Deswegen, wenn wir gerade über Beschäftigte reden, weil es mir auch als linker Politiker wichtig ist, Sie haben schon wieder so eine Bürgergelddebatte hier eingestreut – das hat mit dem Haushalt gar nichts zu tun, das ist nicht unser Haushalt – und sagen im Prinzip, dass wir Leute finanzieren, die nicht arbeiten wollen, deswegen muss sich das verändern. Ich habe mir die Zahlen mal angeguckt. Sie haben das auch bei der Veranstaltung hier bei einer Podiumsdiskussion mit den Fraktionsvorsitzenden gesagt. Sie haben gesagt, wir bezahlen mit dem Bürgergeld 3,9 Millionen Menschen, die nicht arbeiten. Herr Voigt, das ist eine Lüge und es ist eine Unverschämtheit gegenüber den Leuten, die Bürgergeld empfangen.
58 Prozent der Bürgergeldempfänger gehen entweder arbeiten und verdienen nicht so viel, dass sie überhaupt das Existenzminimum erreichen, gehen in eine Ausbildung, die gefördert wird oder nicht gefördert wird, oder können nicht arbeiten, weil sie Verantwortung in der häuslichen oder familiären Pflege übernehmen und damit auch den Sozialstaat entlasten.
Diese Menschen – 58 Prozent, das sind mehr als 2 Millionen Menschen – diskreditieren Sie und beleidigen Sie und benutzen Sie für eine Spaltung in dieser Diskussion.
Das finde ich das Unverschämte; ich kann Sie im Prinzip nur auffordern, tatsächlich diese Politik auch zu beenden.
Lassen Sie mich zum Kommunalen Finanzausgleich auch einige Sätze sagen. Sie haben ja wieder gesagt: Wir lassen die im Regen stehen. Wissen Sie, Herr Voigt, ich habe mich im Sommer so amüsiert. Herr Maier, nehmen Sie es mir nicht übel, Sie haben sich hingestellt, Sie sind der Kommunalminister und haben gesagt: Wir müssen die Kommunen stärken, wir geben ihnen 320 Millionen Euro mehr. Herr Voigt hat sich dann hingestellt und gesagt: Danke, Herr Maier, dass Sie unsere Forderungen aufgenommen haben. – Ich finde es schön, ich finde diese Rhetorik schön, das unterhält mich. Aber wir haben seit 2013 einen § 3 Abs. 3a im Finanzausgleichsgesetz Thüringen. Also jeder, der wissen will, was im nächsten Haushalt für die Kommunen steht, braucht in diesen Paragrafen zu gucken. Da werden nämlich die Steuereinnahmen des Landes, die Steuereinnahmen der Kommunen für die drei vorangegangenen Jahre addiert und dann werden 37,1 Prozent ausgerechnet – vorhin hatten wir ja schon eine kleine Übung im Dreisatz – und das kriegen die Kommunen. Weder verspricht der eine, was er den Kommunen geben will, noch sagt der andere, dass er die Forderungen dessen erfüllt, sondern es ist gesetzliche Realität.
Und wer glaubt, dass die kommunalen Finanzen, der Partnerschaftsgrundsatz, der da zum Ausdruck kommt, verändert werden müssen, der muss ein Gesetz hier in den Landtag einbringen und muss diese Zahl verändern. Das haben Sie auch nicht gemacht. Warum haben Sie das nicht gemacht? Weil Ihnen dieses politische Feld viel lieber ist, als wirklich konstruktiv über den Kommunalen Finanzausgleich zu reden,
(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Sie haben fast zehn Jahre den Kommunalen Finanzausgleich blockiert!)
weil Sie lieber darüber reden wollen, dass das Land die Kommunen tatsächlich belastet. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal die Zahlen: 4,658 Milliarden Euro fließen aus diesem Haushalt an die Kommunen. Das sind 35 Prozent der Gesamtausgaben dieses Haushaltsentwurfs, der an die Kommunen geht, innerhalb des Finanzausgleichs, der noch nie so hoch war wie in diesem Jahr, im kommenden Jahr 2,861 Milliarden Euro und dann noch einmal 1,797 Milliarden Euro an Zuweisungen an Gemeinden und Kommunen außerhalb des Finanzausgleichs.
