Protokoll der Sitzung vom 03.11.2023

Traut den Unternehmern das zu, dass sie und ihre Kollegen nicht euch dafür brauchen, um vorzuschreiben, was verwendet wird. Das können die. Und dieses Lachen hier im Saal, damit es die Zuschauer draußen nur wissen: Das Lachen und Zwischenrufe kommen hier von der linken Seite. Die trauen den Unternehmern nichts zu, ich mache das. Insofern werden wir dieses Gesetz ablehnen. Danke schön.

(Beifall Gruppe der FDP)

Vielen Dank. Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Abgeordneter Schubert das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Hohen Haus und an den Bildschirmen, insbesondere aber lieber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insbesondere in den Unternehmen, die sich erfolgreich um Landesaufträge bewerben, es geht nämlich um die Zukunft Ihrer Arbeitsbedingungen ab dem 1. Januar nächsten Jahres. Bevor ich in meinen Text einsteige,

(Abg. Kemmerich)

Herr Kemmerich, kann ich es mir nicht verkneifen, weil Sie mit Filmanalogien gearbeitet haben, Ihnen zumindest auch eine zu erzählen: Wenn Sie hier am Rednerpult stehen, kommt es mir immer so vor wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

(Beifall DIE LINKE)

Sie sind das Duracell-Häschen der neoliberalen Think Tanks, die immer das Gleiche aufsagen: alle Gesetze abschaffen, die Arbeitnehmerinnen schützen wie das Ladenöffnungsgesetz, das Vergabegesetz. Das ist ein Konzept, das ist völlig aus der Zeit gefallen und ich glaube nicht, dass Sie damit nächstes Jahr groß reüssieren werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Verpflichtung der Politik, für fairen Wettbewerb zu sorgen, gerade auch bei Aufträgen, die mit Steuergeld bezahlt werden, war für Die Linke eine Grundmotivation für die Einführung des Thüringer Vergabegesetzes Ende 2019, genauso wie für dessen Fortentwicklung jetzt nach vier Jahren Praxiserfahrung. Der Markt allein regelt nur Angebot und Nachfrage. Die Politik setzt Rahmenbedingungen für soziale und ökologische Standards, und die sind dringend notwendig, wenn man nicht einer radikalen Marktlogik neoliberaler Akteure folgen will. Das will aber die FDP.

Dies belegen übrigens auch Wortmeldungen in der Anhörung. Die Zuschrift, zum Beispiel der Gewerkschaft EVG, hat die Konsequenzen von getroffenen Vergabeentscheidungen, die in der Vergangenheit einen Betreiberwechsel bei Mobilitätsanbietern herbeigeführt haben, beleuchtet. In der Zuschrift der EVG heißt es – ich zitiere –: „Die in den vergangenen Jahrzehnten durch Fehlen dieser Vorgaben ausgelösten materiellen Aufwände, menschlichen Verlusterfahrungen sowie die entstandenen psychischen, teilweise traumatischen Belastungen und bis ins Existenzielle hinein gehenden Ängste und Befürchtungen – wohlgemerkt sämtlich und einzig ausgelöst durch politisch und neoliberal-ideologisch geprägte Strategien und Vorgehensweisen – sind kaum zu ermessen und zeigen mit allem Nachdruck auf, dass auf eine solche verbindliche Vorgabe nicht verzichtet werden kann und darf.“ Soweit das Zitat aus der Zuschrift der EVG.

All die Sonntagsreden, die wir hier schon oft gehört haben zu einer besseren Bezahlung, zu mehr Tarifbindung und guter Arbeit insgesamt, sind nichts, aber auch gar nichts wert, wenn das Land als Auftraggeber dies nicht zur Bedingung für die Auftragsvergabe seiner Aufträge macht. Dies trifft genauso zu auf die dringend notwendige Transformation von Produkten und Dienstleistungen hin zu einer Klimaneutralität, möglichst ohne CO2-Fußabdruck, eben mit mehr Energieeffizienz, Ressourcenschonung, mit einer Berück

sichtigung des Lebenszyklus von Produkten bis hin zur Kreislaufwirtschaft und einer regionalen Lieferkette.

