Herr Abgeordneter Tiesler betraut.
Für diese Sitzung haben sich Frau Abgeordnete Dr. Bergner, Herr Abgeordneter Gottweiss – zeitweise –, Frau Abgeordnete Kniese, Herr Abgeordneter Möller, Herr Abgeordneter Rudy, Herr Abgeordneter Sesselmann, Frau Abgeordnete Stange, Frau Ministerin Taubert sowie Frau Ministerin Werner – zeitweise – entschuldigt.
Folgende Hinweise zur Tagesordnung: Bei der Feststellung der Tagesordnung am Mittwoch sind wir übereingekommen, dass die Wahl zu Tagesordnungspunkt 17 a heute Nachmittag, also nach der Mittagspause, aufgerufen wird.
Gemeinsam mit dem Tagesordnungspunkt 17 a sollen die Tagesordnungspunkte 17, 24 bezogen auf den Wahlvorschlag der Fraktion der AfD in der Drucksache 7/8049 und 25 erneut aufgerufen werden.
Ich hätte einen Antrag, nämlich, da abzusehen ist, dass TOP 29 heute vermutlich nicht mehr drankommen wird, TOP 29 heute als letzten Punkt aufzurufen, damit die Beamtenalimentation noch geregelt werden kann.
Tagesordnungspunkt 29, das ist das Thüringer Gesetz zur Gewährleistung einer verfassungsgemäßen Alimentation im Jahr 2023 sowie zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften, Gesetzentwurf der Landesregierung. Erhebt sich Widerspruch zum Antrag? Das kann ich nicht erkennen. Dann wird der Tagesordnungspunkt 29
Frau Präsidentin, vielen Dank. Ich muss darum bitten, dass der Antrag meiner Fraktion unter Tagesordnungspunkt 12, das ist die Drucksache 7/6579, noch einmal geschoben wird auf die nächste Plenarsitzungswoche, also erst im Juli aufgerufen wird.
Tagesordnungspunkt 12 – „Eine Pädagogische Hochschule für Thüringen“ –, erhebt sich hier Widerspruch? Das kann ich nicht erkennen. Dann wird das in die nächste Sitzung im Juli verschoben.
Weitere Bemerkungen? Kann ich nicht erkennen. Ich gehe davon aus, dass wir heute so in der Tagesordnung verfahren können. Kein Widerspruch. Dann können wir das.
Thüringer Gesetz zur Erstattung von Mehrkosten nach dem Zweiten, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für das Jahr 2023 aufgrund des Rechtskreiswechsels von aus der Ukraine Geflüchteten und zum Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung bei der Schülerbeförderung von aus der Ukraine Geflüchteten und zur weiteren Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/8060 - ERSTE BERATUNG
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist der Fall. Das Wort erhält Frau Abgeordnete Maurer für die Fraktion Die Linke. Bitte schön.
Sehr geehrte Damen und Herren, werte Präsidentin Pommer, liebe Gäste und Zuschauende am Livestream, wir beschäftigen uns jetzt mit einem Gesetz der Koalitionsfraktionen – das haben Sie gerade gehört – mit einem sehr sperrigen Titel zur Erstattung von finanziellen Mehrbelastungen
der Kommunen nach dem Zweiten, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für das Jahr 2023. Das ist eine ziemlich logische Konsequenz aus den Rechtskreiswechseln und den darauffolgenden finanziellen Entscheidungen des Bundes. Das klingt für Sie jetzt – das habe ich gerade schon gesagt – möglicherweise ziemlich sperrig, der vorliegende Gesetzentwurf ist aber eine ziemlich wichtige und gute Sache und etwas, worum uns die Kommunen, die ja die Hauptlast bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten leisten, in den letzten Monaten immer wieder gebeten haben. Und genau das haben wir in unseren Entwurf so hineingeschrieben.
