Unser vorliegendes Änderungsgesetz zum Kindergartengesetz bringt nämlich genau diese Chance mit sich, die Betreuung und Bildung in unseren Thüringer Kindergärten zu verbessern, und zwar im Wesentlichen in drei Punkten.
Erstens: Wir wollen die Betreuungsqualität verbessern, aber so richtig. Zweitens: Wir wollen die Bildungsgerechtigkeit, die so dringend notwendig ist, in Thüringen verbessern, und zwar durch die Einführung eines weiteren beitragsfreien Jahres. Und wir wollen noch mehr Qualität reinbringen, und zwar durch das Zentrum für frühkindliche Bildung.
Aktuell haben wir einen Betreuungsschlüssel, der tatsächlich etwas kompliziert daherkommt. Ja, das ist so. Aber unter der damaligen CDU-Regierung war dieser Personalschlüssel noch so dermaßen katastrophal, das kann man sich gar nicht ausdenken. Ich musste unter Ihrer Regierung allein mit 21 Schulanfängern arbeiten. Das ist katastrophal und Rot-Rot-Grün hat das in den letzten Jahren schon verändert.
Wenn Sie heute zu mir in den Kindergarten kommen, übergebe ich Ihnen als Kindergartenleiter aktuell 12 Kinder im Alter von drei Jahren oder 14 Kinder, die vier sind, oder 16 Kinder bis Schuleintritt.
Das müssen Sie im Übrigen als ungelernte Kraft, Herr Voigt, also im Kindergarten, von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr schaffen. Im Krippenbereich ist es aus meiner Sicht noch ein bisschen prekärer. Da müssen Sie beispielsweise, Herr Voigt, aktuell mit sechs Kindern, die ein Jahr alt sind, allein klarkommen. Sie müssen also mit den sechs einjährigen Kindern essen, laufen, wickeln, spielen, schlafen, zu unterschiedlichen Zeiten im Übrigen, immer noch wickeln, freundlich sein, hochnehmen, trösten, rausgehen, schlafen, immer noch wickeln und Sie müssen immer noch den Eindruck vermitteln, dass Sie den Kindern heute einen tollen Tag serviert haben, dass Sie den Kindern heute etwas beigebracht haben.
Wenn die Kinder zwei bis drei Jahre alt sind, sind es eben acht Kinder. Ich kann nur, und ich glaube auch wir, den Erzieherinnen und Erziehern in unseren Kindergärten jeden Tag Respekt zollen für diese großartige Arbeit, die sie leisten.
Es gibt genügend Belege aus der Wissenschaft, von den Eltern, von gestressten Kolleginnen und Kollegen, die zeigen, dass wir etwas am Kindergartengesetz ändern müssen. Das haben wir gemacht, und zwar werden wir als rot-rot-grüne Fraktion den Personalschlüssel der Kinder von drei bis Schuleintritt verbessern, und zwar nicht nur irgendwie, sondern auf den Personalschlüssen von eins zu zwölf.
Das ist einerseits ein Abbau von Bürokratie, weil wir diese unterschiedlichen Personalschlüssel nicht mehr brauchen, und es ist im Übrigen auch ein ganz schönes Pfund. Ich will Ihnen mal sagen, was das konkret heißt. 1.221 neue Erzieherinnen und Erzieher brauchen wir im Freistaat Thüringen, um das umzusetzen. Mal im Gesamtmaß der aktuellen Zahlen, Herr Tischner: Wir haben gerade im System Kindergarten 11.800 VbE an Erzieherinnen. Das sind ungefähr 12.000 Erzieherinnen und die müssen nach den aktuellen Planungszahlen 88.400 Kinder betreuen. 1.200 neue Erzieherinnen bei einem Gesamtstand von über 12.000: Das nenne ich mal ein ganz schönes Pfund. Das sind nämlich über 10 Prozent und das Ganze kostet natürlich aus etwas. Über 72 Millionen Euro müssen wir für diese einfachere Personalschlüsselverbesserung aufbringen. Um es gleich vorwegzunehmen: Ja, leider werden wir im Krippenbereich aktuell keine Veränderungen vornehmen.
