Protokoll der Sitzung vom 02.06.2023

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauer, auch am Livestream! Herr Gleichmann, wir haben neulich auf der Energieministerkonferenz genau diese Frage mit den Netzentgelten ganz intensiv besprochen. Sie haben das gut dargestellt. Trivial ist es nicht, weil da natürlich alle Länder ganz unterschiedliche Interessen haben – unabhängig davon, von wem sie regiert werden. Aber wir haben uns darauf verständigt, dass wir daran weiterarbeiten. Es ist natürlich so, dass in Thüringen, aber zum Beispiel auch in Bayern und so der Netzausbau jetzt erst wirklich anfängt. Deshalb ist es nicht trivial, aber das Problem ist erkannt, und im Moment trifft es tatsächlich, wie Sie gesagt haben, die mitteldeutschen und die norddeutschen Länder härter und unverdientermaßen härter als die Südländer. Aber das Problem ist erkannt.

Neben den Aspekten einer – ich mache es kurz, hoffe ich – nachhaltigen Energiepolitik gebieten die Erfordernisse der Versorgungssicherheit und des europaweiten Umbaus des Stromdesigns einen bedarfsgerechten Ausbau der Energieinfrastruktur. In diesem Kontext stehen auch die beiden großen Erdkabelleitungen SuedLink und SuedOstLink, von denen Thüringen betroffen ist. Beide Vorhaben sind auf europäischer Ebene Vorhaben von besonderem gemeinsamen Interesse. Kriterien für die Auswahl solcher Projekte gemeinsamen Interesses sind der wirtschaftliche, soziale und ökologische Nutzen – also das klassische Nachhaltigkeitsdreieck – für mindestens zwei Mitgliedstaaten und die Stärkung des europäischen Binnenmarkts. Es handelt sich also nicht um ideologisch geprägte Maßnahmen.

(Abg. Hoffmann)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dabei wird der Bundesrat eingebunden, der Einspruch einlegen kann. Das ist 2013, Herr Tiesler, nicht passiert. Die anfänglichen Untersuchungen zum Verlauf des Trassenkorridors des SuedLinks zeigten eine große mögliche Betroffenheit Thüringens auf. Der Freistaat Thüringen hat die Beteiligungsmöglichkeiten genutzt und dank der fundierten Hinweise und Alternativvorschläge an die Bundesnetzagentur konnte die Betroffenheit Thüringens auf gut die Hälfte der Strecke, jetzt 75 Kilometer Länge, minimiert werden.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Hoffmann?

Nein, im Moment nicht.

Wo es möglich ist, werden die Leitungen unterirdisch verlegt. Die Unterquerung im Bereich des Thüringer Waldes ist beispielsweise eine der längsten unterirdischen Leitungsabschnitte auf der ganzen Strecke.

So, um jetzt das zu machen, was ich sowieso bin, nämlich ehrlich: Am 23. Mai 2023 wurden vom Vorhabenträger die aktuellen Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren eingereicht. Die Bundesnetzagentur prüft diese zurzeit auf Vollständigkeit. Danach wird ein erneutes Anhörungsverfahren durchgeführt. Mit einem Planfeststellungsbeschluss ist frühestens im Spätsommer 2024 zu rechnen, das wurde hier auch schon gesagt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass eine Klage erst nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens möglich ist, weil es zuvor keinen die Rechte des Freistaats berührenden Klagegrund gebe.

Die betroffenen Grundstückseigentümer und Gemeinden haben sich umfangreich am Planungsverfahren beteiligt. Eine Vielzahl von Einwendungen wurde vom Vorhabenträger berücksichtigt und konnte ausgeräumt werden. Die Thüringer Landesregierung – entscheidender Satz – wird nach Vorliegen des Planfeststellungsbescheids die zur Verfügung stehenden Optionen intensiv prüfen und nach weiterer intensiver Diskussion eine rechtlich fundierte Entscheidung zum weiteren Vorgehen treffen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Wir kommen zur Abstimmung. Wird Ausschussüberweisung beantragt? Herr Abgeordneter Braga.

Nein, Herr Präsident, aber namentliche Abstimmung.

Gut. Dann stimmen wir direkt über den Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 7/8011 in namentlicher Abstimmung ab.

Ich frage in die Runde: Konnten alle Abgeordneten ihre Stimme abgeben? Herr Abgeordneter Frosch, bitte.

