Protokoll der Sitzung vom 14.09.2023

(Beifall Gruppe der FDP)

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Wir helfen Ihnen dabei!)

Na, das will ich mal sehen. Also mal ein kurzer Einschub: Sparen durch Mehrausgaben hat nie funktioniert. Ich habe es schon öfters gesagt, und momentan erscheint es ja so, dass Sparen durch Mehrausgaben an vielen Stellen der Vortrag ist, den man uns vorhält. Dass wir das nicht täten.

Ja, meine Damen und Herren, wir haben im Haushalt 2024 ein strukturelles Defizit, das heißt, wir geben mehr Geld aus, als wir in den laufenden Einnahmen haben. Und da eine Kreditaufnahme sowohl rechtlich nicht möglich, aber eben auch von uns nicht gewollt ist, bleibt der Rückgriff in die Rücklage.

Und das, meine Damen und Herren, finden wir, ist auch angezeigt. Alle meine Kolleginnen und Kollegen im Kabinett haben eine Vielzahl an durchaus sinnvollen Projekten und Maßnahmen bei mir für 2024 angemeldet. Vieles davon wurde bereits in den Vorjahren auf den Weg gebracht, vieles davon entspringt auch – und das will an alle sagen – aus diesem Hause. Am Ende lagen mir Bedarfe von oberhalb der für 2024 erwarteten Einnahmen in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro vor.

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft: Milliarden!)

(Ministerin Taubert)

Milliarden, Entschuldigung. Ja, die 1,8 Millionen hätten wir hinbekommen, Herr Tiefensee, danke schön.

1,8 Milliarden Euro, meine Damen und Herren. Nun sind die Mehrforderungen nicht homogen und auch nicht durchweg von der Hand zu weisen, sie umfassen zum Beispiel Mehrbedarfe aufgrund bundes- und landesgesetzlicher oder auch vertraglicher Verpflichtungen. Es betrifft massive Verpflichtungen aus Vorbindungen früherer Jahre, es betrifft aber auch politische Projekte, auch solche, die hier im Haus beraten wurden. Und das, meine Damen und Herren, war die Ausgangslage.

Wir haben dann mit den Kabinettsmitgliedern in zwei, drei und auch in mehr Runden um diese Haushaltsanmeldungen gerungen und verhandelt und am Ende steht ein Kompromiss, wie so häufig, wenn man Wünschenswertes mit dem Möglichen verbinden muss. Und genau das ist der heute einzubringende Landeshaushaltsentwurf 2024. Es ist ein Kompromisshaushalt, von meiner Seite ein durchaus schmerzhafter Kompromiss und – so denke ich – auch von anderer Seite, aber einer, der für das kommende Jahr trägt.

Klar ist auch, dass wir nach momentaner Lage nicht wissen, ob wir 2025 so einen Kompromiss wieder hinbekommen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Vielleicht sind einige nicht mehr dabei!)

Wer war denn das? Kann ja sein, dass manche nicht mehr dabei sein, ja, ist gut, aber trotzdem gibt es einen Thüringer Landtag und es wird eine Thüringer Landesregierung geben, also sind wir trotzdem kollektiv im Boot.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist eben so, wenn der Einzelne sich ein bisschen zu wichtig nimmt, dann muss man da einspringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen signifikanten Überschuss, wie wir im Jahr 2022 im Vollzug hatten, kann ich in 2023 nicht erwarten. Das liegt natürlich daran, dass der Anstieg der Steuereinnahmen vor dem Hintergrund auch der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland an Dynamik verloren hat. Aber, meine Damen und Herren, ich will auch das ganz genau sagen: Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas und wir sind es in Thüringer auch nicht. Die gestrige Diskussion zu diesen drei Aktuellen Stunden hat sehr deutlich gemacht, dass man auch Prophezeiungen wahrwerden lassen kann, wenn man nur lange genug sagt, dass es wahr wird. Und wir wissen, wie sensibel die Wirtschaft ist, deswegen gerade von Parteien, die sich immer nah an der Wirtschaft meinen, sollte man da ein kleines bisschen vorsichtiger sein und nicht nur auf den kurzen politischen Erfolg setzen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht wurden in bester Absicht vormals freiwillige Leistungen in gesetzliche verhärtet, es wurden Leistungsversprechen ausgeweitet und es wurden Verpflichtungsermächtigungen in zu großem Umfang ausgebracht.