Dazu – das wurde auch schon angesprochen – kommen die eigenen Steuereinnahmen auch auf Rekordniveau von über 2 Milliarden Euro. Natürlich weiß ich, Herr Voigt, was im Durchschnitt an guter Finanzausstattung der Kommunen feststellbar ist und – auch wenn der Rechnungshof, dem Sie ja so viel Vertrauen schenken, auch Ihnen immer wieder sagt, die Kommunen haben kein Finanzierungsdefizit –, dass das für
die einzelnen Kommunen im Einzelfall natürlich nicht immer zutreffen mag. Deswegen müssen wir auch über Strukturen reden, deswegen müssen wir auch über Veränderungen reden – genauso wie beim Land auch auf kommunaler Ebene, weil nicht jede Problemlage, die aus diesen Strukturen erwächst, mit immer noch mehr Geld gelöst werden kann. Das ist aber Ihre Politik und das ist zum Teil auch die Politik der kommunalen Spitzenverbände.
Das finde ich auch bedauerlich, weil klar ist, dass es keine Zukunftsfestigkeit, keine Zukunftsstabilität hat, weil Geld eben auch – und das haben Sie ja deutlich gemacht – endlich ist. Das heißt, nicht jedes strukturelle Problem kann mit mehr Geld gelöst werden, das gilt für das Land genauso, wie für die Kommunen. Deswegen lassen Sie uns sachgerecht über den Kommunalen Finanzausgleich reden.
Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, der Entwurf der Landesregierung zeigt den verantwortungsvollen Umgang mit der Lage öffentlicher Haushalte, aber er zeigt noch mehr. Er zeigt auch, wie die Landesregierung bereit ist, unter schwierigen Voraussetzungen zu gestalten. Ich bin froh, wenn ich in den Haushalt hineingucke, dass ich dort die Stabilisierung bestehender Strukturen und Aufgaben finde, weil die die Voraussetzung dafür sind, dass wir uns auf öffentliche Leistung, die uns allen als Menschen in diesem Land zur Verfügung steht, auch in Zukunft noch stützen können, sei es in der Bildung, bei der sozialen Sicherung, bei der Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt, bei der Betreuung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, in der Kultur oder bei den notwendigen Aufgaben des Klimaschutzes.
Deswegen will ich Ihnen vielleicht in einzelnen Punkten noch mal deutlich machen, wie qualitativ dieser Haushaltsentwurf ist und dass es eben nicht gerechtfertigt ist, mit so einer Rede auf diesen Entwurf zu reagieren. Mit 3,873 Milliarden Euro werden 280 Millionen Euro mehr im nächsten Jahr ausgegeben für die Bereiche Wissenschaft, Forschung, Kultur und vor allem Bildung. Das sind 30 Prozent des Landeshaushalts für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Kultur. Ich könnte jetzt viel zu den einzelnen Punkten sagen, mit Blick auf die Uhr lasse ich das weg. Sie können das alles nachlesen. 1,843 Millionen und 160 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr sollen im Jahr 2024 für die soziale Sicherung, für Familie, für Jugend, für Arbeitsmarkt
ausgegeben werden. Da sind viele wichtige Programme dabei, die genau die Menschen erreichen, die eben von den hohen Preisen besonders belastet sind und die die Unterstützung der Gemeinschaft in der Gesellschaft zwingend notwendig haben, ob in der Familienförderung, beim solidarischen Zusammenleben der Generationen, in der Seniorenförderung, beim Behindertengeld, beim AGATHE-Landesprogramm oder bei der Förderung des Ehrenamts, die ausgebaut wird. Man kann noch ganz viel aufzählen, auch die Krankenhausinvestitionen – sicherlich nicht in der Gesamthöhe zur Zufriedenheit der Gesundheitsministerin gelöst, aber auch da wird deutlich investiert.
Wenn Sie sich mal die Zahlen für den Katastrophenschutz anschauen, die sind seit den letzten Jahren, seit 2014, enorm gewachsen und die werden auch im nächsten Jahr weiter wachsen, um weitere 33 Millionen Euro im gesamten Bereich der öffentlichen Sicherheit, also Polizei, Feuerwehren und Katastrophenschutz.
