Wir müssen endlich über gute Arbeit für alle reden, statt immer wieder über eine rassifizierte Unterwanderung des deutschen Arbeitsmarkts.
Lassen Sie mich zunächst noch auf die Prognosen der Fachkräftestudie 2035 der Thüringer Landesregierung eingehen. Die Bevölkerung wird bis 2035 von gegenwärtig 2,5 auf 1,9 Millionen absinken und gleichzeitig sinkt der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung. Vielen Arbeitsangeboten stehen also in den nächsten Jahren immer weniger Arbeits- und Fachkräfte gegenüber. Das ist nicht neu, aber es immer noch aktuell und es ist auch jetzt schon handlungsleitend für unsere Thüringer Landesregierung.
Dabei ist es einerseits erfreulich, dass in Thüringen bereits jetzt eine sehr hohe Erwerbsbeteiligung von 77,9 Prozent vorherrscht und dass der Anteil von erwerbstätigen Frauen mit 65,5 Prozent ebenfalls auf einem hohen Niveau und auf einem Spitzenplatz bundesweit liegt. Andererseits steht Thüringen eben auch vor der Aufgabe, den immer weiter steigenden Arbeits- und Fachkräftebedarf zu decken und dabei nicht allein auf inländische Potenziale zurückzugreifen. Mit unserem Alternativantrag der rot-rot-grünen Koalition,
der Arbeits- und Fachkräfteentwicklung im Freistaat Thüringen durch Schaffung guter Arbeit für alle gezielt zu begegnen, werden wir Maßnahmen vornehmen, die zu einer menschenfreundlichen und zu einer zukunftsfähigen Arbeitskultur beitragen. Gute Arbeit wird hierbei die Richtschnur sein, an der sich die einzelnen Maßnahmen ausrichten. Denn für eine nachhaltige Arbeit zur Fachkräftegewinnung muss allen Menschen in Thüringen ein gleichwertiger Zugang zu guter Arbeit, nicht nur zu irgendeiner Arbeit, ermöglicht werden.
Dieser Antrag betont also das Recht nicht nur auf Arbeit, sondern auf gute Arbeit, denn nur dadurch wird
die Attraktivität des Standorts Thüringen gestärkt und nur dadurch werden Arbeitnehmerinnen langfristig an den Freistaat Thüringen gebunden. Hier geht es nicht nur um die Schaffung guter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, es geht auch um die Erhöhung der Tarifbindung und die Verbesserung der Begleitstrukturen zur Aus- und Weiterbildung innerhalb der Betriebe. Und es geht darum, die durch die Fachkräftestrategie 2021 bis 2025 der Thüringer Allianz für Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung etablierten Maßnahmen konsequent umzusetzen und alle zuständigen Stellen des Landes einzubeziehen und – das sage ich natürlich vor der Haushaltsdebatte, die wir aktuell für 2024 führen – auch dafür zu sorgen, dass die erfolgreichen Landesarbeitsmarktprogramme weitergeführt werden.
Ein gezielter und praxis- und arbeitsplatzbezogener Unterricht in den Schulen kann ebenfalls dazu beitragen, die Attraktivität von Ausbildungsberufen zu steigern und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Außerdem wollen wir das Vorhaben „Faire Mobilität“ sowie „Faire Integration“ strukturell erhalten.
Die Aktivierung bereits vorhandener Potenziale, wie der Verbesserung der Arbeitsmarktintegration auch von Studienabbrecherinnen, der Förderung von Langzeitarbeitslosen sowie die Verbesserung der Nachqualifizierung von Personen, die bereits arbeiten, aber ohne Abschluss sind, wird durch eine Förderung von Zuwanderung und deren Unterstützung bei allen im Zusammenhang stehenden Belangen ergänzt. Ich verweise
hier wie so häufig auf die Handlungsempfehlung aus dem Maßnahmenkatalog der Enquetekommission aus der letzten Legislatur.
