Protokoll der Sitzung vom 14.09.2023

Digitales Archiv des Freistaats Thüringen – Zehn Jahre Entwicklungskosten verschwendet?

Gemäß der Website des Freistaats Thüringen fiel im Juni 2012 der offizielle Startschuss für das Projekt „Digitales Magazin des Freistaats Thüringen“ – kurz: ThELMA genannt –. Mit ThELMA wurde das Ziel verfolgt, digitales Archivgut dauerhaft zu sichern und interessierten Nutzern zur Verfügung zu stellen. Gemäß dem Protokoll des 64. Thüringer Archivtags war die Inbetriebnahme von ThELMA für das Jahr 2023 geplant. Nach Kenntnis des Fragestellers hat sich das für die Bereitstellung eines digitalen Archivs zuständige Ressort, die Staatskanzlei, vom Gesamtprojekt ThELMA vollständig abgewendet und beabsichtigt, sich dem Verbund Digitales Magazin – DIMAG-Verbund – anzuschließen und die bereits fertig entwickelte Softwarelösung ThELMA nicht zu nutzen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass sich der Freistaat Thüringen von der seit über zehn Jahren vorangetriebenen Entwicklung eines eigenen digitalen Archivs mit dem Projektnamen ThELMA verabschiedet und sich dem DIMAGVerbund anschließen möchte und wenn ja, wie begründet die Landesregierung ihre Entscheidung auch hinsichtlich haushalterischer Grundsätze wie Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit?

2. Welche haushaltswirksamen und nicht haushaltswirksamen Kosten sind seit dem Jahr 2012 für das Gesamtprojekt ThELMA angefallen – bitte getrennt nach externen und internen Kosten, wie Personalkosten, in Jahresscheiben aufschlüsseln –?

3. Zu welchem Zeitpunkt wird die Thüringer Landesverwaltung über eine digitale Archivlösung verfügen, die mit den spezifischen Thüringer Umsystemen, unter anderem der E-Akte im Produktivmodus, interoperabel umgehen kann?

4. Wie geht die Landesregierung damit um, dass derzeit keine geeignete Lösung existiert, archivwürdige Daten der Landesverwaltung zu archivieren, obwohl das Thüringer Archivgesetz seit dem Jahr 2018 dieses fordert?

(Staatssekretärin Schenk)

Für die Landesregierung antwortet die Staatskanzlei, Herr Minister Hoff, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:

Der Lenkungsausschuss E-Government und IT hat am 26. Juni 2023 beschlossen, dass das Landesarchiv dem DIMAG-Verbund beitritt. Der Verbund ist ein Zusammenschluss von nunmehr zwölf Landesarchiven, mehr als 100 Kommunal- und Universitätsarchiven sowie einigen Schweizer Kantonsarchiven und dem Wiener Stadtarchiv. Die Softwarelösung wurde vom Landesarchiv Baden-Württemberg erstentwickelt und ist seit vielen Jahren produktiv. Es handelt sich hierbei um eine etablierte, praxisbegleitend entwickelte und erprobte Software, deren Weiterentwicklung von den Mitgliedern des Verbunds in Kooperation getragen wird und dem Verbund können nur öffentliche Archive beitreten. Es wird nicht gewinnorientiert gearbeitet.

Das seit 2012 von Thüringen konzipierte Projekt Digitales Magazin des Freistaats Thüringen – kurz ThELMA – hat sich aus archivfachlicher Sicht als nicht zukunftssicher erwiesen. Es handelt sich um eine landesinterne Insellösung, mit der die Aufgabe, dass digital entstandene und künftig entstehende Bestände in ihren historischen Entstehungskontexten rechtssicher überliefert werden, nicht gerecht werden kann. Bis 2022 konnte die Softwarelösung nicht produktiv gesetzt werden.

Insofern verstehe ich die Frage auch als eine Frage, die Sie möglicherweise schon als eine potenzielle Nachfrage stellen, warum wir nicht früher zu der Entscheidung gekommen sind, uns von dieser Lösung abzuwenden. Weil über einen längeren Zeitraum der Eindruck vermittelt wurde, als ob man kurz vor der Etablierung steht und es auch tatsächlich eine erhebliche Kontroverse darüber gegeben hat, ob man es sich vor dem Hintergrund der Kosten, die ich Ihnen gleich nenne, Gesamtkosten von fast 800.000 Euro, leisten kann auszusteigen oder nicht auszusteigen und zu einer DIMAG-Lösung zu wechseln. Ich sage, wir hätten früher den Schritt, den wir jetzt gehen, gehen müssen. Aus meiner Sicht muss man an einem bestimmten Punkt sagen: Selbst wenn und gerade weil schon erhebliche Mittel geflossen sind, will man, dass nicht noch mehr Mittel in eine nicht produktive Lösung gehen. Aus diesem Grunde ist an dem von mir genannten

Junidatum dieses Jahres die entsprechende Entscheidung getroffen worden.

Der Freistaat wäre, da er nicht Eigentümer, der Besitzer der Rechte am Schlüsselquellcode ist, an eine bestimmte Firma gebunden gewesen. Schon das spricht aus meiner Sicht dafür und, ehrlich gesagt, diese Information habe ich mir auch zu einem wahrscheinlich zu späten Zeitpunkt erst erarbeitet, dass man sagt, diese Offenheit muss man eigentlich haben und man kann sich nicht nur an eine Firma binden. Es wären weitere aktuell nicht abschätzbare, jedoch erwartbar erhebliche Aufwendungen und Kosten für die Weiterentwicklung der Software angefallen. Mit dem Beitritt Thüringens zum Verbund können überdies Lösungen für die Thüringer Kommunal- und Universitätsarchive – auch das Archiv des Thüringer Landtags – ermöglicht werden. Der Quellcode ist für DIMAG-Mitglieder frei zugänglich und kann an öffentliche Archive weitergegeben werden.