Aber vielleicht noch mal für Sie zum Hintergrund, liebe Zuschauende: Im letzten Jahr hat der Bundesgesetzgeber Geflüchtete aus der Ukraine aus dem Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes herausgenommen und ihnen Ansprüche auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gewährt. Das ist genau das, was wir als „Rechtskreiswechsel“ bezeichnen. Für die Kommunen bedeutet das in der Konsequenz, dass sie dadurch eine finanzielle Mehrbelastung haben, weil sie Leistungsträger in diesen Bereichen, also in der Grundsicherung sind. Logischerweise haben wir schon im Jahr 2022 so darauf reagiert, dass wir die neuen Mittel, die durch den Rechtskreiswechsel an das Land geflossen sind, eins zu eins an die Kommunen weitergegeben haben, damit sie ihre Aufgaben erledigen können. Das ist keine Selbstverständlichkeit, da in dieser Zeit auch das Land mit finanziellen Mehrbelastungen zurechtkommen muss. Trotzdem haben wir damals unser Versprechen an die Kommunen gehalten und 100 Prozent der Mittel überwiesen.
Ich muss ehrlich sagen, liebe Fraktion der CDU, Sie haben in den letzten Monaten in der Presse viel Wind um diese Sache gemacht und jetzt hört nicht ein einziger Kollege in dieser wichtigen Sache zu.
Das ist Ihr Respekt, den Sie Kommunen und Geflüchteten, um die es gerade geht, entgegenbringen. Selbst nach diesem Verweis drehen Sie sich nicht um. Das ist einigermaßen unverschämt. Ich bin wirklich gespannt, wie Sie sich dann in der Debatte beteiligen. Das ist ja manchmal so: In der Presse lesen Sie, dass die Fraktionen ganz aufgeregt sind, und wenn wir dann im Parlament genau diese Sachen beschließen, beteiligen sie sich auf einmal nicht mehr. Aber gut.
Kommen wir wieder zum Antrag. Am 10. Mai hat der Bund wieder Geld, 1 Milliarde Euro, zur Verfügung gestellt, um die Länder weiterhin dabei zu unterstützen, ihre Kommunen zu entlasten. Darauf
haben wir mit diesem Gesetzentwurf, den wir jetzt hoffentlich überweisen werden, reagiert. Um es klar zu sagen: Durch den heutigen Gesetzentwurf wird das Land den Kommunen die Erstattung der Mehrkosten zu 100 Prozent weitergeben. Damit folgen wir unserem konsequenten Kurs von 2022 und das ist auch richtig so. Das möchte ich noch einmal sagen, weil die Landkreise und kreisfreien Städte auch 2023 besonders viel tun, um Menschen aus der Ukraine unterzubringen, um sie zu integrieren, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu geben. Nur wenn unsere Kommunen arbeitsfähig sind, können Menschen ankommen, hier zu Hause sein, ein Teil unserer Gesellschaft sein. Insofern müssen wir unseren Gesetzentwurf schnellstmöglich überweisen und dann auch beschließen, damit wir unser Versprechen einhalten können. Die Kommunen bleiben auf keinem Euro sitzen.