Wer, wenn nicht die öffentliche Hand, sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und bei diesen Fragen

steuernd in den Markt eingreifen? Am Ende wird sich dies insgesamt positiv auf den Wirtschaftsstandort Thüringen auswirken, weil er an Attraktivität gewinnt, nicht nur bei den so begehrten Fachkräften, sondern auch bei Firmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, also Firmen, die zukunftssichere Geschäftsmodelle verfolgen. Das Gegenteil davon ist eine Niedriglohnstrategie mit wenig Tarifbindung. Damit sind die CDU-geführten Landesregierungen aber gescheitert, konnte kein neues Wirtschaftswachstum generiert werden, weil wir eben in Thüringen mit den niedrigsten Löhnen bundesweit nicht an Attraktivität gewinnen.

Was haben wir nun als Kompromiss vorzuweisen? Wie immer bei Kompromissen ist es ein Ergebnis mit Licht und Schatten, aber mit der klaren Botschaft, das Thüringer Vergabegesetz wird nicht geschliffen, sondern weiterentwickelt. Das ist das Ergebnis eines mehrwöchigen Verhandlungsprozesses zwischen der Koalition und der CDU nach der Anhörung der beiden Gesetzentwürfe, die nach einem Gutachten des

Wirtschaftsministeriums hier zur Diskussion gestellt wurden. Soziale und ökologische Standards sind wie bisher Anwendungsgrundlage für Ausschreibungen und Vergaben. Beispiele für solche Parameter bleiben im Gesetz verankert genauso wie die pflichtige Tariftreue mit einem repräsentativen Mindestlohn bzw. die Anwendung eines vergabespezifischen Mindestlohns; dessen Dynamisierung wird jetzt neu geregelt. 1,50 Euro über dem bundesweiten Mindestlohn bedeutet mit Inkrafttreten des Gesetzes ab 1. Januar des kommenden Jahres 13,91 Euro und ab 2025 14,32 Euro pro Stunde für Aufträge des Landes, einschließlich der Universitäten und all ihrer Einrichtungen. Hier wären wir als Koalition gern mutiger gewesen – die Vorrednerinnen haben es schon erwähnt –, denn wenn es gute Gründe für einen vergabespezifischen Mindestlohn in Thüringen gibt, und den gibt es ganz offensichtlich – das ist ja selbst im Gutachten des Wirtschaftsministeriums nachzulesen –, dann stellt sich sofort die Frage, warum dies nicht für alle Aufträge des Landes einschließlich der Landesgesellschaften, der Körperschaften und Stiftungen gelten soll. Auch die kommunale Ebene ist für uns weiterhin ein Ziel für die pflichtige Anwendung der Tariftreue, denn hier werden große Auftragsvolumina generiert, die ebenfalls für den Arbeitsalltag vieler Thüringerinnen und Thüringer die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen verbessern könnten. Auch benannte Anzuhörende von Ihnen, liebe CDU-Fraktion, wie der Verband kommunaler Unternehmen, der VKU, hätten sich dies nach einer Übergangszeit für die Umstellung der Arbeitsprozesse gut vorstellen können. Damit würden wir für gerechte Löhne nicht nur bei öffentlichen Aufträgen auf Landesebene, sondern eben auch auf der kommunalen Ebene sorgen und Lohndumping verhindern. Auch die sogenannte Nachunternehmerhaftung bleibt erhalten, meint, auch Subunternehmen – Herr Kemmerich, vielleicht haben Sie es gar nicht verstanden – müssen die Vergabekriterien erfüllen, ansonsten drohen bei Verstößen Sanktionen. Die Anwendungswertgrenzen werden im Gegenzug um 50 Prozent erhöht. Auch mit Blick auf die Preisentwicklung ist dies zwar nicht abwegig, aber in dieser Höhe auch Bestandteil des Kompromisses. Wer diesen Kompromiss tatsächlich umfänglich bewerten möchte, ist aufgerufen, den jetzigen Gesetzentwurf zur Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes mit der zweiten Vorschlagsvariante der CDU und dem Gesetzentwurf der Koalition, also den Gesetzentwürfen, die in der Anhörung waren, zu vergleichen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist und bleibt eine der wenigen wirkungsvollen Stellschrauben, um wichtige Entwicklungsziele, gute Arbeit und mehr Nachhaltigkeit beim Ressourcen- und Energieeinsatz voranzutreiben, um den Markt zu steuern. Da kommt einem der Änderungsantrag der FDP wirklich nur wie ein kranker Scherz vor. Gegen das Gutachten, gegen die Anhörung wird jetzt auf reiner neoliberaler Ideologieschiene wieder gegen den vergabespezifischen Mindestlohn polemisiert, den Sie abschaffen wollen genauso wie das ganze Gesetz. Das versteht sich fast von selbst, dass wir diesen Änderungsantrag ablehnen werden.