Herr Kellner, wollen Sie noch Ihre Stimme abgeben? Ja, gern. Bitte.

Ich freue mich sehr, dass wohl offensichtlich alle Abgeordneten die Möglichkeit genutzt haben, ihre Stimme abzugeben, schließe damit die Abstimmung und bitte um Auszählung der Stimmen.

Meine Damen und Herren, es gibt ein Ergebnis. Ich bitte darum, die Gespräche wieder etwas herunterzudimmen, sodass wir die Sitzung ordnungsgemäß fortführen können.

Wir sind bei der namentlichen Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 13. Es waren 84 Abgeordnete zu Sitzungsbeginn anwesend. Abgegeben wurden 68 Stimmen. Es entfallen 16 Stimmen auf Ja, es entfallen auf Nein 38 Stimmen und es gibt 14 Enthaltungen (namentliche Abstimmung siehe Anlage). Damit ist der Antrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Hinweis oder eine Bemerkung. In einem Fall sind zwei Kärtchen von einem Abgeordneten aneinandergeklebt gewesen. Das ist eindeutig ein Versehen gewesen, außerdem eindeutig zuordenbar. Da der Abgeordnete erkennbar nur einmal anwesend ist, ist das insofern unerheblich und hätte auch das Ergebnis nicht beeinflusst, meine Damen und Herren.

Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt 13 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 15

Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche durch konkurrierende Flächennutzung in Thüringen Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Antwort der Landesregierung – Drucksachen 7/5857/6807 – auf Verlangen der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/6838 -

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist erkennbar nicht der Fall. Der Tagesordnungspunkt wird auf Verlangen der Fraktion Die Linke in einfacher Redezeit beraten. Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Dr. Wagler für die Fraktion Die Linke das Wort.

Herr Präsident, werte Abgeordnete, liebe Gäste am Livestream, die Große Anfrage hat den Titel „Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche durch konkurrierende Flächennutzung in Thüringen“ – ein etwas sperriger Titel. Schöner hat das Friedrich Fallou, ein Mitbegründer der modernen Bodenkunde, gesagt: „Es gibt in der Natur keinen wichtigeren, keinen der Betrachtung würdigeren Gegenstand als den Boden.“ Und ja, so ist es, denn der Boden ist unsere Lebensgrundlage, er speichert Wasser, auf ihm wachsen unsere Lebensmittel und er kühlt und speichert CO2.

Boden müssen wir erhalten und auch gesetzlich schützen. Dafür hat dieser Landtag 2019 mit dem Thüringer Naturschutzgesetz beschlossen, dass Versiegelung durch Entsiegelung ausgeglichen werden soll. Dafür wurde die Flächenkompensationsverordnung im Thüringer Naturschutzgesetz beschlossen und dafür brauchen wir eine Datengrundlage. Zugang zu Boden ist von gesamtgesellschaftlicher, aber auch von wichtiger wirtschaftlicher Bedeutung. Landwirte haben es immer schwerer, denn Bodenpreise und Pachtpreise explodieren in Thüringen und Thüringen verliert auch jedes Jahr landwirtschaftliche Fläche und Boden. Außerdem soll auch ein Agrarstrukturgesetz diesen Landtag erreichen, und auch dafür benötigen wir im parlamentarischen Verfahren eine gute Datengrundlage.

Die Themenkomplexe und Antworten in der Großen Anfrage geben nun einen guten Überblick, wie es

um die Flächennutzung und verwandte Komplexe in Thüringen steht. In den Antworten finden sich allerdings auch wertvolle Informationen, welche Daten in Thüringen zum Bereich „Flächennutzung“ noch nicht erhoben worden sind und noch nicht erhoben werden und wo wir noch mehr Daten benötigen. Ein Beispiel dafür ist die Frage nach dem Ausmaß und dem Fortschreiten der Flächenversiegelung. Hier können Ausmaß und zeitliche Veränderung versiegelter Flächen nur mithilfe der sogenannten Siedlungs- und Verkehrsfläche geschätzt werden. Dort haben wir immerhin einen Anstieg von 25 Prozent innerhalb von zehn Jahren zu verzeichnen. Diese Flächenvergrößerung geht hauptsächlich zulasten der landwirtschaftlichen Fläche. Dem gegenüber stehen 2,3 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, die uns seit den 90er-Jahren täglich verloren gegangen sind. Das sind – zur Veranschaulichung – ungefähr drei Fußballfelder. Natürlich hat das auch Auswirkungen auf Pacht- und Verkaufspreise von landwirtschaftlicher Fläche, welche ebenfalls seit den 90er-Jahren stetig gestiegen sind. Das ist fatal und man muss diesen Zahlen auch die 19 Prozent Bevölkerungsrückgang hier in Thüringen seit den Neunzigern gegenüberstellen. Somit kann man sagen, dass immer weniger Menschen hier immer mehr Fläche verbrauchen, hauptsächlich landwirtschaftliche Nutzfläche.