In der Mittagspause können wir dann hoffentlich eine Anhörung beschließen und Informationen darüber einholen, wie andere Bundesländer damit umgehen. Überweisen sie beispielsweise auch 100 Prozent der Leistung oder behalten sie einen Teil davon ein? Ich freue mich auf die Debatte und bin sehr gespannt. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, werte Zuschauerinnen und Zuschauer hier live und vielleicht auch an den Bildschirmen, Kollegin Maurer hat es eben schon gesagt: Wir bemühen heute wieder ein sehr sperriges Wort für einen Gesetzentwurf, in dem sich unter anderem immer wieder der Begriff „Rechtskreiswechsel“ findet. Da ist es die Gelegenheit, kurz zu erklären, worum es geht. Wir oder die Kommunen haben letztes Jahr vom Bund die Aufgabe bekommen. Um Ukrainerinnen und Ukrainer, die geflüchtet sind, besser in den Arbeitsmarkt integrieren zu können, wurde das Instrument des Rechtskreiswechsels bemüht. Darum geht es, dass diesen Geflüchteten aufgrund eines EU-Beschlusses kollektiv vorübergehend Schutz gewährt wird und diese in der sozialen Unterstützung nicht schlechtergestellt werden sollen als individuell anerkannte Asylberechtigte. Deshalb sind sie in den Rechtskreis der Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII gewechselt. Jetzt sind die Kommunen und
auch das Land und der Bund aufgefordert zu handeln und eben auch auszufinanzieren, denn mit dem Rechtskreiswechsel fallen natürlich Kosten im eigenen Aufgabenbereich der Kommunen an. Uns allen ist klar, dass die Aufnahme und Unterbringung der Geflüchteten auch enorm an den Kräften der Kommunen zehrt. Aber ohne deren Anstrengungen wären diese gemeinsamen humanitären Anforderungen gar nicht zu bewältigen. Deswegen geht auch von dieser Stelle mal ein großes Dankeschön an die kommunale Familie, die wirklich organisatorisch und in der Integration einen bemerkenswerten Job macht.
Genau diesen Mehrkosten, die sie haben, tragen wir mit unserem Gesetzentwurf Rechnung und wollen heute mit der Einbringung dieses Gesetzes schnell Klarheit schaffen. Wir als Land erstatten den Kommunen die Zusatzlasten aus der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter auch im Jahr 2023 zu 100 Prozent. Die Mehrkosten für Unterkunft und Heizung, für die Eingliederung in Arbeit und für andere Bedarfe sollen den Kommunen vollständig ausgeglichen werden.
Ich denke, es lohnt aber auch noch mal, diese umfassende Finanzhilfe des Landes an die Kommunen bundesweit einzuordnen. Zur Ehrlichkeit gehört nämlich auch, dass wir natürlich als Land gründlich prüfen, an welcher Stelle genau wir Steuergelder zur Bewältigung des Fluchtgeschehens aus der Ukraine einsetzen. Dementsprechend haben wir uns die Frage gestellt, an welchen Eckwerten wir uns orientieren könnten, um eine gerechte Lösung zu finden. Ich bin froh, dass die Kommunen zum Beispiel bei den herkömmlichen Kosten der Unterkunft mittlerweile nur noch rund 30 Prozent Finanzierungsanteil zu leisten haben. Diese rund 30 Prozent bei den KdU wären ein Orientierungsbeispiel gewesen. Am Ende haben wir aber abgewogen und gesagt, wir wollen unseren Landkreisen, Städten und Gemeinden bei dieser Mammutaufgabe der Aufnahme und Integration von Geflüchteten den Rücken freihalten, indem wir sie komplett finanziell ausstatten. Deswegen ist diese 100-prozentige Erstattung ein gutes Signal an die kommunale Familie. Wenn wir uns einerseits als Gesellschaft entscheiden, humanitär zu helfen, dann darf das andererseits in der Umsetzung nicht an finanziellen Auseinandersetzungen zwischen Bund, Land oder Kommunen scheitern.
Dieser Gesetzentwurf ist nicht der erste seit Beginn des Kriegs, auch das hat Katja Maurer schon gesagt, in dem wir als Landtag den Kommunen bei den Flüchtlings- und Integrationskosten zur Seite
stehen. Der Bund hatte 2022 den Länderanteil an der Umsatzsteuer um 3,5 Milliarden Euro erhöht, um Länder und Kommunen bei diesen Kosten zu entlasten, einmal 1,5 Milliarden Euro für die Mehrbelastung im Zusammenhang mit Geflüchteten, einmal 2 Milliarden Euro für die Mehrbelastung spezifisch im Zusammenhang mit der Ukraine.
Was ist mit diesem Geld geschehen? Die Bundesregierung hat in diesem Monat dem Deutschen Bundestag eine umfassende Übersicht aus Zahlen und Fakten vorgelegt, die zeigen, dass wir in Thüringen unseren Anteil an den 1,5 Milliarden Euro vollständig an unsere Kommunen weitergeleitet haben. Das war nicht selbstverständlich. Schauen Sie nach Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein, dort wurden Mittel nur teilweise durchgereicht.