(Beifall Gruppe der FDP)

Es wurden auch Neueinstellungen beim Personal vorgenommen. – Ja, da waren Sie auch mit dabei. Also es ist nicht so, dass niemand dabei war. Wer jetzt klatscht, der weiß, dass er auch mit dabei war.

Aber, meine Damen und Herren, all das führt nun in Summe dazu, dass sich das Ausgabe-Ist dem Ausgabe-Soll annähert und selbst beim besten Willen in den Haushaltsverhandlungen nicht alle Mehrbedarfe

(Ministerin Taubert)

durch Einsparung an anderer Stelle ausgeglichen werden konnten. Es ist daher die dringende Aufgabe der Landesregierung und des Landtags, der Verfestigung des Landeshaushalts keinen weiteren Vorschub zu leisten, mögen die politischen Projekte auch noch so wünschenswert sein. Gewinnen wir nicht ein Stück weit Flexibilität in der Gestaltung des Landeshaushalts zurück, wird es in den kommenden Jahren nur noch mit Leistungskürzungen, Einstellungsstopp oder dem Auslaufen von Projekten möglich sein, einen Haushaltsausgleich zu erreichen. Dieses schmerzhafte Unterfangen, das muss ich ehrlich sagen, sollten wir uns ersparen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, 1 Milliarde Euro waren am Ende notwendig, um den Haushaltsausgleich herzustellen. Im Übrigen könnte man die Haushaltsrede heute auch abkürzen, indem man sagt, wir nehmen den Haushalt 2023, der schon mit einer Rücklageentnahme von 752 Millionen Euro belastet war, und legen die Mehrausgaben im Partnerschaftsgrundsatz und im Kommunalen Finanzausgleich von 270 Millionen Euro drauf. Dann sind wir schon bei dieser Milliarde Euro und das wäre schon die ganze Geschichte dieses Haushalts. Aber es ist natürlich so, mich beunruhigt das schon eingedenk der Tatsache, dass wir natürlich auch für die kommenden Jahre schauen müssen, wie wir den Haushaltausgleich hinbekommen.

Wir haben den Haushalt wirklich fristgerecht eingebracht, auch wenn sich mancher zumindest so ausgedrückt hat, dass er zu spät gekommen wäre. Mir ist aber durchaus bekannt, dass die meisten tatsächlich im August noch im Urlaub waren und man das nur unter das Kopfkissen gelegt, aber nicht hineingeschaut hätte, also insofern rechtzeitig eingebracht. Wir hoffen, dass er hier im Landtag jetzt auch rechtzeitig vor Jahresende nach der Beratung verabschiedet werden kann und sich alle, die von diesem Haushalt abhängig sind – und das sind wirklich sehr viele –, auch sicher sein können, dass es im nächsten Jahr geordnet weitergeht.

Gestatten Sie mir bitte ein paar inhaltliche Anmerkungen. Im Wesentlichen ist der Haushaltsentwurf – ich habe es gesagt – die Absicherung von Maßnahmen, die schon in früheren Jahren eingeleitet, neu aufgesetzt oder erweitert worden sind und in den Haushaltsjahren 2022 und 2023 verankert wurden. Es kommen natürlich Ausgabenaufwüchse dazu. Da ist die verpflichtende und aus meiner Sicht auch nicht disponible

Wiederaufnahme der Tilgung der Coronakredite in Höhe von 157,7 Millionen Euro in 2024, wir haben in erheblichem Umfang Vorsorge für mit hoher Wahrscheinlichkeit wachsende Personalausgaben aufgrund bevorstehender Tarifverhandlungen treffen müssen, und unsere Zahlungen an die kommunale Familie – ich hatte es erwähnt – sind letztlich um mehr als 300 Millionen innerhalb und außerhalb des KFA gestiegen, und das nur im engeren Sine. Allein diese drei Positionen erklären den weit überwiegenden Teil des Aufwachsens.