Wer aber die Bierdeckelberechnung der CDU als das Maß der Dinge nimmt, der irrt, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Denn wenn man den Vorschlag der CDU wirklich ernst nehmen würde, müsste man zu unserer Personalschlüsselung noch mal über 3.000 neue Erzieherinnen und Erzieher hinzurechnen, also über 4.200 neue Erzieherinnen. Das ist fast die Hälfte von denen, die gerade im Dienst sind. Wir haben jetzt schon die Träger und die Kindergärten, die darüber klagen, dass sie nicht genügend geeignete Erzieherinnen und Erzieher finden. Wie das dann umgesetzt werden soll, ist mir fraglich. Deshalb haben wir als Linke, um eine realistische und glaubwürdige Politik zu machen, erstens diesen Personalschlüssel gewählt und zweitens auch eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeführt.
Ich komme nun noch mal zum Thema „Bildungsgerechtigkeit“. Auch in diesem Politikfeld schlägt unser Gesetz mit einem ganz schönen Pfund auf. Und zwar schlagen wir vor, das dritte beitragsfreie Jahr einzuführen.
Da sind uns unsere Nachbarbundesländer im Übrigen schon ein bisschen weiter voraus – nur mal so als Einwand. Und jetzt zu der Argumentation, dass das kostenfreie Kindergartenjahr ungerecht wäre, weil die, die viel verdienen, jetzt auch 150 Euro im Monat sparen. Da kann ich nur sagen: Schalten Sie doch bitte mal Ihren Verstand ein! Die Kindergartengebühr ist doch nicht dafür da, einen steuerlichen Ausgleich zwischen Gut- und Schlechtverdienenden herzustellen. Die Kindergartengebühr ist dafür da, die Betriebskosten und sonstigen Kosten der Kindergartenträger zu bezahlen. Wenn wir in Deutschland eine Steuergerechtigkeit herstellen wollen, dann müssen wir an die Einkommenssteuer, an den Spitzensteuersatz ran, und wir müssen Großkonzerne ordentlich besteuern.
Wenn wir das gemacht haben, können wir die gesamte Republik kostenfrei stellen, aber doch nicht mit den Gebühren unserer Kindergärten. Und wer denkt, die erhobene Kindergartengebühr würde irgendeine Steuergerechtigkeit darstellen oder eine gerechte Verteilung von Lasten, der irrt. Denn neben dem Bildungsauftrag sind doch unsere Kindergärten die Institutionen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf herstellen sollen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Das heißt also, wenn wir dort rangehen – was wir machen wollen –, entlasten wir all jene, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen müssen, weil sie für uns arbeiten müssen. Thüringen kann es sich nicht leisten, auch nur auf eine Arbeitnehmerin und einen Arbeitnehmer zu verzichten. Deswegen müssen wir hier ran.
Ich kann es auch niemandem mehr erklären, wie diese unfairen Lasten in der Gesellschaft anders verteilt werden können. Hier müssen wir ran, werte Kolleginnen und Kollegen, hier im Landtag.
Dann noch mal zu den Fakten: Es gibt doch nicht Zehntausende Menschen in Thüringen, die sagen, ja, Mensch, mit den 150 Euro habe ich jetzt so viel Geld, da kaufe ich mir morgen ein neues Boot oder einen neuen Porsche. Ganz im Gegenteil, werte Kolleginnen und Kollegen.
Es gibt 3.500 Millionäre. Ob die ihre Kinder in Thüringen in den Kindergarten gebracht haben, das weiß ich nicht. Aber die Zahl, die wesentlich dramatischer ist, das sind die Menschen, die von Armut bedroht sind. Das sind die 81.000 alleinerziehenden Eltern, überwiegend Mütter. Für diese alleinerziehenden Eltern sind 150 Euro im Monat ein ganz schönes Pfund.
Die können dann nämlich auf einmal erklären, wie sie wieder einkaufen gehen können, wie sie wieder Klamotten für ihre Kinder kaufen können. Das wäre eine gerechte Verteilung der Lasten, und nicht für die Eltern, die es sich sowieso schon leisten können, für eine halbe Million Euro ein Haus zu kaufen.
Wir als Linke wollen den gesamten Kindergarten und die Kinderkrippe kostenfrei stellen. Das ist für uns eine gesamtdeutsche Verantwortung, nicht nur im Freistaat. Der Freistaat geht mit diesen drei gebührenfreien Jahren quasi in eine Art Vorleistung für die Familienförderung. Das ist richtig so, das ist gut so. So ein Gesetz braucht es, auch um Bildungsgerechtigkeit hier im Freistaat Thüringen herzustellen.