Die Sicherung landwirtschaftlicher Nutzfläche findet durch die Festlegung als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete landwirtschaftlicher Bodennutzung in den Raumordnungsplänen statt. In Thüringen sind 20 Prozent der Fläche als Vorranggebiete für Landwirtschaft und 14 Prozent als Vorbehaltsgebiete ausgewiesen. Allerdings müssen nur die sogenannten Vorranggebiete bei der Raumplanung zwingend berücksichtigt werden. In der Raumordnungsplanung stehen sich aber auch unterschiedliche Ansprüche gegenüber. Die Sicherung landwirtschaftlicher Fläche für Rohstoff- und Nahrungsmittelproduktion steht im Spannungsfeld mit dem kommunalen Selbstverwaltungsprinzip, zum Beispiel den Bedarfen für Siedlungs- und Gewerbefläche. Deswegen wird der Schutz wertvoller landwirtschaftlicher Fläche, fruchtbarer Ackerböden auch regelmäßig für andere Zwecke geopfert. Prominentestes Beispiel waren wohl die Böden der Goldenen Aue bei Nordhausen, die einem großen Gewerbegebiet von ca. 100 Hektar weichen mussten.

Werden Eingriffe in die Landschaft etwa durch Bebauung vorgenommen, müssen Flächenkompensationsmaßnahmen durchgeführt werden. Damit sollen die Verschlechterungen von Umwelt und Natur, die durch die Veränderungen entstehen, verhindert bzw. abgemildert werden. Die Wahl der jeweiligen Ausgleichsmöglichkeiten ist von der Intensität der

(Vizepräsident Bergner)

Flächeninanspruchnahme und der Intensität des Eingriffs in das jeweilige Ökosystem abhängig und resultiert dann beispielsweise in Entsiegelung, aber meistens werden andere Flächen für die Anlage einer Streuobstwiese oder Heckenstruktur genutzt oder aber andere Maßnahmen.

Problematisch ist, dass auch diese Flächen für Kompensationsmaßnahmen seit den Neunzigern etwa 7.014 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in Anspruch nahmen. Demgegenüber wurden nur 693 Hektar im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen seit den Neunzigern entsiegelt. Das entspricht nicht einmal 10 Prozent. Auch wenn diese Flächen teilweise oder mit Einschränkungen noch landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich nutzbar sind, so werden für die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen doch leider hauptsächlich landwirtschaftliche Nutzflächen herangezogen. Insbesondere aus klimapolitischer Sicht wäre es aber wichtiger, dass über die Flächenkompensationsverordnung auch Möglichkeiten geschaffen werden, Flächen im nennenswerten Umfang zu entsiegeln, denn eine versiegelte Fläche, deren Bodenfunktion erst wiederhergestellt wird, ist für den Klimaschutz ungleich wertvoller, als einen funktionsfähigen Boden naturschutzfachlich aufzuwerten.