Da der Kommunale Finanzausgleich ein gewichtiges Volumen in unserem Gesamthaushalt hat, lassen Sie mich noch einige Worte zu dem gleichzeitig mit dem Haushalt 2024 eingebrachten Gesetz zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes sagen. Dieser Gesetzentwurf stellt sicher, dass der aktuell geltende Partnerschaftsgrundsatz ausreichende Finanzmittel bereitstellt. Wir haben also den Partnerschaftsgrundsatz nicht neu erfunden, sondern in bewährten Regelungen fortgeschrieben. Dabei fanden die erheblichen Preissteigerungen insbesondere im Bereich der Energie- und der Personalkosten bei der Überprüfung umfassend Berücksichtigung.

Die über den Partnerschaftsgrundsatz regelgebundene bestimmte Höhe der Finanzausgleichsmasse I reicht mit den weiteren seitens des Landes zur Verfügung gestellten Finanzmitteln, den sogenannten Anlage-3Mitteln, aus, um die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises in einem Ausmaß zu finanzieren, das eine

(Ministerin Taubert)

ordnungsgemäße Aufgabenerledigung seitens der Gesamtheit der Kommunen sicherstellt. Die von den kommunalen Spitzenverbänden geäußerte Kritik lässt wirklich außer Acht, dass neben den unbestrittenen Kostensteigerungen vor allem bei Energie und Personal auch erhebliche Steuermehreinnahmen gerade aufgrund der inflationären Entwicklung auf kommunaler Ebene zu verzeichnen sind. Das heißt, den steigenden Kosten stehen auch steigende Steuereinnahmen gegenüber. Die eigenen Steuereinnahmen sind für die Finanzierung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises einzusetzen. Dem Land obliegt in diesem Bereich über den KFA nur die ergänzende Finanzierung.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Finanzausgleichsmasse im Jahr 2024 auf insgesamt 2,86 Milliarden Euro und damit um 270 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2023 steigen. Allein 85 Millionen Euro des Anstiegs vollziehen sich dabei in der FAG-Masse II – das ist der sogenannte Mehrbelastungsausgleich für staatliche Aufgaben, die übertragen wurden –, mit der die Mehrbelastungsausgleichspauschalen des übertragenen Wirkungskreises finanziert werden.

Meine Damen und Herren, noch bevor der Haushaltsentwurf im Detail vorlag, ist er natürlich – wie das oft so ist – von allen kritisiert worden. Es sind diejenigen, denen

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe nichts Schlimmes gesagt! Ich war es nicht!)

es für bestimmte Politikbereiche nicht genug Geld ist. Dann gibt es die anderen, die finden, dass wir viel zu viel Geld ausgeben und damit Hürden für die kommenden Jahre aufstellen. Und schlussendlich gibt es diejenigen, die beides wollen, nämlich die Rücklage unangetastet lassen und zugleich mehr Geld ausgeben wollen. Vertreter aller Richtungen finden sich natürlich auch hier bei uns im Hause. Deswegen bin ich auf diese Diskussion im Thüringer Landtag sehr gespannt.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine kleine Textaufgabe zum Schluss. Sie können das dann auch nachlesen und vielleicht auch mal berechnen, die jungen Leute, die auf der Galerie sitzen: Im Thüringer Haushaltsentwurf sind ca. 48.000 Stellen ausgebracht, davon sind zum Stichtag 30.06.2023 44.000 mit Beschäftigten besetzt. Das Thüringer Finanzministerium berechnet die Personalkosten, indem die Ist-Kosten aus dem Vorvorjahr zugrunde gelegt werden und voraussichtliche gesetzliche und tarifliche Steigerungen hinzugerechnet werden. Eine Gruppe im Landtag möchte die Personalkosten massiv senken und im Sinne eines schlanken Staates 20.000 Stellen streichen. Die damit eingesparten Mittel möchte sie für ihre eigenen Projekte in Form neuer Zuschüsse und Steuersenkungen ausgeben.

(Zwischenruf Abg. Reinhardt, DIE LINKE: Für Mountainbikes!)