Zu Ihrer Frage 2: Welche Kosten sind angefallen? Ich habe bereits gesagt, es sind rund 800.000 Euro – über den Gesamtprozess seit 2012 – Mittel geflossen. Landeseigene Personalkosten sind aus dem Personalbestand des Landesarchivs geleitet worden und sie konnten in der Kürze der Zeit jetzt nicht im Einzelnen ermittelt werden. Ich glaube, dass aber vor dem Gesamtkontext dann klar ist, dass wir hier über nicht unerhebliche Mittel sprechen. Für die Infrastruktur in Form von Serverhardware und Speichersystemen wurden beim Landesrechenzentrum insgesamt 42.850 Euro aufgewandt.

Die Personalkosten im TLRZ sind interne Kosten, sie verteilen sich dann nach Jahresscheiben: 343 im Jahr 2015, 15.786 – 2016, 8.922 – 2017, 2018 – 10.981, 2019 – rund 8.000, 2020 – wiederum rund 10.000, 2021 – 20.500, 2022 – 14.400 und 2023 – 1.372 Euro.

Zu Frage 3: Die Verträge zum DIMAG-Beitritt werden im Oktober unterzeichnet. Im I. Quartal 2024 wird das TLRZ mit der Implementierung von DIMAG beginnen und es wird dann bis Ende 2026 schrittweise die Übernahme der elektronischen Unterlagen erfolgen können.

Und zu Frage 4: Für die Übergangszeit bis zur Inbetriebnahme von DIMAG wird ein tragfähiges Vorgehenskonzept zur rechtssicheren Übernahme und Speicherung von elektronischen Daten und Medien in Abstim

mung mit dem Landesdatenschutzbeauftragten bis zum Jahresende entwickelt. Das ist auch Auftrag der Sitzung des E-Government-Ausschusses vom Juni dieses Jahres gewesen.

Herr Kemmerich, Sie haben eine Nachfrage?

Ja, bitte. Eine Nachfrage: Welche Gesamtkosten verursacht die Einführung des DIMAG-Systems bis einschließlich der Inbetriebnahme in 2026?

Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten, würde ich nachsteuern.

Weitere Nachfragen sehe ich im Moment nicht. Dann schließe ich den Tagesordnungspunkt 41 und rufe erneut auf die Tagesordnungspunkte 30 und 31 sowie 34 bis 40, um die Wahlergebnisse bekannt zu geben.

Tagesordnungspunkt 30

Wahl sowie gegebenenfalls Ernennung und Vereidigung der beziehungsweise des Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/8710 -

Abgegebene Stimmzettel 87, ungültige Stimmzettel 0, gültige Stimmzettel 87. Auf den Wahlvorschlag entfallen 58 Jastimmen, 25 Neinstimmen, es liegen 4 Enthaltungen vor. Damit ist die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Landtags erreicht. Ich gratuliere Ihnen, Herr Dr. Wurschi, zu Ihrer Wahl.

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Nehmen Sie die Wahl an?

(Zuruf Dr. Wurschi: Ja. Danke für das Vertrauen!)

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Dann kommen wir nun zur Ernennung und Vereidigung von Herrn Dr. Wurschi.

Sehr geehrter Herr Dr. Wurschi, ich ernenne Sie mit Wirkung zum 21. November 2023 zum Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und übergebe Ihnen dazu die Ernennungsurkunde.

Ich komme nun zur Vereidigung und verlese den in § 4 Abs. 4 Satz 1 des Thüringer Aufarbeitungsbeauftragtengesetzes enthaltenen Text der Eidesformel. Sie können diese Eidesformel anschließend mit den Worten „Ich schwöre es.“ oder „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“ bekräftigen.

Die Eidesformel lautet: „Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch auszuführen, das Grundgesetz und die Verfassung des Freistaats Thüringen sowie die Gesetze zu achten und zu wahren und zu verteidigen.“

Dr. Wurschi:

Ich schwöre es.

Ich danke Ihnen und ich gratuliere recht herzlich, wünsche alles Gute im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Thüringens für Ihre Arbeit.

Dr. Wurschi:

Herzlichen Dank.

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, die Gratulationen sind so weit durch, die ich meinerseits von dieser Stelle noch nachholen möchte, ich konnte mich jetzt gerade nicht mit anstellen. Meinen herzlichen Glückwunsch, Herr Dr. Wurschi.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 31

Wahl eines Vizepräsidenten des Landtags Wahlvorschlag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/8692 -

Abgegebene Stimmzettel 87, ungültige Stimmzettel 0, demzufolge gültige Stimmzettel 87. Auf den Wahlvorschlag entfallen 31 Jastimmen, 53 Neinstimmen, es liegen 3 Enthaltungen vor. Damit ist die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen nicht erreicht.

Ich frage in Richtung der vorschlagenden Fraktion der AfD: Wird eine Wiederholung der Wahl mit dem vorgeschlagenen Wahlbewerber in der morgigen Plenarsitzung nach der Mittagspause gewünscht?

(Zuruf Abg. Braga, AfD: Ja.)

Das ist der Fall.

Tagesordnungspunkt 34

(Vizepräsidentin Lehmann)

Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses 7/4 „Mögliches Fehlverhalten der Landesregierung bei der Besetzung öffentlicher Ämter bei Staatssekretärinnen und Staatssekretären sowie Stellen von persönlichen Mitarbeitern in den Leitungsbereichen der Ministerien und der Staatskanzlei“ Wahlvorschlag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/8693 -