Die Versiegelung von Böden hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Umwelt und die verschiedenen Bodenfunktionen. Die intensive Nutzung und Bebauung der Landschaft durch die Errichtung von Verkehrsflächen, von Siedlungen, von Gewerbeflächen, von Industrieflächen geht mit einer stetig zunehmenden Bodenversiegelung einher, und das führt in der Folge zu einer negativen Beeinflussung auch unseres Wasserhaushalts, denn das Gleichgewicht zwischen Niederschlag, Verdunstung, Grundwasserbildung und Oberflächenabfluss wird gestört. Vor allen Dingen wird die natürliche Bodenfruchtbarkeit durch eine Versiegelung der Böden massiv beeinträchtigt. Die Bodenfauna geht zugrunde und die Bodenfunktion wird irreparabel beschädigt und lässt sich auch mit einer Entsiegelung nicht vollständig wiederherstellen. Dies betrifft auch die Funktion von Boden als wichtige terrestrische Kohlenstoffsenke. Der Erhalt von Boden mit seinen Funktionen ist somit auch ein essenzielles Instrument für die Bekämpfung des Klimawandels. Fruchtbare Böden sind Grundvoraussetzung für eine ertragreiche Landwirtschaft, besonders für die gesellschaftlich gewünschte Transformation der Landwirtschaft in Richtung einer extensiveren ökologischeren Bodennutzung und erfordert unbedingt den Erhalt landwirtschaftlicher Fläche.

Als Folge des Klimawandels werden wir auch in Zukunft mehr Flächen benötigen. Wir benötigen sie,

um urbane Räume zu kühlen und mit Frischluft zu versorgen, gegen Starkregen widerstandsfähig zu machen und den Menschen mehr Freifläche zur Erholung zur Verfügung zu stellen. Dieser fortschreitende Flächen- und Ressourcenverbrauch auf Kosten der Natur und der Artenvielfalt ist eine große Herausforderung und verlangt ressortübergreifende Anstrengungen. Das nationale Nachhaltigkeitsziel, den Flächenverbrauch bis 2020 bundesweit auf 30 Hektar pro Tag zu senken, ist nicht erreicht worden. Bezogen auf die Fläche Thüringens sollte der Flächenverbrauch langfristig netto null betragen. Die Ergebnisse der Großen Anfrage geben dafür wichtige Hinweise, dass die in Thüringen eingeleiteten Maßnahmen zur Reduzierung und zum Stopp weiterer Flächenversiegelungen leider bisher nicht ausreichen und unbedingt verstärkt werden müssen. Wir brauchen also in unserem Freistaat einen verpflichtenden Ausgleich durch Entsiegelung und ein landesweites Brachflächenregister.

(Beifall DIE LINKE)

Daten für ein solches Brachflächenregister werden in Thüringen bisher leider nicht erhoben. Für die Flächenstatistik werden die Daten jedoch nach Art der Nutzung erhoben. Und um eine bessere Nutzung von Brachflächen für Gemeinden zu ermöglichen, gibt es das digitale Flächenmanagement FLOO. Dieses soll der Erfassung und Analyse der eigentlichen Flächenpotenziale dienen. Allerdings wird dieses Tool nur von 169 Gemeinden in Thüringen genutzt. Das sind immerhin ca. 27 Prozent der Thüringer Gemeinden. Aber für eine überregionale Zusammenarbeit und für einen überregionalen Flächenausgleich benötigen wir ein landesweites Brachflächenregister, denn den größten Druck auf Flächen gibt es in der Städtekette, während in den ländlichen Gemeinden häufig Brachflächen für eine potenzielle Entsiegelung zur Verfügung stehen würden. Einen Ausgleich schaffen wir dazwischen nicht, wenn jede Kommune mit ihrer eigenen Datengrundlage arbeitet. Für Kommunen und Kreise müssen diese Instrumente, mit denen in großem Umfang Flächen durch- und umgesetzt und dann auch kontrolliert werden können, erst aufgebaut werden. Die Große Anfrage zeigt eine Richtung, aber im Grunde fehlen den Kommunen Daten, unter anderem Freiflächen-, Entsiegelungs- und Leerstandskataster, um eine nachhaltige Flächenbewirtschaftung umsetzen zu können.

Eine weitere Problemlage, die sich aus der Großen Anfrage ergibt, ist in diesem Zusammenhang das Problem der Gewerbe- und Industriegebiete, die immer noch häufig auf der sogenannten grünen Wiese errichtet werden und wurden. Der Bedarf für große zusammenhängende Gewerbegebiete wird