Über die Bundesebene wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Visa-Verfahren schneller durchgeführt und vor allem die Visa-Gebühren für Bürgerinnen von Drittstaaten reduziert werden. Das alles nur als Darstellung von verschiedenen Maßnahmen, denn der Freistaat Thüringen kann bei der Fach- und Arbeitskräftegewinnung und -bindung nur langfristig dann erfolgreich sein, wenn er gute Arbeit für alle ermöglicht und dazu eine sozial nachhaltige Strategie verfolgt, die Menschen nicht aus-, sondern einschließt. Über den dafür nötigen Struktur- und vor allem Spurwechsel haben wir bereits mehrfach ausgeführt und ich freue mich auf die Debatte. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Güngör. Jetzt noch die Frage: Wird das Wort zur Begründung zu dem Alternativantrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP gewünscht? Herr Kollege Montag, wird das Wort zur Begründung zu dem Alternativantrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP gewünscht?
Nein. Danke schön. Nur darauf wollte ich eine Antwort. Damit eröffne ich jetzt die Aussprache und erteile für die AfD-Fraktion dem Abgeordneten Aust das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, der demografische Wandel, seit Mitte der 90er-Jahre muss er dafür herhalten, für allermögliches Politikversagen wird er als Ausrede genommen. Dabei gibt es tatsächlich eine dramatische Auswirkung des demografischen Wandels, das ist nämlich dort, wo im ländlichen Raum Bevölkerung verloren geht, dort geht auch Kultur verloren. Jene, die Dialekte sprechen, jene, die Traditionen, Sitten und Gebräuche der ländlichen Gebiete aufrechterhalten. Das ist tatsächlich etwas Beklagenswertes am demografischen Wandel.
Aber der demografische Wandel kann nicht herangezogen werden, um den akuten Fachkräftemangel – jedenfalls in einzelnen Bereichen – zu erklären. Denn wir haben in diesem Land nicht zu wenig Leute, wir haben auch nicht zu wenig junge Leute, das, was wir haben, ist eine schlechte Bildungspolitik. Die jungen Leute werden nicht im ausreichenden Maße für die Aufgaben auf dem Arbeitsmarkt ausgebildet.
Ich möchte Ihnen dazu einige Zahlen, Daten und Fakten nennen, dass nicht der Geburtenrückgang dafür verantwortlich ist. Im Jahr 2013 hatte etwa jeder zehnte Schulabgänger keinen Schulabschluss, im Jahre 2023 war es ebenso. Wir konnten vor einigen Wochen und Monaten lesen, dass ebenfalls jeder Zehnte ohne Schulabschluss die Schule verlässt. Meine Damen und Herren, in diesem Bereich haben Sie nichts erreicht, obwohl Sie sich die Bildungspolitik angeblich so sehr auf die Fahnen geschrieben haben. Diese schlechte Bildungspolitik ist dafür verantwortlich, dass Fachkräftelücken gerissen werden.
Und das können wir auch an anderen Zahlen, Daten und Fakten ablesen. Wir haben 228.000 junge Leute, die sich bewerben um Ausbildungsplätze, die aber bundesweit dann keinen Ausbildungsplatz bekommen, weil sie entweder nicht ausbildungsfähig sind oder weil ihnen in ihrer Region keine Ausbildungsplätze in einem so ausreichenden Maße zur Verfügung stehen, dass alle auch versorgt werden können. In Thüringen betrifft das 6.000 junge Leute, die in den Übergangsbereich abgeschoben werden. 2 Millionen junge Leute haben in diesem Fall und auf diesem Weg und bei diesem Versagen der Bildungspolitik, 2 Millionen junge Leute im Alter zwischen 20 und 34 Jahren haben deshalb heute in Deutschland keine Berufsausbildung. Etwa 30.000 davon in Thüringen, wie eine Kleine Anfrage von mir ergeben hat.
Meine Damen und Herren, das ist der Punkt, warum wir Fachkräftemangel haben: Sie versagen in dem wichtigen Bereich, junge Leute auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Das ist der entscheidende Punkt. Ich möchte mal noch ein anderes Beispiel nennen, bevor ich auch noch zu anderen Aspekten komme. Ich möchte aber noch einen Moment bei der Bildungspolitik bleiben.