Herr Tischner, Sie haben unser Gesetz offensichtlich noch nicht gelesen. Sie hatten ja auch Ihren wirklich
ohne Stil – die Pressemitteilung war noch schlimmer –, vor unserer Pressekonferenz und bevor das Gesetz eingebracht worden ist abgesandt. Ich erzähle Ihnen mal zwei/drei Dinge, die noch in unserem Klassekindergartengesetz drinstehen: Und zwar werden wir zukünftig für unsere Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger – die haben ja eine Petition gestartet, dass sie im letzten Ausbildungsjahr kein Geld mehr bekommen – eine Lösung anbieten, und zwar, weil wir sagen: Ausbildung und Studentenpraktika werden zukünftig auch als mögliche Kosten über die Betriebskosten abrechenbar sein. Da schaffen wir in Thüringen einen Paradigmenwechsel.
Wir werden es schaffen, dass Menschen, die in der Ausbildung oder im Studium sind und das im Kindergarten absolvieren wollen, Geld für ihre Praktika erhalten. Das ist ein Paradigmenwechsel. Da gibt es auch eine negative Nuance, da bin ich ganz ehrlich und da bin ich gespannt auf die Anhörung, was uns die Praxis sagt. Aber das ist ein wirklich wesentlicher Fortschritt.
Zweitens – das haben Sie offensichtlich auch nicht gelesen, Herr Tischner –: Wir werden die Rechte unserer Eltern, insbesondere der Elternbeiräte, stärken, indem wir ihnen mehr sachliche Mittel an die Hand geben und indem wir eine transparentere Gestaltung für die Gemeinden, Kommunen und die Städte bei der Berechnung der Essensversorgung, der Essenspauschale und der Verpflegung fordern. Da gibt es nämlich einiges noch zu tun. Auch da geht unser Gesetz ran.
Abschließend werden wir auch die Rechte von Menschen mit Behinderung oder von Eltern, deren Kinder von Behinderung bedroht sind, stärken. Das steht zumindest in unserem Gesetz so drin und das ist eine ziemlich gute Sache, muss ich mal sagen.
Alles in allem ist unser Gesetz ein Stück, um dem Traum des Spitzenbildungslandes Thüringen näherzukommen, ein guter Weg. Alles, was Sie heute tun müssen, ist, unser Gesetz erstmal an den Bildungsausschuss zu überweisen und dann sind wir dieser Sache ein ganzes Stück näher. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste auf der Tribüne und am Livestream, irgendwie wiederholt sich doch alles wieder, man fühlt sich beinah wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wieder kommt pünktlich kurz vor der Wahl eine Novellierung des Kindergartengesetzes, wieder fordert man kurz vor der Wahl ein weiteres kostenfreies Kindergartenjahr und wieder tritt das Gesetz pünktlich wenige Wochen vor der nächsten Landtagswahl in Kraft. Offensichtlicher kann man Wahlgeschenke kaum noch verteilen.
Eigentlich hatte Rot-Rot-Grün ja nun vier Jahre Zeit gehabt, ihre Wahlversprechen eines weiteren kostenfreien Kindergartenjahres umzusetzen. Vier Jahre ist aber außer Ankündigung, dass die Novelle des Kindergartengesetzes in Arbeit ist, nicht viel passiert, wahrscheinlich, weil man genau wusste, dass es schwierig wird, dieses zu finanzieren. Nun kommt man damit ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl um die Ecke. Irgendwie erscheint es mir als eine reine Verzweiflungstat, wenn man sich die Wahlprognosen von Rot-Rot-Grün so anschaut.
Jetzt fehlt nur noch ein Antrag, der einen zusätzlichen Feiertag in Thüringen kurz vor der Wahl fordert und man ist wieder bei der alten Wahlkampfstrategie aus 2019. Für 2019 hatte diese Strategie aber nur
mäßigen Erfolg gehabt und 2024 wird sie noch weniger Erfolg haben, die Zeit von Rot-Rot-Grün ist einfach abgelaufen.
Die hier vorliegende Gesetzesänderung zum Kindergartengesetz besteht im Wesentlichen aus drei Hauptpunkten: Erstens soll das seit Langem von Rot‑Rot‑Grün angekündigte dritte beitragsfreie Kindergartenjahr kommen, zweitens sollen die Betreuungsschlüssel für Kinder von vier bis sechs Jahren in Kindergärten verbessert werden und drittens soll ein Zentrum für frühkindliche Bildung entstehen. An der Gesetzesnovelle zeigt sich aber wieder einmal, dass sich die Vorstellungen von Rot-Rot-Grün für die Betreuung von Kindern