Deswegen plädiere ich auch an die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP: Lassen Sie uns eine sachliche Debatte führen. Es ist doch ein gutes Zeichen, dass wir nun heute in einer Sonderinnenausschusssitzung schnell in die Anhörung gehen wollen. Unser Entwurf sieht vor, dass die Kreise und kreisfreien Städte vier Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Abschlagszahlung bekommen. Lassen Sie uns deswegen zeitnah dieses Gesetz beschließen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Besuchertribüne, vor Ort, also in unseren Kommunen, in den Dörfern, in den kleinen, in den größeren Städten, spüren die Menschen ganz unmittelbar den Staat und staatliches Handeln. Deshalb möchte ich zunächst meinen und, ich denke, unseren Dank – Kollegin Merz hat es auch angesprochen – an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller zuständigen Behörden in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden voranstellen.
Dieser Dank gilt gleichermaßen auch den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Mit hohem Engagement arbeiten sie tagtäglich daran, den Menschen aus der Ukraine ein angenehmes, ein freundliches, ein gut ausgestattetes Umfeld zu
bieten. Diesen freiwilligen Helfern ist es gelungen, unter großem Aufwand und teils persönlichem Verzicht dieser größten europäischen Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg zu begegnen.
Damit komme ich zum Gesetz. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Erstattung der Mehrkosten, die den Kommunen aufgrund des Rechtskreiswechsels von ukrainischen Geflüchteten entstehen, ist nicht nur richtig und wichtig, sondern auch längst überfällig. Wir befinden uns aktuell in der ersten Beratung des Gesetzes und wir wissen, dass die beste Lösung heute noch nicht auf dem Tisch liegt. Zu begrüßen ist es aber bereits vorab, dass gemäß Artikel 1 § 1 Abs. 6 – ich zitiere – die „Erstattung […] zu 100 Prozent der jeweiligen Zuschussbedarfe“ erfolgen soll. Das nehmen wir wörtlich und auch Kollegin Maurer ist schon darauf eingegangen. Dass angesichts des erneut weit fortgeschrittenen Jahres durch Abschlagszahlungen Schnellauszahlungen eines Teils der Leistungen sichergestellt werden sollen, ist zu begrüßen, um die Liquidität der Kommunen zu sichern. Klar ist uns allen aber auch, dass die in § 3 bezifferten 32,8 Millionen Euro nur einen kleinen Teil des erforderlichen kostendeckenden Finanzbedarfs begleichen können.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will noch mal in Erinnerung rufen, dass es zwei Flüchtlingsgipfel zwischen Bund und Ländern erforderte, um die Bundesregierung davon zu überzeugen, dass es weitere finanzielle Unterstützung der Länder braucht. Wenn man sich mit den kommunalen Spitzen unterhält, dann kommt schnell heraus, dass der vorgesehene Finanzrahmen eben gerade nicht kostendeckend ist. Anders als versprochen fällt zudem auf, dass die Bundesmittel offenbar nicht zu 100 Prozent an die Kommunen durchgereicht werden. Im Gesetz werden insgesamt lediglich die bereits erwähnten 32,8 Millionen Euro genannt, und das, obwohl die Landesregierung selbst einen Mindestbedarf für 2023 von 44,2 Millionen Euro errechnet hat.
Lassen Sie mich doch erst mal ausreden. Vielleicht können wir dieses Delta ja auch in den Beratungen und Anhörungen noch aufklären. Wir verstehen das so, dass es zunächst eine Abschlagszahlung gibt, und danach wird spitz abgerechnet. Das ist auch in Ordnung so. Wir werden uns jedenfalls dafür einsetzen, dass die Bundesmittel auch dort ankommen, wo sie hingehören: in den Kreisen, Städten und Gemeinden.