laut Großer Anfrage auch zukünftig nicht zurückgehen. Städte und Gemeinden wollen außerdem auch Investoren anziehen, Unternehmen ansiedeln, Gewerbesteuern einziehen. Daher stehen sie auch immer noch in Konkurrenz zueinander und der Druck, das beste Angebot zu machen, ist hoch. Großflächige Gewerbegebiete, das bedeutet eben freiere Planungsmöglichkeiten, auch explizit zum Beispiel von Logistikunternehmen nachgefragt. Das steht einem sinnvollen Recycling, einer Nachnutzung von kleinteiligen oder nicht mehr benötigten Gewerbegebieten, wo wir in Thüringen durchaus viele Potenziale haben, entgegen. Außerdem ist die Datenlage über den Nutzungsgrad bzw. die Auslastung bereits bestehender Gewerbegebiete laut Anfrage lückenhaft. Auch hier wäre es sinnvoll, auf eine aussagekräftigere Datengrundlage zurückzugreifen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Große Anfrage zeigt vielfältige Probleme und Zusammenhänge auf. Das Kernproblem ist für mich aber der stetige Schwund landwirtschaftlicher Fläche bei steigender Neuversiegelung und gleichzeitigem Bevölkerungsrückgang in Thüringen. Die Landwirtinnen und Landwirte in Thüringen kämpfen mit immer höheren Ansprüchen, die die Gesellschaft an sie stellt. Unsere Lebensmittel sollen frei von Pestiziden produziert werden, gleichzeitig sollen diese Lebensmittel aber nicht von Krankheiten und Parasiten befallen sein. Wer will schon wurmiges Obst? Diese hohen Produktionsstandards gelten aber nicht für Lebensmittelimporteure. Die Bereitschaft, höhere Preise zu zahlen, ist auch bei denen, die es sich eigentlich leisten können, nachgewiesenermaßen gering.

Außerdem wollen wir immer mehr Fläche stilllegen, denn auch die Natur soll ihren Platz haben. Der Anbau von Nahrungsmitteln soll aber auch immer naturverträglicher, also immer extensiver erfolgen. Hecken und Säume, Agroforstmaßnahmen, Blühstreifen, Hamsterschutzstreifen und vieles mehr soll seinen Platz in der laufenden Pflanzenproduktion erhalten. Das bedeutet aber auch, dass die Landwirte immer mehr Fläche benötigen. Diese Flächen werden seit Jahrzehnten immer weniger. Das geht nicht zusammen. Die Pacht- und Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen steigen seit Jahrzehnten ebenfalls kontinuierlich. Das ist ein Problem, auch für die Entwicklung der Agrarstruktur hier in Thüringen. Gleichzeitig werden die Bedarfe an Flächen für Solar- und Windenergieausbau steigen. Bevor jetzt wieder von rechts geunkt wird: Auch die Umstellung auf Eigenversorgung mit Kohle-, Schiefergas und Co. würden mehr Fläche verbrauchen. Man kann nur an das Altenburger Land denken, Ronneburg, Atomstrom, Kohlestrom, Umweltlasten, bis heute für Milliarden saniert; 5 Milliarden Euro für die Wismut-Sanierung allein hier in Thüringen.

Bei sinkenden Bevölkerungszahlen und immer höherem Flächenverbrauch, der überwiegend zulasten der landwirtschaftlichen Fläche geht, sind wir es den Landwirten, aber auch der zukünftigen Generation schuldig, eine Lösung zu finden. So kann es nicht weitergehen.

Der Verbrauch von immer mehr Fläche, vor allem landwirtschaftlicher Fläche, muss ausgebremst werden. Wir brauchen ein echtes Flächenkreislaufmanagement. Die Flächen, die wir unvermeidlich beanspruchen, müssen anderswo in der Summe durch Flächenrecycling und Entsiegelung ausgeglichen werden. Flächenbedarfe sollen hauptsächlich auf den Innenbereich und vorhandene Brachflächen reduziert werden. Dazu gehört ein verstärktes Recycling von nicht mehr benötigten Flächen, von Flächenbrachen. Wir müssen Handlungswege verbessern und neu finden, wie wir dorthin kommen. Das alles sind keine neuen Erkenntnisse, meine Damen und Herren, aber wir müssen anfangen. Deshalb bitte ich, die Große Anfrage zur weiteren Beratung an den zuständigen Fachausschuss für Landwirtschaft, Infrastruktur und Forsten zu überweisen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Dr. Wagler. Ich erteile für die CDU-Fraktion Marcus Malsch das Wort.

Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher, Zuschauer am Livestream, vor uns liegt mit 53 Seiten und 146 Fragen eine umfangreiche Datensammlung. Sie zu bewerten, ist ebenso komplex wie die außerordentlich komplexe Anfrage, die an sich vermutlich einen großen Aufwand in der Beantwortung erfordert hat. Für die Fragen und Antworten herzlichen Dank an die Beteiligten, verbunden mit der Erwartung, dass in erster Linie die Landesregierung daraus die nötigen Schlüsse zieht. Auf die erste Wortmeldung des Staatssekretärs heute bin ich deshalb gespannt. Schließlich erwarten sowohl die Fragesteller als auch der Rest des Parlaments erste Antworten und einen Ausblick auf die Maßnahmen, die in der Auswertung der Anfrage nun von der Landesregierung ergriffen werden müssen. Es ist ja nun mal so, werte Kolleginnen und Kollegen, dass zumindest eine Quintessenz aus den Antworten bereits jetzt ablesbar ist. Auch dieser Landesregierung ist es in acht Jahren nicht gelungen, den Flächenverbrauch einzudämmen geschweige denn zu stoppen. Das ist ein Armutszeugnis, das insbesondere auf grü

(Abg. Dr. Wagler)

ne Wortführer bei den Forderungen nach einer vernünftigen Haushaltspolitik zurückfällt. Es macht eben doch einen Unterschied, ob man einfach nur Parolen ruft oder in einer Landesregierung Verantwortung trägt.

Fakt ist, täglich geht weiter wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche verloren und Teile dieser, zum Beispiel als umgewandelte Grünlandfläche, sind durch fehlende Förderung in der Bewirtschaftung unterfinanziert. Gleichzeitig fehlen der Landesregierung trotz des Umfangs der hier vorliegenden Daten entscheidende Arbeitsgrundlagen. Woraus soll eine Landesregierung Handlungsoptionen ableiten, wenn sie die notwendigen Fakten nicht kennt? Die Antwort lautet eben viel zu häufig: Die nachgefragten Informationen liegen der Landesregierung nicht vor. Ich will Ihnen das mit einigen Beispielen unterlegen. Erster Teil zur allgemeinen Erfassung der Flächennutzungen, zum Beispiel bei Frage 4: Wie hoch ist die Flächenversiegelung in Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten gegenüber Kommunen ohne angespannte Wohnungsmärkte – bitte aufschlüsseln nach Landkreis/kreisfreier Stadt und angespanntem Wohnungsmarkt ja oder nein –? Antwort: „Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten sind in Thüringen Erfurt und Jena.“ Beispiel zwei, Frage 6: Wie beurteilt die Landesregierung die Flächenentwicklung und welche weitere Entwicklung erwartet sie? Antwort: „Ziel der Flächenhaushaltspolitik der Thüringer Landesregierung ist es, durch Vorgaben und Anreize notwendige Flächenbedarfe soweit es möglich ist auf die Innenbereiche und vorhandene Brachflächen zu konzentrieren und die Flächenneuinanspruchnahme insbesondere von landwirtschaftlicher Nutzfläche so auf ein Minimum zu reduzieren.“ Bitte merken! Siedlungs- und Verkehrsfläche, Frage 10: Mit welchen Zielindikatoren zur Minderung der Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr arbeitet die Landesregierung aktuell? Antwort: „Ziel der Flächenhaushaltspolitik der Thüringer Landesregierung ist es, durch Vorgaben und Anreize notwendige Flächenbedarfe soweit es möglich ist auf die Innenbereiche und vorhandene Brachflächen zu konzentrieren und die Flächenneuinanspruchnahme so auf ein Minimum zu reduzieren. Längerfristig wird eine Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt.“ Gleiche Antwort auf zwei unterschiedliche Sachverhalte.

Das könnte man jetzt so weiterspielen, gerade in den Fragen 24, 25 und 26, auch das Thema immer wieder Industrie und Gewerbe, was jetzt gerade a) zur Versiegelung und b) dann auch zur Entsiegelung dient, ist die Frage ganz interessant: Wie viel nicht genutzte Industrie- und Gewerbeflächen in Thüringen gibt es denn eigentlich? Antwort der

Landesregierung: Man könne nur über die geförderten ausgebauten Gebiete reden, man wüsste aber nicht, wie viel Kapazität man hat. Da frage ich mich natürlich, wenn ich auf der einen Seite die Kapazitäten nicht kenne, wie ich denn auf der anderen Seite eine Entwicklung herbeiführen will.