Die Linke wird heute dem Kompromiss, der sich im CDU-Gesetzentwurf findet, zustimmen, weil er für uns ein verantwortbares Ergebnis repräsentiert, übrigens auch als Beleg, dass Demokraten auch bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen in unserem Land Kompromisse finden können, in Verantwortung vor der Zukunft

des Landes und seiner Einwohnerinnen und Einwohner. Bestandteil für diesen Kompromiss ist für uns die Sicherung von guter Arbeit und die Entwicklung hin zu Klimaneutralität, für ein solidarisches Thüringen, was wir als Koalition auch weiterhin demokratisch, sozial und ökologisch gestalten wollen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schubert. Bevor ich zum nächsten Aufruf komme, folgender Hinweis – auch wenn ich merke, dass es eigentlich allgemein bekannt sein müsste, aber trotzdem noch einmal der Ordnung halber –: Im Plenarsaal verteilt und elektronisch bereitgestellt wurden der Änderungsantrag der Parlamen

(Abg. Schubert)

tarischen Gruppe der FDP in der Drucksache 7/8997 in einer Neufassung und ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 7/9010. Und jetzt erteile ich für die CDU-Fraktion dem Abgeordneten Henkel das Wort.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuschauer, viele Vorredner haben jetzt gesprochen. Vieles wurde gesagt. Das Wichtigste aber wurde nicht gesagt. Was heute passiert, ist historisch in gewisser Form.

(Beifall CDU)

Denn in diesem Landtag wurden seit Jahren keine Gesetze mehr beschlossen, um die Bürokratie zurückdrängen, die das Leben der Menschen einfacher machen. Das passiert heute, das ist wichtig.

(Beifall CDU)

Und das reiht sich ein in das, was wir im letzten Landtag gemacht haben. Auch da ist etwas Historisches passiert. Da ist die CDU hergegangen und hat einen Antrag gestellt, um die Steuer zu senken. Auch das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Auch das war historisch, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Was ich aber sehr bedauere, ist die Art und Weise, wie damit von den anderen Fraktionen umgegangen wird. Im letzten Plenum haben wir uns verprügeln lassen von Rot-Rot-Grün, weil wir einen Gesetzentwurf als CDU eingebracht haben, dem dann auch die FDP und die AfD zugestimmt haben. Dieses Mal sind es die AfD und die FDP, die sagen, ihr seid aber gar nicht toll drauf, CDU, weil ihr macht da was zusammen mit Rot-Rot-Grün. Wissen Sie, mir ist das relativ egal, was die anderen Parteien zu dem Thema sagen oder wie sie uns kritisieren. Wichtig ist, dass wir gute Politik machen, Sachpolitik, die bei den Menschen ankommt und die den Menschen dient. Darum geht es nämlich.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Weltzien, DIE LINKE: Fangt erst mal damit an!)

Und um ehrlich zu sein: Was vor einigen Jahren hier geschaffen wurde beim Vergabegesetz, das war ein Bürokratiemonster. Das hat selbst die Evaluierung des Ministeriums hervorgebracht. Herr Möller sagte, ha, haben Sie schon mal Kontakt damit gehabt. Ich kann es Ihnen sagen. Ich war Bürgermeister, 13 Jahre Bürgermeister in meiner Heimatstadt. Wahrscheinlich bin ich einer der Wenigen hier in diesem Plenum, die überhaupt wissen, was Vergabegesetz in der praktischen Anwendung bedeutet.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und deshalb ist es … Ja, so ist es. Wer war denn von Ihnen in kommunaler Verantwortung? Na ja. Und deshalb ist es mir wichtig, zu betonen, dass das, was wir verhandelt haben, eine richtige gute Sache ist,

Entschuldigung, Herr Kollege.

(Vizepräsident Bergner)

weil wir an den richtigen Stellschrauben gedreht haben und darum geht es.

Meine Damen und Herren, Abgeordneter Henkel hat jetzt das Wort.

Ich möchte jetzt auch gar nicht weiter die Finger in die Wunde legen. Wichtig ist, dass wir hierhergehen und ein Gesetz auf den Weg bringen, mit dem Bürokratie zurückgedrängt wird. Das ist nämlich wichtig.