Beispiel Technisches Werken. Das steht in den Schulplänen, aber es gibt keinen oder kaum einen Bereich des Unterrichts, wo so viel Unterrichtsausfall zu beklagen ist, wie im Bereich Technisches Werken. Warum werden dadurch junge Leute betrogen? Weil junge Leute sehr unterschiedlich sind in ihren Talenten und Fähigkeiten, manche sind abstrakt und mathematisch begabt und manche brauchen das Stück Holz an den Händen, manche brauchen das Stück Metall an den Händen. Diese jungen Leute müssen in ihren Talenten gefördert werden, die brauchen diesen Werkunterricht, die brauchen das Technische Werken. Dass Sie es seit Jahren nicht hinbekommen, einen anständigen Unterricht in diesem Bereich hinzubekommen, ist ebenfalls ein Betrug an diesen jungen Menschen, die wir dann hinterher im Handwerksbereich dringend bräuchten.
Das ist einer der ganz wesentlichen Punkte, weswegen wir in der Bildungspolitik auch immer wieder darauf drängen, genau diese Aspekte sehr viel stärker in den Vordergrund zu stellen, weil wir wollen, dass die eigenen jungen Leute ihr Potenzial ausbilden können und dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, statt auf Masseneinwanderung zu setzen.
Damit sind wir bei dem Thema „Migration“ – aber nicht bei dem Thema, das wir üblicherweise hier besprechen, sondern einmal die andere Seite. Deutschland ist heute ein Fachkräfteauswanderungsland. 200.000 bis 300.000 Fachkräfte verlassen jedes Jahr die Bundesrepublik Deutschland, darunter Ärzte, darunter Handwerker, Ingenieure und Techniker. Das hat zum einen damit zu tun, dass wir mittlerweile nach Belgien die höchste Steuerlast der Welt für Alleinstehende haben, also jene Gruppe, die ganz besonders mobil sind und die wenig oder weniger gebunden sind, als jene, die bereits eine Familie gegründet haben. Da müssen wir ebenfalls ran. Wir müssen Steuersenkungen auf breiter Ebene ermöglichen, damit es sich lohnt, hier in
Deutschland zu bleiben, damit es sich lohnt, nach Deutschland zurückzukommen, damit es sich lohnt, in Deutschland zu arbeiten. Und dann haben wir auch keinen Fachkräftemangel in diesem Land zu beklagen – deswegen Steuersenkungen auf breiter Front, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Helmut Schmidt hat es 2016 bei „maischberger“ optimal zusammengefasst: Wenn die Wirtschaft Fachkräfte braucht, dann sollen sie die jungen Leute gefälligst anständig ausbilden. Ein Irrweg der Geschichte ist es, Masseneinwanderung von kulturfremden Zivilisationen bei uns zuzulassen.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So hat Helmut Schmidt das nicht gemeint! Sie sind ganz groß darin, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen!)
Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ein anderes Zitat, auch wenn es Ihnen nicht passt, Helmut Schmidt hat es schon vor einigen Jahrzehnten gesagt: Wer auf Masseneinwanderung setzt, der löst in diesem Land kein Problem, sondern der schafft zusätzliche dicke Probleme. Deswegen setzen wir auf die eigenen jungen Leute, Ihr seid unsere Zukunft, und darum werden wir uns nächstes Jahr nach der Landtagswahl auch kümmern. Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich will eins vorweg sagen: Ich bin froh, dass wir uns heute mit diesem Thema beschäftigen, weil es nicht nur zentral für den Wirtschaftsstandort, sondern auch wesentlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land und auch wesentlich für die Frage ist, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Da ist es einfach erforderlich, darüber zu sprechen, wie wir es schaffen, dass Menschen auch Arbeit haben, und Arbeit haben, von der sie tatsächlich auch gut leben können.