Die drei stellenstärksten Ministerien haben im Stellenplan folgende Stellen ausgewiesen: Da ist zum einen der Einzelplan 03 – das ist Innere Sicherheit, Polizei – mit 9.289 Stellen, dann ist der Einzelplan 04 – wir nennen ihn Bildungshaushalt – mit 22.082 Stellen ausgewiesen und der Einzelplan 05 – Justiz, Verbraucherschutz, Migration – dort sind 4.321 Stellen ausgebracht. Nun meine Fragen, die zu beantworten wären: Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Stellen in den Einzelplänen 03, 04 und 05 an der Anzahl der Gesamtstellen im Haushaltsentwurf 2024? Zweitens: Wie hoch ist der absolute Anteil an Stellen in den Einzelplänen 03, 04 und 05 an der Anzahl der Gesamtstellen im Haushaltsentwurf 2024? Frage 3: Wie verteilen sich die 20.000 einzusparenden Stellen auf die Einzelpläne 03, 04 und 05 sowie den restlichen Haushalt 2024, wenn der prozentuale Anteil der jetzigen Verteilung der Stellen im Haushaltsentwurf 2024 zugrunde gelegt wird? Und Frage 4 als Denkaufgabe: Welche Aufgaben des Staates will die Gruppe streichen? Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerin Taubert)

Sehr geehrte Damen und Herren, bevor ich die Aussprache eröffne, noch ein kleiner Hinweis: Ich habe vor, kurz vor 11.00 Uhr unsere Sitzung zu unterbrechen. Sie alle wissen, dass uns um 11.00 Uhr ein Alarmsignal erreichen wird, und um zu vermeiden, dass wir alle einen Ordnungsruf bekommen, werde ich kurz vor 11.00 Uhr unterbrechen und wir setzen dann aber gleich kurz nach 11.00 Uhr wieder fort. Damit eröffne ich die Aussprache. Das Wort erhält für die CDU-Fraktion Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht wäre das Alarmsignal mal vor 9.00 Uhr nötig gewesen, Frau Taubert. Ich darf Ihnen sagen, erst mal Ihnen und stellvertretend all denjeni

gen, die versucht haben, in den Ministerien einen vernünftigen Haushalt aufzustellen, zumindest Dank für den Einsatz für Ihre Arbeit. Eine finanzpolitische Vision oder eine inhaltliche Vision für dieses Land habe ich jetzt heute hier nicht gehört. Trotzdem herzlichen Dank für Ihren Einsatz, Frau Taubert!

(Beifall CDU)

Wenn wir auf die politische Lage blicken, dann blicken wir – und das machen die Bürger in diesem Land genauso hoffentlich wie Regierungsverantwortliche – auf das Thema „Krieg“, wir blicken auf das Thema „Teuerung“, wir blicken auf das Thema „Wirtschaftskrise“. Wir haben reale Kaufkraftverluste bei der Bevölkerung von 200 bis 300 Euro im Monat. Wir haben eine Situation, wo wir hohe Energiepreise haben. Das führt dazu, dass die Menschen diese schwierige politische Lage spüren, dass sie den Gürtel enger schnallen und dass sie sich aufs Wesentliche konzentrieren. Die sehen die Herausforderungen dieser Zeit.

Was wir heute hier diskutieren, ist ein Landeshaushalt, wo eine Landesregierung nicht nur neun Jahre Regierungsverantwortung trägt, sondern wir sehen einen Landeshaushalt, der all das, was die normalen Bürger in diesem Land machen, nämlich sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nicht macht. Dieser Landeshaushalt ist nichts anderes – und das will ich gleich am Anfang sagen – als ein Haushalt der Verantwortungslosigkeit, ein Haushalt, der ein finanzpolitischer Offenbarungseid ist und der im Prinzip eines offenbart, es ist die Bankrotterklärung einer Regierung, die keine Idee mehr hat, wo dieses Land hingehen

soll.

(Beifall CDU)

Ich weiß, Sie regen sich dann immer auf, zu harte Urteile, jetzt höre ich wieder Kontrollverlust und was auch immer.

(Zwischenruf Taubert, Finanzministerin: Das haben Sie gesagt!)