Schauen wir eine aktuelle bundesweite Statistik an. Die sagt: Von Mitte 2021 bis Mitte 2022 beliefen sich die Kosten für Bürokratie in Deutschland auf sage und schreibe 17 Milliarden Euro. Die Unternehmen berichten davon, dass 7 Prozent ihres Umsatzes für den bürokratischen Mehraufwand draufgehen. Das sind die Realitäten in Deutschland. Es wird immer wieder von Bürokratieabbau gesprochen, es passiert aber nichts. Die Realität ist eine andere. Es gibt immer mehr Bürokratie, immer mehr Vorgaben, immer mehr Kontrollpflichten. Damit muss doch endlich mal Schluss sein. Bürokratieabbau und schlanker Staat, das ist kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit. In Deutschland hat die Bürokratie ein Ausmaß erreicht, welches die Leistungsfähigkeit des Staates, der Bürger und der Wirtschaft mittlerweile massiv gefährdet. Ich möchte dazu ein Zitat eines Gießereibesitzers bringen. Der sagt: Bürokratie ist der größte Fachkräftedieb, den wir im Moment haben. – Das ist auch so. Durch neue Regeln werden immer mehr Fachkräfte gebunden, die eben nicht zum Wirtschaftswachstum beitragen können.

Und noch irrer ist, dass der Staat in den Wettbewerb, auf den Arbeitsmarkt tritt, weil er immer mehr Leute einstellen muss, welche die Bürokratie kontrollieren. Auch das ist der falsche Weg. So kann es nicht weitergehen.

Richtig ist, dass wir in Thüringen viele Dinge hier nicht regeln können, weil sie von Bundesebene oder von europäischer Ebene kommen.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Acht echt jetzt?)

Im Unterschwellenbereich des Vergabegesetzes haben wir aber die Möglichkeit, dies zu tun. Mit dem heute vorliegenden Entwurf zur Änderung des Vergabegesetzes wollen wir diese Chance nutzen, um Bürokratie abzubauen und um Verfahren zu erleichtern. Wir setzen ein klares Zeichen, dass bei Bürokratie nicht nur die eine Richtung zu beschreiten ist „immer mehr“, sondern dass es auch geht, Bürokratie abzubauen, wenn man es denn nur will. Darauf kommt es an. Das ist ein erster Schritt, den wir gehen.

Hauptziel der Änderung ist, dass wir Vereinfachung schaffen für die Vergabestellen, aber auch für die Bewerber, und dass wir dennoch die Rechtssicherheit in den Verfahren bewahren. Darauf kommt es an, sehr geehrte Damen und Herren. Das tun wir.

Die Dinge wurden ja genannt. Ich möchte auch noch mal kurz drauf abstellen. In § 1 Abs. 1 werden die Anwendungsgrenzen des Gesetzes erhöht. 50 Prozent höhere Anwendungsgrenzen bedeutet, dass viele Vergaben gar nicht mehr in das Thüringer Vergabegesetz fallen. Das ist schon mal ein wesentlicher Fortschritt. In § 1 Abs. 2 geht es weiter. Da werden die Mindestgrenzen für einzelne Vergabearten vorgegeben. Zukünftig kann das Ministerium – Frau Staatssekretärin ist da – die Grenze auch noch nach oben korrigieren. Das haben Sie während der Coronapandemie gemacht. Die Möglichkeit sollen Sie beibehalten,

weil wir damit gute Erfahrungen gemacht haben. Gehen Sie verantwortlich damit um und gehen Sie den Weg mit uns gemeinsam.

Wissen Sie, was bei dem Gesetz auch wichtig ist? Wichtig ist für uns, dass wir Rechtssicherheit haben und dass die Änderungen sehr schnell kommen. Da signalisiert das Ministerium, dass die Änderungen zum 01.01. in Kraft treten können. Was haben wir denn davon, wenn wir hier mit Brachialgewalt irgendwas durchsetzen, was letztlich dann nicht umgesetzt wird? Wichtig ist doch, dass es umgesetzt wird, dass die Erleichterungen für Unternehmen und für die öffentliche Hand möglichst schnell eintreten. Diese werden wohl zum 01.01. eintreten. Das ist ein ganz wesentlicher Erfolg.

(Beifall CDU)