Ich will aber auch sagen, dass mich die Debatte, wie sie nicht nur hier im Parlament, sondern auch gesellschaftlich gerade geführt wird, mit Sorge erfüllt, weil gerade die negativen Debatten, die wir zu Geflüchteten hören, ein starkes Gefühl davon vermitteln, dass Menschen hier nicht gewollt sind, sondern eine Last sind, die Menschen in allererster Linie das Gefühl gibt, hier nicht herzugehören, und auch nicht vermittelt, dass sie ein Recht und einen Anspruch darauf haben, hier zu sein. Dies finde ich extrem schwierig und ich glaube, es ist unsere Verantwortung, genau das zu zeigen, dass Menschen, die hier leben, hier willkommen sind und ihnen auch Wege zu zeigen, wie sie hier im Arbeitsmarkt ankommen können, wenn sie in der Lage sind, genau das zu tun, weil es die Voraussetzung dafür ist, hier eben gut ankommen zu können. Gleichzeitig darf sich die Frage nicht stellen, dass die Person, die Schutz braucht, auch wenn sie nicht arbeiten kann, hier natürlich auch Schutz bekommen wird.
Zum Zweiten, finde ich, erlebt man in der Diskussion immer wieder, dass man den Eindruck hat, es gäbe einen Königsweg – an der einen Stelle wird dann gesagt, diese Maßnahme löst das Problem der Fachkräftesicherung. Ich finde, man erlebt das auch häufiger in der Frage der Migration. Auch die Frage der Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland allein wird das Problem, das wir am Arbeitsmarkt haben und das sich in den nächsten Jahren hier aufgrund der demografischen Entwicklung im Osten noch mal stärker als
im Westen abzeichnet, allein nicht lösen können – das zeigen alle Studien, das zeigt auch der Blick in die Statistik –, zumal man einfach eine Sache sagen muss, dass wir insbesondere das – und das müssen wir auch kritisch mit Blick auf unsere Unternehmen nicht nur in Thüringen sagen –, was dort jahrelang nicht angefasst wurde, nicht in kurzer Zeit aufheben werden können. Die Verantwortung für die Situation, in der wir jetzt sind, trägt eben nicht Politik allein, sondern die trägt auch die Wirtschaft in Thüringen dafür, wie sie sich eben über Jahre hinweg bestimmten Entwicklungen gegenüber auch nicht offen gezeigt hat.
Ich will insbesondere auf Unterschiede eingehen, die ich zwischen unserem Antrag, also dem Antrag der Koalition, und dem Antrag der CDU wahrgenommen habe. Die CDU hat einen sehr starken Fokus auf die Perspektive von Unternehmen und von Betrieben gelegt und sagt, was wir an Maßnahmen ergreifen müssen, mit denen wir Unternehmen unterstützen können, damit sie Fachkräfte integrieren können, wie auch immer. Bei uns ist der Fokus eher auf den Menschen, nämlich zu sagen, wie wir es eigentlich schaffen, Menschen zu unterstützen, den Weg in den Arbeitsmarkt zu gehen. Das ist was, wo wir insbesondere in Ostdeutschland und auch hier in Thüringen Erfahrungen aus den 90er- und 2000er-Jahren haben, also einer Zeit, in der wir schon mal mit einer relativ hohen Arbeitslosigkeit konfrontiert waren und auch mit insbesondere damals jungen Menschen, die eben Schwierigkeiten hatten, den Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. Ich will einige der Maßnahmen – kurz zumindest – ansprechen, die aus unserer Sicht geeignet sind, genau mit dem Problem umzugehen. Das eine ist eine dauerhafte Sicherung der Projekte „Faire Mobilität“ und „Faire Integration“. Zum anderen brauchen wir für zum Beispiel Menschen, die ihr Studium abbrechen, Perspektiven und Wege in eine Ausbildung, in eine berufliche Ausbildung möglicherweise, und perspektivisch auch in den Arbeitsmarkt. Uns ist die Umsetzung der Maßnahmen der Enquete „Rassismus“ wichtig, an der wir in der letzten Legislatur sehr intensiv gearbeitet haben, aber auch die Stärkung der Qualifizierungsmöglichkeiten junger Menschen ausländischer Herkunft. Das sind nur einige Beispiele, die wir in dem Antrag aufgegriffen haben.
Ich freue mich darauf, dass wir den Antrag im Ausschuss weiter diskutieren können, sowohl den als auch den der CDU. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer, ich freue mich, dass wir auch noch Besucher haben um die doch schon fortgeschrittene Stunde am Freitag.