Wenn Sie sich auch mal die Wirtschaftszahlen angucken: Wir sichern die Kofinanzierung vom Bundes- und Europaförderprogramm. Das ist eine wichtige Aussage in diesem Haushalt, wenn Sie das nicht mehr wollen, kann der Haushalt sofort um mehrere Hundert Millionen gekürzt werden, aber es ist ein wichtiges Signal an die Thüringer Wirtschaft: Wir stehen dazu, unsere Verantwortung, die Kofinanzierung, sicherzustellen. Ich bin auch Herrn Wirtschaftsminister Tiefensee dankbar, dass er Ihrem Rote-Laterne-Gerede mit dem
Interview in dieser Woche ein Zeichen entgegengesetzt und mal Zahlen aufgelegt hat. Wie wollen Sie denn Unternehmen motivieren, in Thüringen zu investieren, oder Gewerbe anzumelden und neu zu gründen, wenn Sie einfach sagen: Hier ist kein Umfeld für Investitionen? Die Unternehmer in Thüringen beweisen Ihnen doch das Gegenteil. Wir haben mehr Gewerbeanmeldungen als in anderen Bundesländern, ich glaube, fünfter Rang sind wir. Wir haben auch in diesem Jahr schon mehr Gewerbeanmeldungen als Gewerbeabmeldungen. Das heißt, das, was Sie hier immer wieder erzählen, hat mit der Realität von Menschen, die versuchen, Unternehmen zu gründen, sich selbstständig zu machen, überhaupt nichts zu tun.
Ich habe Volkswirtschaft studiert und nicht Betriebswirtschaft, aber ich weiß und höre das ja auch oft in vielen Diskussionsrunden und Talkrunden im Fernsehen, dass Wirtschaftspolitik vor allem eins ist: nämlich Psychologie.
Die Unternehmensentscheidung hängt nicht von 1,5 Prozent Grunderwerbsteuer ab, die hängt auch nicht von dem Wachstumschancengesetz ab, die hängt auch ein bisschen davon ab, welches politische, klimatische Umfeld herrscht und wie über Wirtschaft gesprochen wird. Wie offen ist eine Gesellschaft auch für Unternehmertum. Aber wenn natürlich die größte Volkspartei jenseits rechts der Mitte wie immer signalisiert: Es ist alles ganz schlecht, kommen Sie ja nicht her, hier herrscht ein wirklich schlechtes unternehmerisches Klima! Dann werden Sie tatsächlich auf der Seite der Psychologie so viele Negativpunkte säen, was Sie dann an negativer Wirtschaftsentwicklung in den nächsten Jahren auch ernten werden. Das ist eben auch unverantwortlich gegenüber den Menschen in diesem Land.
Es mag sich für Sie gut anhören, dass Sie mit dem Finger auf die Landesregierung zeigen, aber es ist schlecht für das Wirtschaftsklima und es ist auch schlecht für die Wirtschaftsentwicklung in diesem Land.
Meine Damen und Herren, ich habe ein paar Punkte zum Haushalt genannt, ich habe mich natürlich auch an der CDU abgearbeitet, so gehört sich das auch für eine ordentliche politisch-parlamentarische Rede. Ich will natürlich auch die Frage beantworten, die Sie mir noch nicht gestellt haben, aber die vielleicht Journalisten irgendwann stellen: Herr Dittes, sind Sie denn mit diesem Haushaltsentwurf rundum zufrieden, eigentlich? Sie verteidigen den so und kritisieren die Kritik daran. Dann kann ich sagen: Natürlich bin ich mit dem Haushaltsentwurf der Landesregierung nicht zufrieden. Ich wäre ein schlechter Politiker, ich wäre ein schlechter Vertreter auch der Menschen, die in Thüringen leben, wenn ich da reingucken und sagen würde: Er macht mich glücklich und ich bin damit zufrieden. Ich kann mir an vielen Stellen tatsächlich auch weitere Initiativen vorstellen.
Der Haushalt, so, wie er vorgelegt ist, bildet nicht mal im Ansatz die gesellschaftlichen Herausforderungen ab, aber das kann er auch nicht, und das ist auch nicht die Verantwortung der Landesregierung, sondern wir müssen, wenn wir über den Haushalt reden, und auch über zukünftige Jahre, über das Missverhältnis zwischen den Finanzbeziehungen des Bundes und der Länder reden. Wir müssen darüber reden, wie immer mehr Entlastungen für Unternehmen zu Belastungen bei Leistungen für die führen, die auf Leistungen angewiesen sein werden, und wir müssen darüber reden, dass wir Investitionen, Transformationsentscheidungen in die Zukunft verlagern und damit wirklich Gefahr laufen, Rote Laterne zu sein oder Lebensgrundlagen zu zerstören. Deswegen bin ich natürlich nicht zufrieden, aber wir werden es auch nicht lösen, ich weiß, wie beschränkt wir auf Landesebene sind. Ich weiß aber auch, dass wir eines nicht machen dürfen angesichts
der Beschränktheit öffentlicher Haushalte: Dass wir aufhören sollten, Politik für die Menschen in diesem Land zu machen. Deswegen ist es richtig auch zum Zeitpunkt, wo wir noch nicht 100 Prozent sagen können, wie wir es finanzieren können, mit dem Kindergartengesetz hier in die Debatte zu gehen, weil wir zunächst mal darüber reden müssen, wie wir Bildung, frühkindliche Bildung, vorschulische Bildung weiterentwickeln. Wenn wir uns darüber einig sind, dann finden wir auch einen Weg zur Finanzierung.
Herr Tischner, da muss ich Ihnen ehrlich sagen, dann habe ich Ihre Pressemitteilung in die Hand bekommen. Da schreiben Sie: „Die CDU-Fraktion wird sich nicht an dieser Schaufensterpolitik beteiligen.“ – Sie meinen damit das Kindergartengesetz von Rot-Rot-Grün. – „Kindergärten und Familien dürfen nicht zum Spielball politischer Profilierungssucht werden.
Nur einen Tag nach dem finanzpolitischen Offenbarungseid der Ramelow-Regierung will die linksgrüne Koalition den Landeshaushalt mit zusätzlichen Ausgaben von jährlich mindestens 49 Millionen Euro dauerhaft belasten.“ Das war Ihre Kritik.
Das war Ihre Kritik: Man darf Kindergärten, Eltern, Entlastungen bei Kindern nicht zum Thema im Wahlkampf machen usw. und außerdem sind 49 Millionen Euro, die da vorgeschlagen sind, also praktisch ein finanzpolitischer Offenbarungseid.
Einen Tag nach Ihrer Pressemitteilung habe ich diesen Brief in der Hand gehabt, den Sie an alle Kindergärten geschickt haben – einen Tag danach. Und ich lese mal vor, was Sie machen: „Mehr Zeit für unsere Jüngsten – für eine gute Betreuung und Förderung“. Das ist im Prinzip der Wahlkampfslogan der CDU, steht hier schon drauf: Neue Kraft für Thüringen. Das schicken Sie an alle Kindergärten. Und wissen Sie, was Sie darin versprechen? Kurzfristig wollen wir den Betreuungsschlüssel bei den unter Dreijährigen auf eins zu sechs und bei den über Dreijährigen auf eins zu zwölf verbessern, mittelfristig streben wir bei den über Dreijährigen sogar den Personalschlüssel von eins zu zehn an.
Da habe ich Fachleute bei uns in der Fraktion angerufen und gesagt: Sage mal Torsten Wolf, wie viel kostet das eigentlich? Über 100 Millionen! Das unterschreiben Sie, der einen Tag vorher, Herr Tischner, einen Tag vorher eine Pressemitteilung abgibt, dass man Kindergärten nicht in den Wahlkampf ziehen darf und dass es unverantwortlich ist, Forderungen von 49 Millionen Euro in den Raum zu stellen, um das am nächsten Tag zu machen.
Herr Tischner, entschuldigen Sie bitte, das ist wirklich Populismus und nicht sachgerechte Diskussion.
Ich würde es sogar noch verstehen, wenn Sie überhaupt den Gesetzentwurf in diesen Thüringer Landtag einbringen würden und wir könnten darüber diskutieren, wie wir das im Haushalt finanzieren. Aber das
machen Sie nicht, Sie legen keinen Gesetzentwurf vor. Sie schreiben lieber Briefe, auf der einen Seite versprechen Sie Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern das Blaue vom Himmel und auf der anderen Seite kritisieren Sie Rot-Rot-Grün dafür, dass sie mit einem Gesetzentwurf in die öffentliche Debatte darüber gehen, wie vorschulische Bildung weitergehen soll. Das ist unseriös, Herr Tischner, und das wissen Sie.